Le Vau (Levau, Leveau, eigtl. Le Veau), Louis, frz. Architekt, *um 1612 vermutlich Paris, †11.10.1670 Paris, Sohn des Steinmetzen Louis Le Veau, Bruder des Architekten François Le Vau (eigtl. Le Veau), Schwager des Steinmetzen Charles Thoison (†1666).
Le Vau, Louis
Über Jugend und Lehrjahre L.s ist nichts bek., doch lässt sich vermuten, dass er diese in bescheidenen Verhältnissen bei seinem Vater in Paris verbracht hat, bei dem er bis zum Beginn der 1640er Jahre wohnt. Im Stadtviertel der Pfarrgemeinde St-Jean-en-Grève um das Pariser Hôtel de Ville, in der seine Eltern über lange Zeit wohnhaft sind, macht L. die Bekanntschaft des Archit.-Malers Jean Blanchard, mit dem er vermutlich einen Tl seiner Ausb. verbringt. Mit Erreichen der Volljährigkeit um 1637 löst sich L. zunehmend von seinem familiären Umfeld, ändert seinen Fam.-Namen in "Le Vau" und erscheint von nun an als "ordentlicher Architekt des Königs". Erste berufliche Tätigkeiten L.s sind aus der M. der 1630er Jahre belegt, als er beginnt, Vor-Zchngn und technische Pflichtenhefte für anstehende Bauvorhaben einflussreicher Pariser Bauunternehmer wie Michel Villedo und Claude Dublet anzufertigen, die seiner Karriere zweifellos entscheidende Impulse geben. Sein erstes bek. Werk, ein hôtel particulier, das Hôtel Bautru in Paris (1634-37; heute: 2 rue Neuve-des-Petits-Champs) im neu entstehenden Stadtviertel um den Pal.-Cardinal (heute Pal.-R.), wird von M.Villedo für Guillaume Bautru erbaut, Schriftsteller und Höfling aus dem Umkreis des Kardinals Richelieu. 1637 erscheint L. als Architekt bei der wiederum von M.Villedo und C.Dublet geleiteten Errichtung des Hôtel Petit (1638, 64 rue de Turenne) im Zuge der Bebauung des Viertels der Coutures St-Gervais im Marais. 1639 ist L. gemeinsam mit C.Dublet am Bauvorhaben des Hôtel de La Vrillière beteiligt, einer der bedeutendsten Profanbauten im Paris des 17. Jh., dessen Konstruktion unter Ltg von François Mansart steht. L. erweitert den N-Flügel um einen Anbau für Prunkgemächer, die sich um einen neuartigen Raumtypus einer chambre à l'ital. gruppieren, welche von einem Scheingewölbe überfangen und mit einem Alkoven versehen ist. Ebenfalls zw. 1638 und '39 entwirft er eine weitere, noch kühner konzipierte zweigeschossige chambre à l'ital. für den Landsitz des Louis Hesselin in Chantemesle/Corbeil-Essonne (zerst.). Bereits in seinen ersten Arbeiten lassen sich somit die bevorzugten Arbeitsfelder L.s erkennen, die ihm bis M. der 1650er Jahre hinein Erfolg bescheren werden: städtebauliche Vorhaben, Bauten für priv. Auftraggeber sowie Inneneinrichtungen und Dekors. Zur selben Zeit begibt sich L. in eine informelle Zusammenarbeit mit seinem Vater, der zw. 1634 und '35 zum Steinmetzmeister geworden ist. Gemeinsam führen sie zunächst kleinere Bauvorhaben im Marais aus, bevor sie ab 1635 erste Bauten auf der Île St-Louis errichten, wo das Fam.-Unternehmen seine Geschäfte rasch ausdehnt. Durch die 1635 neu eröffnete Seinebrücke Pont Marie entwickelt sich die Insel zu einem begehrten Wohnviertel, in dem insbesondere entlang der Ufer prachtvolle Anwesen mit Blick auf die Seine entstehen. In Zusammenarbeit mit seinem Vater errichtet L. dort insbesondere das Hôtel de Gillier (1637-39, 21 quai d'Anjou), das älteste heute noch erh. Werk des Architekten, die Anwesen der Fam. Gruyn, Aubert, Huguet und Potart (1640-44, 28-34 quai de Béthune) sowie versch. kleinere Bauten entlang der zentralen rue St-Louis-en-l'Île. Für sich selbst erbaut L. 1639-40 ein Haus an der O-Spitze der Insel (3 quai d'Anjou, zerst.) und schließt sich mit C.Dublet zus., um die Ufer-Str. der Île St-Louis zu bebauen, die Pont de la Tournelle 1643-46 zum S-Ufer zu errichten und auf der zur Île-St-Louis führenden nördlichen Brücke Pont Marie 1644 insgesamt 48 Wohnhäuser zu errichten (heute zerst.). Ebenfalls auf der Île St-Louis entstehen L.s erste Hw., mit denen er sich endgültig als einer der richtungsweisenden Architekten seiner Generation im Bereich des Profanbaus etabliert: das Hôtel Lambert (1639-44, 2 rue St-Louis-en-l'Île), die Hôtels Hesselin, Sainctot (1640-44, 24-26 quai de Béthune, zerst.) sowie d'Astry (1644-47, 18 quai de Béthune). Wenn L. beim Hôtel Lambert auch die äußere Erscheinung eines klassischen Pariser hôtel particulier mit Innenhof und Garten beibehält, so verändert er doch entscheidend dessen Grundriss sowie die räumliche Gestaltung. Mit einer imposanten, an der Stirnseite des Innenhofes Loggia-artig geöffneten Treppe schafft L. ein zentrales Element der baulichen Gest., an das sich seitlich einerseits zur W-Seite priv. Wohngemächer, andererseits zur O-Seite repräsentative Prunkgemächer anschließen, die sich ihrerseits um einen zur O-Spitze der Insel mit Sicht auf die Seine orientierten terrassenförmig angelegten Garten gruppieren. Am Hôtel Hesselin entwirft L. eine noch freiere Anordnung der Wohngemächer, die er spiegelbildlich zum benachbarten Hôtel Sainctot entlang der Uferpromenade gestaltet und dabei beide Bauten mit einer Gal. verbindet, womit er ein neuartiges illusionistisches Raumgebilde erschafft. Die Hôtels Sainctot und d'Astry stellen frühe Beispiele eines neuen Typus des hôtels particulier in Paris dar, der sich durch einen zw. Hof und Str. angelegten doppelten corps de logis auszeichnet, welcher von einer als Vestibül dienenden Passage durchbrochen wird. L. entwickelt bei diesen Wohnbauten seine ganz persönliche Hs., in der er klassische Elemente der zeitgen. frz. Archit. (doppelte corps de logis, Mansardendächer, Balkons, Terrassen, Kommoditäten und Alkoven) mit Zitaten der ital. Archit., insbesondere Andrea Palladios verbindet (Kolossalordnungen mit Attikageschoss, gekrümmte Fassaden sowie nach Modell der saloni konzipierte ital. Räume). Im Anschluss an seine wegweisenden Arbeiten auf der Île St-Louis widmet sich L. weiteren Projekten priv. Wohnbauten, nunmehr auf dem südlichen Seineufer, im Viertel Pré-aux-Clercs im Faubourg St-Germain. Dort entwirft er u.a. für den Präs. des kgl. Rechnungshofes, Jean Tambonneau, ein weitläufiges Anwesen, dessen Ausf. L. ebenfalls selbst übernimmt, gleichwohl unter dem Namen seines Schwagers und Geschäftspartners Ch.Thoison. Unter dem äußerlichen Anschein eines klassischen, mit Hof und Garten versehenen hôtel particulier entfaltet das ausgedehnte Hôtel Tambonneau (1642-44, rue de l'Univ., zerst.) Züge eines frz. Schlosses sowie einer ital. Villa: Mit einem zw. Innenhof und Garten freistehenden, doppelten Baukörper, einem von ebenerdigen Flügeln eingerahmten Vorhof, einer Hofseite mit gestuftem Mittelrisalit samt Frontispiz, einer giebelbekrönten Kolossalordnung zur Gartenseite, axial angelegten Vestibülen und einer seitlich angelegten großen Treppe stellt das Hôtel Tambonneau einen Vorläufer eines bis in das 18. Jh. zahlr. reprod. Typus adliger Wohnstätten im Faubourg St-Germain dar. Im selben Viertel entwirft L. weitere Bauten für die Verwandtschaft J.Tambonneaus, die er ebenfalls gemeinsam mit Ch.Thoison errichten lässt, so das Hôtel du Petit-Tambonneau (1644, 11 rue de l'Univ.), die Maison Luillier (1644-46, 17 rue de l'Univ.) und die Maison Boyer (1645, rue Perronnet, zerst.). Nach seinen ersten Erfolgen bei einer hauptsächlich aus Pariser Bourgeoisie und Finanzgerichtsbarkeit zusammengesetzten Klientel beginnt L. für betuchtere Kreise zu arbeiten und kommt während der politisch unruhigen Zeiten der Regentschaft Anna von Österreichs in Kontakt mit hochrangigen Mitgl. des Hofes und der kgl. Entourage. Die Art der Aufträge, mit denen er nunmehr betraut wird, ändert sich fortlaufend und die ex nihilo entstehenden Bauten werden immer seltener. Die einzig wirklich ehrgeizigen Aufträge entstammen einer kleinen Elite von leitenden Persönlichkeiten des kgl. Finanzwesens. Das Schloss von Le Raincy/Seine-Saint-Denis (zerst.), das L. von 1643 bis '48 für den kgl. Ratssekretär und späteren Finanzintendanten Jacques Bordier erbaut, ist das erste Beispiel dieses neuen Bautypus, mit dem L. eine maßgebliche Neuerung einführt: Inmitten eines trad. Schlossgrundrisses mit einem von Gräben umgebenen rechtwinkligen Hof fügt L. in den corps de logis einen zentralen Pavillon mit zwei vorspringenden Apsiden ein, um darin einen weitläufigen Salon à l'ital. einzupassen, der sich an den Achsen der von André Le Nôtre entworfenen Gartenanlagen ausrichtet. L. greift dieses Element auch bei nachfolgenden Projekten des folgenden Jahrzehnts auf, wie bei der Um-Gest. der Schlösser von Pavant/Aisne (1647-51, zerst.) und Meudon/Hauts-de-Seine (um 1655-58) für die Oberintendanten der Finanzen Charles de La Vieuville und Abel Servien; doch erst mit dem Schloss von Vaux-le-Vicomte/Seine-et-Marne (1655-61) für den Oberintendanten Nicolas Fouquet findet L. zur Vollendung dieses Schemas. Indem er dem zentralen Salon eine regelmäßige ovale Form verleiht und ihn in das Erdgeschoss versetzt, verwandelt er ihn in einen spektakulären Prunksaal, der sich unmittelbar zu den Gärten A.Le Nôtres öffnet, gleichsam eine frz. Entsprechung zu den Loggien ital. Villen. Im Dienste der Mitgl. des Hofes und der kgl. Entourage wird L. zumeist mit der Inneneinrichtung bzw. der Erweiterung bereits bestehender Bauten beauftragt. So entwirft L. auf dem Pl. R. die Prunkgemächer mit Salon und chambre à l'ital. für den Hauptmann der kgl. Leibgarde, Antoine de Villequier (1641-44, 13 pl. des Vosges) sowie für den Oberintendanten des Postwesens Jérôme de Nouveau (1646-50, 12 pl. des Vosges). Der Herzog von Vendôme, ein Prinz von Geblüt, beauftragt L. 1642 mit der Erweiterung seines Anwesens in der rue St-Honoré um modernere Gemächer, ein Vorhaben, das jedoch nicht umgesetzt wird. Für die Marquise von Senecey, die Gouvernante des Königs, leitet L. die Arbeiten zur Verschönerung des Schlosses und der Gärten von Conflans in Charenton-le-Pont/Val-de-Marne (1644-46, zerst.). Schließlich vollendet er während der Zeit der Fronde das Hôtel d'Aumont für A.de Villequier (1649-51, 7 rue de Jouy) und richtet die Pariser Wohnstätte des Marschalls Antoine III. de Gramont her (1649-50, rue de l'Oratoire, zerst.). Mit diesen Werken empfiehlt sich L. für den Dienst für die Krone, von der er zw. 1652 und '53, nach E. der Fronde, erste Aufträge für Inneneinrichtungen erhält. Im Sept. 1653 entwirft L. zunächst ein Appartement für den Kgl. Rat im Louvre (Paris, Louvre, zerst.). Als Jacques Lemercier, bisheriger Erster Architekt des Königs, im Jan. 1654 stirbt, wird L. zwar nicht offiziell als dessen Nachfolger ernannt, nimmt jedoch sogleich dessen Aufgaben wahr. So wird ihm im Juni desselben Jahres der Bau eines Vestibül-Salons für das Appartement der Königinmutter im Schloss von Fontainebleau/Seine-et-Marne anvertraut (1654, Salon zerst.) sowie die Einrichtung der Kommoditäten des Königs im Louvre (1654-55; Gemächer und Alkoven in den Kolonnaden-Flügel verlegt). L. verdankt seine gewichtige Position während der 1650er Jahre in hohem Maße der Unterstützung durch den Kardinal Mazarin, der ihn ab 1654 am von ihm verwalteten kgl. Schloss von Vincennes/Val-de-Marne anstellt. Schrittweise verwandelt L. die ma. Festung in eine zeitgemäße höfische Residenz: Zw. 1654 und '61 vergrößert er die aile du roi, legt symmetrisch dazu die aile de la reine an, entwirft einen Ehrenhof, der sich über einen Triumphbogen zum anschl. Park öffnet, und versieht das Schloss mit großzügigen Wirtschaftsgebäuden und Stallungen. Wiederum ist es Kardinal Mazarin, der ihm durch Vermittlung des Oberintendanten der kgl. Bauten den Auftrag zur Wiederaufnahme der Bauvorhaben am Louvre zukommen lässt, welche seit dem Tode Ludwigs XIII. 1643 geruht haben. 1655 konzipiert L. eine neue Verbindung zw. dem Louvre und der Petite Gal., im Zuge derer er den Pavillon des Salon ovale erbauen lässt. Seit 1657 beginnt L. die Vollendung der Cour Carrée vorzubereiten, an der die Bauarbeiten schließlich im Jahre 1659 wiederaufgenommen werden. 1661 verdoppelt er die Breite der Petite Gal., um dort die kgl. Slgn sowie die Bibl. in Verlängerung der Gemächer des Königs unterzubringen. Als der Kardinal Mazarin im März 1661 stirbt, befindet sich L. auf dem Höhepunkt seiner Karriere und leitet die Arbeiten sämtlicher kgl. Bauten sowie zahlr. priv. Bauaufträge für die meisten Minister des Kgl. Rates. Der Fall des Oberintendanten N.Fouquet nur wenige Monate später beeinträchtigt mitnichten L.s Stellung, da Letzterer gerade mittels herausragender und mon. archit. Werke in die Gunst des Sonnenkönigs rückt. Ludwig XIV. beauftragt L. bereits seit 1661 mit der Vorbereitung seines persönlichsten Bauvorhabens: der Verschönerung und Erweiterung des ehem. Jagdschlosses von Versailles/Yvelines sowie des anschl. Parks, um diese in einen Ort für Festlichkeiten und Empfänge umzugestalten. Gleichzeitig schreiten auch die Arbeiten an der Cour Carrée des Louvre voran und L. bereitet die rasche Errichtung des O-Flügels vor, der als Eingang zum Pal. dienen soll und für den er um 1662 einen aufwendigen Entwurf zeichnet, der einen weitläufigen marmorverzierten Vestibül-Salon umfasst. Ebenfalls im Jahr 1662 gelingt es L., sich als leitender Architekt für den Entwurf des Collège Mazarin durchzusetzen, dessen Einrichtung der Kardinal testamentarisch verfügt hat, und er überzeugt den König davon, diesen Bau auf dem südlichen Seineufer am Standort des ehem. Stadtbefestigungsturmes Tour de Nesle sowie dessen umgebender Gräben zu errichten, um dem Louvre so ein eindrucksvolles Gegenüber zu erschaffen. Dafür erarbeitet er den Entwurf eines halbmondförmigen Pl., der von zwei raumgreifenden Pavillons flankiert und von einer kuppelbekrönten Axial-Kap. dominiert wird. Der Entwurf des Collège Mazarin, an dem L. bis 1670 kontinuierlich feilt, dessen grundlegende perspektivische Darst. jedoch bereits 1662 festgelegt wird, zählt zu den originellsten und persönlichsten Werken des Architekten. Mit der Ernennung Jean-Baptiste Colberts am 1. Jan. 1664 zum Oberintendanten der kgl. Bauten wird die privilegierte Stellung L.s bei den kgl. Bauvorhaben in Frage gestellt. Der neue Amtsinhaber setzt sogleich die Arbeiten am Louvre aus, um einen neuen Wettb. zur Gest. der O-Fassade auszuschreiben. Damit äußert J.-B. Colbert nicht nur sein deutliches Missfallen an den Plänen L.s, die bereits in Ausf. stehen, sondern darüber hinaus an den frz. Architekten in ihrer Gesamtheit, denn J.-B. Colbert sucht nunmehr die bedeutendsten Künstler in Rom um Pläne an und lässt Giovanni Lorenzo Bernini nach Paris kommen, um diesen mit dem Bauvorhaben zu betrauen. Entzieht J.-B. Colbert damit L. die Ltg der Arbeiten am Louvre, so erhält Letzterer dafür jedoch ein and. Bauprojekt zugesprochen: Um den Hof während der Bauarbeiten am Louvre in Paris logieren zu können, beauftragt J.-B. Colbert L. mit der Fertigstellung und Modernisierung des Tuilerien-Pal. (1664-67). Dieses zunächst eher bescheidene Projekt entwickelt sich zu einem gänzlichen Neuentwurf des ehem. Renaiss.-Pal., indem L. den Aufriss nach und nach umgestaltet und die von Philibert de l'Orme mittig angelegte Treppe durch einen auffälligen, mit einer rechteckigen Kuppel bekrönten Pavillon ersetzt, mit dem er der Pariser Stadt-Lsch. und dem zeitgleich von A.Le Nôtre umgestalteten Tuileriengarten (1667) ein markantes, zeitüberdauerndes Element verleiht. Der Aufenthalt G.L. Berninis in Paris ist zu einem raschen Scheitern verurteilt, das v.a. auf grundlegenden Missverständnissen zw. dem Künstler aus Rom und seinen Pariser Auftraggebern beruht, wodurch L. seinerseits sich wieder vermehrt in die Bauprojekte des Louvre einbringen kann. J.-B. Colbert begründet 1667 das Gremium des Petit Conseil, in welchem L. in der Funktion des Ersten Architekten einen Sitz innehat, an Seiten von Charles Le Brun, dem Ersten Maler des Königs, und des Arztes Claude Perrault. Zu dritt erhalten sie den Auftrag, mehrere Alternativentwürfe zu erarbeiten, ohne den Namen des jeweiligen Urhebers zu nennen, um gemeinsam das bestmögliche Projekt zu ersinnen. Der schließlich berücksichtigte Entwurf, der sich aus Reihen gekuppelter korinthischer Säulen vor einer nahezu fensterlosen Fassade oberhalb eines podiumsartigen Erdgeschosses zusammensetzt, entstammt vermutlich einer ersten Idee C.Perraults, die anschl. von L., seinem Bruder François sowie seinem Zeichner François Dorbay graf. gestaltet und in seine endgültige mon. Gliederung überführt worden ist. In Versailles leitet L. seit 1661 die Um-Gest. des Schlosses und zeichnet dort insbesondere für den Entwurf eines zentralen Salons, einer den Linien des rechteckigen Schlosses Ludwigs XIII. folgenden Balkon-Gal. sowie für marmorummantelte Treppenaufgänge verantwortlich. Auch ist er im Außenbereich des Schlosses beschäftigt und entwirft dort u.a. einen Vorhof sowie seit 1665 die Anlage der sich an das Schloss anschl. Stadt. 1668 erreichen die Bauarbeiten in Versailles eine weitere Dimension, da es nun gilt, die hinteren Fassaden des Schlosses in Entsprechung der neuangelegten Gärten von A.Le Nôtre mittels der Gebäude des Enveloppe zu duplizieren. Wiederum entscheidet J.-B. Colbert, die bereits begonnenen Arbeiten L.s auszusetzen, um dessen Entwürfe mit denen and. Architekten konkurrieren zu lassen. Gleichwohl gewinnt L. den Wettb. und zeichnet in seinem Projekt die fortan prägenden Kennzeichen des Fassadenaufrisses von Versailles unter Ludwig XIV.: einen Arkadenunterbau mit durchlaufendem flachem Bossenwerk, ein erstes Geschoss mit mod. ionischer Säulenordnung und durchlaufendem Attikageschoss sowie eine Bekrönung durch Balustraden, hinter denen sich ein Flachdach verbirgt. Der Auftrag der Enveloppe bezieht sich darüber hinaus darauf, symmetrische Gemächer für König und Königin an der N- bzw. S-Seite des Schlosses sowie eine weitläufige Terrasse auf Höhe des piano nobile anzulegen. Dieser zw. 1669 und '70 fertig gestellte Entwurf L.s bietet, obgleich er durch die spätere Hinzufügung der Gal. des Glaces von Jules Hardouin-Mansart beeinträchtigt wird, mit seinen Reminiszenzen an den hängenden Garten des fast 30 Jahre zuvor entworfenen Hôtel Lambert zweifellos das eindrucksvollste Beispiel jener Art perspektivischer Konzeption, die L. in die frz. Archit. eingeführt hat, und in deren unmittelbarem Zusammenhang A.Le Nôtre zur gleichen Zeit seine Gartenkunst entwickelt.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB23, 1929
Weitere Lexika:
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