Stella, Frank (Frank Philip), US-amer. Maler, Bildhauer, Objektkünstler, *12.5.1936 Malden/Mass., †4.5.2024 New York, lebte seit 1958 dort. 1961-69 verh. mit der Kunstkritikerin Barbara Rose, ab 1978 mit Harriet McGurk.
Stella, Frank
Stud.: 1950-54 an der Phillips Acad., Andover/Mass. (Malerei bei Patrick Morgan); 1954 Princeton Univ. (Kunstkritik bei William C. Seitz und Malerei b. Stephen Greene [1917]); 1958 Abschluss als BFA in Geschichte. Ausz.: 1967 1. Preis Internat. Bienn. Exhib. of Paint., Tokio; 1981 Painting Award der Skowhegan School of Painting and Sculpture; Ehren-Mitgl. der Bezalel Acad. in Jerusalem; 1982 Mayor's Award of Honor for Arts and Culture in New York; 1983 Ernennung zum Charles Eliot Norton Prof. of Poetry an der Harvard Univ., Cambridge/Mass.; 1985 Verleihung des Award of Amer. Art der PAFA Philadelphia; 1986 Honorary Degree der Brandeis Univ. in Waltham/Mass.; 1989 Ordre des Arts et des Lettres des frz. Staates; 1998 Goldmedaille des Graphic Art Award, Amer. Acad. of Arts and Letters, New York; 2001 Goldmedaille des Nat. Arts Club, New York; 2009 Nat. Medal of Arts, Washington/D.C.; 2011 Lifetime Achievement in Contemp. Sculpture Award; 2015 Nat. Artist Award, The Anderson Ranch Arts Center, Aspen/Colo.; 2017 Watch Award des World Mon. Fund; Ehrendoktortitel: 1984 Princeton Univ.; 1985 Dartmouth College, Hanover/N.H.; 1996 Friedrich-Schiller-Univ., Jena, und Installation von fünf Skulpturen der Hudson River Valley Series auf dem Ernst-Abbe-Platz ebenda. - Unmittelbar nach seinem Stud. beginnt S. 1958 in Manhattan großformatige farbige Bilder zu malen, die stringent in eine Serie schwarzer Bilder münden, welche schon bald als Schlüsselwerke der Minimal Art gelten. Diese von ihm als Black Paintings bez. Bilder verdanken sich dem gemeinsamen Gestaltungsprinzip der monochromen Streifenmalerei, die er aus den vorangegangenen Bildern, den sog. Pre-Black Paintings, heraus entwickelt. Zuvor entstehen die letzten Gem. seiner Studienzeit in Princeton, die sich v.a. an Jasper Johns, Adolph Gottlieb und Mark Rothko orientieren. Aber auch die Arbeiten von Hans Hofmann, Willem de Kooning, Helen Frankenthaler und Robert Motherwell beeinflussen ihn in dieser Zeit. Seine Entscheidung zw. der europ. Relational Art und der neuen amer. Non-Relational Art fällt er früh und konsequent zugunsten der Non-Relational Art. Für seinen künftigen Weg sieht er sich mit zwei grundsätzlichen Fragestellungen konfrontiert, eine die Räumlichkeit der Bilder betreffend, die and. das methodologische Problem der verfahrenstechnischen Herstellung des Bildes (Vortrag im Pratt Inst., 1959). Beeindruckt von der ersten Ausst. von Johns bei Leo Castelli A. 1958 entstehen zw. 1958 und 1960 insgesamt 24 großformatige schwarze Bilder. Der Entstehungsprozess dieser Bilder wird, wie die Arbeiten der folgenden Jahre auch, von meist kleinformatigen Skizzen und Zchngn vorbereitet und begleitet. Zunächst jedoch entstehen nach S.s Übersiedlung nach New York im Sommer 1958 die von ihm als Pre-Black oder Transitional Paintings bezeichneten Gemälde. Allen ist das große Format, der auffällig tiefe Keilrahmen und der in Streifen erfolgte Farbauftrag gemein. S. verwendet Lackfarben, wie er sie auch während der ersten Monate seiner New Yorker Zeit bei seinem Job als Anstreicher verwendet hat, sowie zweieinhalb Zoll breite Pinsel für den Farbauftrag, die üblicherweise für Fassadenarbeiten genutzt wurden. Das große Format soll der Distanz zw. Bild und Betrachter entgegenwirken. Der Keilrahmen dient - neben der Stabilisierung der Lw. - dazu, die Bildoberfläche von der Wand abzuheben und die Eigenständigkeit der Bildfläche zu betonen. Daher bleibt die Lw. an den Seiten des Bildes unbemalt. Der Betrachter sieht sich ausschl. mit Strukturen farbiger Felder und Streifen konfrontiert, die parallel zu den Bildrändern verlaufen, d.h. horizontal und vertikal organisiert sind, und ihn allein auf das Sichtbare zurückwerfen: "What you see is what you see" (S., 1966). Die Bildtitel werden erst im Nachhinein gewählt, teilw. mehrfach geändert oder getauscht. Bei der Titelgebung der Black Paintings kann von einer Co-Autorschaft seines Kollegen Carl Andre ausgegangen werden, mit dem er seit Herbst 1958 in SoHo das Atelier teilt. In Requiem for Johnny Stompanato (Öl und Emaillack/Lw., 1959, Gall. Sprüth Magers) scheint noch der Bildaufbau der Flaggenbilder von Johns und die "Horizontlinie" einiger früher Bilder Rothkos auf. Doch weder findet sich ein Verweis auf ein gegenständliches Motiv wie bei Johns, noch öffnen sich hier Farbräume wie bei Rothko. S. greift vielmehr das Prinzip der Wiederholung auf und erzielt eine Direktheit, die für seine Gem. zentral wird. S. arbeitet nun immer stärker auf einen symmetrischen Bildaufbau hin, wobei die Gestaltungselemente der Gem. fast ausschl. aus meist farbigen horizontalen Streifen und Rechtecken bestehen, deren Farbauftrag flach bleibt. In West Broadway (Öl/Lw., 1958, Basel, KM) taucht auch das Motiv des dunklen Rechtecks auf der Bildfläche wieder auf, das sich auf fast allen Pre-Black Paintings findet. Für einige dieser Bilder hat sich die Bez. Door Paintings etabliert. In Morro Castle (Emailfarbe, 1958, Basel, KM) verschwindet die Farbigkeit. S. verwendet nun ausschl. schwarze Streifen. Damit löscht er eine weitere Beziehung, die der Farben untereinander, und gelangt mit diesem ersten Black Painting an einen Wendepunkt. Die Serie der Black Paintings lässt sich in zwei Gruppen einteilen, die der Rectilinear-Pattern Paintings (Gem. mit geradlinigen Mustern) und die der Diamond-Pattern Paintings (Gem. mit Rautenmustern). Mit dem Bildaufbau aus schwarzen Streifen hat S. sein Ziel des sog. "Non-Relational" erreicht, eine Malerei, die alle Referentialität, alles Symbolische oder Repräsentative zurückweist (vgl. C.Andre, Vorwort, in: K New York, 1959). S. versucht mit diesen Bildern, jeden Bezug auf die Wirklichkeit außerhalb des Bildes, jegliche Subjektgebundenheit und Ausdruckhaftigkeit sowie die Illusion von Räumlichkeit zu vermeiden: Die Bezüglichkeit (relational) neutralisiert er durch die Symmetrie der Komp., alle Elemente werden im "All Over" des Musters aufgehoben. Das Problem der Tiefenwirkung löst er mit der Methode des Farbauftrags, die der jeweiligen Gestaltungslösung (Muster) entsprechen sollte: durch die Technik des Anstreichers und seine Werkzeuge. Seine Komp. bzw. Muster entwickelt S. in Skizzen, die er mit Bleistift auf die Lw. überträgt. Von außen zum Zentrum zieht er mit dem Pinsel die Streifen mit der schwarzen Lackfarbe, die er unverdünnt, direkt aus dem Gebinde, drei bis vier Mal auf die Lw. aufträgt, bis ein zusammenhängender Farbfilm entsteht. Die Breite der Streifen von zweieinhalb Zoll entspricht der Breite der verwendeten Pinsel. Die Streifen der Black Paintings bieten durch die deckende und homogene Farbschicht einerseits eine geschlossene Oberfläche, andererseits variieren die Farbstreifen je nach Lichteinfall und Pinselführung zw. matten und glänzenden Bereichen. Es sind letztlich die Streifenmuster, die diese Bilder über den Status als reine Objekte hinausführen und gleichzeitig die Problematik der Grenze zw. Bild-Sein und Ding-Sein ins Bewusstsein bringen. Diese Bilder, die S. seine "Streifenbilder" nennt und die er als "das einzig Unkonventionelle, das ich jemals machte", bezeichnet hat, werden schnell erfolgreich: 1959 nimmt sie Leo Castelli in seine Gal. auf, das MoMA erwirbt im selben Jahr The Marriage of Reason and Squalor II (Emaillack/Lw., 1959). Die von Robert Rosenblum als Poker Faces bez. Bilder sorgen für Aufsehen in einer Zeit, in der der Abstrakte Expressionismus ausklingt und sich - nicht zuletzt mit diesen Bildern - bereits die Minimal Art ankündigt. Noch bevor die Serie der Black Paintings abgeschlossen ist, fertigt S. eine Serie von Skizzen für neue Arbeiten, in denen den Streifen eine noch autonomere Funktion zukommt als in den Mustern der schwarzen Bilder. Diese bilden die Grundlage für die Aluminum Paintings, S.s erste Shaped Canvases. Ist in den Black Paintings die Beziehung zw. Motiv und Fläche dadurch geprägt, dass die schwarzen Streifen innerhalb des Bildgevierts Muster ausbilden, unterscheiden sich die in den unüblichen Metallfarben gestalteten Aluminum Paintings v.a. darin, dass die Bildgrenzen entsprechend dem Verlauf der vertikal und horizonzal geführten Streifen bestimmt werden. Das Problem, das sich S. bei diesen Entwürfen zunächst stellt, besteht in den Restflächen zw. den äußeren Streifen und dem Rechteck des Bildes sowie der Restfläche in dessen Zentrum. Bei einem Besuch seines Freundes Darby Bannard in Princeton schlägt dieser ihm vor, diese Flächen auszusparen bzw. herauszuschneiden, eine Maßnahme, die S. konsequent umsetzt, was ihn zu seinem ersten Shaped Canvas führte. Ein markantes Beispiel dieses neuen Bildprinzips ist Six Mile Bottom (Alkydharzklarlack/Lw., 1960, London, Tate). 1960 entstehen mit fünf großformatigen Bildern, denen jeweils Kombinationen des rechten Winkels mit gleich langen Schenkeln zugrunde liegen, die Copper Paintings. Auf diese radikale Serie folgt 1962 eine Serie von sechs quadratischen Streifenbildern mit betont einfachem Aufbau, aber einer Farbigkeit, die nach den neutralen Antifarben der Black, Aluminum and Copper Paintings umso intensiver wirkt. S. nennt sie nach dem Farbenhersteller Benjamin Moore Paintings. Vom Sommer 1962 bis Sommer 1963 folgt eine weitere Reihe quadratischer Bilder. Deren Bildaufbau orientiert sich an den konzentrischen Quadraten und der labyrinthischen Struktur einzelner Benjamin Moore Paintings; S. nennt sie Concentric Squares and Mitered Mazes. Die konzentrisch bzw. spiralförmig verlaufenden Streifen sind sowohl in starken Primär- und Sekundärfarben als auch in Abstufungen von Grautönen angelegt. Diesen Bildtypus greift er in den folgenden Jahrzehnten immer wieder auf. In der 2. H. 1963 entsteht eine Serie von acht polygonalen monochromen Bildern, für deren Farbstreifen S. einen violetten Metallton verwendet, die Purple Paintings. Metallfarben wählt S. auch während seines Artist-in-Residence-Aufenthaltes am Dartmouth College im Sommer 1963 für die 13 Bilder der neuen Serie Dartmouth Paintings. Bildet dort das Dreieck die Basisform, so geht S. in den Notched V Paintings (Frühjahr 1964-Jan. 1965) zur V-Form über, einem eingekerbten Dreieck. Aus Kombinationen dieses Grundelementes gestaltet er neun Gem., für deren farbige Streifen er Metallpuder in Polymer-Emulsion verwendet. Parallel beschäftigt sich S. mit zwei weiteren Serien: den Moroccan Paintings, deren Gem. nach marokkanischen Städten benannt sind, und den Running V Paintings, eine Weiterentwicklung der Notched V Paintings. Das Thema der parallelen Spurführung verfolgt S. in den Persian Paintings (1965) weiter, einer Gruppe von vier großen und vier kleinen Bildern, deren Titel iranischen Städtenamen entlehnt sind und deren Buntheit an arabische Fliesenmuster erinnert. Mit den Irregular Polygon Paintings (auch als Eccentric Polygon Series bez.) entsteht 1965-66 eine der aufregendsten und die bis zu diesem Zeitpunkt umfangreichste Werkgruppe in S.s Œuvre. Von vornherein waren elf individuelle Komp. in jeweils vier farblichen Varianten konzipiert. Lagen seinen Bildformen in den früheren Serien symmetrische Strukturen zugrunde, sind es hier unregelmäßige Polygone, die unter der Prämisse eines asymmetrischen Gestaltungsprinzips wiederum aus miteinander verzahnten Polygonen zusammengesetzt sind. Das auf den Streifen als einzigem Grundelement basierende Wiederholungsprinzip wird zugunsten eines Zusammenspiels von größeren Flächen und diese meist rahmenden Bändern aufgegeben. Bei der Ausf. der großformatigen Bilder entscheidet sich S. für Lackfarben und DayGlo-Leuchtfarben (fluoreszierende Alkydfarben), die sich bereits bei den Persian Paintings bewährt haben. Die vier Varianten von Sunapee sind die zuletzt ausgef. Bilder dieser Serie. S., der Sunapee als "puzzle" beschreibt, bezieht sich in den 1970 entstehenden Werkzeichnungen für die Polish Village Series auf diese Arbeit. Bevor S. zu seinen Reliefbildern findet, entsteht eine Serie von farblich gefächerten Komp. auf der Basis von Kreis-, Halbkreis- oder Bogenmotiven in teilw. außergewöhnlich ausladenden Bildformaten, die Protractor Series (1967-71). In diesen treibt S. den Betrachter durch die Verschränkung der Farbbänder und deren aggressive Farbigkeit in einen Grenzbereich der Raumerfahrung, die sich von den frühen Streifenbildern deutlich entfernt hat. Anknüpfend an die Irregular Polygon Paintings entwickelt S. seit 1970 mehrere Serien, in denen er die Einheitlichkeit der Bildoberfläche nicht nur visuell, sondern nun auch physisch aufbricht: Durch die komplexen Strukturen der Polygon Series entstehen innerhalb des Bildfeldes Spannungen, die durch die Öffnung des Bildes in den realen Raum ausgeglichen werden. Dies eröffnet S. buchstäblich eine neue Dimension bei der Realisierung seines Zieles, aus der abstrakten Malerei heraus neue Räume zu erschließen. Es entstehen 130 großformatige Arbeiten der Polish Village Series (1970-73), in denen sich eine Weiterentwicklung der Irregular Polygon Paintings unter Einbeziehung von Formelementen des Kubismus und des russ. Konstruktivismus erkennen lässt. Die Ausf. der Polish Village Series erfolgt in mehreren Gruppen, deren Arbeiten alle als Collagen bezeichnet werden können. Letztlich realisierte S. 40 von 42 Skizzen als Gem. in bis zu jeweils drei Varianten in versch. Winkeln, Reliefcharakteren und Farben. Mit der in den meisten Bildern dieser Serie deutlichen Ausrichtung nach einer diagonalen Achse verzichtet S. auf sein bislang gültiges Prinzip, keine Gewichtungen innerhalb der Bildfläche vorzunehmen. Damit verlässt er entgültig die "All Over"-Struktur, die seine Bilder bislang kennzeichnet. Durch die Verzahnung der einzelnen Kompositionselemente über die schiefen Ebenen in den dritten Varianten, die dazu führt, dass ein Element sowohl höher als auch tiefer liegen kann als sein benachbartes, erzielt er eine starke Dynamisierung des Bildraumes. Mit diesen Bildern zeichnet sich zunehmend die Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus ab, die eine wichtige Rolle in S.s Œuvre einnimmt; ebenso beginnt sich auch der Weg zum "Maximalismus" hier abzuzeichnen. V. a. die dritten Varianten der Polish Village Series mit den schiefen Ebenen sind es, an die die Brazilian Series (1974/75) anknüpft. Mit dieser Serie, benannt nach Orten in der Nähe von Rio de Janeiro, realisiert S. zehn von 15 der 1974 entstandenen Entwürfe in Aluminium. Die im Gegensatz zu der Polish Village Series am Rechteckformat orientierten Arbeiten bleiben dennoch ungleichförmig ("irregular") in ihrer Gesamterscheinung, da einzelne Elemente über die Grundform hinausragen. Die an Komp. von Kazimir Malevič und Ĕl' Lisickij erinnernden Flächenformen hat S. bereits in seinen Skizzen zu den Polygons herausgearbeitet. Es sind dynamische Kräfte und Gegenkräfte, über die S. hier die Gestaltung der Elemente organisiert. Mit der Einf. des Reliefs durch das malerische Herauslösen und Verschränken einzelner Bildelemente geht die Auflösung der homogenen Oberfläche einher: Jedes Farbfeld unterscheidet sich im Duktus seiner Bemalung sowie in seiner Form, wodurch die einzelnen Bildelemente Autonomie erhalten. Letztlich verlässt S. mit der Konzeption dieser Serie das trad. Tafelbild, stattdessen öffnet sich das Reliefbild zum Raum hin. Noch 1975 entwickelt er in Ansätzen die Komp. der Exotic Bird Series (1976-80), die sich zunächst als Zchngn auf Papier, dann als Maquetten aus Leichtschaumpappe manifestieren, auf deren Basis anschließend Vergrößerungen aus Aluminiumplatten in Wabenstruktur angefertigt werden, die S. in einem zeichnerischen Duktus bemalt. Gegenüber der Brazilian Series vollzieht sich hier ein radikaler Bruch im Hinblick auf Methode und malerische Sprache, was William Rubin dazu veranlasst hat, vom Beginn der "zweiten Karriere" S.s zu sprechen. Zunächst fällt auf, dass das Formenvokabular von nun an massiv um sich z. T. überschneidende Bogen- und Kreisformen erweitert wird und die rechteckigen und rechtwinkligen Formen auf den Bildträger und wenige Kompositionselemente beschränkt bleiben. Ein häufiges Kompositionselement bildet hingegen die Bogenschablone (z.B. Mysterious Bird of Ulieta I, Farblithografie, 1976). Dieses Formenrepertoire prägt von nun an die Ornamentsprache in S.s Werk. Sämtliche bogen- und kurvenförmigen Elemente sind keine vom Künstler freihändig gemalten Formen, sondern "gefunden", d.h. sie stammen aus dem Schablonenrepertoire techn. und mechanischer Zchngn aus dem Boots- und Schienenstreckenbau sowie der Architektur. In der Indian Bird Series (1977-79) wird die geschlossene Fläche des Bildträgers durch Gitterstrukturen ersetzt. Bereits bei der Exotic Bird Series versucht S. den Hintergrund (Träger) zu "dematerialisieren". Das nahezu unsichtbare Gitter des Trägers führt dazu, dass die einzelnen Kompositionselemente in ihrer Autonomie weiter gestärkt werden, was letztlich zu einer Gleichwertigkeit aller Elemente führt. Die Farbenvielfalt bei der Bemalung entspricht der Vielgestaltigkeit der Elemente, die sich gegenseitig überlagern und somit trotz des additiven Bildaufbaus eine undurchdringliche Einheit bilden. S. gelingt hier die Errichtung eines "gemischten Raumes" ("mixed space"), der sich zugleich als buchstäblich, optisch und täuschend erweist: eine räumliche Gratwanderung zw. der zweiten und dritten Dimension. In der sich anschließenden Circuit Series (1980-84) bestehen die Arbeiten nahezu ausschl. aus schmalen, stark gebogenen Elementen. Sie prägen den Gesamteindruck der Bilder und sind ähnlich wie die Werke der Indian Bird Series von einer farbigen "All over"-Struktur überzogen. Die Gruppe der zwölf Malta-Reliefs (1982-84) schließt an die South African Mine Series (1982) an, die letztlich eine Weiterentwicklung der Indian Bird Series ist. Die Arbeiten der South African Mine Series bestehen aus unbemalten Aluminiumwabenplatten, ein Novum in S.s Œuvre. Wie diese Arbeiten erreichen auch die Werke der Malta-Reliefs beeindruckende Dimensionen. V. a. aber vollzieht S. hier einen ausgreifenden Schritt in den Raum: Die Tiefe dieser Arbeiten erreicht mehr als zweieinhalb Meter. Die Bemalung erfolgt im Ätzverfahren, wobei die Farbigkeit zurückhaltend bleibt; umso stärker wird die Materialoberfläche betont, die konstruktiven Aspekte hingegen treten zurück. Die Elemente lassen überdies den Blick auf die Wand zu, sodass eine Gleichzeitigkeit von Massivität und Filigranität, von Schwere und Leichtigkeit erzeugt wird. Die Arbeiten der Serie sind durch ihren hybriden Werktyp zw. Relief und Skulptur, aber auch ihre archit. Qualität gekennzeichnet. S.s größte Werkgruppe der 1980er Jahre, die 48 Metallreliefs umfassende Cones and Pillars (1984-87), bezieht sich wie keine andere auf sein druckgrafisches Werk. Die Arbeiten sind nach ital. Volksmärchen benannt. Inspiriert von Ĕl' Lisickijs figurativer Lith.-Serie zu dem Lied "Had Gadya" (1919) und dessen abstrakter "Proun"-Serie (1922), entstehen 1982-84 S.s Illustrations after El Lissitzky's "Had Gadya". Das große Interesse S.s gilt dabei der "abstrakten Narration", d.h. er stellt sich der Frage, wie mit abstrakten Mitteln eine Erzählung umgesetzt werden kann. Zylinder und Kegel bilden hier das neue Formenvokabular. Mit den Cones and Pillars schafft S. einen "gemischten Raum", der das physische Relief mit rein visuellen Erfahrungen und vieldeutigen illusionistischen Fragm. verbindet. Die Fragestellung der Verknüpfung von Narration und (Bild-)Raum veranlasst S., sich verstärkt mit der älteren Kunstgesch. auseinanderzusetzen, was v. a. in seinen 1983/84 gehaltenen Vorlesungen in Harvard zum Ausdruck kommt. Seine künstlerische Entwicklung, v. a. die Cones and Pillars, verdankt sich der intensiven Beschäftigung mit Tizian, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Giorgione, Peter Paul Rubens, Diego Velázquez und v. a. Caravaggio. Aber auch die Werke von Pablo Picasso, Paul Klee, Henri Matisse, Fernand Léger und immer wieder die abstrakten Bildfindungen Ĕl' Lisickijs spielen für S. bei der Suche nach geeigneten Strategien für die Generierung des Raumes eine wichtige Rolle. In der letzten Variante von La penna di hu (1984), in der die Säulen bzw. Zylinderelemente dreidimensional aus Draht gefertigt sind, bewegt sich S. bereits von den vollplastisch ausgef. Elementen weg und auf den filigranen Bereich der Drahtreliefs zu, etwa mit der 2003 beg. Bali Series und der 2006 beg. Scarlatti-Sonata-Kirkpatric-Serie. Hier lässt sich nachvollziehen, wie jeweils dasselbe Thema mittels versch. Mat. und Strukturen sowie unterschiedlichster Oberflächenstrukturen und Farben and. räumliche Erfahrungen hervorruft. Dies ist zentral für die Werke der Cones and Pillars: den diesen Werken innewohnenden Raum erfahrbar zu machen, der sich "irgendwo zw. der Farboberfläche und dem skulpturalen Volumen" befindet. Dieses "irgendwo dazwischen" wird von S. bewusst in der Schwebe gehalten, das Werk "pendelt" sowohl als Medium wie auch in seiner räumlichen Präsenz "zw. Malerei und Skulptur". Beziehen sich S.s Arbeiten über die ital. Märchen jeweils auf eine kurze Gesch. mit einfacher Handlung, folgt 1985 mit der Moby-Dick-Series eine umfangreiche Werkserie, an deren E. nach zwölf Jahren zwölf Gruppen von Arbeiten (Reliefs, Druckgrafiken, freistehende Skulpturen und Wand-Gem. im Innen- und Außenbereich) stehen. Es sind insgesamt 135 Werke, die sich jeweils auf die 135 Kapitel von Herman Melvilles 1851 erschienenen Roman beziehen. Melville entwirft in seinem epischen Text eine fantastische Realität, zu der S. in seinen Arbeiten etwas "Vergleichbares" zu erreichen sucht. Die Erzeugung und Strukturierung von Raum, die seit S.s frühen Arbeiten von Interesse ist, steigert sich mit den Jahren zunehmend zu Reliefs, die immer weiter in den Raum hineinwachsen. Seit 1990 haben sich in der Moby Dick Series einige der Bildfindungen von der Wand gelöst und stehen nun erstmals frei im Raum: meist riesige Gebilde aus Metall, die sich auch im Außenraum mühelos behaupten können. Ebenso differenziert begegnet S. dem lit. Werk Heinrich von Kleists, von dessen aufklärerischen und rebellischen Gedanken er bereits während seines Stud. fasziniert war. Die Heinrich von Kleist Series (1998-2000) entsteht zunächst als Werkserie von Reliefarbeiten aus farbig gefasstem Aluminium. In den folgenden Jahren erweitert S. die Serie mit großformatigen Gem. und Großskulpturen. Mit The Broken Jug. A Comedy (left hand version) (2007) erzeugt S. eine nahezu fünf Meter hohe Skulptur, die es erlaubt sich ebenso in ihr zu bewegen wie außerhalb. S. schafft so eine Form, die den aufklärerischen Ideen Kleists entspricht: Es ist die Transparenz, die Kleist im Gerichtsfall im "Zerbrochenen Krug" thematisiert und für die S. ein plastisches Äquivalent findet. - Schon in jungen Jahren ist S. an archit. Fragestellungen interessiert. Bereits in seinen frühen Werken hat er nicht nur die Generierung von Raum, sondern ihren "archit. Char." vor Augen, was S. im Gedankenaustausch mit seinen Freunden Richard Meier und Santiago Calatrava während der Entwicklung seines Œuvres begleitet. Dennoch dauert es bis E. der 1980er Jahre, bis er diese Gedanken in konkreten Projekten realisiert. Dabei ist unverkennbar, dass auch seine archit. Projektideen aus seinem malerischen Werk heraus entwickelt sind. Zu diesen zählt u.a. Model for Bridge Project Across the Seine River, Paris (1988), Entwürfe für die KH der Slg Hoffmann in Dresden (1991) und Modell for Chinese Pavilion (1993), das S. auch in größerem Maßstab auf dem Dach des Metrop. Mus. präsentiert. In diesen Zusammenhang gehört auch seine Wandgestaltung für das Princess of Wales Theatre in Toronto (1992-93). Zudem entwirft S. in Zusammenarbeit mit Merce Cunningham Bühnendekorationen. Nach der Beschäftigung mit lit. Themen widmet er sich der Atmosphäre, der Musik und emotionalen Dimensionen. Für die Realisierung seiner Vorstellungen nutzt er neueste Mat. und Techniken. Auslöser der 2003 beg. Bali Series ist Margaret Meads und Gregory Batesons kulturanthropologische Publ. von 1942 "The Balinese Characters". Die "graziöse Beschwingtheit der Form" bestimmt auch die 2006 beg. Scarlatti-Sonata-Kirkpatrick -Serie und Circus of Pure Feeling for Malevich (2009), deren 16 Objekte in unterschiedlichen Größen gebogene und gedrehte Formen ausbilden. Das Ensemble ist eine Hommage an Malevič und dessen suprematistischen Ansatz. Der Formensprache der beiden letzten Serien schließt sich seit 2013 The Big Flea Circus Series an. - S. steht für eine kompromisslose und radikale Neudefinition des Bildes, die ihn vom Minimalismus zum Maximalismus geführt hat. Ausgehend von der Malerei reizt er in seinen Serien immer wieder aufs Neue konsequent Grenzbereiche aus, um über die Verräumlichung der Malerei zum Relief, zur Skulptur und schließlich zur Archit. zu gelangen. Er zählt damit zu den vielseitigsten und innovativsten Künstlern seiner Generation.
The Pratt Lecture, in: F.S. The Black Paintings (K MoA), Baltimore 1976; New York Times Mag. v. 3. Feb. 1985; Working Space (The Charles Eliot Norton Lectures, 1983-84), C./Mass. 1986; Champs d'œuvre, P. 1988; S., in: K.Von Edelbert (Ed.), Mus. Archit., Köln 2000; F.-J. Verspohl (Ed.), Die Schriften F.S.s, Köln 2001; D.Sylvester, Interviews with Amer. Artists, New Haven 2001.
Einzelausstellungen:
New York: 1960, '61, '62, '64 Leo Castelli Gall.; 1970 MoMA (K; Retr.); 2007 Metrop. Mus.; 2015 Whitney (K; Wander-Ausst.) / 1961 Paris, Gal. Lawrence / 1965 Los Angeles, Ferus Gall. / 1968 Washington (D.C.), Gall. of Mod. Art; 2011 The Phillips Coll. / 1970 Amsterdam, Sted. Mus.; London, Hayward Gall. (K) / 2011 Tuttlingen, Gal. der Stadt (K, Wander-Ausst.); Berlin, NG / 2012 Wolfsburg, KM (K) / 2015 Basel, Mus. für Gegenwartskunst / 2016 Fort Worth, MAM (K; Wander-Ausst.); San Francisco, de Young (K; Wander-Ausst.) / 2017 Fort Lauderdale, NSU AM. -
Gruppenausstellungen:
New York, MoMA: 1959 Sixteen Americans (K); 1960 Recent Acquisitions; 2017 The Long Run (K); 1960 Leo Castelli Gall.: Opening of the New Gall.; Whitney: 1962 Geometric Abstraction in America; 2015 America is Hard to See (K); 1963 Jewish Mus.: Towards a New Abstraction (K) / 1960 Oberlin, Ohio, AMAM: Three Young Americans / 1961 Chicago, Art Inst.: 64th Amer. Exhib. Paintings, Sculpture (K) / 1964, '72 Venedig: Bienn. (alle K) / 1964 New Orleans, Isaac Delgrade MoA u.a.: New Directions in Amer. Painting / 1968, '77 Kassel: documenta (K) / Wien, MUMOK: 2012 Poesie der Reduktion (K); 2016 Painting 2.0 (K) / 2013 St-Paul-de-Vence, Fond. Maeght: Les aventures de la vérité (K) / 2017 Berlin, Haus der Kulturen der Welt: Cultural Freedom and the Cold War (K); Jakarta, MACAN: Art Inaugural Exhib. (K); London, NG: Painting in Black and White (K) / 2016-17 München, Haus der Kunst: Postwar - Kunst zw. Pazifik und Atlantik 1945-1965 (K) / 2024-26 Wiesbaden, Mus. Reinhard Ernst: Farbe ist alles! (K).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
Vo6, 1962
Weitere Lexika:
ELU IV, 1966 (Nachtr.); EAAm III, 1968; Bauer, GEM VIII, 1978; ContempArtists, 1983; EAPD, 1989; DA XXIX, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; R.Kostelanetz, A dict. of the Avant-Gardes, N.Y. 22000; Delarge, 2001
Gedruckte Nachweise:
B.Glaser, Art News 65:1966(Sept)55-61; W.S. Rubin, F.S., N.Y. 1970; M.Imdahl, F.S., Sanbornville II., St. 1970; B.Jones u.a., Artscribe 2:1977(Juli)13-17; J.Steyn, Art Monthly 2:1977(5)14-15; J.C. Lebensztejn, in: F.S.: Werke 1958-1976 (K KH; Wander-Ausst.), Bielefeld 1977; L.Rubin, F.S. Paintings 1958 to 1965. A Cat. Raisonné, N.Y. 1986 (WV; Lit.); Frankfurter Allg. Ztg Mag. v. 5.6.1987(379)86-87; A.Pacquement, F.S. (La création contemp.), P. 1988; S.Deicher, Die Tageszeitung v. 16.7.1988; D.Mignot, in: Roy Lichtenstein, F.S. (K Sted. Mus.), Am. 1990; H.-N. Jocks, Kunstforum internat. 127:1994(Juli-Sept.)272-289; S.Guberman, F.S. An Ill. Biogr., N.Y. 1995; E.Hoffmann-Koenige/R.Hoffmann (Ed.), KH Dresden - ein Projekt, Köln 1996; J.M. Obrist, What you see is Painting, Diss., Bern 1997; F.S. in Jena (Jenaer Universitätsreden, 3), Jena 1997; S.Rosenthal, Die Farben Schwarz in der New York School, Diss., Köln 2003; R.K. Wallace, F.S.s Moby-Dick, N.Y. 2006; C.Bodin, Art 10:2010(10)38-49; R.L. Dubay, F.S., Anne Truitt, Robert Ryman, and Abstraction in the Sixties, Diss., Bryn Mawr College 2011; K.Ottmann, Sculpture 2011(4)25-29; M.Kröner, Kunstforum internat. 213:2012(Jan.-Feb.)232-241; F.S. Die Retr. (K Wolfsburg), Ostfildern 2012 (Lit.); F.S. - a retr. (K Whitney Mus.; Wander-Ausst.), N. Y. 2015 (Lit.); J.Davis u.a., Kunst der Vereinigten Staaten 1750-2000, B. 2024; R.Ermen, Kunstforum Internat. 298:2024(Sept./Okt.)233-235.
Onlinequellen:
Arch. of Amer. Art; Enc. Britannica; Website Sprüth Magers (Ausst.)
Stella, Frank, amer. Maler, *1936. Abstrakter Kstler. Nähert sich dem Neo-Dada. Sonderausst.: 1959 u. 1960 in d. Leo Castelli Gall. in New York. Lit.: Art Internat. (Zürich), 3 (1959/60) H. 9 p. 29, m. Abb.; 4 (1960) H. 1 p. 24 (Abb.), H. 9 p. 25, m. Abb. - Oberlin College Memorial Art Museum Bull., 17 (1959) Nr 1 p. 18f., m. Abb. - The Burlington Magaz., 102 (1960) 197, m. Abb. - The Art News, 59 (1960) Nov. p. 17. - Arts, 35 (1960) Okt. p. 64.