Kuroda Seiki (Kuroda Shintarô; Kiyoteru; Gô: Seiki), *9.8.1866 Takamibaba/Kagoshima, †15.7.1924 Tokio, jap. Maler, Kunsterzieher, Politiker.
Kuroda, Seiki
Ältester Sohn des Kuroda Kiyokane, ein Samurai in den Diensten des Fürsten von Shimazu. K. wird als Baby von seinem Onkel, dem politisch erfolgreichen Baron Kuroda Kiyotsuna (1830-1917) adoptiert und wächst bei ihm in Tokio in wohlhabenden Verhältnissen auf. Bereits als Jugendlicher erhält K. Unterricht in Tuschemalerei; ab 1878 unterrichtet Hosoda Shûji ihn in westlichen Maltechniken (Zeichnen, Wasserfarben). Er besucht Schulen für engl. und frz. Sprache (mit 17 Jahren) als Voraussetzung für ein Jura-Stud. und den späteren anvisierten diplomatischen Dienst. Im Frühjahr 1884 begleitet K. seinen Schwager nach Paris zum Jura-Stud., als dieser Gesandter in der jap. Delegation in Frankreich wird. Im Februar 1886 begegnet K. auf einem Fest den Malern Yamamoto Hosui (1850-1906) und Fuji Masazô sowie dem einflussreichen Kunsthändler Hayashi Tadamasa (1851-1906). Sie erkennen sein künstlerisches Talent und drängen ihn, Maler zu werden. Bis zu diesem Zeitpunkt betrachtet K. seine Malerei (Zeichnen und Aquarell) als willkommenen Zeitvertreib. In Abwägung seiner "durch die Götter gegebenen" Talente entscheidet sich Seiki innerhalb sehr kurzer Zeit für die Malerei ("da mein Stud. der Malerei meinem Land mehr dienen wird, als mein Stud. des Rechts", Brief an seinen Adoptivvater, dat. 10.2.1886, Kuroda Mem. Hall). Im Mai 1886 wird K. Schüler des Akad.-Malers Raphaël Collin (in der Trad. der Schule von Barbizon) in dessen Acad. Colarossi, wie bereits Fuji Masazô (der später K.s. Schüler wird). K. beginnt das intensive Kopieren von Werken im Louvre. Auf Verlangen seines Schwiegervaters führt K. zunächst sein Jura-Stud. fort, bis er sich ab August 1887 ganz der Malerei widmet. Im selben Monat trifft K. bei Collin den neuangekommenen Kume Keiichiro, mit dem ihn lebenslange Freundschaft und berufliche Tätigkeiten verbinden werden. In Paris teilen sie ihre Unterkunft und Stud.-Reisen, u.a. ab 1890 (bis 1892) ein Aufenthalt in dem bei Künstlern beliebten Grez-sur-Loing, um mit Stilen der Pleinairmalerei zu experimentieren (Withered Fields (Grez-sur-Loing), um 1891, Kuroda Mem. Hall). Sein Modell ist die junge Bäuerin Marie Billaut, mit deren Fam. K. sich anfreundet (Dokusho/Reading Woman, um 1892, Tokio, NM). Das Gem. wird K.s erster Erfolg im Pariser Salon (Soc. des Artistes Franç.), nachdem Woman with a Mandolin (1891, Öl/Lw., Tokio, NM), eine Stud. des erotisierten weiblichen Körpers, zuvor abgelehnt worden war. Nach seiner Rückkehr nach Paris malt K. bis 1893 sechs Werke, die im Salon des Indépendents ausgestellt werden, darunter Zensetsu/Schneereste (1892, Kuroda Mem. Hall). Gleichzeitig schafft er eines seiner bedeutendsten Frühwerke, die lebensgroße Darst. eines weiblichen Aktes (Chôshô/Morning Toilette), 1893, Öl/Lw., zerst. im 2. WK, abgebildet in J.S. Mostow/N.Bryson/M.Graybill 2003, S. 113). Dieses Werk, vom Künstler als Reifeprüfung betrachtet, wird im selben Jahr auf der Ausst. der Soc. Nat. des BA durch Collin, Puvis de Chavanne (1824-1898) u.a. hochgelobt. Im Juli 1893 kehrt K. über Amerika nach Japan zurück. Den Herbst 1893 verbringt K. zus. mit Kume in Kyôto, wo er, inspiriert durch die Vergnügungs-Trad. der Stadt, ein weiteres Schlüsselwerk schafft (Maiko, 1893, Öl/Lw., Tokio, NM). 1894 wird er in die Armee eingezogen (Russ.-Jap. Krieg) (zahlr. Skizzen in der Kuroda Mem. Hall). Im selben Jahr eröffnet er zus. mit Kume eine priv. Malschule (Tenshin dôjô) für Malerei im Westlichen Stil (yôga), die aus der an ihn übergebenen Malschule Seikokan von Yamamoto Hosui hervorgeht. K. nutzt sein priv. Lehrinstitut zur Reformierung der trad. Kunst-Ausb. in Japan, indem er sein Kurrikulum am erlernten Lehrsystem der priv. Pariser Akad. anlehnt (v.a. zeichnerische Ausb. mit Skizzen im Zentrum und mit Zeichenkohle als Medium, um akkurate Details und atmosphärische Effekte umzusetzen, (Akt-)Studien am lebenden Modell und Pleinair-Malerei) (Landscape of Honmoku, Yokohama, 1894, Kuroda Mem. Hall). Im April 1895 übernimmt K. eine Tätigkeit als Juror im Kunstbereich bei der 4. Nat. Industriemesse (Daiyonkai naikoku kangyôhakurankai) in Kyôto, bei der er zugleich das Gem. Chôshô einreicht. Obgleich diese erste öff. Präsentation des Werkes (und der Darst. eines weiblichen Aktes) in Japan im öff. Diskurs als anstößig angefeindet wird, erhält er einen Preis dafür. Für die weitere Dauer der Ausst. wird das Werk in partieller Verhüllung gezeigt. Im Okt. des Jahres nimmt K. (zus. mit jungen Künstlern seiner Malschule) mit 21 seiner in Europa geschaffenen Werken an der 7. Ausst. der Meiji-Kunst Vrg (Meiji bijutsukai) teil, der damals einzigen Künstler-Vrg für Malerei im Westlichen Stil (yôga) in Japan. Die im Laufe der Ausst. deutlich werdenden theoretisch und technisch unterschiedlichen Ansätze innerhalb der damaligen Yôga-Malerei führen zur Abspaltung der impressionistischen Pleinair-Fraktion unter K. (die sog. "Neue Schule"). In Ablehnung der als veraltet empfundenen akad. Ölmalerei im Stil des Antonio Fontanesi und den bürokratischen Strukturen der Meiji-Kunst-Vrg gründen K., Kume u.a. im Juni 1896 die Hakubakai (Vrg Weisses Pferd; in Anspielung an eine natürlich belassene Sake-Sorte). Bis zu ihrer Auflösung 1911 entwickelt sich die reformerische Vrg mit regelmäßigen Ausst. zum führenden und fördernden Forum für Maler im Yôga-Stil in der späten Meiji-Zeit (z.B. Fujishima Takeji, Aoki Shigeru). Ebenfalls 1896 nimmt K. an der Gründung der neuen Abt. für Westliche Malerei an der Tokio KA (Tôykô bijutsu gakkô; heute Tôkyô geijutsu daigaku) teil, die in der Folgezeit zur wichtigsten offiziellen Akad. für Yôga-Malerei wird. 1898 wird K. dort Prof. und führender Maler der Westlichen Malerei in Japan. Im Frühjahr 1896 beginnt er mit den Stud. und Vor-Zchngn zu Mukashi monogatari/Telling an Ancient Romance, Öl/Lw., zerst. im 2. WK), einer Auftragsarbeit der Sumitomo-Fam. (Stud. und Vor-Zchngn erh. im Kuroda Mem. Mus.). Indem K. bereits die Vorstudien in Kohle und Öl 1896 in der Hakubakai ausstellt, versucht er durch die Dok. des malerischen Prozesses westliche künstlerische Arbeitsmethoden bekanntzumachen. Das fertige Werk wird 1898 in der Hakubakai ausgestellt (bis 1945 in der Sumitomo Coll.). 1897 lernt der Künstler durch den befreundeten Maler Andô Chûtarô seine zukünftige Ehefrau Kaneko Taneko kennen (Kohan/Seeufer, 1897, Öl/Lw., Tokio, NM). 1900-01 Reise nach Europa (Italien, Deutschland, England). K. vertritt das jap. Erziehungs-Minist. (Monbushô) auf der WA in Paris. Dort wird auch sein Werk Chi, Kan, Jô/Wisdom, Impression, Sentiment (1899, Triptychon, Öl/Lw., Kuroda Mem. Hall) gezeigt, für das er eine Silber-Med. erhält. Dieses Werk ist das erste Beispiel eines öff. ausgestellten Akt-Bildes für das eine Japanerin Modell stand. 1907 wird die KA des Minist. für Erziehung (Monbushô bijutsu tenrankai; Bunten) gegr., die neben der Malerei im Jap. Stil (nihonga) auch Yôga-Malerei frei ausstellt und fördert, als Beleg für die erfolgreiche Modernisierung Japans und Assimilierung westlicher Kultur. K. ist wesentlich an der Gründung der Bunten beteiligt und dort als Juror tätig. In Anerkennung seiner Leistungen als Maler und Reformer wird er 1910 als erster Maler des Westlichen Stils zum Hofkünstler (Teishitsu gigeiin) ernannt. 1913 Gründung der Nat. Kunst-Vrg (Kokumin bijutsu kyôkai) mit K. als erstem Präsidenten. 1917 stirbt sein Adoptivvater; K. wird Baron. 1919 wird er Mitgl. in der Kaiserlichen ABK (Teikoku bijutsuin; heute Nihon geijutsuin), 1922 Präsident. Ab 1920 beginnt K. seine politischen Aktivitäten und wird ins jap. Oberhaus (Kizokuin; heute Sangiin) gewählt. In den letzten Lebensjahren wenig künstlerische Aktivität. 1924 stirbt K.; die posthume Ausst. wird in der Tokio KA abgehalten. K. hinterließ seinen Besitz der jap. Regierung. Lt. Test. wird sein Anwesen in Tokio als ein Inst. der Kunstförderung etabliert (1928), dass 1930 zum Nat. Forschungs-Inst. für Kulturgüter (Tôkyô bunkazai kenkyûsho) erweitert wird. Die Kuroda Mem. Hall mit dem umfangreichen Nachlass des Künstlers befindet sich auf dem Gelände. - Bed. jap. Maler und Kunsterzieher der Meiji- und Taishô-Zeit. Aufgrund seiner konsequenten Übernahme westlicher mod. Malprinzipien und deren Implementierung als künstlerische und didaktische Neuerungen im jap. Kunstschaffen des späten 19. und frühen 20.Jh., erhielt K. das Sobriket "Vater der mod. jap. Malerei im westlichen Stil". Im Frühwerk wird sein Stud. belg. und niederl. Malerei deutlich, ab 1890 individueller Stil und malerische Reife, nun v.a. Lsch.- und Figurenmalerei (Porträts, Akt-Darst.) in Öl (Rückenansicht eines weiblichen Aktes, 1889, Kuroda Mem Hall) sowie zeichnerische und malerische Studien. K. schafft Darst. jap. Lsch. in westlicher Manier (Kamakura nite/Kamakura, 1916-18, Triptychon, Kuroda Mem. Hall). Im Werk des K. kulminierte die Infragestellung trad. jap. Kunstwerte, indem er westliche Kunst als definitives Vorbild für die Erneuerung jap. Malerei ansah. K.s Einfluss auf die mod. jap. Malerei reichte aber weiter als die Einf. von Maltechniken zum Gebrauch leuchtender Farben, um die Darst. von sensorischen und Lichteffekten zu erreichen (Moruru hikage/Sunbeams Falling through Leaves, 1914, Öl/Lw., Kuroda Mem. Hall). K. propagierte nicht nur den eklektischen, impressionistisch beeinflussten Pleinair-Stil seines Lehrers Raphaël Collin und befreundeter Künstlerkollegen wie Jules Bastien-Lepage, sondern versuchte auch, die trad. künstlerischen und ideellen Prinzipien eines europ. Akademismus in Japan umzusetzen. Obgleich sich die europ. akad. Malerei mit Paris als Zentrum zu diesem Zeitpunkt in bed. Umbruch befand (Ablehnung der trad. "ut pictora poesis"-Ästhetik v.a. durch Impressionismus und Pleinair-Malerei), verfolgte K. dennoch das klassische europ. Konzept einer der Dichtkunst verpflichteten Malerei. Nach seiner Rückkehr nach Japan schuf K. mehrere großformatige Werke, die er "Ideen-Malerei" nannte. In ihnen versuchte der Künstler, innere Gedankenwelten und symbolische Bildinhalte als reale Manifestationen in der Trad. der westlichen Historienmalerei zu visualisieren (Mukashi monogatari/Telling an Ancient Romance, Chi, Kan, Jô/Wisdom, Impression, Sentiment). Obgleich K.s Ansatz einer "idealen Malerei" kritisiert wurde, inspirierte der Realismus dieser Werke in der Folgezeit in Japan zahlr. Genre-Darst. Als Reformer im Bereich der Kunsterziehung spielte K. eine herausragende Rolle in der Implementierung eines systematischen Kurrikulums nach westlichem Vorbild in Japan (Tokio KA), wobei die Bedeutung von Aktzeichnen betont wurde. K. beeinflusste bek. Maler wie the Shigeru Aoki, Ryûsei Kishida, Tsune Nakamura und Narashige Kôide.
K.S. nikki, To. 1966-68; Tôkyô Bunkazai kenkyûjo (Hrg.), K.S. recueil de doc. en franç., To. 2010.
Einzelausstellungen:
Tokio: 1954 NMMA (K); 2009 NM (K) / 1983 Fukui, Fukui Pref. Mus. of Art (K) / 1986 Tsu, Mie Pref. AM (K) / 1989 Mito, Ibaraki Pref. MMA (K) / 2001 Shiga, MMA (K) / 2006 Toyota, Toyota City Mus. of Art (K) / 2010 Morioka, Iwate Mus. of Art (K) / 2012 Toyama, Toyama Pref. MMA (K). -
Gruppenausstellungen:
1985 Kagoshima, City Mus. of Art: Kagoshima artists in the hist. of Jap. mod. western-style painting (K) / 1987 St. Louis, Washington Univ. AG: Paris in Japan (K) / 2003 Morioka, Iwate Mus. of Art: Road to Jap. Mod. Paint. (K) / 2004 Honolulu, Honolulu Acad. of the Arts: Japan & Paris. (K); Tokio: 2004 MCA. Art: Remaking Modernism in Japan (K); 2006 NMMA: Mod. Jap. Art from the Mus. Coll. (K); 2007 Tokyo Univ. of the Arts, Univ. AM et. al.: Pari e: yôgakatachi no hyakunen no yume; 2010 Bridgestone Mus. of Art: Image of Seine (K) / 2005 Hakone, Pola AM: The age of K.S. and Kishida Ryûsei. (K) / 2007 Paris, Frz. Kulturinstitut: De Kuroda à Foujita. Peintres jap. à Paris (K).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
Vo3, 1956
Weitere Lexika:
Roberts, DJA, 1976; Tazawa, 1981; S.Monneret, L'impressionnisme et son époque, I, P. 1987; DA XVIII, 1996; Lobstein II, 2003.
Gedruckte Nachweise:
K.Kumamoto, K.S., Kindai no bijutsu, To. 1971; K.Suzuki , Asai Chû, K:S., Gendai Nihon bijutsu zenshû 16, To. 1973; A.Tanaka, Meiji no yôga. K.S. to Hakubakai, To. 1995; H.Miwa, K.S., Shinchô Nihon bijutsu bunko 27, To. 1997; J.Clark, Mod. Asian art, Honolulu 1998; J.S. Mostow/N.Bryson/M.Graybill, Gender and Power in the Jap. Visual Field, Honolulu 2003; M.Lucken, Grenades et amertume. Les peintres jap. à l'épreuve de la guerre, 1935-1952, P. 2005; A.Tseng, Art Bulletin 90(3)2008:417-440; J.Lee, Resisting boundaries: Japonisme and western-style art in Meiji Japan, Diss. Univ. of Pennsylvania 2011; D.Satô, Mod. Jap. Art and the Meiji State: The Politics of Beauty, L.A. 2011.
Kuroda, Seiki, jap. Maler d. abendländ. Stils (Prof.), *29. 6. 1866 Kogashima, †15.7. 1924 Tokyo. Stud. an d. Schule für fremde Sprachen zu Tokyo, bereiste Frankreich, um Jura zu studieren, wandte sich aber der Malerei zu, stud. bei Raph. Collin bis 1893. Begründete Tenshinclöjó u. Hakubakai mit Keiichiró Kume. 1898-1924 Prof. d. Akad. d. Sch. Kate in Tokyo. Mitgl. d. Jury d. otfiz. Salon 1907. Hofkstler seit 1910. Mitgl. d. Staatl. Kstakad. seit 1919, Direktor ders. 1922/24. - Buchwerke: K. S. Sobyöshti (Zeichngn), 1949; K.S. Sakuhinshü, Nat. Inst. of F. Art, Tokyo 1954. Lit.: Index. - Catalogue, m. 2 Abbn. - KNBZ, Bd 3, m. 10 Abbn. - Noma-Tani. - SBZ, Bd 25, m. 4 Abbn. - Gendai Sekai Bijutsu Zenshü, Bd 11. - Kawade-Zauhö, 1953. - Kumamoto, Kenjiró, Bijutsukenkyü, Nr 88, 101, 113, 115, 130, 132, 133. - Kumamoto, K., Zökeigeijutsu, Bd 3, Nr 6. - Sakai, Saisui, K. S.. 1937.