Frei zugänglich

Judd, Donald

Geboren
Excelsior Springs (Missouri), 3. Juni 1928
Gestorben
New York, 12. Februar 1994
Land
Vereinigte Staaten, Russland
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Judd, Donald; Judd, Don; Judd, Donald Clarence
Berufe
Maler*in; Bildhauer*in; Grafiker*in; Architekt*in; Möbelgestalter*in; Kunstkritiker; Museumsgründer; Essayist
Wirkungsorte
New York
Zur Karte
Von
Stockebrand, Marianne
Zuletzt geändert
30.04.2025
Veröffentlicht in
AKL LXXVIII, 2013, 433; Vollmer VI, 1962, 120

VITAZEILE

Judd, Donald (Don, Donald Clarence), US-amer. Maler, Bildhauer, Grafiker, Kunstkritiker, Essayist, Möbelgestalter, Architekt, Museumsgründer, *3.6.1928 Excelsior Springs/Mo., †12.2.1994 New York.

LEBEN UND WIRKEN

1946-47 Militärdienst in USA und Korea, wo sich neben seinem bereits bestehenden Interesse an Kunst sein Interesse an Archit. verstärkt. Stud.: 1948-49 Art Students League, New York, unterbrochen von Stud. am Coll. of William and Mary, Williamsburg, VA; 1949-53 Columbia Univ., New York (Phil.); 1958-60 erneut Columbia Univ. (Kunstgesch.) u.a. bei Rudolf Wittkower und Meyer Shapiro. Verfasst von 1959-65 Ausst.-Besprechungen vorwiegend für Arts (später in Arts Mag. umbenannt), anschl. bis zum Lebensende unabhängige Essays zu Kunst und Kulturpolitik, die in Zss. und Kat. veröffentlicht werden. 1960 unterrichtet J. Gesch. und Schreinern an der Privatschule Allen Stevenson und Kunst am Brooklyn Inst. of Art and Science. 1965 Reise-Stip. des Schwed. Inst. in Stockholm (erste Auslandsreise). Preise: 1987 Skowhegan Medal for Sculpture; Creative Art Award for Sculpt. der Brandeis Univ.; 1992 Preisträger der Stankowski-Stiftung, Stuttgart; 1993 Sikkens Award, Amsterdam. - J.s Malerei ist anfangs konventionell gegenständlich, ab M. der 1950er Jahre wird sie abstrakter, wenngleich noch deutlich an Lsch. und Gegenständliches gebunden. Einflüsse der Abstrakten Expressionisten, vorwiegend Jackson Pollock und Barnett Newman. 1960 Wende zu fast monochromen, großflächigen Bildern, deren Oberflächen teilw. mit Sand angereichert sind, damit sie definierte Flächen (im Unterschied zu illusioniertem Bildraum) werden, oder in die Gegenstände (z.B. eine Backform) eingelassen sind, um reale Tiefe zu erreichen. 1962 Übergang zu tiefenräumlichen Wandobjekten und damit Aufgabe von Malerei; erste freistehende Bodenarbeit ohne Sockel. Diese sowie weitere sockellose Bodenarbeiten, die 1963 entstehen, sind aus Holz handgefertigt und in Kadmiumrot hell gestrichen, das die bevorzugte Farbe dieser Jahre ist. Entwickelt Volumen mit Einschnitten, damit sie einsehbar, d.h. verstehbar sind. Raum ist von nun an das zentrale Interesse, dem J. zunächst in Einzelarbeiten, dann auch in raumbezogenen Arbeiten nachgeht und das er seit den späten 1960er Jahren ebenso in Archit.-Projekten verfolgt (z.B. seine Wohnhäuser in New York und Marfa sowie die Gebäude der Chinati Found., ebenso in Marfa). 1964 lässt er die ersten Arbeiten in Metall extern herstellen, vorwiegend aus verzinktem Eisen, die teilw. mit farbigem Motorradlack (HiFi Harley Davidson-Ser.) gefasst werden, dann auch aus Messing, Kupfer und and. Metallen. Die Metalle erlauben Körper mit dünnwandigen, doch stabilen Begrenzungen zu bauen, da J.s Interesse dem Volumen, nicht der Masse gilt. Für die Wand entwickelt J. langgestreckte, horizontale Arbeiten mit gerundeten Fronten (bullnose) bzw. an eckigen Röhren hängende Kästen, deren Abstände mathematischen Progressionen folgen. Entscheidende Prinzipien sind 1964 formuliert: Ablehnung von trad. (europ.) Komp., die hierarchisch vorgeht, zugunsten einer ganzheitlichen Methode; Ablehnung des illusionierten Bildraums zugunsten realen Raums; Ablehnung des Sockels zugunsten einer Gleichstellung von Exponat und Betrachter; Offenheit bzw. Transparenz des Raumvolumens sowie seiner Herstellungsweise; Einheit von Farbe und Material (durch Verwendung z.B. von Plexiglas, eloxiertem Metall). Um deutlich zu machen, dass seine Werke autark, d.h. unabhängig von Gegenständlich-Figürlichem geschaffen sind, verzichtet J. auf Bezeichnungen und belässt sie sämtlichst "ohne Titel". Ebenfalls 1964 verfasst er Specific Objects, seinen bekanntesten Text, der eine Bestandsaufnahme der damaligen neuen Kunst ist, aber oft als Manifest missverstanden wird. 1965 erstes Exemplar der sog. stacks, vertikal ausgerichtete Wandarbeiten mit flachen, geschlossenen Kästen, die im Abstand ihrer Höhe übereinander installiert werden, wodurch diese Abstände definierte Räume werden. Das Verhältnis von Höhe, Breite und Tiefe der Elemente geht über das eines Hochreliefs hinaus. Die Wand ist Träger und zugleich Teil der Arbeit. 1968 Erwerb eines Gebäudes in New York, dessen Renovierung Kunst und Leben in Einklang bringt (Vorläufer für Marfa). - 1969 nach den stacks erste raumbezogene Arbeit, bestehend aus drei Lagen dünnwandiger, quadratischer Metallrohre, deren Tiefe die dreifache Höhe bzw. Breite misst und somit gleichzeitig Bezug zur Wand und zum Boden aufnimmt. 1970 erste Außenarbeit mit Lsch.-Bezug (zwei konzentrische Rechtecke, von denen die Oberkante des einen waagerecht, die des and. parallel zur Neigung des Geländes verläuft; später Prinzip in abgewandelter Form u.a. am Aasee in Münster realisiert). Die Beziehung von Kunstwerk und Umraum, sowohl nach innen wie außen, gewinnt aus der Überzeugung Bedeutung, dass beide im Zus.-Hang, als Ganzes, und keineswegs separat existieren. Aktiv in War Resisters League und Citizens for Local Democracy; formiert Artists Against the Expressway, die erfolgreich den südlichen Teil von SoHo vor Abriss rettet. J. artikuliert sein politisches Engagement in zahlr. Texten und beklagt insbesondere die Abhängigkeit der Kunst und Kultur von der Politik. Beide müssten seiner Ansicht nach gleich gewichtet sein. Seit 1968 wiederholt Reisen in den Südwesten der USA und Baja Cal. auf der Suche nach einem Ort für großformatige Arbeiten. 1973 Erwerb von Gebäuden in Marfa, einem Dorf im W von Texas mit wüstenartiger Vegetation. Marfa wird E. der 1970er Jahre Hauptwohnsitz. J. erwirbt dort in den kommenden Jahren weitere Gebäude sowie Farmland und renoviert zwei ehem. Flugzeughangars aus dem 1. WK zu seinem Wohnhaus, das dem Konzept des New Yorker Hauses, Kunst und Leben zu verbinden, in größerem Maßstab folgt. 1978/79 Verträge mit der Dia Art Found. betr. umfangreicher Werkgruppen von J., Dan Flavin und John Chamberlain als dauerhafte Einrichtungen auf einem ehem. Militärgelände am Rande Marfas. Dia erwirbt 150 ha Land mit über 30 Gebäuden und wird Träger eines Mus., das 1986 den Namen Chinati Found./La Fund. Chinati erhält. J. ist für das künstlerische Konzept verantwortlich, das auf der Integration von Kunst, Archit. und Lsch. basiert. Die Werke sind in der Mehrzahl eigens für Chinati geschaffen und bleiben dauerhaft an Ort und Stelle. J. schafft seine beiden umfangreichsten Werkgruppen: 15 mehrteilige Außenarbeiten aus Beton (1980-84) und 100 Arbeiten aus Aluminium (1982-86), die in zwei ehem. von J. renovierten Munitionsdepots aufgestellt werden. Die Slg umfasst weiterhin in sechs Gebäuden Installationen von D.Flavin (untitled, Marfa Project, 1996) und 25 Skulpturen von J.Chamberlain aus den Jahren1972-83 in einem ehem. Lagerhaus; außerdem Installationen und Einzelwerke von Claes Oldenburg/Coosje van Bruggen, Il'ja Kabakov, Carl André, Roni Horn, Richard Long, Ingólfur Arnarsson, John Wesley, David Rabinowitch. Alle Gebäude sind nach Plänen von J. renoviert. 1987 wird Chinati unabhängig von Dia. Durch seinen Umzug nach Marfa motiviert, beginnt J. 1978 Möbel zu entwerfen. Insgesamt über 100 Entwürfe entstehen bis an sein Lebensende in versch. Weich- und Harthölzern sowie in einbrennlackiertem Metall. 1981 entwirft er das Bühnenbild für Trisha Browns Tanzaufführung Son of Gone Fishin' in der Brooklyn Acad. of Music (BAM) und 1987, ebenfalls für T.Brown, das Bühnenbild, die Kostüme sowie das Klangkonzept für Newark, das im City Center in New York Premiere hat. Erwirbt ab 1988 weitere Gebäude in und um Marfa, inkl. einer Ranch, die er als Studios bzw. für seine Kunst- und Möbel-Slg renoviert. Weitere Archit.-Projekte sind Haus Eichholteren in Küssnacht am Rigi; Bahnhof Ost in Basel; Fussboden des Paleis Lange Voorhout in Den Haag. - Indem J. dreidimensionale Werke schuf, die nicht mehr ein Kern mit modulierter Oberfläche oder in Assemblage zus.-gefügte Teile, sondern Raumkörper sind, erweiterte er Skulptur um eine Kategorie, die keine Bezeichnung hat, für die allerdings der Begriff Skulptur unzutreffend ist und daher von J. abgelehnt wurde. Seine Volumen definieren Raum nach innen wie außen und sind Archit. verwandter als trad. Bildhauerei. Sie sind als Ganzheit formuliert, d.h. die Einzelheiten sind zu einer Form integriert und bleiben nicht Einzelteile. Ganzheit wie Offenheit oder Transparenz sind entscheidende Kriterien seiner Werke, die auch als moralisch-ethische Werte ins Kunstwerk eingebunden sind. J. hat gleiche Prinzipien auch in Archit. (und Möbeln) angewandt und diese zur größten Einheit in seinem Hw. in Marfa realisiert. Obwohl J. gemeinhin zur Minimal Art gerechnet wird, distanzierte er sich von der Bezeichnung, da sie fälschlicherweise eine Gruppe suggeriert und über eine formale Beschreibung der Kunst nicht hinausgeht.

WERKE

Amsterdam, Sted. Mus. Beacon/N.Y., Dia Art Found. Basel, KM. Berlin, Hamburger Bahnhof, Slg Marx. Chicago, Art Inst. Düsseldorf, KS NRW. Frankfurt am Main, MMK. Gent, Slg Annick und Anton Herbert. Hannover, Sprengel Mus. Köln, Mus. Ludwig. London, Tate. Los Angeles, County Mus. of Art. Marfa/Tex., Chinati Found. - Judd Found. München, NP. - PM. New York, Guggenheim. - MMA. - Whitney. Rotterdam, BvB. San Francisco, MMA. St-Etienne, MAM. St.Louis/Mo., The Pulitzer Found. for the Arts - AM. Ulm, Ulmer Mus., Slg Kurt Fried. Wien, MMK Stiftung Ludwig. Wiesbaden, KM, Slg Lafrenz. Winterthur, Steinberggasse: Brunnen, 1995-97.

SELBSTZEUGNISSE

B.Glaser, Artforum v. Sept. 1966, 55-61 (Interview); Complete Writings 1959-1975 (Gall. Rev., Book Rev., Articles, Letters to the Ed., Reports, Statements, Complaints), Halifax/N.Y. 1975; Möbel. Furniture, Zürich 1985; Complete Writings 1975-1986, Eindhoven 1987; Statement for the Chinati Found., Marfa/Tex. 1987; Richard Paul Lohse (K), Marfa/Tex./Den Haag 1988; Ausst.-Leitungsstreit, Kunstforum v. April/Mai 1989, 492-503; Archit. in: D.J. - Archit. (K Westfälischer KV), Münster 1989; Josef Albers (K), Chinati Found. 1991; Una Stanza per Panza I-IV, Kunst Intern. 4-7:1990; Écrits 1963-1990, P. 1991; Nie wieder Krieg, in: P.Noever (Ed.), Archit. (K MAK), W. 1991; Art and Internat. (K), Shizuoka 1992; Lotus Internat. 73:1992,119-123; 21. Febr. 93, (K) N.Y. 1993; It's hard to find a good lamp (K BvB), Rotterdam 1993; Some aspects of color in general and red and black in particular, Am. 1993.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

2020 New York, MoMA. -

 

Gruppenausstellungen:

1968, '76, '78, '80, '93 Venedig: Bienn. / 2022-23 Lausanne, MUDAC: A Chair and You (Wander-Ausst.).

 

QUELLEN

Thieme-Becker, Vollmer und AKL:

Vo6, 1962

 

Weitere Lexika:

ContempArtists, 1983; Opitz, 1984; EAPD, 1989; WWAA, 1991/92; WWAA, 1993/94; DA XVII, 1996; Dicc. de arte esp., Ma. 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; R.Kostelanetz, A dict. of the Avant-Gardes, N.Y. 22000; Bénézit VII, 2006

 

Gedruckte Nachweise:

W.C.Agee/D.Flavin, D.J. (K Whitney), N.Y. 1968; B.Smith, D.J., Ottawa 1975 (WV, Lit., Ausst.); S.Gohr, Mus. Ludwig Köln. Gem., Skulpturen, Environments vom Expressionismus bis zur Gegenwart (K), M. 1986; R.Crone/R.Fuchs, D.J. (K Sted. Van Abbe-Mus.), Eindhoven 1987; B.Haskell, D.J. (K Whitney), N.Y. 1988; J.Poetter, D.J., (K Baden-Baden), St 1989; R.Wäspe, D.J., (K KV) St.Gallen 1990; P.Noever (Ed.), Archit. (K MAK), W. 1991; J.Kruse, Von Menzel bis Beuys. Aus dem Kpst.-Kab. der KS der Veste Coburg (K), Coburg 1992; M.J.Jitta/J.Schellmann, D.J.: Prints and Works in Ed. (WV), Den Haag/Köln 1993; V.Rattemeyer u.a., D.J. Raum spaces (K Mus.), Wb. 1993 (Lit., Ausst.); The Dakis Joannou Coll. (K Wander-Ausst.), Ostfildern 1996; K.Bußmann u.a., Zeitgen. Skulptur - Projekte in Münster 1997, Ostfildern 1997; Die Kunst der Linie (K LG am OÖ. LM, Linz), Weitra 1999; D.Elger, Farbe (K Sprengel Mus.), Hn. 2000 (Lit., Ausst.); H.Fußbroich, Skulptur-Führer Köln, Köln 2000; T.Kellein, D.J. Das Frühwerk 1955-1968 (K KH Bielefeld) Bielefeld/Houston 2002; C.Thierolf, Amer. Kunst des 20. Jh. in der PM (K München), Ostfildern 2002; C.Schulz-Hoffmann (Ed.), PM. Malerei, Skulptur, Neue Medien (K München), Köln 2002; G.C. Bott, KM Basel (K), Z./Genf 2004; B.Perica, Specific Objects - Theorie und Praxis im Werk von D.J., Diss., Kassel 2004; N.Serota, D.J. (K Tate), Lo. 2004 (Lit., Ausst.); M.Lailach, Printed matter. Die Slg Marzona in der Kunst-Bibl. (K), B. 2005; C.Brockhaus (Ed.), Das Jh. mod. Skulptur (K Stiftung Wilhelm Lehmbruck Mus. - Zentrum Internat. Skulptur Duisburg), Köln 2006; U.P.Flückiger, Archit. in Marfa, Texas, Basel 2007; A.d'Andrea u.a., Kunstf. durch den Kt. Zürich, Z. 2008; J.Heynen/P.Müller Tamm (Ed.), "Überleben in zukünftiger Vergangenheit". Erwerbungen 1990-2007 (K KS NRW, K20/K21), Dd. 2008; D.Luckow (Ed.), Heavy metal. Die unerklärbare Leichtigkeit eines Mat. (K Kiel), Ostfildern 2008; F.Wappler/R.Hoppe-Sailer (Ed.), KS der Ruhr-Univ. Bochum. Campus-Mus., Slg Moderne (K), Dd. 2008; The Writings of D.J., Marfa 2009; J.Meyer, October 130:2009,141-176; D.Raskin, D.J. New Haven 2010 (Lit.); M.Stockebrand, Chinati. Das Mus. von D.J., Köln 2010; J.Davis u.a., Kunst der Vereinigten Staaten 1750-2000, B. 2024

 


VOLLMER

Judd, Don, amer. Maler, *1928. Sonderausst. 1956 in d. Panoras Gall. in New York. Lit.: The Art News, 55 (1956) Sept. p. 56; 56 (1957) Juni p. 77. - Arts, 30 (1956) Sept. p. 58; 31 (1957) Juni p. 58.