Balla, Giacomo

Balla, Giacomo, ital. Maler, Bildhauer, Bühnenbildner, Designer, *18.7.1871 Turin, †1.3.1958 Rom.

Gibt nach dem Tod des Vaters das Stud. auf; Arbeit in einer lithograph. Werkstatt; widmet sich autodidakt. der Malerei und besucht eine Abendschule für Zeichnen. Verläßt 1891 nach nur zweimonatigem Stud. die Accad. Albertina Turin, wo er wichtige Freundschaften mit Romolo Bernardi und Pilade Bertieri schließt und über diese den Kontakt mit Giuseppe Pellizza da Volpedo aufnimmt. Aus seiner ersten Ausst.-Erfahrung (Soc. Promotrice di BA, wo er mit einem kleinen Aqu. beteiligt ist) geht der 20jährige tief enttäuscht hervor und lehnt für mehrere Jahre jedes Ausst.-Angebot ab; trotzdem intensive Weiterarbeit, bes. an Landschaften nach der Natur, Portr. und Karikaturen. 1895 Übersiedlung nach Rom mit der Mutter. 1900 Aufenthalt in Paris bei Serafino Macchiati, um Ill. für den Verlag Lamèrre auszuführen. Der Besuch der Welt-Ausst. im Grand Palais, die Teiln. an der Quadrienn. in Turin 1902 und an der Bienn. in Venedig 1903 regen das künstler. Schaffen an. Im Atelier an der Porta Pinciana, Treffpunkt u.a. auch für die jungen Maler Umberto Boccioni und Gino Severini, entstehen die großen Kompositionen Il lavoro, Fallimento, La giornata del operaio und der Zyklus der Viventi mit Il mendicante, I malati, Il contadino, La pazza (1905). 1909 veröff. der Dichter Fillippo Tommaso Marinetti im Figaro seine Thesen über den lit. Futurismus, und B. findet seine eigenen Ideen darin unmittelbar bestätigt. Er verfaßt 1910 zus. mit U.Boccioni, C.Carrà, G.Severini und L.Russolo das "Manifesto dei pittori futuristi" und das "Manifesto tecnico della pittura futurista". B. schließt zunächst die Arbeit an einem Zyklus von Lehrgemälden mit deutl. sozialem Engagement ab (Portr. Tolstojs), die in einem von ihm selbst und Duilio Cambelotti enworfenen Pavillon auf der internat. Landwirtschaftsmesse in Rom 1910 ausgestellt werden, um schließlich 1912 den endgültigen Übertritt zu den Futuristen zu vollziehen: aus "fu-Balla" wird "futur-Balla" mit den drei grundlegenden Gem. Dinamismo di un cane al guinzaglio, Bambina che corre sul balcone und La mano del violinista. 1912 Aufenthalt in Düsseldorf, um im Haus Löwenstein einige Räume auszustatten. Dort entsteht die Serie der Compenetrazioni iridescenti. Eine 1914 erlebte Teilsonnenfinsternis wird in Mercurio che passa davanti al sole verarbeitet. B. setzt sich 1915 für den Kriegsbeitritt Italiens ein und malt die sogen. patriot. Bilder, z.B. Bandiere all'altare della patria. Im gleichen Jahr unterzeichnet er zus. mit Fortunato Depero das "Manifesto della ricostruzione futurista dell'universo", in welchem drei seiner heute verlorenen Complessi plastici abgebildet sind. 1926 Teiln. an der Bienn. in Venedig, wo erstmals eine futurist. Sektion vertreten ist, E rotto l'incato, Numeri innamorati. 1929 verfassen B., F.Depero und G.Prampolini das "Manifesto dell'aeropittura". Danach wendet sich B. von den Futuristen ab, 1937 kommt es zum endgültigen Bruch. - Schon in den frühen röm. Werken zeigt sich am kurzen unregelmäßigen Pinselstrich und an der unruhigen Lichtführung B.s Nähe zum Divisionismus, den er nach seiner Pariser Begegnung mit den Werken der Impressionisten und Neoimpressionisten, Klimts, der Symbolisten und Divisionisten weiterentwickelt unter dem bes. starken Eindruck von G.Segantinis Triptychon Vita/Natura/Morte und A.Morbellis L'ospizio trivulzio. Mit divisionist. Mitteln arbeitet B. an der visuellen Beschreibung mod. Stadtlandschaften aus der Peripherie und an Portr. mit nahezu wiss. Darst. der menschl. Natur, sowohl in ihrer Größe als auch in ihrer Erniedrigung (z.B. Il mendicante; I malati). Nach dieser Phase des sozialen Engagements und der humanitären Themen wendet sich B. in zahlr. Bildern zum Thema Villa Borghese mit ihren schattigen Alleen, Statuen, fernen Kuppeln einem betonten Lyrismus zu, in welchem anstelle der Beschreibung der Landschaft die Suggestion in den Vordergrund tritt und durch die wahrnehmende Addition der zerlegten Farben und aufgelockerten Formen Ergriffenheit und innere Anteilnahme vermittelt wird. Die Hinwendung zum Futurismus beginnt 1909 mit Lampada ad arco, wo B. das elektr. Licht, Symbol des Fortschritts und der Modernität, als Ursprung von Bewegung und Energie zum Gegenstand der Analyse und der chromat. Zerlegung macht. Sie wird endgültig vollzogen mit einer Serie von Zchngn über das fahrende Automobil, d.h. mit der Thematisierung von Geschwindigkeit und Bewegung. In Dinamismo di una cane al guinzaglio, Bambina che corre sul balcone und La mano del violinista übersetzt B. die Thesen des "Manifesto tecnico della pittura futurista" ins Sichtbare, wobei ein direkter Bezug zu den Chromofotografien von Jules-Etienne Marey und Edward Muybridge sowie zu den fotodynam. Experimenten von Anton Giulio Bragaglia unverkennbar ist. B. entwickelt das Motiv des Schwalbenflugs, an dem die Gleichzeitigkeit von Bewegung und die Vereinigung versch. Erlebnisphasen erreicht werden kann: die ruckartigen Bewegungen der Tiere, die Flugbahn ihrer Körper und die feste Umgebung - Dachrinne, Terrasse - verschwimmen ineinander. Die in Düsseldorf beg. experimentelle Reihe über das Spektrum des Regenbogens, seine Zerlegung in Strahlen und deren gegenseitige Durchdringung, entwickelt sich weiter in Richtung geometr. Abstraktion und abstrakte Malerei. In Velocita'Automobile - luci - rumori (1913) wird das Thema des fahrenden Autos über jeden figurativen Bezug hinaus behandelt: in kurzen Abständen wiederholte Dreiecke, Kreise, Spiralen durchlaufen einen dynam. Raum in versch. Richtungen, von Hell-Dunkel-Effekten belebt. Zwischenzeitl. wendet sich B. der Skulpt. und den angew. Künsten zu. Er stellt grell-bunte Teppiche, Vasen, Lampen etc. her, riesige Pflanzen aus bunt bemaltem Holz und entwirft leuchtend bunte Jacken, Hemden, Hosen, Krawatten. Mit seinen Complessi plastici, Objekten aus Pappe, Stoff, Staniol, Draht, Spiegeln und farbigem Glas kann B. den Begründern der europ. abstrakten Bildhauerei zugerechnet werden, indem er die Montagen des Dadaismus und die konstruktivist. Lösungen von V.Tatlin und N.Gabo vorwegnimmt. Die Erfahrungen aus diesem Bereich übertragen sich auf die maler. Ebene und führen dort zu einer mehr plast. Synthese von Form und Farbe, ebenso wie die Bühnenerfahrung mit Strawinskys "Feuervogel", bes. die Konstruktion eines fixen Raumes, der gemäß den Lichtveränderungen ständig wechselnde Suggestionen ermöglicht, in Linee forze di paesaggio (1918) weiterentwickelt wird. B. variiert hier das konstante Kompositionsschema der Verbindung von geometr. Kegeln, Halbkugeln, Pyramidenformen durch abgestufte Farb- und Transparenzeffekte. In E rotto l'incanto und Numeri innamorati (1926) schließt B. die Verwendung linguist. Zeichen in der Malerei ab und entfernt sich allmählich vom Futurismus, um zu einer traditionellen Gegenständlichkeit und zur verist. Darst. der Themen seiner Jugend zurückzukehren.

Amsterdam, Sted. Mus.: Auto in corsa, Velocita astratta, 1913. Birmingham, Coll. Winston: Il lavoro, 1903; Salutando, 1909/10. Buffalo, Albright-Knox Art Gall.: Cane al guinzaglio, 1912. London, Coll. Estorick: Ritmi dell'archetto, 1912. Mailand, Civ. Gall. d'Arte Mod.: Seduta al Pincio (La fidanzata), 1902-03; Bambina che corre sul balcone, 1912; Compenetrazione iridescente N.13, 1912; Velocità d'automobile, 1913. - Coll. Mattioli: Linee andamentali - successioni dinamiche, 1913; Mercurio passa devanti al sole, 1914; Trasformazione forme spiriti, 1917-18. New York, Mus. of Mod. Art: Lampada ad arco, 1909-12; Linee andamentali - successioni dinamiche (Volo di rondini), 1913. Rom, Gall. Naz. d'Arte Mod.: La madre, 1901; Ritratto all'aperto (Leonilde Imperatori), 1902-02; Nello specchio, 1903; Affetti, 1910; Villa Borghese Parco dei Diani, 1910; Espansione dinamica - Velocità, 1913; Forme grido Viva d'Italia, 1915; Insidie di guerra, 1915. - Coll. Cosmelli: Fallimento, 1902. - Accad. Naz. di S.Luca: Il contadino, 1903. Stuttgart, Staatsgal.: Plasticità di luci - velocità, 1913. Stockholm, Mod. Mus.: Velocità d'automobile - luce, 1913. Trapani, Mus. Regionale Agostino Pepoli. Turin, Gall. Civ. d'Arte Mod.: Compenetrazioni iridescenti nn. 7, 10, 11, 1912-14. Venedig, Coll. Peggy Guggenheim: Velocità astratta - rumore, 1913-14. Zürich, Kunsthaus: Velocità d'automobile - luci - rumore, 1913-14. Mailand, Mus. Teatrale alla Scala: Entwürfe zur Macchina tipografica, Collage, Tinte, Bleistift, 1914; Skizzen zu Primavera, Aqu., 1916; Entwürfe zum Feuervogel, Tempera, 1917.

Manifesto dei pittori futurista, Mi. 1910; La pitt. futurista - Manifesto tecnico, Mi. 1910; Gli espositori al pubblico, P./Fi.1912/13; Il vestito antineutrale, Mi. 1914; Ricostruzione futurista dell'Universo, Mi. 1915; FuBalla - Balla futurista, R.1915; La cinematografia futurista, Mi. 1916; Manifesto del colore, R.1918; L'aeropittura, T.1929.