Purvītis (Purvit, Purvits, Purwitt), Vilhelms (Wilhelm Karl; Vilhelms Kārlis; Vasilij Jurgisovič; Vil'gelm-Karl Egorovič; Vil'gelm Karlis Jugisovič; Basile), lettischer Maler, Grafiker, Pädagoge, Kulturschaffender *20.2.(3.3.)1872 Jauži bei Cēsis (Riga), †14.1.1945 Bad Nauheim.
Purvītis, Vilhelms
1887-88 ließ sich die Fam. in Drissa (Vitebsker Gouv.) nieder. Dort bekam P. seinen ersten Zeichenunterricht bei dem ehem. Studenten der Petersburger AK Karl Schmidt. Auf dessen Anraten ging P. nach St. Petersburg. Stud.: 1890-97 AK St. Petersburg bei Archip Ivanovič Kuindži. P. zeigte Interesse für die holl. Lsch.-Malerei. Ausz.: Große Gold-Med. und Auslands-Stip. der AK; P. erhielt zahlr. Orden und Ausz., u.a. den frz. Orden Legion d'Honneur, das lettische Großkreuz des Verdienstkreuzes, den schwed. Nordstern-Orden (2. Kl.), den norweg. Sankt-Olav-Orden (2. Kl.), den finnischen Orden der Weißen Rose (2. Kl.). Als Stipendiat der AK besuchte P. Berlin, München, Dresden, Düsseldorf, Wien, Paris und Rom. Mitgl.: Vrg Mir iskusstva/Welt der Kunst (regelmäßige Ausst.-Beteiligung ab 1899); 1892-97 Vrg Rūķis; 1899-1911 KV Riga; 1913 AK St. Petersburg und ab 1934 Ehren-Mitgl. der Lettischen AK. 1899 kehrte P. nach Riga zurück und machte in Lettland eine glänzende Karriere sowohl als Künstler als auch als Verwalter und bekleidete hohe Staatsämter. Internat. Bekanntheit erlangte er auf der WA 1900 in Paris, wo ihm sein Bild Poslednie luči (Öl/Lw., 1897-98) eine Bronze-Med. einbrachte. 1901 erhielt er für Martovskij sneg (Öl/Lw., ca. 1900) auf der Intenat. Ausst. in München eine Med. 2. Kl. und ein Ehrendiplom. Seine Bilder hatten Erfolg beim Publikum und bei Kritikern in Berlin, Lyon und Paris (Zimnij pejzaž, 1898; Poslednij sneg, 1898; Martovskoe solnce, ca. 1900; alle Öl/Lw.). P. entwickelte eine originelle künstlerische Handschrift, die sowohl der russ. als auch der west-europ. Kunst-Trad. verpflichtet ist. Seine frühen Werke, Stimmungs-Lsch. en plain air, zeigen Einflüsse von Kuindži, Fedor Aleksandrovič Vasil'ev, Isaak Il'ič Levitan. Er malte in dieser Zeit lyrische Lsch. in verhaltenen, gedämpften Farben (Sumerki, 1893; Osennij pejzaž, 1898; Rannjaja vesna, 1899; alle Öl/Lw.), die in der Trad. der russ. realistischen Lsch.-Schule stehen. Zu Beginn des 20. Jh. wandte sich P. dem Impressionismus zu. Mit kleinen Pinselstrichen kontrastreicher, kalter und warmer Töne setzte er ein Farbmosaik zus. (Utro v Revele, Öl/Karton, 1906-09; Ėstonskoe vzmor'e, Öl/Lw., 1908), erzeugte ein impressionistisches Lichtspiel. Zunehmend begannen in P.s Bildern leuchtende Farben und die Dynamik der Oberflächenbeschaffenheit eine wichtige Rolle zu spielen. Um die Besonderheiten der visuellen Wahrnehmung von Schnee untersuchen zu können, unternahm P. 1902 seine erste Reise nach Norwegen, Island und auf Spitzbergen, um dort die Lichteffekte zu studieren (Norvežskij pejzaž, Öl/Lw., 1909). Ab 1905 machte sich bei P. der Einfluss des nördlichen Jugendstils bemerkbar. In der Ausdrucksweise dominierten Farbe und koloristische Effekte (Panorama Revelja, Öl/Karton/Lw., ca. 1907; Osennee solnce, Öl/Lw., ca. 1909). In den Lsch. verstärkten sich dekorative Tendenzen des Jugendstils und flächenhafte Komp. (Lunnaja noč', Öl/Karton, ca. 1909). Nach den revolutionären Unruhen von 1905 und einem Konflikt mit der radikal orientierten lett. Akademikerschicht ließ sich P. in Revel' nieder und arbeitete dort 1906-09 als Zeichenlehrer. Nach einer Reise durch Europa 1909 kehrte P. nach Riga zurück und wurde Dir. der Rigaer KSch (bis 1915). Seine Tätigkeit dort führte zu entscheidenden Veränderungen im System der Kunst-Ausb. in Lettland. Seine Arbeit an der Neu-Gest. der Lehrprogramme förderte die Entstehung von neuen KSch nicht nur in Lettland, sondern auch in der gesamten baltischen Region. Hauptelement von P.s System war die Entfaltung des malerischen Sehens seiner Schüler. In dieser Zeit plante er auch die Gründung einer KHS in Riga, doch der 1. WK verhinderte die Verwirklichung des Projektes. In den 1910er Jahren entstanden großformatige dramatische Lsch., die als Symbol seiner Heimat zu verstehen sind. In seiner reifen Schaffensphase malte P. Lsch. mit einem weiten Horizont, in denen die lett. Natur Wiederhall fand. Die Wirkung seiner Bilder bestimmten jetzt nicht nur die Farben, sondern auch strenge, tektonisch aufgebaute Komp.; es entstanden zahlr. Herbst- und Winter-Lsch. (Pejzaž s berëzami, Öl/Lw., ca. 1910; Zima, Öl/Karton, 1910; Vesennie vody. Maestoso, Öl/Lw., ca. 1910). 1917-18 lebte und arbeitete P. in Norwegen. 1919 gründete er auf der Basis der Rigaer KSch die Lettische AK, wurde 1919-34 ihr Rektor und leitete dort bis 1944 das Atelier für Lsch.-Malerei. 1919-44 war P. auch als Prof. an der Fak. für Archit. der Lettischen Univ. tätig. Nat. Themen und der für die baltische Region innovative Char. seiner Malerei zogen viele Schüler und Mitstreiter (Jānis Roberts Tilbergs, Konstantins Rončevskis) und Anhänger wie Voldemārs Zeltinş an. Zu seinen Schülern gehörte A. des 20. Jh. auch Alfred Rosenberg (1893-1946). 1919 wurde P. zum Dir. des Rigaer KM berufen und bekleidete diesen Posten bis 1940 und ab 1941-44. Sein Ansehen und seine kuratorische Tätigkeit machten zahlr. Ausst. lettischer Kunst in Skandinavien und in and. Ländern Westeuropas möglich. Parallel dazu wurden im KM regelmäßig Ausst. ausländischer Kunst durchgeführt (angefangen 1926 mit einer estnischen Ausst. bis hin zu einer Ausst. zeitgen. frz. Malerei 1939). In den 1920er Jahren machte sich in P.s Schaffen eine Wende zum Neoklassizismus bemerkbar. Die Motive seiner Lsch. wurden einer stärkeren Verallgemeinerung unterworfen, viel Aufmerksamkeit widmete er dem Linienrhythmus, dem Kontrast zw. dunklen und hellen Farbflecken. Die Farbigkeit der Bilder hellte sich auf, die Farbschicht wurde pastoser; ein Nachhall des Expressionismus (Večernee solnce, Öl/Lw., 1920er Jahre) wurde deutlich. In den 1920er-30er Jahren wurde in P.s Schaffen der Einfluss von west-europ. Malerei, insb. von Paul Cézanne und belg. Jugendstil, immer spürbarer. Trotzdem bewahrte P. seinen eig., dem Realismus verpflichteten Malstil. Das belegen die auf Naturbeobachtungen gründenden Lsch. (Vesennij pejzaž. Mart, Öl/Lw., 1930er Jahre). Er experimentierte mit einer dynamischen Farbschichtstruktur, mit kräftigen, offenen Pinselstrichen (Rannjaja vesna, 1930; Vesna. Pora cvetenija, ca. 1934; Most, 1930er Jahre; alle Öl/Lw.). Das Themenspektrum seiner Bilder erweiterte sich: Auf den Gem. erschienen städt. Straßen, Datschenhäuser, Ferienorte, Segelboote und Anlegestellen (Na reke Lielupe, ca. 1924; Gorodskie okrainy, E. der 1920er Jahre, beide Öl/Lw.). In seiner letzten Schaffensperiode beschäftigte sich P. mit Grafik, einschl. Buchgrafik (Jānis Rainis Čūsku vārdi, Rigā 1920). 1942 fand in Riga anlässlich von P.s 70. Geburtstag eine große Einzel-Ausst. statt. 1944 emigrierte P. aus Furcht vor Repressionen durch die anrückende Sowjetarmee nach Deutschland. Ein Großteil seiner Bilder verschwand während des Krieges spurlos. Erh. geblieben sind etwa 200 seiner Werke. - P. gilt als der bekannteste lettische Maler und gehört internat. zu den bedeutendsten Lsch.-Malern seiner Zeit.
Einzelausstellungen:
Riga: 1898 KV (zus. mit Jānis Valters); 1921, '53, '72, 2001 Nat. KM (K) / St. Petersburg: 1900, s.l. (zus. mit Janis Rozentāls); 1962 Russ. Mus. (K) / 1918 Oslo, NG / 2000 Moskau, Tret'jakov-Gal. / 2012 Minsk, Nat. KM. -
Gruppenausstellungen:
Riga: 1896 Ethnogr. Mus.: Ethnogr. vystavka po slučaju X. archaeol. s''ezda; 1941 Nat. KM: Vystavka izobrazitel'nogo isk. Latvijskoj SSR / St. Petersburg: 1897, '99, 1900 AK: Jahres-Ausst. (K); 1898 Štiglic-Mus.: Vystavka russ. i finljandskich chudožnikov (K) / 1939 Paris, Mus. du Jeu de Paume: Lettische Kunst-Ausst. / 1901 Wien: Secession (K) / 1909 München, Glas-Pal.: Internat. Kunst-Ausst. (K).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB27, 1933; Vo3, 1956
Weitere Lexika:
KChE II, 1965; DA XXV, 1996; MAB II, 1996; Bown, 1998.
Gedruckte Nachweise:
R.v.Engelhardt, Heimatstimmen 1912(5)184-200; Kat. vystavki latyšskich chudožnikov, Petrograd 1915; N.K. Rerich, Zelta Grāmata, Riga 1938; L.Liberts, Laiks 1946(4)79-97; O.Saldavs, V.P., Riga 1958; T.A. Kačalova, P. i ego škola, Diss., Riga 1966; G.Ju. Sternin, Chudožestvennaja žizn' Rossii na rubeže 19-20 veka, Mo. 1970; T.Kačalova, V.P. Riga 1971; J.Siliņš, Latvijas māksla, Sth. 1980; P.Savickis, V.P., Riga 1989; T.A. Kačalova, Razvitie latyšskoj sovetskoj pejzažnoj živopisi, Le. 1989; M.Krūmiņš, Latvju Māksla, 1989(15)1464-1477; A.Rosenberg, Letzte Aufzeichnungen, Uelzen 1996; A.Braslin̦a, V.P., Riga 2000; J.Kalnačs, in: V.Sarapik u.a. (Ed.), Koht ja paik, II, Tallin 2002; G.Gercharde-Upeniece, Bjulleten' muzeja M.Šagala 2009(16-17)41-45; E.Kļaviņš, V.P., Riga 2014; id., Tret'jakovskaja Galereja 60:2018(3).
Purvitis, Vilhelms, lettischerLandschaftsmaler, *3. 3. 1872 in der Saubeschen Gemeinde (Jürgensburg) in Livland. Stud. 1890/97 an der St. Petersburger Akad., erhielt den Rompreis u. besuchte 1898 Berlin, Dresden, Düsseldorf, Paris u. Wien. Bereiste später auch N.- Italien, die Schweiz, Schweden, Norwegen, Schottland, Island, Spitzbergen, England u. Belgien. 1909-16 Direktor der Städt. Kunstschule in Riga. Seit 1919 Rektor der Lettl. Akad. d. Künste u. Leiter d. Klasse f. Landschaftsmalerei ebda, Direktor d. Städt. Museums u. Professor d. Lettl. Universität. 1913 Mitgl. d. St. Petersb. Akad. Bahnbrecher des Impressionismus in Lettland. - Bilderin: Lettl. Staatl. Kunstmus. Riga, Städt. Kunstmus. ebda (auch 3 Fresken), Kurländ. Provinzialmus. Jelgava (Mitau), Staat]. Kunstmus. Tallinn (Reval), Nat.-Mus. Stockholm, Russ. Mus. Leningrad, Mus. d. Akad. d. Künste ebda, Tretjakoff-Gal. Moskau. Lit.: S. Kondakoff, Jubil.-Handb. d. St. Petersb. Kstakad. 1764-1914, o. J., II (russ.). - S. Isakoff, D. Kais. Kstakad., St. Petersb., 1 (1915) m. Abb. (russ.). - W. Neumann, Balt. Maler u. Bildh. des 19. Jh., Riga 1902; ders., Beschr. Verz. d. Gemälde d. verein. Samml. d. Stadt Riga, 1906; ders., Lex. balt. Kstler, Riga 1908. - A. Benois, Gesch. d. russ. Mal. im 19. Jh., St. Petersb. 1902 (russ.). - R. v. Engelhardt, W. P., in: Heimatstimmen, 5 (Riga 1912) m. Abb. - L. Mather, Balten-Maler im Rig. Städt. Kunstmus., Mitau 1918. - Kat. Livland-Estland Ausst., Berlin 1918. - Konwersazijas Wahrdniza, 3 (Riga 1911) 3337. - R. Suta, 60 Jahre lett. Kunst, Lpzg 1923. - J. Dombrovskis, Latvju mäksla, Riga 1925. - Grämata par grämatu, 1 (Riga 1925). - L'art letton, Riga 1926. - B. Vippers, Latvju mäksla, Riga 1927. - H. Kjellin, Lettlands moderna mäleri, Lund 1930; ders., LatvieSu mäksla, Riga 1932. - Vadonis pa Latv. Valsts mákslas muzeju, Riga 1926. - V. Pengerots, Rigas pilsétas mäkslas muzejs, Riga 1931. - J. Silint, Contemp.I.atvian Art, Kopenh. 1932. - A. Springer, Handb. d. Kstgesch., 5 (1920). - Die Kunst, 5 (- Kst f. Alle, 17), 1902 p. 60 (Abb.). - Mir Iskustwa, 1899/II 102 (Abb.); 1900/I 153 (Abb.). - The Studio, 33 (1905) 285/90 (m. 11 Abb.). - Bild. Kst i. d. Ostseeprov., Riga 1907/13, I (17 Abb.); II (8 Abb.); III (7 Abb.); 1V (9 Abb.); V (5 Abb.); VI (4 Abb.); VII (2 Abb.). - Jahrb. d. bild. Kst, 8 (1926) 5 Abb. - Ver Sacrum, 5 (1902) 30 (Abb.), 44 (Abb.). - Balt. Monatsschr., 59 (1905) Heft 2. - Wehrotajs, Nr 1 u. 5 (1903/04); Nr 9 (1905). - Druwa, 1914, Nr 5 (m. Abb.). - Plamja (Leningrad), Nr 62 (1919). - Illustréts 2urnäls (Riga), Nr 2, 1921; Nr 12, 1925 (m. 31 Abb.). - Pereswony, Riga, Nr 18, 1926 (m. 19 Abb.). - V. Pengerots, Die darstell. Kst d. Neuzeit i. Lettl., in: Diplomatenzeitg (Berlin), Heft 40. - Vecko Journalen (Stockh.), Nr 47, 1927.Tidskrift f. konstvetenskap, 14 (1930) 90f.- Völker-Magazin (Berlin), Okt. 1928. - Kat. E. A. Seemanns farb. Gem.-Wiedergaben, Lpzg 1923.
Purvitis, Vilhelms, sowjet.-lett. Landschaftsmaler (Prof.), *3. 3. 1872 Jürgensburg, Livland, 1. 1945 im Ausland. Stud. 1890/97 an d. Petersb. Akad. Mit Rompreis 1898 in Deutschland, Paris u. Wien, bereiste später auch Italien, die Schweiz, Skandinavien, England u. Belgien. 1906/16 Direktor d. Städt. Kstschule in Riga. Seit 1919 Rektor der Lett. Akad. d. Kste u. Leiter d. Klasse für Landschaftsmalerei ebda. Direktor des Städt. Mus. u. Prof. an der Lett. Universität. Bahnbrecher des Impressionismus in Lettland. Vertreten im Staatl. Kstmus. in Riga, im Städt. Kstmus. ebda, im Mus. in Jelgava (Mitau), im Staatl. Kstmus. in Tallinn (Reval), im Nat.-Mus. in Stockholm. im Russ. Mus. in Leningrad u. in d. Staatl. Tretjakoff-Gal. in Moskau. Lit.: Th.-B.,27 (1933).- Latvieki Konvers. Värdnica, 10 (1933/34) Abb. geg. Sp. 20111/12; 17 (1938), m. Fotobildn u. 7 [2 farb.] Abbn. - Tidskr. f. Konstvetenskap, 14 (1930) 0f. - Kat. d. Ausst. Lett. Kst i. d. Fremde, Schaezler-Palais Augsburg 1948.- bild. kst (Berlin), 1(1947) 11. 7, p. 6.