Fragonard, Jean Honoré, frz. Maler, Zeichner, Radierer, *5.4.1732 Grasse, †22.8.1806 Paris. Einziger Sohn von Françoise Petit und dem Handschuhfabrikanten François F.; verh. mit der Min.-Malerin Marie-Anne F., geb. Gérard, Vater von Alexandre-Evariste F., Schwager der Malerin Marguerite Gérard.
Fragonard, Jean Honoré
1738 wegen finanzieller Schwierigkeiten Umzug der Fam. F. nach Paris. Versch. Biographen sehen darin allerdings die Konsequenz eines Rechtsstreites, wozu es keinen Anhaltspunkt gibt. Zunächst arbeitet F. als Notariatsgehilfe. Nach vergebl. Bewerbung bei François Boucher beginnt er eine Ausb. im Atelier von Jean Siméon Chardin. Um 1749 nimmt der nun durch F.s Fortschritte beeindruckte Boucher diesen schließl. doch als seinen Lieblingsschüler bei sich auf. Diesen auf dem Höhepunkt der künstler. Laufbahn befindl. Lehrer unterstützt F. bei bed. Aufträgen wie der Ausf. von Tapisseriekartons; außerdem fertigt er Kopien nach Boucher (Hercule et Omphale, nicht lokalisiert). 1752 Teiln. am Wettb. um den Rompreis. F. studiert zwar nicht an der Acad. royale de Peint. et de Sculpt., aber die Protektion durch Boucher wird als gleichwertig angesehen. Am 26.8.1752 Gewinn des Rompreises mit dem Gem. Jéroboam sacrifiant aux idoles (Öl/Lw., Paris, ENSBA), das durch den klar gegliederten Aufbau, die Farbgebung und das Bemühen um eine dramat. Atmosphäre jedoch eher an die Malweise von Carle van Loo erinnert. Anschl. Eintritt in die von diesem hochgeschätzten Pädagogen geleitete Ec. royale des Elèves protégés. Als Stipendiat des Königs (20.5.1753-20.10.1756) erhält F. Unterkunft, Verpflegung, prakt. und theoret. Weiterbildung. Die Mitgl. der Akad. bewerten seine mytholog. und relig. Komp., u.a. Psyché montrant à ses sœurs les présents de Cupidon (Öl/Lw., 1753/54, London, NG). Die 1754 im Auftrag der Confrérie St-Sacrement für die Kathedrale in Grasse gemalte Komp. Le Lavement des pieds wird am 13.4.1755 Ludwig XV. vorgestellt; diese zugleich schlichte wie nüchterne Darst. zeigt gewisse Parallelen zu einem Bild von C.van Loo zum gleichen Thema (Öl/Lw., 1742, Le Mans, Mus. Tessé). In dieser Schaffensperiode beginnt F. auch mit Dekorationsmalerei. Für einen unbek. Auftraggeber gestaltet er vier kleinformatige ländl. Szenen zu einem von Boucher in vergleichbarer Weise behandelten Themenkreis: La bergère; Le moissonneur; La vendangeuse; Le jardinier (alle Öl/Lw., um 1753, Detroit/Mich., Inst. of Arts). Dessen Einfluß wird noch deutlicher an F.s mytholog. Darst. wie Jupiter et Callisto und Céphale et Procris (beide Öl/Lw., um 1755, Angers, MBA). Im Okt. 1756 Abreise von Paris nach Rom, wo F. ab 24.12.1756 Stipendiat der von Charles Joseph Natoire geleiteten Acad. de France ist. In Anbetracht der dort angebotenen Fülle von Meisterwerken muß er zunächst eine Phase tiefer Niedergeschlagenheit bewältigen. 1757-59 widmet er sich akad. Übungen (Akte, Studienköpfe und Draperien), zeichnet in der Gall. Farnese nach den Carracci und malt eine Kopie nach dem in der röm. Kapuzinerkirche befindl. Gem. Ananie rendant la vue à St Paul von Pietro da Cortona. Nach überstandener Depression malt und zeichnet F. intensiv, bes. Studien mit drapierten Figuren (Montpellier, Mus. Atger). Aus dieser Zeit stammt das im Auftrag des Bailli de Breteuil ausgef. bed. Gem. Enjeu perdu (oder Le baiser gagné, Öl/Lw., um 1759/61, New York, Metrop. Mus.), das im Vergleich zur Pariser Schaffensphase F.s neue künstler. Orientierung wie auch Malweise zeigt. Diese Entwicklung wird noch offenkundiger an den rasch ausgef. Genreszenen La charrette embourbée (1759, Paris, Louvre) und Les blanchisseuses (um 1759/60, Rouen, MBA, beide Öl/Lw.). F.s Zchngn, ganz gleich ob Kopien nach alten Meistern oder Lsch. (auf Anregung von Natoire durchgeführte Übung), beweisen sichere Beobachtungsgabe und bemerkenswerte Virtuosität. Von zwei prägenden Künstlerfreundschaften läßt sich F. bald auch zum Zeichnen von zahlr. Rötel-Lsch. anregen: Hubert Robert, den er wahrsch. E.1758 kennenlernt, und Abbé Jean-Baptiste-Claude-Richard de Saint-Non, der zudem ein wohlhabender Kunstsammler und F.s erster bed. Mäzen ist. Im Sommer 1760 ist F. dessen Begleiter zu einem Arbeitsaufenthalt in der Villa d'Este in Tivoli, von deren prachtvollen Gärten er großformatige Rötel-Zchngn im sommerl. Sonnenschein fertigt. Zehn bemerkenswerte Bll. (Besançon, MBA) zeigen Ansichten von Tivoli und der Villa d'Este; weitere Zchngn in ganz ähnl. Geist befinden sich in weiteren Slgn: Montpellier, Mus. Atger; Rotterdam, BvB; USA, ehem. John Nicolas Brown Collection. Im März 1761 von Saint-Non nach Neapel geschickt, erhält F. die Erlaubnis, mit Robert Ango in der Gall. di Capodimonte zu zeichnen. Am 14.4.1761 Rückkehr nach Frankreich in Begleitung von Saint-Non (Details dieser Fahrt sind bek. durch dessen J.de voyage) von Ronciglione nach Nîmes über Siena, Florenz, Pisa, Venedig, Padua, Vicenza, Verona, Mantua, Reggio, Modena, Parma, Colorno, Piacenza, Genua und Saint-Rémy-de-Provence. Während dieser Rundreise fertigt F. fast 300 Kopien (nach Francesco d'Agnolo Lanfranchi, Matia Preti, Lieven Mehus, Johann Liss, J.Tintoretto, Sebastiano Ricci, G.B. Tiepolo, G.B. Castiglione, Pietro Liberi und L.Carracci) und zeichnet markante Ansichten und Sehenswürdigkeiten. Diese zumeist mit schwarzer Kreide gez. Studien sind ein wertvoller Fundus, aus dem F. in der Folge schöpft (71 solcher Zchngn in London, BM). Er radiert danach, und Saint-Non gestaltet eine Aquatintafolge (Fragm. choisis dans les peint. et les tableaux les plus intéressants des Pal. et des Eglises de l'Italie, vier zw. 1770 und 1774 ersch. Folgen). Am 26.9.1761 ist F. wieder in Paris. Einige anschl. entstandene Gem. scheinen direkt von den ital. Zchngn inspiriert zu sein, z.B. Jardins de la Villa d'Este (Öl/Lw., um 1762/63, London, Wallace Coll.). Weitere ital. Einflüsse sind ebenfalls wahrnehmbar, bes. von Castiglione, von dem F. Zchngn in der Slg von Konsul Smith in Venedig gefertigt haben kann. Die Lsch. in Öl zeigen, daß er eine weitere Inspirationsquelle in der nord-europ. Kunst findet, bes. bei Salomon van Ruysdael. In diesen Jahren malt er Renaud dans les jardins d'Armide und Renaud dans la forêt enchantée (beide Öl/Lw., um 1763/64, Paris, Priv.-Slgn). Diese beiden von Torquato Tasso (Jérusalem délivrée) inspirierten Komp. entstanden wahrsch. unter dem Eindruck der gleichnamigen, 1761 und 1764 in Paris neu inszenierten Oper von Jean-Baptiste Lully und Philippe Quinault. Für das danach ausgef. Gem. Corésus et Callirhoé (Öl/Lw., Paris, Louvre) wird F. am 30.3.1765 "agréé" der Akad. und erhält eine Wohnung sowie ein Atelier im Louvre; von der bemerkenswerten Farbwirkung und der melanchol. Atmosphäre dieses Bildes sind die Kritiker, bes. Denis Diderot, im Salon 1765 begeistert. Der Marquis de Marigny erwirbt es für den König und beauftragt F. mit dem Gegenstück Le sacrifice au Minotaure (nicht ausgef., Ölskizze in Paris, Priv.-Slg). Viele Kunstkenner erhoffen sich nun, daß F. einen Beitr. zur Erneuerung der frz. Malschule leistet. Von den weiteren Aufträgen des Königs (für die Apollo-Gal. im Louvre, das Schloß Bellevue und den Speisesaal des Königs in Versailles) stellt er keinen fertig. Anstatt sich auf eine vielversprechende Karriere zu konzentrieren, scheint sich F. jegl. offizieller Unterstützung zu entziehen, indem er die Aufnahme in die Akad. als Historienmaler ablehnt und 1767 letztmals am Salon im Louvre teilnimmt. Hingegen stellt er 1778/79, 1781-83 und 1785/86 in dem von Mammès-Claude Pahin de la Blancherie organisierten Salon de la Correspondance aus und arbeitet nun bevorzugt für priv. Kunstsammler. Das im Auftrag des Baron de Saint-Julien gemalte, durch einen Stich von Nicolas Delaunay verbreitete Bild Les Hasards heureux de l'escarpolette (Öl/Lw., 1767, London, Wallace Coll.) steht exemplar. für diese Entwicklung. F. malt auch Lsch., deren Üppigkeit an die Zchngn aus Tivoli erinnert (La Fête à Rambouillet, Öl/Lw., um 1768/70, Lissabon, Mus. C.Gulbenkian), und die beliebten, sehr schwungvoll gemalten Phantasiefiguren (Figures de phantaisie), die Ausdruck der Bewunderung für Rembrandt, J.Jordaens und A.van Dyck sind. Einige Zeitgen. werfen F. vor, mit hastig gemalten frivolen Szenen für Kunstsammler seine künstler. Integrität aufs Spiel zu setzen. Auf dem Gebiet der dekorativen Malerei arbeitet er zus. mit Boucher und Jean-Baptiste Le Prince für das Privathaus des Kupferstechers Gilles Demarteau (Werk heute in Paris, Mus. Carnavalet). Außerdem malt er für die Tänzerin Marie-Madeleine Guimard. Mehrere Taf. mit Szenen zu amourösen Abenteuern (La surprise; La poursuite; L'amant couronné; L'amour-amitié; La Lettre d'amour, Öl/Lw., um 1771/72, New York, Frick Coll.) entstehen im Auftrag der Comtesse du Barry als Dekoration für den Speisesaal im Pavillon de Ledoux im Schloß von Louveciennes; diese lehnt die Bilder jedoch ab und wünscht von Joseph-Marie Vien, sie durch and. Gem. zu ersetzen. Nach zwei Aufenthalten in den Niederlanden reist F. am 5.10.1773 zus. mit dem Finanzier Pierre-Jacques-Onésyme Bergeret de Grancourt erneut nach Italien. Die während dieser Rundreise ausgef. Zchngn von Land und Leuten fertigt F. größtenteils mit Bister; sie sind von erstaunl. Leuchtkraft, u.a. Lsch., Genreszenen, Portr. und Kopfstudien, die an Gem. und Stiche von Tiepolo mit oriental. Sujets erinnern. Bekanntschaft mit François André Vincent, der in einer ähnl. Weise wie F. zeichnet. Der Weg führt weiter nach Neapel und Venedig mit Zwischenaufenthalten in Wien, Prag, Dresden, Frankfurt am Main und Straßburg. Im Sept. 1774 Rückkehr nach Paris. Für priv. Kunstsammler zeichnet und malt F. weiterhin Phantasiefiguren, Genreszenen und kleinformatige relig. Bilder, zudem eine Reihe von dekorativen Lsch.; bei deren Hw. La Fête à Saint-Cloud (Öl/Lw., um 1774, Paris, Banque de France) versucht er offenbar, Tusche-Zchngn nachzuahmen. 1777 zieht die Schwägerin M.Gérard als F.s Schülerin in dessen Wohnung ein. In den 1780er Jahren interessiert er sich für mytholog. Themen und tendiert zu einem Chiaroscuro, dessen reizvolle Ausstrahlung Werken von Jean-Baptiste Greuze nahesteht. Er fertigt auch Genreszenen in der Art der nord-europ. Malerei des 17.Jh., teilw. zus. mit M.Gérard: Le Baiser à la dérobée (um 1786/88, St.Petersburg, Ermitage); Les premiers pas de l'enfance (um 1780/85, Cambridge/Mass., Fogg AM); La liseuse (um 1783/85, Cambridge, Fitzwilliam Mus., alle Öl/Lw.). Der Themenkreis erweitert sich nun um Darst. aus dem Familienleben, Portr. der Ehefrau und des Sohnes, z.B. A.-E.F. en Pierrot (um 1785/88, London, Wallace Coll.). Überdies malt er allegor. Nachtstücke in einer Atmosphäre, die die Lichteffekte von Anne-Louis Girodet und Pierre-Paul Prud'hon vorwegnimmt: Le Sacrifice de la Rose (Los Angeles, Priv.-Slg); La Fontaine d'Amour (London, Wallace Coll., beide Öl/Lw., um 1785/88). Er gestaltet mehrere Folgen von Ill.: für Jean de La Fontaine, Contes; Ariosto, Orlando furioso; Miguel de Cervantes, Don Quichotte. Diese in mehreren Slgn verstreuten Kreide-Zchngn in Schwarz sind in einer so freien Manier laviert, daß sich deren Verwendung als Stichvorlagen als sehr schwierig erweist. 1790-92 weilt F. aus gesundheitl. Gründen in Grasse. Nach der Rückkehr nach Paris wirken sich die polit. Ereignisse auch für F. nachteilig aus, und seine Klientel ist ruiniert oder ins Ausland emigriert. Mit Empfehlungen von Jacques-Louis David wird er am 16.1.1794 Mitgl. im Conservatoire des Arts und mit der Verwaltung des Mus. im Louvre betraut. Im Sommer 1797 kümmert er sich um die Umlagerung der Kunstwerke und den Aufbau des Mus. de l'Ecole franç. in Versailles. 1800 legt er seine Ämter nieder. Ein 1805 von Napoleon I. erlassenes Dekret zwingt F. zum Verlassen der Wohnung im Louvre. Völlig vergessen, stirbt er in seinem neuen Domizil über dem Restaurant Véry im heutigen Pal.-Royal. - Als erstrangiger Maler der europ. Kunst des 18.Jh. war F. in seiner langjährigen künstler. Laufbahn außerordentl. produktiv. Auch wenn er der Darst. von Liebesszenen und Naturbildern den absoluten Vorzug gibt, ist der frappierendste Aspekt seines Schaffens die künstler. Wandlungsfähigkeit, sowohl bei der Themenwahl als auch bei der Vielfalt der Darstellungsweise. Er arbeitet mit einer Leichtigkeit, die mit einem elementaren, puren Vergnügen am Malen und Zeichnen unauflösl. verbunden zu sein scheint. Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, daß F. als sehr feinfühliger Künstler ebenso treffend den Zeitgeschmack und die Unschlüssigkeit seiner Generation zum Ausdruck bringt.
Alle Öl/Lw.:
Einzelausstellungen:
Paris: 1907 Gal. Georges Petit; 1921 MAD (K); 1983, '87 Gal. Jacques Cailleux; 1987 Grand Pal. (Wander-Ausst., K); 1992 Petit Pal.; 2003 Louvre, Dép. des Arts graph. / 1954 Bern, KM (K) / 1956 Besançon, MBA (K) / 1957 Charleroi, Pal. des BA; Grasse, Mus. Fragonard (K) / 1980 Tokio, NM of Western Art (Wander-Ausst.); Bordeaux, Gal. des BA / 1982 St.Petersburg (Fla.), MFA / 1985 Lille, MBA / 1990 Rom, Villa Medici (K) / 1998 Cambridge (Mass.), Harvard Univ. AM / 2001 Valenciennes, MBA; L'Isle-Adam, Villa-Mus. J.-H.F. / 2003 Ottawa, NG of Canada (Wander-Ausst.).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB12, 1916
Weitere Lexika:
DBF XIV, 1979; Alauzen, 1986; DA XI, 1996; Bénézit V, 1999
Gedruckte Nachweise:
P.Lavallée, J.-H.F. (K Louvre), P. 1938; E.Mongan u.a., F. drawings for Ariosto, Lo. 1945; C.Valogne, F., mon grand-père, par Théophile F., in: Lettres franç. v. 17.2.1955, 1-9; L.Réau, F., Br. 1956 (WV, Lit.); G.Wildenstein, F. aquafortiste, P. 1956 (Et. et doc. pour servir à l'hist. de l'art franç. du dix-huitième s.); J.Wilhelm, Rev. des arts 1956(4)215-222; D.Wildenstein, GBA 1959(Nov.)225-244; 1961(Juli/Aug.)39-84; G.Wildenstein, The paint. of F., Lo. 1960; F.M. Biebel, GBA 1960(Okt.)207-224; A.Ananoff, L'œuvre dessiné de J.-H.F., I-IV, P. 1961-70; H.Wentzel, Wallraf-Richartz-Jb. 26:1964, 187-218; J.Thuillier, F., Genève 1967; W.Sauerländer, MüJb der bild. Kunst 19:1968, 127-156; P.Mazars, L'univers de F., P. 1971; G.Mandel/D.Wildenstein (Ed.), L'opera completa di F., Mi. 1972; J.-P. Cuzin, Rev. du Louvre 36:1986(1)58-66; J.C.R. de Saint-Non, Panopticon ital. Un diario di viaggio ritrovato, 1759-61, ed. P.Rosenberg/B.Brejon de Lavergnée, R. 1986 (Zchngn von F.); J.-P. Cuzin, J.-H.F. Vie et œuvre. Cat. complet des peint., Fribourg/P. 1987 (dt. Ausg.: F. Leben und Werk. Œuvre-Kat. der Gem., M. 1988); D.Ashton, F. in the universe of paint., Wa./Lo. 1988; P.Rosenberg, Tout l'œuvre peint de F., P. 1989; M.D. Sheriff, F. Art and eroticism, Chicago/Lo. 1990; J.-P. Cuzin u.a., J.-H.F. (K Louvre, Cab. des Dessins), Mi. u.a. 2003; M.-A. Dupuy-Vachey, R. et le Roland furieux, P. 2003; M.Pinette, Peint. franç. des XVIIe et XVIIIe ss. des mus. d'Amiens (K), P./Amiens 2006
Fragonard, Honoré (Jean-Honoré), Maler und Radierer, geb. in Grasse am 5. 4. 1732, †22. 8. 1806 in Paris. Er war der Sohn eines Handschuhfabrikanten, der 1746 nach Paris übersiedelte, um einen Prozeß zu verfolgen, der ihn ruiniert hat, und der Vater des Alexandre Ev. F. Achtzehnjährig verließ F. die Tätigkeit bei einem Notar und widmete sich auf Boucher's Rat, der sein Talent erkannt hatte, dem Studium der Malerei bei Chardin. Aber schon nach einem halben Jahre ging er zu Boucher und eignete sich die Manier des Meisters so gut an, daß ihm Boucher Kopien seiner Bilder und Kartons für die Gobelinmanufaktur übertragen konnte. Am 26. 8. 1752 gewann F. den akademischen Rompreis mit dem Bilde "Jéroboam sacrifiant aux Idoles" (Paris, Ecole d. B.-Arts). Um sich besser auf Rom vorzubereiten, besuchte er die von Carle Vanloo geleitete Ecole Roy. des Eleves protégés, der er vom 20. 5. 1753 bis 20. 10. 1756 angehört hat. 1754 malte er ein Bild "Psyché fait voir à ses soeurs les présents de l'Amour" und 1755 "Le Sauveur lavant les pieds des Apôtres" (Kathedrale von Grasse). Am 24. 12. 1756 kam er als Pensionär an die französ. Akad. in Rom, die damals von Natoire geleitet wurde. F. kopierte Bilder von Pietro da Cortona und erhielt eine Verlängerung seines Studienaufenthaltes. Fruchtbär wurde für seine künstler. Entwicklung die Freundschaft mit dem Ruinenmaler Hubert Robert und mit dem Abbé Richard de Saint Non, einem eifrigen Kunstliebhaber, der F. 1760 zu sich in die Villa d'Este in Tivoli nahm und ihn zu Studien u. landschaftlichen Aufnahmen anregte. F. reiste mit St. Non nach Venedig und 1761 nach Neapel. Von seinen frühen Studien sind eine Anzahl im Mus. von Besançon, andere erschienen 1761 bis 1763 als "Différentes vues dessinées d'après nature dans les environs de Rome et de Naples par Robert et Frago". Im Auftrag St. Nons machte er in Rom Kopien nach den Deckengemälden Carracci's im Pal. Farnese, des Cortona im Pal. Barberini und der Farnesina - sie erschienen erst 1771 in Paris in den "Fragments choisis dans les peintures et les tableaux les plus intéressants des Palais et des Eglises de l'Italie" (4 Folgen). Im Sept. 1761 kehrte F. nach Paris zurück und gelangte 1765 mit dem Bilde "Corésus et Callirhoé" (im Louvre, Skizze im Mus. zu Angers) als agréé in die Akademie. Bis dahin hatte F. Bildnisse und einige Bilder religiösen und klassischen Inhalts gemalt, größeren Erfolg hatte er mit den galanten Schilderungen eleganter Leichtlebigkeit, mit pikanten Boudoirszenen, wie sie die raffinierte Gesellschaft des Rokoko liebte, und mit seinen Parklandschaften. Mit Temperament und leichterregter Phantasie malt er diese das Gebiet der Erotik berührenden Bilder, und in seinen besten Werken derart sowohl wie in den Bildnissen gefällt er durch eine impressionistische Frische der Auffassung und die meisterhafte Kühnheit seiner Malweise. Für die Ausbildung seines Kolorits (und - frühzeitig schon - auch seiner Kompositionsweise) ist sein Studium Rembrandts wichtig gewesen, ihm dankt er den Zauber visionärer Lichtwirkungen, mit dem er nicht selten seine Bilder ausstattet. Es sind auch mehrere vortreffliche Kopien nach Rembrandt von F. erhalten. Unter den Koloristen der französ. Malerei des 18. Jahrh. ist F. einer der feinsten und im virtuosen Vortrag freiesten. Kein Wunder, daß seine lebendigen und geistreichen Schöpfungen bei den Liebhabern und Kennern wie Julienne, Gaignat, dem Cte de Caylus hoch geschätzt waren und um die Wende des 19. Jahrh. außerordentlich hoch bewertet worden sind. - Am 17. 6. 1769 heiratete F. seine Schülerin Marie-Anne Gérard (s. folg. Art.). In den der Heirat folg. Jahren entstanden eine Reihe reizvoller Schilderungen häuslicher Szenen, dann religiöse Bilder wie ein "Johannes der Täufer", die "Education de la vierge", die "Anbetung der Hirten" (Lille, Mus.) u. eine "Heimsuchung". 1773 reiste er (z. zweiten Male) mit Bergeret nach Italien bis Neapel und zurück über Venedig, Wien, Dresden, Leipzig, Frankfurt und Straßburg und machte für seinen Gönner eine Menge Zeichnungen und, Kopien, um deren Besitz ein Prozeß entstand. Zurückgekehrt nach Paris vermehrte er die Reihe seiner galanten Schilderungen, malte Bildnisse - mit besonderem Glück die von Schauspielern und Schauspielerinnen - und schuf eine Menge Zeichnungen, illustrierte Bücher (die Contes de Lafontaine, den Rasenden Roland, den Don Quichote, die Veillées der Mme de Genlis), radierte und malte Miniaturen. Die Revolution bereitete seiner Kunst ein Ende, zwar wurde F. dank der Protektion Davids Mitglied in der Verwaltung des Mus. National u. wurde Vorsitzender des Conservatoire des "Museum" und Mitglied der Jury des Arts, doch ist er künstlerisch nicht mehr hervorgetreten und starb nach einem Aufenthalt in Grasse (von 1790/91 an) ziemlich vergessen in Paris. Die zeitliche Aufeinanderfolge seiner Werke ist kaum festzustellen, da er sie nur selten datierte und seine Manier wenig geändert hat. Von den sujets gracieux sind hervorzuheben: "La bascule", "Le colinmaillard", beide um 1760, "Baigneuses" (im Louvre), "L'absence des père et mère mise à profit" (1765), "Les hasards heureux de l'escarpolette" (1766), "Le serment d'amour", "Le verrou", "La culbute", "La chemise enlevee", "Le verre d'eau" von den sog. scènes morales:, ,L'heureuse fécondité", "Le berceau", "L'heureuse mère", "Visite à la nourrice", "La famille du fermier"; von den Bildnissen seien genannt die der Duthé, der Adeline Riggieri, der Guimard, der Mlle Olivier und von de la Brétéche, beide 1769, sie sind lebendig und virtuos behandelt, während die 42 kleinen ovalen Bildnisse der Angehörigen des fürstlichen Hauses Bourbon (um 1789; in Chantilly) abfallen. In den 80er Jahren entstanden: "Voeu à l'amour", "Sacrifice de la rose", "La fontaine d'amour", dann "Le début du modèle", "L'atelier du peintre", "Le baiser à la dérobée", "Le contrat". - Für dekorative Arbeiten war seine Kunst außerordentlich geeignet; für Bergeret zierte er 1766/67 einen Salon mit Allegorien der Künste, für den Baron de St. Julien malte er 1767 und 1773 die Wandbilder "La main chaude" und "Le cheval fendu" und für den Gouverneur der Banque de France die "Fête de St. Cloud". Für das Schloß Louvecienne der Dubarry schuf er 1770-72 Supraporten ("Les grâces", "L'amour qui embrase l'univers", "La nuit") und 5 Wandbildes ("La poursuite", "Le rendezvous", "Les souvenirs", "L'apothéose", "L'abandon"), die er aber 1790/91 mit nach Grasse nahm u. in der Maison Maubert aufstellte. Sie sind später in die Samml. Pierpont Morgan gelangt und von dort 1915 in die Sammlung H. C. Frick in New York. Außer im Louvre und im Musée André in Paris ist F. durch Bilder vertreten besonders in Chantilly, in Amiens, Rouen, im Victoria and Albert Mus., in der Wallace Collection in London, in der Ermitage in Petersburg u. in Madrid; die Mehrzahl seiner Bilder ist in wechselndem Privatbesitz, einige der besten bei verschiedenen Mitgliedern der Familie Rothschild. Zeichnungen, von denen die Sepiastudien besonders geschätzt sind, und Miniaturen u. a. im Louvre, im British Mus., in den Mus. von Besançon, Lille, Montpellier und bei Pariser Sammlern. Von seinen geistreichen Radierungen sind die Bacchanale 1763 erschienen und sein Hauptblatt "L'armoire" 1778. - F. hat öfters nur mit der Abkürzung "Frago" signiert. Edm. et Jules de Goncourt, L'Art du 18e S., Paris 1882, II. - R. Portalis, Honoré F., sa vie et son oeuvre, Paris 1888; 2. Ausg. 1899 (mit Verzeichnis der Werke). - P. de Nolhac, J. H. F., Paris 1906 - Dayot u. 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