Huizong (eigtl. Zhao Ji; Ningguo gong Ningjun wang; Duanwang; Tishen hedao junlie xungong shengwen rende xianci xianxiao huangdi), chin. Kalligraph, Maler, Kunstkenner, Dichter, Prosaist, Kaiser, *2.11.1082 Bianliang/Kaifengfu (Kaifeng/Prov. Henan), †4.6.1135 Wuguocheng (Kr. Yilan/Prov. Heilongjiang). 11. Sohn von Shenzong aus der Ehe mit Kaiserin Chen.
Huizong
Achter Kaiser der Song-Dynastie (Reg.-Zeit 1100-25). Ahnensitz in Zhuojun/Prov. Hebei. Verlor 1085 im Alter von vier Jahren (sui) den Vater. Erhielt 1083, 1085 und 1096 sukzessive die Titel Herzog von Ning (Ningguo gong), Prinz von Ning (Ningjun wang) und Prinz Duan (Duanwang). Bestieg 1100 nach dem Tod seines Bruders Zhezong (Reg.-Zeit 1085-1100) mit Einwilligung der Stiefmutter und Kaiserinwitwe Xiang den Thron. Regentschaft der Xiang bis zu ihrem Tod 1101 im Sinne der konservativen Partei. Nach Huizongs Machtübernahme Revitalisierung der Reformpolitik des Vaters und des Bruders unter Mitwirkung der hohen Reg.-Beamten Cai Jing und Tong Guan. Radikale Ächtung von 120 konservativen Parteigängern der Reg.-Devise Yuanyou (1086-94), deren Namen in Stein graviert in der Hauptstadt veröff. wurden; Niederlassungsverbot für deren Fam. ebd. Dem bes. Interesse Huizongs an Kunst, Kultur und kostspieligen Bauprojekten wird die Finanz- und Wirtschaftskrise seiner Zeit zugeschrieben. Die inflationäre Ausgabe von Papiergeld und Schuldscheinen sowie erhebliche Steuererhöhungen beseitigten die Probleme im Inneren jedoch nicht, sondern verschärften diese noch. 1120 mit dem Aufstand des Fang La hatte die Schwäche der Reg. ihren Tiefpunkt erreicht. Außenpolitisch brachte die unheilige Allianz zw. Jurchen, die mit Unterstützung der Liao im Norden Chinas den unabhängigen Staat Jin begr. hatten, und Song nicht den erwünschten Erfolg der Rückeroberung der "Sechzehn Präfekturen" von Yan und Yun, sondern ermöglichte den Jurchen 1125 in den Süden vorzustoßen und auf das Song-Territorium überzugreifen. In dieser kritischen Situation wurde H. gezwungen am 18. Jan. 1126 zugunsten des Kronprinzen Qinzong abzudanken. H. nahm den Titel "Kaiser der Lehre und Fürst des Dao" (Jiaozhu daojun huangdi) an und floh nach Zhenjiang/Prov. Jiangsu. Der Bruch der Vertragsbedingungen eines Friedensschlusses mit den Jurchen führte 1127 zum Fall Kaifengs. Kaiser-Fam.-Mitgl. des Hofes wurden verschleppt. H. gelangte so 1128 nach Hanzhou b. Bamiancheng/Prov. Liaoning, wo er im Arbeitslager diente. 1130 wurde er nach Wuguocheng (Kr. Yilan/Prov. Heilongjiang) interniert, wo er im Juni 1135 verstarb. Mit dem Friedensvertrag 1142 zw. Jurchen und Song wurden H.s Gebeine in die Hauptstadt der Südl. Song Lin’an (Hangzhou) überführt und beim heutigen Shaoxing/beide Prov. Zhejiang im Yongyu-Mausoleum (Yongyuling) beigesetzt. Obgleich polit. umstritten, genoß H. als Patron des Daoismus, der den Bau zahlr. Tempel anregte und finanzierte, sowie als Künstler und Kunstmäzen hohes Ansehen. Seine Dichtungen bzw. Dichtungen in seinem Namen gehörten neben denen von Zhou Bangyan und der Lyrikerin Li Qingzhao zu den Meisterwerken nord-songzeitlicher Lieddichtung (ci). H. förderte die Musik und zeigte großes gartenbauliches Interesse; er war bes. bemüht um den Transport seltener und kostbarer Pflanzen und Steine aus dem Süden des Reiches in die Hauptstadt. V.a. aber steht H.s Name für seine Leistungen in Kalligraphie und Malerei, den Ausbau und die Katalogisierung der Pal.-Slgn sowie das Engagement für die Kalligraphie- und Mal-Ausb. an der Hanlin-Akad. H. ging in die Gesch. der chin. Kalligraphie als Begr. der Schlanken (Mageren) Goldschrift (shoujinshu) ein, eine von hohem Formniveau und Raffinement geprägte Handschrift, die als Inbegriff der Verfeinerung mit der dekorativen Eleganz von Gold assoziiert war. Trad. soll H. diesen Stil durch das Stud. des Tang-Kalligraphen Xue Ji (649-713) und der Schriftkunst Huang Tingjians entwickelt haben. Gegenüberstellungen legen jedoch nahe, daß H.s drahtige und spannungsgeladene Schrift von hohem ästhetischen Anspruch, die mit treibenden Orchideen- und Bambus-Bll. verglichen wurde, sehr wahrsch. von Vorbildern auf Stein-Inschr. der Nördl. Dynastien und frühen Tang wie Zhang Menglong bei (Stele für Zhang Menglong, 522; Qufu/Prov. Shandong, Konfuzius-Tempel) und Qinghe gongzhu bei (Stele für Großprinzessin Qinghe, beide Normalschrift [kaishu], 664; Xi’an/Prov. Shaanxi, Zhaoling) beeinflußt war. Die eckigen Kanten und spitzen Enden der Hakenstriche erinnern an die scharfen Schnitte des Gravurmessers, z.B. Qianziwen zhenshu (Tausend-Zeichen-Text in Normalschrift, Tusche/Papier, 1114; Shanghai, Mus.). Die öff. Verbreitung der Schlanken Goldschrift besorgte der Kaiser über die Errichtung von Stelen, z.B. Daguan sheng zuo bei (In der Reg.-Devise Daguan [1107-10] durch seine Majestät errichtete Stele, um 1108; Xi’an, Beilin Mus.). Münzen waren ebenfalls mit H.s Handschrift versehen und trugen zur visuellen Omnipräsenz des Herrschers bei. Generelle Autorität beanspruchte auch H.s Malerei. Seine Bilder, häufig Ergebnisse gemeinsamer Anstrengung der Wkst.-Mitarb., erlangten ikonischen Status. Thematisch überw. dem Genre Blumen- und Vogel-Malerei (huaniaohua) zugewandt, das an H.s Mal-Akad. die künstlerische Produktion bestimmte, trugen sie formelhafte Authentifizierungen "Vom Kaiser geschaffen, vom Kaiser gemalt und geschrieben: Der eine Mensch Unter-dem-Himmel" (yu zhi yu hua bing shu: tian xia yi ren), mit H.s großem, quadratischen Siegel "Vom Kaiser geschrieben" über dem Wort zhi ("geschaffen") zum Fetisch kaiserlicher Kulturmacht erhoben. Für die Blumen- und Vogel-Malerei hatte H. per Erlaß gefordert, dass der Künstler dabei nicht die Vorgänger nachahme, sondern die Dinge so wiedergebe, wie sie tatsächlich sind. Wirklichkeitsnähe in Farbe und Form, Einfachheit und Noblesse der Linie seien das Ziel. Drei Querrollen H.s veranschaulichen dieses Ideal, bei dem der Maler völlig in den Hintergrund tritt und das Abgeschilderte für sich selbst steht, vordergründig als "an exquisite but empty decorative quality" (Rowland, 9), tatsächlich jedoch als Ikone für ein kult.-polit. Programm, z.B. Wuse yingwu tu (Fünffarbiger Sittich; Boston, MFA), Ruihe tu (Glückbringende Kraniche; Shenyang, Liaoning Prov. Mus.) und Xianglongshi tu (Glückverheißender Drachenstein). Ähnliche Momentaufnahmen, die Distanziertheit des Malers bei hohem dekorativen Wert und präziser Ausf. zeigen, liegen mit den Hängerollen Furong qinji tu (Hisbiskus und Goldfasan; beide Beijing, Imperial Pal. Mus.) und Lamei shanqin tu (Wachspflaume und Bergvögel, alle Tusche, Farben/Seide, sign., Aufschrift und Siegel von H.; Taipei, Nat. Pal. Mus.) vor. Bickford (2006) demonstrierte die Modularität dieser Werke, bei denen versch. in "der Hand" H.s ausgebildete Hofmaler und -kalligraphen um den Ruisi-Pal. (Rusidian) ein durch imperiale Aufschrift, Unterschrift und Siegel autorisiertes und so "authentisches" H.-Bild schaffen. H.s Slgn von Bildern, Handschr., Bronzen usw. wurden in umfangreichen, heute noch erh. Kat. wie Xuanhe huapu (Kat. der Malerei aus der Reg.-Devise Xuanhe) und Xuanhe shupu (Kat. der Kalligraphie aus der Reg.-Devise Xuanhe, beide 1120) verzeichnet und beschrieben. Der Ansatz einer vom Kaiser gesteuerten ganzheitlichen Kunst- und Kulturpolitik mit dem Herrscher im Zentrum als Trendsetter und ästhetischem Richter, der die Reg. H.s kennzeichnete, wurde in großem Stil während der Qing-Zeit vom Qianlong-Kaiser (Reg.-Zeit 1736-96) erfolgreich übernommen.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB18, 1925
Weitere Lexika:
Yu Jianhua 1981, 1279s; Seymour, 1988; DA XIV, 1996; Bénézit VII, 2006.
Gedruckte Nachweise:
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