Lenné, Peter Joseph, dt. Gartenarchitekt, *29.9.1789 Bonn, †23.1.1866 Berlin.
Lenné, Peter Joseph (1789)
1805-1808 Ausb. zum Gärtner bei seinem Onkel Joseph Clemens Weyhe in Brühl. 1809 Reise nach Süddeutschland. 1811-12 botanische Ausb. am Pariser Jardin des Plantes, u.a. bei André Thouin; daneben Besuch von Kursen an der Éc. polytechnique bei Jean-Nicolas-Louis Durand. Studienreise in die Schweiz und nach Süddeutschland. 1812-15 Gesellentätigkeit in Wien bei Franz Boos. 1814 Auftrag zur Neugestaltung des Schlossparks Laxenburg; Verleihung des Titels eines Kaiserlichen Garteningenieurs. 1816 Entwürfe für die Entfestigung von Koblenz. 1816 Gartengeselle in Potsdam-Sanssouci; seit 1818 ebd. Garten-Ing. und Mitgl. der Kgl. Gartendirektion. 1822 Gründungs-Mitgl. des "Ver. zur Beförderung des Gartenbaues in den Kgl. Preußischen Staaten". 1822 Reise nach England. 1823 Gründung der Kgl. Landesbaumschule sowie der Gärtnerlehranstalten in Schöneberg und in Potsdam-Wildpark auf L.s Antrag hin. 1824 Ernennung zum Kgl. Preußischen Garten-Dir.; in dieser Position seit 1828 alleinverantwortlich. Seit 1842 Mitgl. des Landes-Ökonomie-Kollegs. 1844 und 1847 Italienreisen. 1853 Aufnahme in die Kgl. Preußische AK. 1854 Ernennung zum General-Dir. der Kgl. Preußischen Gärten.1858 Ernennung zum Ehrenbürger Potsdams. 1861 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Univ. zu Breslau. - Die außerordentliche Karriere des Gartenkünstlers L. fußt auf einer breiten und, selten in diesem Berufsstand, z.T. akad. Ausb., die von der Botanik bis zur Baukunst reicht. Die Vielfalt seiner Ausb. ermöglicht L. die Bewältigung unterschiedlichster Aufgabenstellungen. Hierzu zählen in der Hauptsache: die stilistische Transformation von Barockgärten in landschaftliche Anlagen, der Entwurf von Parks und Gärten unterschiedlichster Bauaufgaben (herrschaftliche Schlösser und Landhäuser, Kurbäder, Gutshöfe, Hospitäler, Zoologische und Botanische Gärten, Schulen, Gefängnisse, Burgen, Stadtplätze und Stadtparks usw.), Konzeptionen zur Gärtner-Ausb. sowie Administration, gartenbotanische und agrar-wiss. Forschung und Beratung sowie landesplanerische und städtebauliche Entwürfe. Erste Entwürfe legt L. 1814 für den Kaiserlichen Lustgarten Laxenburg (NÖ) vor. Sie zielen auf eine Verlandschaftlichung der barocken Achsenstruktur. 1815/16 ist L. mit Plänen für eine Wallanlage sowie die Schlossstraße in Koblenz beschäftigt. In beiden Fällen folgt er Konzepten, die eine landschaftliche Transformation regelmäßig strukturierter Anlagen anstreben und maßgeblich von Gabriel Thouin angeregt werden. Nach seiner Ankunft in Potsdam legt L. 1816 einen Plan für den Park Sanssouci vor, der die Auflösung der Hauptachse sowie eine großflächige Verlandschaftlichung vorsieht, die aber vom König zurückgewiesen wird. L. nimmt 1822 die von ihm früh erkannte hohe soziale und infrastrukturelle Bedeutung von Gärten und Parks auf dem Land wie in der Stadt zum Anlass, den "Ver. zur Beförderung des Gartenbaus in den Kgl. Preußischen Staaten" zu gründen. In diesem engagiert sich L. in den Ausschüssen zu Obstbaumzucht und Gartenkunst. Vordergründig der Förderung von Gartenbau sowie Agrarwirtschaft und -wiss. verpflichtet, ist der Ver. auch sozialpolitischen Zielen verpflichtet. Ausgehend von einer rasanten demografischen Entwicklung nach 1813 zielt er auf eine Regulierung und Verbesserung der staatlichen Ernährungspolitik. Der vom preußischen König unterstützte Ver. ermöglicht darüber hinaus die maßgeblich von L. betriebene Planung von zwei außerordentlichen Institutionen des Gartenwesens: einer Gärtnerlehranstalt sowie einer Landesbaumschule. Überragende Bedeutung erlangt L. durch die Gründung der Kgl. Gärtnerlehranstalten in Schöneberg und Potsdam. Seit Jahrhunderten in Fam. und an Höfen ausgebildet, zielt L. auf eine Verwissenschaftlichung der Ausb. von Gärtnern und Gartenkünstlern, die neben botanischer Expertise auch die künstlerische Vorstellung von Gärten und Parks stärken soll. Die Ausb. umfasst gartenbauliche, botanische, mathematisch-naturwissenschaftliche und künstlerische Themen. Von A. an mit der Lehranstalt verknüpft, widmet sich die ebenfalls von L. initiierte Landesbaumschule der botanischen Forschung, bes. der Akklimatisierung fremder Gehölze in Preußen. Die Kgl. Gärtnerlehranstalt, seit 1853 ausschl. in Potsdam-Wildpark beheimatet, entwickelt sich zwischen der M. des 19.Jh. und der Akademisierung von Gartenkünstlern ab 1930 zur wichtigsten gärtnerischen Ausb.-Stätte des dt.-sprachigen Raums, aus der Gärtner und Gartenkünstler von europ. Rang hervorgingen, darunter Gustav Adolf Fintelmann (1803), Gustav Meyer, Fritz Encke, Emil Barth, Karl Foerster, Herta Hammerbacher und Hermann Mattern. Vertritt L. am Beginn seiner Tätigkeit noch puristische Vorstellungen von homogenen Lsch.-Gärten, so räumt er im Verlauf seiner Karriere archit. und geometrischen Strukturen sowie Wechselflorpflanzungen immer größere Bedeutung ein. Aus dem Widerstreit der sich partiell ausschließenden Stilprinzipien entwickelt er das Prinzip der Zonierung, für das Sanssouci exemplarisch steht. Während das Gesamtareal bei harmonischer Verknüpfung mit dem Umland landschaftlich aufgefasst ist, birgt es in seinem Inneren einzelne Partien, die geometrisch-archit. - Wegesysteme, Zierbeete, Haine, Heckenbegrenzungen, Pergolaarchitekturen usw. - gegliedert und gestaltet sind, also aus unterschiedlichen stilistischen sowie funktionalen Zonen bestehen. Das gilt bereits für die ersten Pläne L.s zur Erneuerung des Schlossparks von Sanssouci sowie seine Pläne für den Neuen Garten (1816), für die Entwürfe zum Berliner Tiergarten (1818), zur Umgestaltung der Schlossparks in Charlottenburg (1819) und die Anlage der Pfaueninsel (1829). Z.T. wurden ältere Wegeachsen erhalten und Pleasuregrounds mit regelmäßigen Zierbeeten dekoriert. Im Rückgriff auf gartenkünstlerische Elemente der Renaiss. und des Barock lässt sich ein ausgeprägter historistischer Grundzug beobachten. Dieses integrative Stilverständnis kennzeichnet L.s gesamtes Werk und wird darüber hinaus durch seine dendrologischen und gartenbotanischen Interessen noch variiert. Das Bestreben, Gärten und Parks mit großer vegetabilischer Vielfalt auszustatten, verstärkt sich im Verlauf seiner Karriere und parallel zu einer allgegenwärtigen Begeisterung für fremde Pflanzen. Sieht man von den Plänen für den Berliner Tiergarten als Nationaldenkmal ab, so zeigt L. an der emblematischen Aufladung von Gärten und Parks mit Denkmälern, verglichen etwa mit Friedrich Ludwig von Sckell, kein ausgeprägtes Interesse. Eine kunst- und sozialhistorische Zäsur stellt L.s Arbeit am Volksgarten Klosterberge in Magdeburg dar. 1824 vom Magdeburger Stadtrat zu einem Entwurf aufgefordert, handelt es sich um die erste im Auftrag einer Kommune errichtete öffentliche Parkanlage Deutschlands. Der urspr. auf dem Gelände eines zerst. Klosters am Stadtrand liegende Volksgarten entsteht im Rahmen der städtischen Entfestigung. L. konzipiert eine Hügel-Lsch. in Elbnähe mit Panoramaaussichten auf die Stadt. In der Beschr. des Entwurfs legt L. seine Idee von den Funktionen bürgerlicher Gartenkunst dar. Überwiegend in Preußen beschäftigt, beschränkt sich seine Tätigkeit als Kgl. Garten-Dir. nicht nur auf Entwurf und Beaufsichtigung der Pflege selbst entworfener Gärten und Parks, sondern erstreckt sich auch auf administrative und gutachterliche Tätigkeiten. Neben das preußische Königshaus und Potentaten in Mecklenburg, Sachsen, Hessen und Bayern treten zahlr. Adelige als Auftraggeber. Angesichts der Fülle der Aufgaben ist der gestalterische Anteil L.s nicht immer genau abzuschätzen. Den Potsdamer und Berliner Gartenanlagen widmet er zeitlebens ungebrochene Aufmerksamkeit. Neben den Gärten des Schlossparks Sanssouci und dessen Erweiterungen - Charlottenhof, Marlygarten, Neue Orangerie - entwirft L. auch angrenzende Gärten und Parks wie den Neuen Garten am Heiligen See, den Park von Schloss Babelsberg, die Pfaueninsel, den Schlosspark Groß-Glienicke und weitere. Diese intensive Beschäftigung mit dem landschaftlichen Umfeld der alten Residenzstadt gipfelt 1833 in einem Verschönerungsplan für Potsdam und seine Umgebung, der L. nun Lsch.-Planung im großen Stil abverlangt. Seit 1840 wird das Projekt in Teilen verwirklicht. Bei der Planung von Gutshöfen bereits erprobt (Gut Reichenbach/Pommern, 1820) entwickelt L. nach dem engl. Vorbild der ornamental farm sowie nach Modellen Humphry Reptons eine integrative Planung von Flächen für Agrar-, Forst- und Wasserwirtschaft, Verkehrsinfrastruktur (Eisenbahnbau) und Archit. zugunsten homogener Landschaften. Im selben Größenmaßstab erscheinen L.s Stadtplanungen und städtebaulichen Entwürfe. Das heutige Zentrum Berlins charakterisiert eine geschlossene (damals die Vorstädte mit Berlin verbindende) Parklandschaft aus Tiergarten, Zoologischem Garten sowie dem Park von Schloss Bellevue. Neben einzelnen Gärten und Parks verantwortet L. bes. Areale am Stadtrand, die 1840 in einem Projekt für die Schmuck- und Grenzzüge Berlins münden. Zu den wichtigsten Vorhaben zählen das sog. Köpenicker Feld, das Pulvermühlengelände nördlich des Tiergartens sowie die Führung versch. Kanäle (Landwehr-, Berlin-Spandauer Schifffahrts- sowie Luisenstädtischer Kanal). Von Bedeutung sind daneben die Entwürfe für die Entfestigung Münchens (1831), die Wallanlagen bzw. Entfestigungspläne für Frankfurt/Oder, Lübeck und Stettin, bes. aber sein 1858 eingereichtes Konzept für die Verbindung der Wiener Altstadt mit den Vorstädten auf den aufgelassenen Festungswerken. L.s Plan wird nicht verwirklicht, jedoch honoriert. Wie vor ihm nur F.L. von Sckell wendet L. gartenkünstlerische Prinzipien der Raumorganisation auf Städte an und gibt damit der entstehenden Disziplin Städtebau/Stadtplanung wichtige Impulse. Mehrfach wird L. mit der Modernisierung älterer, meist regelmäßiger Parkanlagen betraut wie am Schloss Sanssouci in Potsdam, Schloss Augustusburg in Brühl, am Schloss Benrath bei (heute in) Düsseldorf sowie am Schloss Charlottenburg. Diese Aufgaben, aber auch seine beiden Italienreisen sowie die Zusammenarbeit mit Karl Friedrich Schinkel verstärken sein historistisches Grundverständnis. Der Rückbezug auf die röm. Antike prägt besonders die mit K.F. Schinkel vorangetriebene Planung für den Garten von Schloss Charlottenhof in Sanssouci ab 1825. Vorbild sind die literarisch überlieferten Plinius-Villen, was in Dichterhain, Exedrenabschlüssen und im Hippodrom zum Ausdruck kommt. - L. verstarb hochgeehrt. Bereits 1847 wird seine von Christian Daniel Rauch gestaltete Büste im Park Sanssouci aufgestellt. Besonders Gustav Meyer, L.s Schüler und Nachf. sorgte mit seinem 1860 publizierten "Lehrbuch der schönen Gartenkunst" für eine nachhaltige Verbreitung der stilistischen Modelle L.s. Die sog. L.-Meyersche Schule ist noch für den 1887 gegründeten Ver. dt. Gartenkünstler bestimmend. Seit den späten 1970er Jahren finden umfangreiche Rest.-Arbeiten von L.s Werken statt.
P.J. L., Lebenslauf (1853), in: F.von Buttlar, P.J.L. Volkspark und Arkadien, Berlin 1989
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB23, 1929
Weitere Lexika:
DA XIX, 1996
Gedruckte Nachweise:
G.Hinz, P.J.L. Landschaftsgestalter und Städteplaner, Göttingen 1977; H.Günther, P.J.L. Gärten/Parke/Landschaften, B. 1985; F.v.Buttlar (Ed.), P.J.L. Volkspark und Arkadien, B. 1989; G.Hinz, P.J.L. Das Gesamtkunstwerk des Gartenarchitekten und Städteplaners, Hildesheim/Z./N.Y. 1989; H.Ohff, P.J.L., B. 1989; H.-W.Hallman/J.Wenzel (Ed.), P.J.L. - Die Entwicklung des Auges, B. 1990; D.Karg (Ed.), Leben und Werk von P.J.L. - Ein Gartenkünstler des 19. Jh., B. 1991; Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege (Ed.), P.J.L. Gartenkunst im 19. Jh. Beitr. zur L.-Forsch., B. 1992; H.Günther/S.Harksen, P.J.L. Kat. der Zchngn, B. 1993; M.Seiler, in: I.Lauterbach (Ed.), F. L. Sckell (1750-1823). Gartenkünstler und Stadtplaner, Worms 2002; D.Karg/H.-J.Dreger (Ed.), P.J.L. Parks und Gärten in Brandenburg, Worms 2005 (WV); R.Hombach/P.Habrock-Henrich (Ed.), P.J.L. Eine Gartenreise im Rheinland, Rb. 2011
Lenné, Peter Joseph, Gartenarchitekt (Generaldirektor der kgl. Gärten), *29. 9. 1789 zu Bonn (einer Familie entstammend, die seit 4 Generationen den Hofgärtnerposten ebda bekleidete), †26. 1. 1866 Berlin. Bildete sich in Bonn und Paris (1811 ff.) aus, ging 1815 nach Wien (Plan zur Vergrößerung des Gartens von Laxenburg), legte 1815 Anlagen in Coblenz an, wurde 1816 nach Potsdam berufen, wo er eine umfangreiche Tätigkeit entwickelte: Um- bzw. Neugestaltung des Neuen Gartens, des Schloßparks von Glienicke, des Lustgartens, des Parks von Sanssouci, der Pfaueninsel u. Babelsbergs, des Gartens von Charlottenhof, der Terrassen d. Neuen Orangerie u. des Berliner Tiergartens. Kat. Akad.-Ausst. Berlin 1866, p. XIII (Nekrol.). - Allgem. Dtsche Biogr., XVIII 280. - Kania, Potsdamer Baukst, P. 1926. - Neue Kunst in Alt-Preußen, I (1912/13) 84, 86. - Hohenzoll.-Jahrb., 1916 p. 2. - Wasmuth's Monatsb. für Baukst, IX (1925) 429ff. (m. Abb.). - Kat. Bildnis-Ausst. Akad. Berlin 1920, p. 26.