Flaxman, John, engl. Bildhauer, Zeichner, Entwerfer, Illustrator, *6.7.1755 York, †7.12.1826 London.
Flaxman, John (1755)
Ab 1756 in London. Sohn des gleichnamigen Gipsgießers, der u.a. für die führenden Bildhauer Louis-François Roubiliac und Peter Scheemackers arbeitet; Bruder von William F. Von kränkelnder Konstitution, läuft F. als Kind mit Krücken und ist später zeitlebens von einem Buckel geplagt. Ferngehalten von der Schule, lernt er das Lesen v.a. im Laden des Vaters, wo er auch beständig zeichnet und modelliert. Bereits als Zwölfjähriger stellt er 1767 Gipsmodelle bei der Free Soc. of Artists aus. Ab 1769 Stud. an den RA Schools. 1770 Silber-Med. der RA für die Wachsfigur Neptun (verloren), unterliegt 1772 im Wettb. um die Gold-Med. Thomas Engleheart; ein Reise-Stip. nach Italien bleibt ihm deshalb versagt. Reverend Anthony Mathew und seine Frau Harriet fördern den Jüngling im Stud. von Latein und Griech.; später dekoriert F. deren Bibliothek im got. Stil (verloren). Während der Teiln. an Mrs Mathews lit. Salons fertigt er auch Zchngn homer. Sujets, die zum ersten Auftrag von Jeremiah Crutchley für Kreide-Zchngn antiker Motive führen (verloren). Ab ca. 1775 lebenslange Freundschaft mit Thomas Stothard und George Romney, ab ca. 1779 auch mit William Blake, den F. oft unterstützt. Ab 1775 entwirft er Dekorationsmotive für die Etruria-Man. von Thomas Bentley und Josiah Wedgwood, zu denen sein Vater bereits Geschäftsbeziehungen unterhält, zunächst Medaillon-Portr. von Sir Joseph Banks und Daniel Solander. Rasch entwickelt er sich zum bedeutendsten Entwerfer der Man., v.a. mit antiken Motiven, von denen Dancing Hours (1778), Hercules in the Garden of the Hesperides (1785) und bes. Apotheosis of Homer (1778) herausragen; die beiden letzteren sind Adaptionen von Darst. auf griech.-antiken Vasen aus der Slg von Sir William Hamilton. Neben klassizist. Arbeiten entwirft F. 1783 für Wedgwood einen Satz von Schachfiguren (Entwurf in Barlaston) in ma. Gewandung, die neben ma. Skulpt. auch von zeitgen. Bühnenadaptionen hist. Stoffe inspiriert sind (für König und Dame z.B. von den Schauspielern John Kemble und Sarah Siddons). Der ab 1783 eng mit F. befreundete Dichter William Hayley beauftragt ihn mit dem Grab-Mon. für Reverend Thomas und Mrs Ball (1784-86; Chichester). Ein sehr plast. Relief zeigt eine über ein Grab gebeugte Frau, die von einem Engel getröstet wird, ein später häufig paraphrasierter Typus. Eine umfangreichere Darst. entwickelt F. im Mon. für Sarah Morley (†1784; Gloucester, Kathedrale), wo die bed. Stellung der Engel, die die Verstorbene in himml. Gefilde geleiten, Zeugnis von F.s tiefer, an den Lehren von Emanuel Swedenborg ausgerichteter Religiosität ablegt. 1784 Mitgl. der sich an Swedenborg orientierenden Theosophical Society. 1787 tritt F. auf eig. Kosten zus. mit der Ehefrau Ann (auch: Nancy) Denman (∞1782) eine lange ersehnte Reise über Frankreich und Oberitalien nach Rom an. Die Tätigkeit für Wedgwood findet damit ein allmähl. Ende; abgesehen von gelegentl. Arbeiten hat F. v.a. ein Auge auf den von Wedgwood als Kopisten und Entwerfer mitgeschickten John Devaere. Auf zwei Jahre geplant, erstreckt sich der Aufenthalt auf sieben Jahre und ist von einschneidender Bedeutung für F.s Entwicklung als richtungweisender Bildhauer und bes. als Zeichner. Er befaßt sich intensiv mit antiker bis zeitgen. Kunst und hält die Eindrücke in Tagebüchern, Briefen und Zchngn fest. Hierbei zeigt er sich auch offen gegenüber Epochen wie dem Tre- und Quattrocento, schätzt z.B. Giotto, Duccio, Nicola Pisano, Jacopo della Quercia und Lorenzo Ghiberti und ist somit ein Pionier der Wiederentdeckung dieser "Primitiven". Er bewundert in erster Linie Raffael und Michelangelo, während er Giambologna bes. negativ einschätzt. Das Barock ist ihm höchst zuwider, wenngleich er sich in Einzelfällen auch anregen läßt. Seine Rezeption der Nachantike konzentriert sich auf christl. Themen und potenzielle Vorbilder, wobei er Schlichtheit und Linearität vor Räumlichkeit und Überfluß stellt und komplexe Vorbilder wiederholt vereinfachend auf die wesentl. Aussageelemente reduziert. Bereits 1788 reist er nach Neapel, macht sich u.a. mit der zweiten Vasen-Slg von Hamilton vertraut und besucht Pompeji, Herculaneum und sogar Paestum, dessen Tempel er als grandios empfindet. In Rom selbst konzentriert sich F., fern vom geselligen Künstlerleben, auf die Arbeit, tagsüber Skulpt., abends Zeichnen. Jedoch unterhält er enge Kontakte mit Sammlern und Antiquaren (z.B. Sir William Hamilton, Pierre François d'Hancarville) und hält Freundschaft mit dem ital. Bildhauer Antonio Canova, dem frz. Architekten Charles Percier, dem irischen Maler Hugh Douglas Hamilton, der auf F.s Anraten die Ölmalerei aufgreift, sowie mit dem schott. Maler Gavin Hamilton. 1789-90 entsteht für Thomas Hope die unterlebensgroße Marmorgruppe Aurora visiting Cephalus on Mount Ida (Port Sunlight). Über die Empfehlung Canovas beauftragt ihn Frederick Hervey, Earl of Bristol und Bischof von Derry, mit einem Marmorwerk; F. schlägt die überlebensgroße Marmorgruppe The Fury of Athamas (1790-94; Ickworth House) vor, mit der er sich als Bildhauer von Rang beweisen will. Für das gewaltsame Thema greift er v.a. auf die dramat. antiken Vorbilder des Laokoon sowie der Niobiden zurück. Gleichzeitig entsteht das emotional kontrastierende Marmorrelief Apollo und Marpessa, das F. später der RA in London als Aufnahmestück präsentiert. 1792 geht er die lebensgroße Gruppe Hercules and Hebe (Gips; London, Univ. College) als Rekonstruktion des Torso von Belvedere an, die Ausf. in Marmor für Hope unterbleibt jedoch. Noch in Rom beginnt F. die Grabmäler für den Dichter William Collins (1792-95; Chichester) sowie erstmals im mon. Format für Lord Chief Justice William Murray, 1st Earl of Mansfield (1793-1801; London, Westminster Abbey). Neben den bildhauer. Projekten beschäftigt sich F. in Rom mit Zchngn zu klass. Texten, die er nicht als Ill., sondern als autarkes Medium gegenüber der Wortkunst versteht. Dies kulminiert 1792 im Auftrag von Georgina Hare-Naylor für The Iliad und The Odyssey of Homer, die 1793 als reine Linien-Zchngn erscheinen und F.s internat. Ruhm als Zeichner begründen (Stichumsetzungen von Tommaso Piroli; 1805 erweiterte Fassungen mit zusätzl. Stichumsetzungen von Blake). F. holt sich dafür Anregungen v.a. von antiken Reliefs und griech. Vasenmalerei, variiert aber auch zeitnahe Komp. z.B. von Gavin Hamilton. Daneben konstatiert er selbst nachdrückl. die Wichtigkeit von Studien nach der Natur und läßt auf diese Weise Motive der zahlr. Skizzen des ital. Straßenlebens und des eig. häusl. Alltags einfließen. Zeitgen. betonen häufig, daß die Zchngn den Geist des klass. Griechenlands so treffend einfingen, daß sie zu jener Zeit hätten entstanden sein können. Eine gleichzeitig dok. Serie für Robert Udney zu priv. Zwecken ist evtl. mit lavierten Feder-Zchngn zu identifizieren, die themat. und kompositionell weitgehend ident. sind, in Details jedoch leicht variieren und mit Reliefräumlichkeit arbeiten. Im Linienstil zeichnet F. 1793 für die Countess Dowager Spencer die Serie Compositions from the Tragedies of Aeschylus (1795 in Rom und London publ., Stiche von T.Piroli). Für die 1792 für Hope entstandenen 109 Zchngn Compositions from the Divine Poem of Dante Alighieri (Stiche von T.Piroli; 1793 priv. gedruckt, 1802 frz. und ital. Raub-Ed., 1807 erste offizielle Publ. in London) greift F. u.a. auch auf Vorbilder der ital. Kunst vom Trecento bis zur Renaiss. zurück, u.a. Höllen- und Fegefeuer-Darst. des Camposanto von Pisa und des Doms von Orvieto (Maitani-Reliefs und Signorelli-Fresken); für das Maul von Lucifer scheint das Gartentor des röm. Pal. Zuccari vorbildhaft zu sein. Im Juni 1794 verläßt F. Rom und reist über Venedig, Innsbruck, Augsburg und Kassel als nunmehr berühmter Künstler nach London zurück, um England (abgesehen vom Besuch des Pariser Louvre während des Friedens von Amiens 1802) nicht mehr zu verlassen. Bald erfolgt die Anerkennung durch die RA: 1797 Associate, 1800 Mitgl., 1810 Berufung auf die erste Professur für Skulpt. (1811 erste Vorlesungen), 1820 Kandidat für die Präsidentschaft (er unterliegt Thomas Lawrence). 1816 Mitgl. der Accad. di S.Luca in Rom. Wenngleich es F.s Absicht ist, in London Reliefs säkularer Thematik in einer den Ill.-Zchngn vergleichbaren Weise zu schaffen, entsteht nur ein nennenswertes Relief dieser Art, Mercury bearing Pandora to Earth (ca. 1805; Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptothek), eine Komp., die er später in den Linien-Zchngn zu Hesiod (1817 mit Stichen von Blake publ.) wieder aufnimmt. Stattdessen entwirft er v.a. Grabmäler, trotz der Befürchtung, daß die Überfülle dieser spezif. Aufgabe weniger zu Kunst als zu handwerkl. Tätigkeit führe. Andererseits erlauben gerade diese Aufträge, seiner relig. Auffassung entsprechende Konzepte zu verwirklichen (er ist ab 1810 Mitgl. der Swedenborg Soc., in deren Komitee er 1815 und '17 dient). Wenngleich mitunter die Trauer thematisiert wird, so liegen die Schwerpunkte doch v.a. auf Trost, Zuversicht in die Erlösung und Erinnerung an die Verdienste der Verstorbenen, sei es als Mutter, Gelehrter, Priester oder Erzieher, die sie entsprechend der Lehren Swedenborgs bereits zu Lebzeiten als Engel auszeichnen. Solche Reliefs mit Vorbild-Char. stehen z.T. in Zusammenhang mit einer Vielzahl von Linien-Zchngn relig.-moral. Thematik, die bereits in Rom beginnend über einen langen Zeitraum verstreut bis in die 1820er Jahre entstehen und offenbar nicht zur Veröff. gedacht sind, u.a. Ill. zu Book of Enoch, Acts of Mercy, The Pilgrims' Progress und The Lord's Prayer. Mit christl. Intentionen illustriert F. auch zwei selbst verfaßte Gedichte, The Knight of the Blazing Cross (1796, Cambridge, Fitzwilliam Mus.; als Geburtstagsgeschenk für Nancy F. entstanden) und The Casket (1812, Cambridge/Mass., Houghton Libr.; ebenfalls für den Fam.-Kreis bestimmt), die außerdem ein Interesse für das MA bzw. für Orientalismus bezeugen. Im Einzelnen knüpft F. in den Grabmälern an bereits vor dem ital. Aufenthalt praktizierte Lösungen an und entwickelt sie weiter. Das Mon. für Mary Lushington (1798-99; Lewisham/Kent, St. Mary) etwa nimmt das Motiv der getrösteten Frau des Ball-Grabmals auf. Im Mon. für Agnes Cromwell (1798-1800; Chichester) bilden die Emporgetragene und die sie leitenden flügellosen Engel eine vor neutralem Grund plast. ausgeprägte außerordentl. harmon. Einheit in dynam. Bewegung. Das Mon. der Fam. Baring (ab 1806, vermutl. vor 1809 Entwurfserweiterung; Micheldever/Hants., St. Mary) stellt Passagen aus dem Vaterunser dar, zentral die sitzende Personifikation der Resignation. Die eng umschlossenen Seitenreliefs weisen eine für F. untyp. plast. Fülle mit starken Licht-Schatten-Kontrasten auf und erinnern an den ital. Manierismus; zudem zeigt das linke Relief, For Thine is the Kingdom, große Nähe zur "Ekstase der hl. Magdalena" von Alessandro Algardi (Terrakottamodell in Rom, SS. Martina e Luca). Sind die drei Komponenten dieses Mon. urspr. durch eine neugot. archit. Gliederung (heute verändert) getrennt, so greift F. in anderen Fällen bevorzugt auf ein neuklassizist. Archit.-Vokabular zurück, sparsam und mit vielen einfachen geometr. Formen von fast abstraktem Char. kombiniert. In den großen, über priv. Fam.-Mon. hinausgehenden Grabdenkmälern arbeitet F. mit vollplast. Figuren, einem umfangreichen allegor. Apparat und Personifikationen. Im Mansfield-Mon. zeigt sich deutl., daß F. die röm. Papstgrabmäler des Barock trotz aller Abneigung genau studiert und verarbeitet hat. Das dort gängige Schema des erhoben thronenden Geehrten mit beigeordneten Allegorien kommt klar zum Tragen; im Gesamtaufbau wie in der Ausrichtung und relativen Anordnung der Einzelfiguren finden sich ungeachtet einer freistehenden Aufstellung sogar deutl. Parallelen zum Nischengrab für Leo XI. von Algardi, dessen zurückhaltende Darst. des Emotionalen F. bei aller Überfülle in den Details kongenial erscheinen konnte. Die Grabmäler für die Helden der napoleon. Kriege sind in der Art öff. Ehrenmäler angelegt. Ein Entwurf (York) für das Mon. für Admiral Richard Howe zeigt die Krönung des als röm.-antiken Helden gegebenen Howe vor einer Trophäe, die Ausf. (1803-11; London, St. Paul's Cathedral) zeigt ihn hingegen zeitgen. und betont den nat. Char. und die hist. Bedeutung. Vice-Admiral Horatio Nelson (1807-18; ebd.) folgt einem nicht wesentl. erweiterten Konzept des Standbilds und wird durch die Begleitfiguren als Vorbild für die heranwachsende Generation präsentiert. Trotz mehr als lebensgroßer Ausf. erscheinen diese Ehrenmäler von bescheidenerer Größe verglichen mit F.s Plänen für ein Marinedenkmal in Form einer gigant. Statue der Britannia für Greenwich Hill, die er 1799 durch ein Pamphlet propagiert (nicht ausgef.; Zchng in London, V&A). F. fertigt auch eine Reihe kommemorativer Statuen, z.B. Sir Joshua Reynolds (1803-13; ebd.), William Pitt (1808-12; Glasgow, AG) und Robert Burns (1821-26; Edinburgh, Scottish Nat. Portr. Gall.), sowie einige Büsten, z.B. Henry Philip Hope (1802; Kopenhagen, Thorvaldsens Mus.) und Matthew Bolton (1810-13; Handsworth [Birmingham], St. Mary). Die letzte bed. Skulpt. ist St. Michael overcoming Satan (Petworth) für den kunstsinnigen Earl of Egremont. 1819 begonnen, wird sie 1824 fertig (gleichzeitig mit einem bereits 1813 für Egremont beg. Pastoral Apollo ebd.). Im Gegensatz zu seiner früheren Praxis erstellt F. ein Gipsmodell in Ausf.-Größe (London, Univ. College) und konzipiert das Werk mehransichtig. Gleichzeitig elegant und kraftvoll konzentriert er die Aktion des Erzengels in der gespannten Dynamik des kurz vor dem Zustoßen verharrenden Speers. Trotz aller Abneigung gegenüber Giambologna hat F. in Florenz dessen "Raub der Sabinerinnen" skizziert (Zchng in London, V&A) und macht sich deren rundansichtige Konzeption zu eigen; in der Zuspitzung der Aktion besteht zudem eine enge Parallele zu dessen "Samson erschlägt einen Philister" (London, V&A; bereits seit dem 17.Jh. in England). Neben der Tätigkeit als Bildhauer und Zeichner tritt F. in nach-ital. Zeit erneut als Entwerfer für Kunstgew. hervor, v.a. für prachtvolle Silberarbeiten. Beginnend mit dem Entwurf für die patriot. Trafalgar Vase (1805-09 produziert), entwickelt er eine enge Beziehung zu den kgl. Goldschmieden Rundell, Bridge and Rundell. Er entwirft 1809 zwei vergoldete Kandelaber (Ausf.: Paul Storr) für das Grand Service des Prinzregenten (Windsor; 1827 für das gleiche Service auch vier Weinkühler, Ausf. John Bridge). Weitere Werke aus dieser Zusammenarbeit sind der Theocritus Cup (1812; Silberarbeit von P.Storr) und bes. der Shield of Achilles (ab 1810, 1818 Ausf.-Entwurf; das erste Silber-Exemplar, 1821 von Philip Rundell ausgef., nimmt bei der Krönungsfeier von George IV einen prominenten Platz ein neben einem von Stothard ähnl. konzipierten Teller). Die homer. Beschr. des von Hephaistos gefertigten Schildes interpretierend, arrangiert F. rund um die zentrale Darst. von Apollo im Sonnenwagen eine Fries-Komp. mit einer Festprozession und einer Schlacht. Von den wenigen architekturgebundenen Aufträgen F.s ist bes. die Dekoration des Covent Garden Theatre (1809) mit Statuen (z.B. Comedy) und Friesen (Mod. Drama und Ancient Drama) zu erwähnen. Ähnl. aufgefaßt, wäre das Dekorationsschema für Buckingham Pal. von 1827 mit figuralen Giebeln (u.a. Britannia Triumphant), Statuen und Friesen (u.a. Magna Carta und Naval Victories) F.s umfangreichstes archit. Projekt geworden, kommt vor seinem Tod jedoch nicht über Ideen-Zchngn hinaus. Einige halbfertige Aufträge werden von F.s Schwager Thomas Denman vollendet. - F. ist eine der herausragendsten Figuren der brit. Kunst. Die Bedeutung als Bildhauer wird von der internat. Anerkennung als Zeichner sogar noch übertroffen. Tief religiös, von gelehrtem Wesen und persönl. Genügsamkeit, verlangt er für seine Dienste nur relativ bescheidenes Entgeld, das er sogar z.T. zurückgibt. Zu dem in häusl. Harmonie lebendem Haushalt zählen neben der als idealen Gefährtin angesehenen Ehefrau Nancy und F.s eig. Schwester, der Amateurmalerin Mary Ann F., auch die Schwester der Gattin, die Bildhauerin Maria Denman, die einen Großteil des Ateliernachlasses F.s dem Univ. College London schenkt. In jungen Jahren produziert er auffallend viele Selbstbildnisse in Zchngn und Reliefs. Das in Halesowen (lavierte Feder, 1779) ist mit seinen Schraffuren deutl. vom Kpst. beeinflußt, im weniger strengen Self-Portr. with Skull (Feder, 1779; London, Univ. College) stellt er sich als Zeichner und Bildhauer dar. Dabei gibt es auch selbstkrit. Darst. wie z.B. in der Karikatur J.F.s Reception by Sir Ed. Hales at St Stephens - Sketch'd by himself (1775; London, Tate). Frühe Zchngn F.s reichen von einer spätbarocken, mit Draperie und Gebärdenfloskeln arbeitenden Auffassung eines antiken Themas (The Death of Julius Caesar, ca. 1768; Priv.-Slg) über vereinfachte, umrißbetonte ma. Inhalte (Sir Cauline's Return, ca. 1780; Priv.-Slg) zu emotionsgeladenen romant. Visionen unter dem Einfluß von Johann Heinrich Füssli (Thomas Chatterton Taking the Bowl of Poison from the Spirit of Despair, ca. 1780, London, BM; F. entwirft auch ein Mon. für Chatterton, Ausst. RA 1780). Setzt F. bei Chatterton die Lavierung für dramat. Effekte ein, so dient sie bei Cauline einzig zur sparsamen Modellierung weitgehend glatter Flächen. Im Allgemeinen bedient er sich für antike Darst. eines skulpturalen Aufbaus mit athlet. Figuren, während ma. Themen eher bildhaft mit weniger körperbetonten Gestalten angelegt sind. Wenngleich die Linien-Zchngn Vorläufer in archäol. Publ. über Vasenmalerei oder Gemmen haben, so ist F. doch der erste, der sie nicht reproduzierend, sondern für eig. Komp.-Erfindungen verwendet. Der den Text ersetzende Char. hebt sie über reine Ill. hinaus und gesteht ihnen als einzigem Träger der Narrative (abgesehen von unterlegten Zitaten, die mehr der Orientierung dienen) einen bed. Bildwert zu. Die Reinheit der Linie, der weitgehende Verzicht auf Hintergrund und das völlige Aufgeben der Plastizität tragen ihm in Europa einen ungeahnten Ruhm ein, der sich nicht zuletzt in den Schriften von Goethe und Schlegel niederschlägt. Bei all dem ist das zweidimensionale Medium für F. nur eine Ausdrucksmöglichkeit für seine Komp., und er behält stets die Aussicht auf eine Umsetzung ins Relief im Auge (eine tatsächl. Umsetzung von F.s Homer-Zchngn in Relieffriese für die Rotunde von Ickworth House erfolgt 1800 und '03 im Auftrag des Earl-Bishop Hervey durch die Brüder Carabelli). In der Tat findet auch die Ilias-Episode The Departure of Briseis from the Tent of Achilles eine variierende Ausprägung im Relief, allerdings nicht durch F., sondern durch Canova. Die überwiegend in der Lit. geäußerte Annahme, dessen Gipsreliefs (Exemplare v.a. im Mus. Correr, Venedig, und Possagno) gingen den Homer-Zchngn F.s zeitl. um Jahre voran, ist irrig und kehrt die Abhängigkeiten um. Canovas Relief entsteht fast zeitgleich und mit großer Wahrscheinlichkeit unter dem Eindruck der versch. Varianten von F.s Komp., wenngleich ein direkter künstler. Austausch der befreundeten Bildhauer durchaus nicht auszuschließen ist. Noch Jahrzehnte später greift auch Thorvaldsen für eig. Reliefs auf F.s und Canovas Briseis-Komp. zurück. F.s bildhauer. Anfänge sind eng mit dem Aufwachsen im Laden des Vaters verknüpft, wo es an vorbildhaften Modellen nicht fehlt. Anfangs fertigt F. auch plast. Portr., die teils genrehafte Züge haben, z.B. von seiner Schwester Mary Ann F. holding a Doll (Wachsrelief, ca. 1772; London, V&A). Bald jedoch prägt eine vorwiegend klassizist. Ausdrucksweise sein Schaffen. F. nimmt mit seiner Tätigkeit für Wedgwood eine bed. Stellung in der Entwicklung von Design für eine frühindustrielle Massenproduktion ein. Diese arbeitsteilige Trennung von Entwurf und Ausf. wird vielfach auch als wegweisend für den Entstehungsprozeß seiner späteren mon. Grabmäler angesehen, bei denen F. in der Umsetzung kaum mehr selbst tätig wird (im Mansfield-Mon. etwa legt er nur beim Portr. des Richters selbst Hand an); hingegen ist diese Praxis tief in der röm. Trad. von Bernini bis Canova verwurzelt. Mitunter führt jedoch die Übertragung von F.s relativ kleinformatigen Modellen in lebensgroße Marmorwerke zu nicht völlig befriedigenden Ergebnissen. Erst in der späten Gruppe St. Michael overcoming Satan trägt er dem durch ein Modell in Ausf.-Größe Rechnung. Trotz dieser Einwände ist es allein Canova, an dem man F.s Größe messen muß. Beide stehen einander in Rom offensichtl. persönl. nahe, folgen ähnl. künstler. wie geistigen Interessen, ja haben die gleiche Angewohnheit, sich während der bildhauer. Arbeit vorlesen zu lassen. Eine eingehende Untersuchung der persönl. wie künstler. Beziehungen beider steht noch aus. Allerdings gelingt bereits einem Biographen Canovas, John Memes, noch zu Lebzeiten F.s ein treffender Vergleich, indem er F. in der Erfindung als Canova ebenbürtig oder gar überlegen ansieht, während er in der Eleganz und Anmut, Leichtigkeit der Ausf. und dem exquisiten Finish hinter dem Venezianer zurückstehen muß. Es ist kaum zu bezweifeln, daß F. als Entwerfer für Skulpt. und skulpturalen Dekor, narrativer Zeichner und kunstgew. Entwerfer eine größere Wirkung ausübt als der selbst ausführende Bildhauer. Seine Wedgwood-Entwürfe werden zu prägenden Accessoires in neuklassizist. Interieurs, und die Entwürfe für Grabmäler sind wegweisend für das 19.Jh.
Skulpt. und Zchngn:
The mon. of Captain Montagu and of Admiral Howe, in: P.Hoare, Acad. correspondence, 1803, Lo. 1804, 24 s.; Sketch of Romney's professional char., in: W.Hayley, Life of George Romney, Lo. 1809, 305-313; Cursory strictures on mod. art, and particularly sculpt., in England ..., in: The artist 1:1810(12)30.5.1807; Lex.-Eintrag in: A.Rees (Ed.), Cyclopædia, Lo. 1819; Lectures on sculpt., Lo. 1829 (erw. 1838).
Gruppenausstellungen:
London: 1767-69 Free Soc. of Artists; 1768 Soc. of Artists; 1770-87, 1796-1827 häufig RA; 1807 BI.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB12, 1916
Weitere Lexika:
DNB XIX, 1889; Gunnis, 1968; Pyke, 1973; Bauer, GEM III, 1976; DA XI, 1996; R.Reilly, Wedgwood. The new ill. dict., Woodbridge 1996
Gedruckte Nachweise:
W.Hayley, An essay on sculpt. In a series of epistles to J.F., Lo. 1800; A.Cunningham, The lives of the most eminent Brit. painters, sculptors and architects, Lo. 1830-33; T.Ely, Cat. of works of art in the F. Gall., Univ. College London, Lo. 1900; W.G. Constable, J.F., 1755-1826, Lo. 1927; Singer, NBK V, 1938; E.Croft-Murray, Vol. of the Walpole Soc. 28:1939/40, 51-93; W.J. Bate, From classic to romantic. Premises of taste in 18th c. England, C., Mass. 1946; M.Campbell, Princeton bull. 17:1958(2)65-73; J.F. R.A., Sculptor (K Hatton Gall., Univ. of Durham), Newcastle 1958; D.Irwin, BurlMag 101:1959, 212-217; id., Connoisseur 144:1959, 104 s.; The romantic movement (K), Lo. 1959; H.Ebert, Jb. der SKS Dresden 1961/62, 91-114; G.E. Bentley Jr., The early engravings of F.s classical designs. A bibliogr. study, N.Y. 1964; D.Irwin, English neoclassical art. Stud. in inspiration and taste, Lo. 1966; M.Whinney/R.Gunnis, The coll. of models by J.F. at Univ. College London, Lo. 1967; Romantic art in Britain. Paintings and drawings 1760-1860 (K Detroit/Philadelphia), Ph. 1968; R.R. Wark, Drawings by J.F. in the Huntington Coll. (K), San Marino, Cal. 1970; The age of neo-classicism (K RA), Lo. 1972; D.Bindman/C.Powney, J.F. (K Heim Gall.), Lo. 1976; D.Irwin, BurlMag 118:1976, 335 s.; L.R. Eddy, Stanford Mus. 1976/77(6/7)10-17; R.N. Essick/J.La Belle (Ed.), F.s ill. to Homer, N.Y. 1977; N.Penny, Church mon. in romantic England, New Haven 1977; D.Bindman (Ed.), J.F. RA (K RA), Lo. 1979 (Lit.); D.Irwin, J.F. 1755-1826, Lo. 1979 (Lit. und Archivalien); J.F. Mythologie und Industrie (K Hamburg), M. 1979 (Lit.); The poetical circle (K Wander-Ausst.), Fi. 1979; V.Flaxman, BurlMag 122:1980, 687-690; Art 55:1981(7)80-84; G.E. Bentley Jr., ArtB 63:1981, 658-664; S.Bury/M.Snodin, Art at auction 1983/84, 274-283; M.Kunze, Marginalien 92:1983(4)40-52; M.Archer, Apollo 120:1984(Juli)50-55; V.Chan, ArtsMag 58:1984(Juni)80-95; E.Hendriks, BurlMag 126:1984, 618 ss.; Polish art stud. (Wr.) 5:1984, 45-53; S.Symmons, F. and Europe. The outline ill. and their influence, N.Y./Lo. 1984; R.W. Liscombe, Vol. of the Walpole Soc. 53:1987, 225-238; Whinney, 1988; B.Sandstrom, BurlMag 131:1989, 631-633; J.Elkins, ZKg 53:1990(4)560-582; P.Fogelmann, BurlMag 132:1990, 31; R.J. Reichner, Ars ceramica 7:1990, 24-28; L.Southwick, Silver Soc. j. 1:1990(Winter)27-49; D.W. Dörrbecker, in: Europ. Barock-Rezeption. 6. Jahrestreffen des Internat. Arbeitskreises für Barock-Lit. Wolfenbüttel, II, Wb. 1991, 1265-1294; Visions of antiquity (K Wander-Ausst.), L.A. 1993; F.Spesso, Nuovi annali della scuola speciale per archivisti e bibliotecari 9:1995, 79-94; G.Lammel, Kunst im Aufbruch, St./Weimar 1998; P.McEvansoneya, BurlMag 143:2001, 351-359; D.Bindman (Ed.), J.F. Master of the purest line (K Univ. College/Sir John Soane's Mus.), Lo. 2003 (Lit.). Addenda: R.L. Poole, Cat. of portr. in the Bodleian Libr., ed. K. Garlick, Ox. 2004
Archive:
Arch.-Verz. bei: Irwin, 1979, u.a. Cambridge, Fitzwilliam Mus. / London, BM: auch Tagebücher von Nancy F.
Flaxman, John, Bildhauer, geb. am 6. 7. 1755 zu York, f am 7. 12. 1826 in London. In dem Laden seines Vaters John F., der ein Gipsgießer war und 1756 nach London übersiedelte, lernte der von Jugend auf kränkliche und verwachsene Knabe lesen, zeichnen und modellieren; außer einer kurzen Schulzeit bei einem grausamen Lehrer war er völlig auf sich angewiesen. Diese Freiheit brachte ihn bei seinem angeborenen Arbeitseifer und Talent, in der ständigen Umgebung von Abgüssen nach der Antike, sehr rasch in sein künstlerisches Fahrwasser. Er zeichnete schon mit 10 Jahren nach Homer, den er (in der Popeschen Übersetzung) las, und erregte durch sein ganzes frühreifes Gebaren bald die Aufmerksamkeit von Romney und vor allem von Rev. Mathew, der ihn zu seiner Frau brachte. In dem halb gelehrten halb dilettantischen Zirkel dieses Blaustrumpfes wurde er mit klassischer Bildung noch näher bekannt und allseitig ermuntert, in seiner Richtung fortzufahren; ja ein gewisser Crutchley gab ihm schon jetzt Aufträge zu Zeichnungen aus Homer. So erscheint seine besondere Art, die Antike in englischer etwas weiblich angehauchter Art aufzufassen, von frühester Jugend an systematisch bestimmt. Mit 12 Jahren stellte er Modelle nach Antiken in der Free Society of artists aus, mit 15 Jahren errang er bereits die silberne Medaille der Akademie für ein dort ausgestelltes Wachsmodell des Neptun. Im gleichen Jahr 1770 trat er in die Akademie, wo er die Freundschaft von Stothard und Blake gewann, die beide bedeutenden Einfluß auf ihn ausübten. Seine Technik wurde hier in etwas geregelteren Bahnen ausgebildet, in Anlehnung an den französischen Halbrealismus, etwa von Bouchardon; frühe Wachsmedaillons wie das seiner 4jährigen Schwester Mary Ann von 1772 und sein Selbstbildnis von vorn, 1779, legen dafür ebenso deutlich Zeugnis ab wie einige seiner frühesten Arbeiten für Wedgwood (Reliefs der 4 Jahreszeiten als Putten, 1775). 1775 nahm ihn Bentley, der Gesellschafter von Wedgwood, in den Dienst von Etruria; das anfängliche Mißtrauen Wedgwoods gegen den "Windbeutel" verwandelte sich bald in höchsten Enthusiasmus. Denn F. in erster Linie war der entschiedene künstlerische Aufschwung zu danken, den die Jasperware, aber auch alle andern Arten des Wedgwood-Steinzeugs nahmen. Er hat viel für die Fabrik gezeichnet und modelliert und zwar nicht bloß Reliefs zur Verzierung, sondern auch ganze Gefäße. Bis 1787 bestand hierin wohl seine wesentlichste und wertvollste Tätigkeit, obgleich er schon 1780 sein erstes Grabmal für Chatterton, in S. Mary Redcliff, Bristol, arbeitete und fast jedes Jahr Modelle in der Akad. ausstellte. Es folgten 1784 die Grabmäler für Miss Morley und Miss Cromwell, 1785 die für Rev. Thomas und Mrs Marg. Ball sowie für William Collins, bestehend in Reliefs mit tröstlichen Darstellungen aus dem christlichen Ideenkreise. Diese Aufträge hatte ihm bereits der getreue Freund Will. Hayley vermittelt. 1782 heiratete F. Ann Denman, mit der er in kinderloser aber durch unwandelbare Liebe und durch ihr tiefes Verständnis für ihn sehr glücklicher Ehe lebte, bis sie 1820 starb (ihr sympathisches Bildnis von H. Howards in der Nat. Portr. Gall.). Zur Vervollkommnung seines Rüstzeuges unternahm F. 1787 mit Unterstützung Wedgwoods und in Begleitung seiner Frau eine Reise nach Rom, die bis 1794 dauerte und ihm neben der Kenntnis eines großen Teils von Italien und seiner Kunst die Reife seines Stiles brachte. Plastische Aufträge für Knight, der ihn schon 1784 eine Gruppe von Venus und Kupido und einen Alexander hatte ausführen lassen, beschäftigten ihn, so insbesondere eine Kopie der Borghese-Vase, Aurora und Kephalus, Anastasius. Den Torso des Belvedere versuchte er als Herakles und Hebe zu ergänzen; doch befriedigte ihn seine Lösung später selbst so wenig, daß er sie gern vernichtet hätte. Bei der überlebensgroßen "Raserei des Athamas" für Lord Bristol hatte er sogar materielle Verluste. Anfangs modellierte und zeichnete F. noch viel für Wedgwood, wie die "Apotheose Homers" und das "Opfer von Hymen", das berühmte Gegenstück zu der einer antiken Gemme entnommenen Hochzeit Amors und Psyches, 1789. Doch hat das alles wenig zu bedeuten gegenüber den Hauptwerken, den Illustrationen zu Homer, Aischylos und Dante, die er in Rom schuf; fast als Nebenarbeiten entstanden, und doch allein von der Art, die seinen Namen unsterblich machte. Im Auftrage von Mrs. Hare Nayler zeichnete er 39 Blatt zur Ilias, 34 zur Odyssee, das Blatt zu 15 sh.; 109 Blatt zu Dantes Göttliche Komödie für Thomas Hope, und 31 Blatt zu Aeschylos' Dramen für Gräfin Spencer, jedes für 1 guinea. Diese Zeichnungen brachten ihm rasch einen solchen Ruf, daß sie von Piroli und Blake gestochen und in vier Kultursprachen verbreitet wurden. Sie erschienen in Buchform, ohne Text, als die ersten in jener langen Reihe gestochener Zeichnungsfolgen, die neben den Dichtungen als selbständige Illustrationen auftreten. Die Akademien von Florenz und Carrara (wo er sich 1794 aufhielt) ernannten ihn zum Mitglied. Daß er sich in Italien keineswegs nur um die Antike bekümmerte, sondern auch für die mittelalterliche Kunst (weniger für die der Renaissance) lebhaftes Interesse zeigte, beweisen seine Lectures an sculpture. Im Sommer 1794 kehrte F. mit seiner Gattin nach London zurück und begann nun vor allem eine umfassende Tätigkeit für Grabdenkmäler, der einheimischen Gattung von Plastik in England. 1796 stellte er das Denkmal des Lord Mansfield in der R. Acad. aus, das in Westminster steht und nebenbei bemerkt von irgendeinem reichen Verehrer dieses Rechtsgelehrten um 2500 Pfd Sterl. bestellt war. Die Früchte des römischen Aufenthalts zeigen sich deutlich an diesem typisch klassizistischen Grabmal. Die Monumente folgten sich nun in großer Zahl und bildeten den Hauptteil von F.s Tätigkeit; mehr als 30 hat er geschaffen. Hier seien nur die wesentlichsten und datierten genannt: 1797 Emily Mawler, Chertsey; 1798 General Paoli, der Korse, Westminster; Familie Baring, Micheldever (in Statuen und Reliefs sind drei Bitten des Vaterunsers monumental verkörpert!); 1800 Miss Lushington (ein Engel tröstet die trauernde Mutter und Tochter); 1801 F. M. Jones, Oxford (Relief: drei Brahminen legen dem Forscher ihre Gesetze aus); Büste Washingtons; 1802 Mrs Knight, Cambridge; 1807 Joshua Reynolds, S. Paul's; Rajah von Tanjore; Missionar Schwartz (Relief: Besuch des Rajahs bei den Sterbenden); 1810 Josiah Webb (im Anschluß an diese eine Reihe Aufträge von Statuen berühmter Männer der East India Company wie Warren Hastings, Wellesley usw., für das East India House); 1812 Lord Cornwallis; 1813 Lic. J. Moore, Glasgow; 1814 Mrs Bosanquet, Leyton; 1817 Mrs Fitzharris, Christ church Priory, London (mit der schönen Gruppe "Mütterliche Zärtlichkeit"); 1819 Lady Spencer (Figuren von "Glaube" und "Liebe"); 1820 Rev. J. Clower, Manchester (mit Relief "Religionsunterricht"); 1823 Robert Bums; John Kemble, Westminster (in römischer Toga, als Cato); 1826, in seinem Todesjahr, das Modell zur Statue Thomas Telfords (mit dem Relief der 1825 vollendeten Menaibrücke in Wales). Zu seinen bekanntesten Grabmälern gehören noch die Capt. Montagu's (mit zwei großen Löwen) und Nelson's (Britannia zeigt Nelson zwei jungen Matrosen als Vorbild). 1797 wurde F. Beisitzer, 1800 Mitglied der Londoner Akad. 1802 unternahm er mit B. West eine Reise nach Paris, um die dort aus aller Welt zusammengeschleppten Kunstschätze zu besichtigen. Man nahm ihn sehr gut auf, aber seine englische Frömmigkeit sah in allem nur das Sündenbabel. David, der ihm der "Atheist und Königsmörder" blieb, war empört über das anmaßende Wesen des kleinen Briten, was nicht erstaunlich ist, wenn man erfährt, daß F. eine Zeichnung des jungen Akademieschülers Ingres (Achill empfängt die Gesandten Agamemnons) mit einem bemerkenswerten Instinkt des Wahlverwandten für das Schönste erklärte, was er in Paris gesehen habe. 1810 wurde für F. an der Londoner Akad. ein Lehrstuhl für Plastik eingerichtet. Seine Vorlesungen über Skulptur, die er von 1811 an hielt, waren äußerst beliebt, wie Füßli bezeugt. Sie erschienen, mit einem Nachruf von dem Bildhauer Westmacott, 1829 in London als Lectures an sculpture mit 52 Lithogr. nach seinen Zeichnungen. Die Vorlesungen enthalten 1) Englische, 2) Ägyptische, 3) Griechische Skulptur. 4) Wissenschaft. 5) Schönheit. 6) Komposition. 7) Stil. 8) Draperie. 9) Antike. 10) Moderne Kunst. Ist diese Einteilung etwas nebelhaft und parteiisch gehalten, so ist es sehr charakteristisch für das sonderlich Englische und das Präraffaelitische in F.s Art, daß unter den Abbildungen 4 Bl. Ägypten usw., 6 der archaischen, 10 der klassischen Antike, 12 der Gotik - und Michelangelo nur 4 gewidmet waren. Die Selbständigkeit, die F. trotz aller Verehrung stets Winckelmanns Lehren gegenüber eingenommen hat, ist auffallend, namentlich seine ausgesprochene Neigung zum Ägyptischen und den von Winckelmann gleichermaßen verschmähten Früh-Florentinern, wodurch er sicherlich Ruskin den Weg geebnet hat. Seine literarische Tätigkeit beschränkte sich nicht hierauf. Außer einigen gelegentlichen offenen Schreiben - worin er z. B. 1797 gegen die Entführung der römischen Kunstschätze nach Paris protestierte (veröffentlicht in Gentleman s Magazine 1797) - schrieb er in der Biographie Romneys von Hayley eine "Charakteristik Romneys als Maler", und für die 1819/20 erscheinende Encyclopaedia von Ree die Artikel armour, basso-rilievo, beauty, bronze, bust, composition, cast und Ceres. 1796 ging er gar unter die Dichter und widmete seiner Frau ein Gedicht The knight with the blazing cross mit 41 Zeichnungen, dazu 6 Zeichnungen "acts of mercy". Gelegentlich der Erwerbung eines japanischen (oder chinesischen) Lackkästchens, das er sehr schätzte, schilderte er in einem Gedicht "The basket" die phantastischen Irrfahrten Künstleriexikon. Bd. XII. des kostbaren Stücks mit 10 Zeichnungen, wie Cunningham erzählt. Flaxmans Kunst kann nirgends ihren englischen Charakter verleugnen, so sehr er sich bemühte, ein Klassizist zu sein, d. h. so zu arbeiten, wie er meinte, daß die Griechen gearbeitet hätten. Und das ist das Besondere dieser Kunst, die nur da etwas Giltiges behält, wo sie mit dem englischen Charakter F.s durchtränkt ist. Während alle andern englischen Bildhauer wie Roubilliac, Chantrey, Westmacott usf. mit einer tödlichen Gleichförmigkeit und Langeweile behaftet sind, kann man dasselbe Urteil nur auf die großen konventionellen Grabmäler F.s anwenden, die, wie das für Mansfield und für Nelson, in dem ausgefahrenen Geleise des Allerweltsklassizismus verblichene Phrasen aufwärmen und durch keine menschlichen Züge entschädigen, wie selbst viele seiner unverdaulichen Allegorien auf christliche Betätigungen. Sein Feld war die Plastik kleinen und kleinsten Formates. Die größeren Arbeiten litten schon unter seinem technischen Unvermögen; er begnügte sich regelmäßig, sie in halber Lebensgröße zu formen, und überließ die Ausführung italienischen Marmorarbeitern. Aber es war seine Beschränkung eigentlich in allem, daß er über das Skizzenhafte und Allgemeine nie herauskam. Das genaueste Naturstudium verraten eigentlich nur seine frühesten Werke, die Wachsarbeiten und Medaillonporträts; die Formbestimmtheit seiner Reliefs für Wedgwood erreicht er kaum jemals wieder. Rom gab ihm die Vollendung seines hohen Idealismus, aber es nahm ihm für immer die Eindringlichkeit der letzten Ausführung. Besonders deutlich wird dieser Stil der weichen Übergänge und etwas kraftlosen Allgemeinheit in den hockenden Gestalten von Amor und Psyche von 1793: er scheint aus einem Gemisch von Neigung, die plastischen Massen beisammenzuhalten, von idealistischen Schönheitsvorstellungen nach griechischem Vorbild und einer Unfähigkeit zusammengesetzt, anders als in weichem Ton zu denken und zu modellieren. Vielleicht hängt das auch mit seiner sehr schwächlichen Körperbeschaffenheit zusammen, welcher der Meißel zu wuchtig war. Rührend aber und von einer süßen Sinnlichkeit belebt ist der Ausdruck und die zarte Bewegung seiner Gestalten. Für die feinen Reliefs auf den Wedgwood-Gefäßen und -Friesen war sein hohes Schönheitsgefühl nicht nur völlig ausreichend, sondern er ist es gewesen, der diesen klassischen Stil recht eigentlich geprägt und ausgebildet hat. Das Blaustrumpfmäßige in der Bildung seiner Jugend und die Neigung des Engländers zu ausdruckslos reiner Anmut prägen diesen weißen Gestalten auf blauem, gelbem oder grünem Grunde ihren nicht zu verwechselnden Charakter auf. Wie Inigo Jones schon im 17. Jahrh. mit der Unbeirrbarkeit des kühlen Verstandes die klassizistische Formel in der englischen Baukunst ausprägte, so war es der Engländer Flaxman, der nach Winckelmanns Tode als Erster seine Lehre in annehmbare Praxis übersetzte, sie der Kunstindustrie dienstbar machte, und auf eine Weise, der man wahren künstlerischen Adel nicht absprechen kann. Er hat dabei mit feinstem Takt die Grenzen der Technik und des besonderen Stiles von Wedgwood innegehalten. Doch beruht die eigentliche Bedeutung F.s auf seinen Illustrationsfolgen, die man freilich in den Originalen sehen muß, weil die Stiche besonders von Piroli das Wesentliche ihres graphischen Zaubers nicht geben. Von den griechischen Vasenbildern (die 1791 von Tischbein in Stichen herausgegeben wurden) kam ihm zweifellos Anregung. Das Ausschlaggebende, die Verbindung knapper Umrißlinien, ohne Andeutung von Schatten und Örtlichkeit, mit ganz neuzeitlichem seelischen Gehalt, ist das ausschließliche Verdienst F.s, und hier könnte man fast von der Offenbarung eines besonderen englischen Genius sprechen. Auf seine Zeitgenossen wirkten F.s Illustrationen völlig umwälzend. Ph. O. Runge und Ingres zählen zu seinen getreuesten Verehrern und Schülern; und die Zahl der gestochenen Illustrationsfolgen, welche diesem ersten Vorbild folgten, ist fast unübersehbar, zumal in Deutschland, wo man F. vielleicht am besten verstanden hat. Illustrationsfolgen: "Ilias und Odyssee", gestochen von Piroli, 64 Bl. in obl. fol., London 1795, um 11 Bl. vermehrt 1805; deutsche Ausgabe Leipzig 1804, italien. Ausg., die früheste, Rom 1793; "Dantes Göttliche Komödie", gest. v. Piroli, italien. Ausg. 38 Bl. Rom 1802, engl. London 1807; zweite Ausg. 112 Bl. London 1820; "Die Tragödien des Aischylos", gest. von Piroli und Fr. Howard, London 1795, 30 BL, 2. Ausg. London 1831. In späteren Jahren fügte er Illustrationen zur "Theogonie" und "Werke und Tage" von Hesiod hinzu, von denen die Theogonie, obl. fol. London 1817 erschien, 36 Blatt von Blake gestochen. Die vier klassischen Folgen (außer Dante) erschienen in einer englischen Gesamtausgabe, London 1870. Schließlich wurden 8 Bl. Zeichnungen zum "Vater Unser", die er im Lauf der Jahre gemacht hatte, in Steinzeichnungen von Rieh. Lane 1835 in London herausgegeben. (Genaue Angaben in Universal catalogue of books an art, London 1870 Bd I.) Die Originale von Aischylos, Ilias und Odyssee befinden sich in London, New Burlington House (Royal Aca demy), die zur Göttlichen Komödie sind in Privatbesitz verschollen. Ein vollständiges Verzeichnis der Skulpturen F.s existiert noch immer nicht (das ausführlichste, jedoch lückenhaft, bei Chancellor p. 239, 247ff.). Es seien daher die wichtigsten der seit 1794 entstandenen, außer den angeführten Grabmälern, genannt: 1800 Relief Apollo und Marpessa, von der Akademie preisgekrönt; 1801 Modell einer auf 230 Fuß Höhe berechneten Riesenstatue der Britannia, die den Hügel von Greenwich krönen sollte, als Siegesmal von F. in einem offenen Brief an den Herzog von Gloucester 1799 vorgeschlagen, nicht ausgeführt; 1803 Relief der "Freiheit" über dem Eingang des "Tempels der Freiheit", Woburn Abbey, auf Bestellung von Lord Russell; 1805 Relief "Hermes bringt Pandora zur Erde"; silberne Vase zur Erinnerung an Nelsons Siege; 1818 Modell zum "Schild des Achilles", den die Goldschmiede Rundell und Bridge im Auftrag des Königs 4mal in Silber und 2mal in Bronze abgossen (ein solcher Bronzeguß u. a. in Oxford, University Gallery), auf dem er im Mittelfelde Helios auf deni Sonnenwagen, am Rande den Okeanos, auf dem breiten Mittelstreifen die im 18. Gesange der Ilias geschilderten menschlichen Szenen in Flachrelief anbrachte (das Ganze eine echt englisch-reproduktive Idee); 1821 die Kolossalfigur des hI. Michael, der den als Drachen gegebenen Teufel besiegt, in Anlehnung an Raffael; 1823 kleine Statuen von Raffael und Michelangelo; kauernder Amor; kauernde Psyche. Die Zahl seiner Bildnisbüsten u. -medaillons ist nicht klein, doch lag ihm das Realistische des Bildnisses nicht besonders. Während er in den Grabmälern christliche Gedanken und Allegorien bevorzugte - er stellte sie auch theoretisch über den Wert der antiken Motive! -, mit einer häufig nur der puritanischen Geistesverfassung sofort-einleuchtenden Spitzfindigkeit, so weisen alle seine Statuen und Reliefs, vor allem auch die für Wedgwood, auf seinen klassizistischen Geschmack in Form und Inhalt. Hauptwerke F.s: in London: University College, Flaxman Hall (Gipsabgüsse vieler Plastiken, darunter die Ergänzung des Belvedere-Torso, Zeichnungen, Skizzen). New Burlington House, R. Ac. of arts (Originale zu Aischylos, Ilias und Homer). South Kensington Mus. (Italienisches Skizzenbuch, Zeichnungen, Selbstbildnis; die Jonides-Coll. und die Art library daselbst enthalten an 200 Zeichnungen). British Mus. (Zeichnungen). Westminster Abbey (Denkmäler für Nelson, Mansfield, General Paoli, Capt. Montagu, J. Kemble). S. Paul's (Grabmal Reynolds, Capt. Miller). Soane Museum (zahlreiche Modelle und Skizzen, u. a. mittelalterliche Schachfiguren für Wedgwood, Entwurf zur "Britannia', "Mütterliche Liebe", Terrakottabüsten seines Vaters und Hayleys). Samml. Roger (Statuen v. Raffael u. Michelangelo, Kupido, Psyche). - Nottingham, Mus. (21 Zeichnungen). - Chichester, Kathedrale (Grabmäler von Thomas u. Margaret Ball, William Collins, Miss Cromwell). - Glasgow, Mus. (Bronzestandbilder John Moore, William Pitt). - Oxford, Kap. des University College (Grabmal W. Jones). - Cambridge, Milton - Kirche (Grabmal Mrs Knight); Fitzwilliam-Mus. ("The knight of the blazingcross"). - Manchester, S. John (Grabmal Rev. John Clower). - Gloucester, Kathedrale (Grabmal Mrs Morley). - Lewisham (Grabmal Miss Lushington). - Mitcheldever, Hampshire (Grabmal Familie Baring). - Leyton (Grabmal Miss Bosanquet). - Kalkutta, Indien (Grabmäler Rajah von Tanjore, Missionar Schwartz, Josiah Webb u. a.). - Petworth (Gruppe des hl. Michael, Apoll als Schäfer). - Ickworth (Rasender Athamas). - Wolverley Hall (Alexander, Gruppe Venus und Kupido von 1784, Anastasius, Aurora und Kephalus). Bildnisse Flaxmans: Gemälde von Romney (wie er an der Büste Hayleys arbeitet); von Henry Howard; Zeichnung von James Atkinson (im Alter, sitzend) - sämtlich in der Nat. Portrait Gall., London. Gemälde von Guy Head (Nr. 627 der Corporation of London). Medaillon von David d'Angers, 1828 in England modelliert (Museum von Angers). Kupferstich von C. Turner. und Medaillen von demselben (Soane Museum, London). Selbstbildnis, Terrakotta - Medaillon (South Kensington Museum). Literatur. Auffallenderweise fehlt es an einer gründlichen zusammenfassenden Arbeit gänzlich; das Material ist äußerst verzettelt und ungenügend. A. W. v. Schlegel, Über Zeichnungen zu Gedichten und J. Flaxmans Umrisse, 1799. - Goethe in Kunst und Altertum IV 81-94 u. Winckelmann u. sein Jahrh. p. 322f., 355. - Schornin Kunstblatt1827u. 1831. - Allan Cunningham, Lives of the most eminent brit. painters etc., 1830 III 290ff. (diese beiden aus persönlicher Kenntnis von F.s letzter Zeit). - L'artiste 1833, III 210; V 259f. (Vergleich m. Ingres). - Passavant, Reise durch England, 1833 p. 135f. - Kugler, Kl. Schriften Bd III 1854 p. 41f., 61. - Nagler, Kstlerlex. - Waagen, Treasures of art in Great Brit., 1854 I 424; II 74, 317 usf. - Hoefer, Nouv. Biograph. gén., XVII 874ff. - Sidney Colvinin The Portfolio1871p. 192ff. (Abb.); Drawings of FI., 1876 (Abb.) und in Dict. of nat. biogr. XIX 1889 (der Einzige mit etwas Lit.-Angabe). - Dallaway, Les beaux arts en Angleterre. - Church, Josiah Wedgwood p. 93f. - Fred. Wedmore, Studies on English art., London 1876 (besonders über Wedgwoodarbeiten und Zeichnungen). - L. Forrer, Dict. of medall. 1904, II 102ff. (Abb.). - A. F. Caddie in Burl. - Fleck Magazine VIII (1905/6) 257 (Abb.). - Max Sauerland in Zeitschr. f. bild. Kst, N. F. XIX 189 (m. Abb., die selbständigste und tiefdringendste Arbeit über F.s Zeichnungen). - Kat. des Soane-Mus. in London, Oxford 1910 (schlecht!). - Jeanne Doinin Gaz. d. B.- Arts 1911 I 233ff., 330ff. (Abb.). - Beresford Chancellor, Lives of the brit. sculptors, 1911 No XI. - Mrs Stewart Erskine in The art journal 1912 p. 81ff. (Abb.). - The Connoisseur XXXV (1913) 241-48.