Gropius, Walter (Adolf Georg Walter), dt. Architekt, Gestalter, Architekturtheoretiker, Gründer des Bauhauses, *18.5.1883 Berlin, †5.7.1969 Boston.
Gropius, Walter
Sohn des Architekten Walther und seiner Ehefrau Manon G., geb. Scharnweber. 1903 Abitur am humanistischen Kaiserin-Augusta-Gymnasium in Berlin-Steglitz. Stud.: Sommersemester 1903 Archit. an der TH München. 1903/04 Volontär im Büro Solf & Wichards in Berlin. 1904/05 Einjähriger Militärdienst beim Husaren-Regiment 15 in Wandsbek. 1905 Forts. des Stud. an der TH Berlin-Charlottenburg, 1907 Abbruch ohne Examen nach insgesamt fünf Semestern. 1903 und 1905-07 Ausf. erster Bauten auf dem Gut des Onkels Erich G. und für dessen Bekannte in Hinterpommern. 1907/08 Reise durch Spanien. 1908-10 Mitarb. im Büro Peter Behrens in Neubabelsberg, eig. Büro ab 1910 zuerst ebd., dann in Berlin in Zusammenarbeit mit Adolf Meyer. Mitgl.: 1910 Dt. Werkbund, 1911 Berliner Architekten-Ver., 1912 Bund Dt. Architekten. 1914-18 Offizier im 1. WK an der Westfront. 1915 Ehe mit Alma Mahler, geb. Schindler (Witwe des Komponisten Gustav Mahler), 1916 Geburt der Tochter Manon. Ab 1918 Mitgl. und 1919-21 Vors. des Arbeitsrats für Kunst in Berlin. 1919 Gründer des Staatlichen Bauhauses in Weimar, ab 1925 in Dessau, Dir. bis 1928. Unterhielt am Bauhaus ein eig. Büro, bis 1925 in Zusammenarbeit mit A.Meyer. 1920 Scheidung von Alma Mahler. 1923 Heirat mit Ilse (gen. Ise) Frank. 1928 Studienreise durch die USA; Gründungs-Mitgl. des CIAM (Congrès Internat. d'Archit. Mod.); Umzug nach Berlin und eig. Büro. 1933 legt er die Mitgliedschaft im Dt. Werkbund nieder (in dessen Vorstand er viele Jahre tätig war). 1933 Aufnahme in die Reichskulturkammer. Anlässlich des IV. Theater-Kongresses der Fond. Alessandro Volta in Rom reiste das Ehepaar G. 1934 mit Genehmigung der dt. Behörden nach London weiter. Hier arbeitete G. bis 1937 mit Maxwell Fry zusammen. Zugleich behielt er aber weiterhin Wohnung samt Büro in Berlin. Folgte 1937 der Berufung als Prof. der Graduate School of Design an die Harvard Univ. in Cambridge/Mass., ab 1938 Leiter der dortigen Archit.-Abteilung. Die Ausreise aus Deutschland erfolgt offiziell unter Mitnahme des gesamten Hausstandes und Werkarchivs. In den USA arbeitete G. bis 1941 in Partnerschaft mit Marcel Breuer, danach projektbezogene Zusammenarbeit mit Konrad Wachsmann. Seit 1944 US-amer. Staatsbürger. 1945 Gründung des Büros "The Architects Collaborative" (TAC) mit jungen amer. Architekten. 1947 Deutschlandreise im Auftrag der US-Militärregierung. 1952 Emeritierung. G. schenkte einen Teil seines Werkarchivs dem Busch-Reisinger-Mus. in Cambridge. Den anderen Teil mit Schwerpunkt auf den Unterlagen zum Bauhaus übergab er dem 1960 auf seine Anregung hin gegründeten Bauhaus-Arch. in Darmstadt, das 1971 nach Berlin umzieht und sich 1979 in einem von ihm entworfenen, aber erst postum errichteten Bau etabliert. Zahlr. internat. Ausz., bes. nach 1945: 1929 Dr. Ing. TH Hannover; 1953 Premio Matarazzo São Paulo; 1954 Gründung der G.-Ges. in Tokio; 1956 Mitgl. der AK Berlin; Gold-Med. des RIBA. 1958 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern; 1959 Gold-Med. des AIA. Ehrendoktorwürden, u.a. 1953 Harvard Univ.; 1954 Univ. of Sydney; 1955 Univ. of Brazil, Rio de Janeiro. - Innerhalb der Archit.des 20. Jh. zählt G. neben Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe zu den Pionieren des Funktionalismus, die eine aus der Konstruktion und der Aufgabe abgeleitete mod. Baukunst vertraten. Wie diese fand auch G. Zugang zum Beruf direkt über die bauliche Praxis oder das Handwerk. Dieser Umstand sollte später ebenso wenig thematisiert werden wie sein vor und während des 1. WK entstandenes Frühwerk. Vielmehr stilisierte er sich durch eine überwiegend selbst gesteuerte selektive Publ. eig. Werke zum radikalen, mit der Gesch. brechenden Neuerer. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten hat die Forsch. Licht in die formativen Anfänge der Protagonisten der Moderne und damit in die Quellen ihres Denkens gebracht, was jedoch deren Rolle und Bed. für die Archit. des 20. Jh. keinerlei Abbruch tut. Als Sohn einer angesehenen Berliner Architekten-Fam. war die Berufswahl für G. weitgehend vorbestimmt. Mit dem Abbruch des Stud. rebellierte er gegen die reformbedürftige akademisch-historisierende Architektenausbildung und mit der Hinwendung zum malerischen Landhausstil seiner ersten Bauten (Speicher auf Gut Janikow und Haus Metzler in Dramburg, 1906) distanzierte er sich von der familiären Vorliebe für den Klassizismus. Ebenso wenig wählte G. als Land seiner 1907/08 unternommenen Grand Tour Italien aus, sondern entschied sich für Spanien, dessen multi-ethnische Kultur ihn weitaus mehr reizte als der trad. Bildungskanon. In Spanien lernte er den vermögenden Kunstsammler und Mäzen Karl Ernst Osthaus kennen, der zu den einflussreichen Gründern des eben konstituierten Werkbunds gehörte. Osthaus vermittelte ihn nicht nur in das Büro von Peter Behrens, er stellte auch die wichtigste Bezugsperson für G. dar, was seine Positionierung und Vernetzung innerhalb der dt. Vorkriegsavantgarde anbelangt. 1908-10 im Atelier von Behrens - zu dieser Zeit künstlerischer Berater der AEG - werden die Fundamente für G.s weiteres Schaffen gelegt, die v.a. in der Bedeutung der Industrie für das Entstehen einer neuen Kultur und der Baumaterialien Stahl, Glas und Beton für das Formieren der mod. Archit. liegen. Zeit seines beruflichen Lebens war G. auf befähigte Partner angewiesen, da er selbst nicht zeichnen konnte. Aus dieser Unfähigkeit heraus, die wohl auch zum Abbruch des Stud. geführt hatte, verstand er jedoch eine Stärke zu ziehen, indem er einen diskursiven Entwurfsstil entwickelte, die Teamarbeit einführte, sich als Theoretiker und Vordenker positionierte und sein organisatorisches Talent nutzte. Stets begriff G. seinen Anteil an gemeinsamen Werken als den maßgeblichen, was auch hinsichtlich der Nennung der Mitarb. zu ständigen Reibereien führte. Das Œuvre vor dem 1. WK ist einerseits geprägt vom Vorbild Behrens' und dessen formal reduziertem (Industrie-)Klassizismus, andererseits aber auch von der Auseinandersetzung mit ihm. V.a. zwei Bauten von G. können als gebaute Korrektur der Werke von Behrens verstanden werden: das Haus von Arnim in Falkenhagen/Pommern (ca.1909-11) und das epochale Fagus-Werk in Alfeld/Leine (1911-25). Letzteres besticht durch die Auffassung von Archit. als exakt geformte Körper und der raumbegrenzenden Verwendung des transparenten Mat. Glas. In den stützenlosen Ecken des über drei Stockwerke verglasten Hauptgebäudes scheint sich der Bau über alle Gesetze der Schwerkraft hinwegzusetzen. Dieser Effekt wird verstärkt durch die Platzierung des nachgerade schwebend wirkenden Treppenhauses in einer der Ecken. Harmonische Proportionen, die auf der Grundlage eines systematischen Entwurfsprinzips bei gleichzeitiger Berücksichtigung von optischen Korrekturen basieren, sorgen für eine selbstbewusste Größe des Baus trotz bescheidener Maße. Hartnäckig wird in der Lit. immer wieder behauptet, beim Hauptgebäude des Fagus-Werks handele es sich um eine Vorhangfassade und der weitgehend in Glas aufgelöste Bau verdanke sich einer innovativen Stahlskelett- oder Betonkonstruktion. Beides ist anlässlich der vorbildlichen Sanierung 1985-99 überprüft worden und muss eindeutig als falsch bezeichnet werden. Die hist. Bedeutung des Fagus-Werks liegt nicht in der Konstruktion, sondern vielmehr in der Ableitung einer neuen Archit. aus dem Industriebau. Die Wurzeln hierfür sind nicht nur bei Behrens, sondern auch in den von G. eingehend studierten Schriften von Alois Riegl zu suchen. Zu nennen ist bes. dessen Theorie des "Kunstwollens", die den "antiken Massenbau" zum Ideal erhebt. Die in der Lit. festzustellende negative Bewertung des klassizistisch gefärbten Frühwerks von G. folgt seinem späteren Selbstverständnis, verkennt jedoch dessen programmatische Intention. So gilt auch die anlässlich der Werkbund-Ausst. 1914 in Köln errichtete Musterfabrik im Vergleich zum Fagus-Werk, trotz der avancierteren Bautechnik, als weniger bedeutend. Weitgehend übersehen werden dabei die Ausgestaltung durch expressionistische Wandmalereien und die Integration von bildhauerischen Arbeiten, die im Vorgriff auf das Bauhaus bereits das Ideal des Gesamtkunstwerks feierten. Ebenso wenig Interesse finden in der Forsch. bislang die frühen Interieurs und Möbel von G., obwohl er damals zu den führenden Raumkünstlern Deutschlands zählte. Die noch vor dem 1. WK an den jungen G. ergangenen Rufe, auch seine Berücksichtigung bei der Nachfolge von Henry van de Velde 1915/16 in Weimar, beruhten auf seinem Renommee als Gestalter exklusiver Innenausstattungen. In der Gedenkschrift für die Weimarer Stelle umriss er als anzustrebendes Ziel eine Werkgemeinschaft von handwerklich geschulten Künstlern nach dem Vorbild mittelalterlicher Bauhütten. Hierauf aufbauend brachte er sich sofort nach dem Krieg in Erinnerung und gründete 1919 durch Zusammenlegung der KGS mit der HBK dann das Staatliche Bauhaus Weimar. Das eig. Werk der unmittelbaren Nachkriegsjahre ist inhomogen und von der Suche nach einem neuen Ausdruck geprägt. Zu den maßgeblichen Werken der expressionistischen Phase bis 1921 zählt das in Blockbauweise errichtete Haus Sommerfeld in Berlin (1920-22), das mit Hilfe der Bauhaus-Wkstn ausgestattet wurde und als erster Versuch, das postulierte Ideal eines Gesamtkunstwerks einzulösen, angesehen werden kann. Ab 1922 macht sich dann unter dem Einfluss der holländischen de Stijl-Gruppe die Wende zu einer elementaren Archit. bemerkbar, die sich auf weiße kubische Körper mit flachen Dächern beschränkt. Anfangs noch symmetrisch gegliedert, wie das vom Büro G. betreute Haus am Horn in Weimar (1923), geht die Entwicklung zu asymmetrisch ponderierten Raumgebilden über, die aus versch. dimensionierten und einander durchdringenden Quadern bestehen. Diese ab 1924 im Werk von G. feststellbare Tendenz eines allansichtigen Baus, der keine hierarchische Unterteilung in Vorder- und Rückseite mehr kennt, manifestiert sich erstmals im Haus Auerbach in Jena. Den Höhepunkt findet diese Entwicklung im Bauhaus-Gebäude in Dessau (1925/26), wohin die Schule 1925 aus politischen Gründen umzog. Der windmühlenartig in alle Richtungen ausgreifende Komplex besteht aus mehreren Baukörpern mit unterschiedlichen Funktionen: der vollverglaste, als "Fabrik" zu verstehende Werkstättentrakt folgt einem Projekt gebliebenen Entwurf für die Erweiterung des Fagus-Werks, während der brückenartig die Straße überspannende Bauteil das Direktorenzimmer, die Verwaltung und das Architekturbüro von G. aufnahm; der als fünfgeschossiges "Hochhaus" ausgebildete Ateliertrakt stößt an den flachen Bau mit Kantine und Bühne als verbindendes Glied zum Werkstättentrakt an und vereint dergestalt die Bereiche Arbeit, Freizeit und Wohnen. Außer dem Bauhaus-Gebäude errichtete G. in Dessau die Häuser der Bauhaus-Meister (1925/26), die Siedlung Törten (1926-28) und das Arbeitsamt der Stadt (1927-29). In den letzten Jahren saniert und zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt, umfasst Dessau ein einmaliges Ensemble von Werken G.s aus den späten 1920er Jahren, der wichtigsten Zeit seines Schaffens. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung trat G. 1928 die Leitung des Bauhauses ab, um sich wieder ganz der archit. Praxis widmen zu können. Zuvor begab er sich auf eine ausgedehnte Studienreise durch die USA, deren innovative Bauweisen und effiziente Baustellenorganisation vorbildlich waren. Die dort gesammelten Erkenntnisse sollten dem Massenwohnungsbau, G.s hauptsächlichem Betätigungsfeld der folgenden Jahre, dienen. Er hatte bei der Siedlung Dessau-Törten (1926-28) und Stuttgart-Weißenhof (1926/27) bereits Erfahrungen im Bereich des Bauens mit vorfabrizierten Einzelteilen gesammelt, nun richtete sich sein Interesse auf städtebauliche und wohntechnische Experimente wie den Zeilenbau, das Laubenganghaus und das Wohnhochhaus. Die ausgef. Wohnblocks in den Siedlungen Karlsruhe-Dammerstock (1928/29) und Berlin-Siemensstadt (1929/30) zeichnen sich sowohl durch einen hohen Grad der Grundriss-Typisierung und Normierung der Fensterelemente als auch durch ein schnittig-elegantes Erscheinungsbild aus. In diesen Jahren begründete G. die Ästhetik seiner Bauten ausschl. aus den funktionalen Erfordernissen heraus und argumentierte in zunehmend technokratisch gefärbten Schriften in einem als wiss. verstandenen Sinn. Sein genuines Interesse an der Schaffung humaner Wohnbedingungen und der Beseitigung der Wohnungsnot geriet dadurch in den Hintergrund. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde die Situation für den seit Jahren von der rechten Presse verunglimpften G. schwierig. Dennoch erhielt er offenbar problemlos 1933 die Zulassung zur Reichskulturkammer und konnte 1934 mit der Gest. der Abt. für Nichteisenmetalle bei der Ausst. "Dt. Volk - Dt. Arbeit" teilnehmen. Zugleich versuchte er seinen Einfluss geltend zu machen, indem er zus. mit Hugo Häring eine - allerdings erfolglos verlaufene - Eingabe an höchster Stelle für das Neue Bauen als nat. Stil verfasste. Parallel dazu aktivierte G. seine Kontakte in England, wo ihm das mäzenatische Ehepaar Elmhirst den Direktorenposten eines zu gründenden "engl. Bauhauses" in Aussicht stellte. Doch schließlich war es ein konkretes Bauvorhaben, das ihn 1934 veranlasste, mit seiner Frau nach London überzusiedeln. Den Weggang aus Deutschland verstand G. nur als temporäre Verlagerung der Geschäfte und hoffte, wie viele andere in Verkennung der politischen Lage, dass der nationalsozialistische "Spuk" nicht lange dauern würde. Unter den wenigen Bauten, die G. in Zusammenarbeit mit M.Fry in England realisieren konnte, fällt bes. der eingeschossige Schulkomplex des Impington Village College (1936-39) auf. Herzstück der Anlage bildet eine fächerförmige Halle, von der Gebäudeflügel mit Klassenräumen in die Lsch. ausgreifen. Insgesamt wurde G. in den Jahren der Tätigkeit in England weniger als Architekt denn als Autor des Buches "The New Archit. and the Bauhaus" (1935) bek., das auch in den USA wahrgenommen wurde. Ende 1936 erreichte ihn in London der Ruf an die Harvard Univ., den er nach kurzen Verhandlungen annahm. Dort lehrte er bis zur Emeritierung 1952 und stand der Architekturabteilung als Dir. vor. Zwar gelang ihm die Berufung einiger seiner Weggefährten (Marcel Breuer, Martin Wagner), doch konnte er die Einführung eines Grundkurses in Anlehnung an die Bauhaus-Pädagogik, den er mit Josef Albers besetzen wollte, nicht durchsetzen. Als Lehrer hatte G. in Amerika nicht die Ausstrahlung, die von Mies van der Rohe in Chicago ausging. Seine bekanntesten Schüler bezogen mit der Betonung des Entwurfs und der Kultivierung des persönlichen Ausdrucks vielmehr eine Gegenposition zu G.s allgemeingültiger, auf Standards aufbauenden Position. Unter G.s amer. Bauten stehen heute v.a. diejenigen im Mittelpunkt des Interesses, die er zus. mit Breuer entworfen hat, wobei dieser als der kreative Part angesehen wird. Hierzu zählen bes. Einfamilienhäuser, auch das Haus G. in Lincoln (1938), die heimische Mat. und Bauweisen Neuenglands in einem mod. Sinn aufgreifen. Mit der Gründung der Architektengemeinschaft The Architects Collaborative (TAC) 1945 lässt sich G. dann als entwerfender Architekt kaum noch fassen. Nach Deutschland wollte der in der Nachkriegszeit gefeierte und hoch Geehrte nicht mehr dauerhaft zurückkehren, doch realisierte er ab den 1950er Jahren eine Anzahl von Bauten in der Bundesrepublik. Heute wird das engl. und US-amer. Werk von G., das immerhin eine zeitliche Spanne von 35 Jahren umfasst, kaum wahrgenommen, sondern vielmehr seine Rolle als Pionier des Neuen Bauens und Gründer des Bauhauses gewürdigt. Diese Fokussierung beruht zu einem großen Teil auf der Selbstdarstellung von G. und der bis Mitte der 1960er Jahre von ihm weitgehend beeinflussten Geschichtsschreibung der mod. Architektur. Als exponierter Vertreter des Funktionalismus machte die Postmoderne G. quasi stellvertretend für alle städtebaulichen und archit. Fehlleistungen der Nachkriegszeit verantwortlich. Sein humanistisches Credo wurde dabei bewusst unterschlagen. Seit der großen Ausst. über G. 1985/86 in Cambridge, Berlin und Frankfurt am Main, die erstmals eine Aufarbeitung seines immensen Nachlasses leistete, sind fast ausschl. Einzeluntersuchungen zu seinen v.a. im Osten Deutschlands gelegenen Bauten der 1920er Jahre erschienen. Sie haben die Kenntnis seines Werks erheblich erweitert, doch harrt nicht nur das spätere Werk einer kritischen Aufarbeitung, auch das erstaunlich wenig ausgewertete dok. Mat. (Mss. und Briefe) birgt noch viel Unerkanntes.
(Auswahl projektierter und ausgef. Bauten sowie Grab- und Denkmäler [Jahresangaben für Entwurfsbeginn und Voll.]; WV siehe Nerdinger, 21996). - Bauten bis zum 1. WK:
Sind beim Bauen von Industriegebäuden künstlerische Gesichtspunkte mit praktischen und wirtschaftlichen vereinbar?, in: Der Kaufmann und das Leben 1:1911(12)189 ss.; Die Entwicklung mod. Industriebaukunst, in: Jb. des Dt. Werkbundes (Jena) 2:1913, 17-22; Der stilbildende Wert industrieller Bauformen ibid. 3:1914, 29-32; Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar (Flug-Bl., dat. April 1919); Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses Weimar, M. 1923; G./A.Meyer, Weimar. Bauten, B. 1923 (Repr.: M. 1980); Internat. Archit., M. 1925; 21927 (Repr.: Mainz u.a. 1981 ); Bauhausbauten Dessau, M. 1930 (Repr.: Mainz 1974); The new archit. and the Bauhaus, Lo. 1935 (dt.: Mainz 1965); G. u.a. (Ed.), Bauhaus 1919-1928, N.Y. 1938 (dt.: St. 1955); Scope of total archit., N.Y. 1955 (dt.: Archit. Wege zu einer optischen Kultur, Ffm. 1956); G. u.a. (Ed.), The Architects collaborative, Teufen 1966; Apollo in der Demokratie, Mainz/B. 1967.
Einzelausstellungen:
(alle mit K): 1930 Berlin: Ständige Bauwelt Musterschau; Frankfurt am Main: Das Neue Frankfurt / 1931 Hannover, Kestner-Ges. / 1947 Cambridge (Mass.), Harvard Univ. / 1952 Nürnberg / 1963, '70 Darmstadt, Bauhaus-Arch. / 1971 Zürich, KGM / 1985-86 Cambridge (Mass.), Busch-Reisinger-Mus.; Berlin, Bauhaus-Arch.; Frankfurt am Main, Dt. Archit.-Mus.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB15, 1922; Vo2, 1955
Weitere Lexika:
Wasmuths, LdB II, 1930; Reichs-Hb. der dt. Ges., I-II, B. 1930/31; Current biogr., II, N.Y. 1941; XIII, 1952; W.B. O'Neel (Ed.), W.G., Charlottesville 1966 und Suppl., 1972; Große Baumeister, I, B. 1987; DA XIII, 1996; Dict. de l'archit. du XXe s., P. 1996 Hatje Lex. der Archit. des 20. Jh., Ostfildern-Ruit 1998.
Gedruckte Nachweise:
S.Giedion, W.G., P. 1931; G.C. Argan, W.G. e la Bauhaus, Turin 1951 (dt.: Reinbek 1962 und Bg. 1983); S.Giedion, W.G. Mensch und Werk, St. 1954; H.Weber, W.G. und das Faguswerk, M. 1961; H.M. Wingler, Das Bauhaus, 1919-1933. Weimar, Dessau, Berlin, Bramsche [Köln] 1962; M.Franciscono, W.G. and the creation of the Bauhaus in Weimar, Urbana u.a. 1971; H.Klotz, Architectura 1:1971(1)176-196; N.Huse, "Neues Bauen" 1918-1933, M. 1975; K.-H. Hüter, Das Bauhaus in Weimar, B. 21976; T.Wolfe, From Bauhaus to our house, N.Y./Lo. 1981 (dt.: Mit dem Bauhaus leben, Königstein/Taunus 1982); R.R. Isaacs, W.G. Der Mensch und sein Werk, I-II, B. 1983/84; M. de Michelis/A.Kohlmeyer (Ed.), Rassegna 5:1983(15); K.Wilhelm, W.G. Industriearchitekt, Bg. 1983; G.Herbert, The dream of the factory-made house. W.G. and Konrad Wachsmann, C., Mass. 1984; W.Nerdinger, Der Architekt W.G., B. 1985; R.Banham, A concrete Atlantis, C., Mass. 1986; H.Claussen, W.G. Grundzüge seines Denkens, Hildesheim 1986; H.Probst/C.Schädlich, W.G., I-III, B. 1986-88; Ribbe/Schäche, 1987; W.Tonne, W.G. und die Investitionsrechnung, St. 1987; M.Droste, Bauhaus 1919-1933, Köln 1990; W.Nerdinger, The W.G. Arch., I-III, N.Y. 1990; IV, ed. J.Harkness, N.Y. 1991; C.Engelmann/C.Schädlich, Die Bauhausbauten in Dessau, B. 1991; A.Jaeggi, Adolf Meyer. Der zweite Mann, B. 1994; W.Nerdinger, Der Architekt W.G., B. 21996; A.Jaeggi, Fagus. Industriekultur zw. Werkbund und Bauhaus, B. 1998; M.Kentgens-Craig (Ed.), Das Bauhausgebäude in Dessau, Basel/Boston 1998; J.Fiedler/P.Feierabend (Ed.), Bauhaus, Köln 1999; N.Michels (Ed.), Archit. und Kunst. Das Meisterhaus Kandinsky-Klee in Dessau, L. 2000; G.Lupfer/P.Sigel, W.G. 1883-1969. Propagandist der neuen Form, Köln u.a. 2004; U.Müller, Raum, Bewegung und Zeit im Werk von W.G. und Ludwig Mies van der Rohe, B. 2004; R.Rehm, Das Bauhausgebäude in Dessau, B. 2005; U.Müller, W.G. Das Jenaer Theater, Jena/Köln 2006; B.Bommert, Studien zum Raumverständnis bei Ludwig Mies van der Rohe und W.G., Köln 2013 (Diss. Univ. Köln 2010); W.Nerdinger, Archit. in Deutschland im 20.Jh., M. 2023
Onlinequellen:
Open archive W.G. (Privatarchiv zur Gesch. des Bauhauses, Korrespondenz, Fotoarchiv usw.)
Gropius, Walter, Architekt, geb. 18. 5. 1883 in Berlin; studierte an den Techn. Hochschulen München u. Berlin, dann im Privatatelier Peter Behrens-Neubabelsberg. Seit 1919 Direktor des Staatlichen Bauhauses in Weimar, einer Vereinigung der von Van de Velde gegründeten Kstgewerbeschule und der Hochsch. für bildende Kunst. Die Untrennbarkeit von Kunst und Handwerk in den Mittelpunkt seines Programms stellend, hat G. als Leiter des Staatl. Bauhauses für Einrichtung von Werkstätten für Bildhauerei und Holzschnitzerei, Dekorations- und Glasmalerei, Metallarbeit, Weberei und Tischlerei Sorge getragen. Aus der eigenen künstler. Produktion G.s sei hervorgehoben: Repräsentationsräume des Deutschen Werkbundes auf der Genfer Weltausstell. (Gold. Medaille), Ausstellungsräume der Vereinigten Werkstätten f. Kst u. Handwerk in Berlin, Entwurf eines neuen Schlafwagentyps (Kölner Werkbund-Ausst. 1914), Entwürfe für keramische Arbeiten, Teppiche, Beleuchtungskörper, Metallarbeiten aller Art, Tafelaufsätze, Bestecke, Entwurf einer Karosserie für eine Kölner Automobilfirma usw. Für eine Bernburger Maschinenfabrik baute er 35 Doppelwohnhäuser, für die Kolonie Wittenberge (Landgesellsch. "Eigene Scholle" Neustadt a. d. Dosse) schuf er die gesamte Landplanung mit 47 Wohnhäusern, Molkerei- u. Stallgebäuden, in Goerengut ein Herrenhaus, in Falkenhagen ein Landhaus, für Rittergut Janikow in Pommern eine Reihe Wirtschaftsgebäude, desgl. für Rittergut v. Brockhausen b. Mittelfelde i. Pom., für Alfeld a. d. Leine den Fabrikneubau der Faguserke, für Weimar das Denkmal für die Märzgefallenen (1921). Sein Fabrik-Entwurf mit Bureauhaus, Maschinenhalle u. Treppenturm, den er auf der Kölner Werkbundausst. 1914 zeigte, hat ihm den Ruf eines der vorzüglichsten deutschen Industriearchitekten verschafft. Deutsche Kst u. Dekoration, XXXIII 231 (mit 2 Abb.). - Der Architekt, XXII (Wien 1919120) 122. - Kstgewerbeblatt, N. F. XXVI (1915) 44 (Abb.). - Cicerone, XI (1919) 193; XIII (1921) 186. - Landesztg "Deutschland" (Weimar) vom 12. 1. 1920. - Mitteil. d. Künstlers.
Gropius, Walter, dtsch. Architekt, Kstgewerbler u. Fachschriftst. (Prof., Dr. h. c.), 18. 5. 1883 Berlin, ansässig in Lincoln, Mass., USA. Schüler von Peter Behrens. 1919/26 Direktor des Staatl. Bauhauses in Weimar, mit dem er 1926 nach Dessau übersiedelte. Seit dessen Auflösung 1928 in Berlin. 1929 Vizepräsident des Kongresses für modernes Bauen in Zürich. 1934/37 in London. 1937/53 Prof. u. Leiter der Architekturabteilung der Harvard-Univ. in Cambridge, Mass.; seitdem in Lincoln. - Vertreter einer neuartigen, ganz auf Zweckmäßigkeit abgestellten, klaren, auf blockartige Wirkung berechneten, geometrisch-strengen Flachbauweise. Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt in seinen Industrie- u. Siedlungsbauten: Fabrikgeb. der Faguswerke in Alfeld a. d. L., zus. mit Adolf Meyer; Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe; Bauhausbauten in Dessau (1926); Siedlung Törten, Anhalt; Siedlung Berlin-Siernensstadt; Umbauten des Theaters in Jena (zus. mit Adolf Meyer), 1922 und des Stadttheaters in Dessau (mit dems.). Mit dem Archit. Konrad Wachsmann erfand er das "Haus ohne Nägel", ein Holzbauverfahren bei dem die zugeschnittenen Holzplatten ineinander gehakt werden. Zu seinen jüngsten Bauten gehört das Amerika-Haus in Darmstadt. Ausgehend von der Forderung des Zusammenhanges aller Kunste, hat G. auch Entwürfe fur kunstgew. Gegenstände aller Art (Keramik, Textilien, Beleuchtungskörper, Tafelaufsätze usw.) gefertigt. - Buchwerke : Staat]. Bauhaus, 1923; Internat. Architektur, 1925; Bauhausbauten in Dessau, 1930; The new Architecture and the Bauhaus. London 1935; The Bauhaus 1919/28, London 1939; dazu zahlr. Aufsätze, bes. in amer. Fachzeitschriften. Ehrungen: Dr. Ing. e. h. der Techn. Hochsch. Hannover (1929); Ehrenmitgl. d. Roy. Inst. of Brit. Architects (1937); Mitgl. d. Amer. Inst. of Architects (1938); Mitgl. d. Amer. Soc. of Planners a. Architects (1944); Ehrendoktor der Western Reserve Univ. in Cleveland, Ohio (1951); Ehrendoktor der Harvard Univ. in Cambridge, Mass. (1953). - Koll.-Ausst. : 1930 im Architektenhaus in Berlin (Modelle, Zeichngn, Fotos); Juni 1951 im Kestner-Mus. in Hannover; 1952 in d. Frank. Gal. in Nürnberg; Aug./Sept. 1952 im Mus. of Art in San Francisco, Calif. Lit.: Th.-B., 15 (1922). - S. Giedion, W. G., Mensch u. Werk, 1954. - Architect. vivante, Automne 1931, p. 5/9, m. 25 Taf. u. 46 Abbn, Hiver 1931, p. 91, m. 25 Tat, u. 47 A bbn. - Arquitectura, 1927, p. 110-12, m. 3 Abbn. - Art et Décor., 1931/1, p. 21132, m. 18 Abbn. - Dtsche Bauztg, 67 (1933) H. 20, Beil. p. 5. - Neues Berlin, 1 (1947) H. 7, p. 30, H. 8, p. 23/24. - Cahiers d'Art, 1927, p. 18/20, m. 6 Abbn. - D. Cicerone, 22 (1930) 259, 469/74, m. 8 Abbn. - College Art Journal, 10 (1950) 62. - D. Kreis (Hamburg), 5 (1928) 119f., m. Abbn. - D. Kunst (München), Halbjahrbuch, 1 (1948) 77 (Abb.). - D Kst u. d. schöne Beim, 49 (1950/51) Beil. p. 122, 237; 50 (1951/52) Beil. p. 246; 51 (1952/53) Beil. p. 59, 118. - Kst u. Kstler, 28 (1930) 349; 29 (1931) 265 (Abb.). - D. Kstblatt, 7 (1923) 315; 9 (1925) 368/74; 11 (1927) 17 (Abb.), 181., m. 2 Abbn. '21 (Abb.); 12 (1928) 92; 15 (1931) 57. - Kstchronik, 4 (1950/51) 182. - Velhagen 8e Klasings Monatsh., 41/11 (1926-27) 86/96. - Wasmuths Monatsh. f. Baukst, 11 (1927) 394, 399; 12 (1928) 340, 534f.; 13 (1929) 3.74. CEuvres, April 1934, p. 9, m. 4 Abbn. - Kommunale Rundschau, 2 (1948) H. 2, p. 45. - D. Weltkst. 23 (1953) Nr 14, p. 13. - D. Werk (Zürich), 12 (1925) 340 (Abb.); 15 (1928) 4/10; 18 (1931) 121ff.; 24 (1937) H. 3 Beil. p. XIV. - Zeitschr. I. Kst. 4 (1950) 300. Die umfangreiche amer. Zeitschr.-Lit. verz. in : The Art Index (New York), 19281f. passim.