Michelangelo (M. Buonarroti), ital. Maler, Bildhauer, Architekt, Zeichner, Dichter, *6.3.1475 Caprese (Casentino), †18.2.1564 Rom.
Michelangelo (1475)
Die Fam. war noblen Ursprungs, jedoch ohne finanzielle Mittel. M.s lebenslange Fixierung auf wirtschaftlichen Bes. sowie auf die eig. aristokratische Herkunft (die behauptete Abstammung von den Grafen von Canossa blieb ohne Beleg) steht leitmotivisch neben der (von seinem Biografen Vasari unterstützten) Selbstinszenierung als asketischer Kunst-Arbeiter. Ein weiterer Grundkonflikt bestand zw. der guelfischen, also auf die politische Unabhängigkeit von Florenz bedachten Familientradition und der Notwendigkeit, sich mit Auftraggebern zu arrangieren, die wie die Medici entgegengesetzte Interessen verfolgten. Die enge Verbindung (mal in Opposition, meistens als Anhänger) mit dem wechselhaften politischen Schicksal dieser Fam. prägte bis in die 1530er Jahre auch M.s Laufbahn als Künstler. Äußerlich strukturiert ist diese Laufbahn durch den wiederholten Wechsel zw. Florenz und Rom: Einer ersten Florentiner Phase bis 1494 folgt, nach einem kürzeren Aufenthalt in Bologna (1494/95), die erste röm. Zeit (1496-1501). Nach einem erneuten Aufenthalt in Florenz (1501-04) folgte bis 1515 die (von Reisen unterbrochene) zweite röm. Zeit, darauf die lange Florentiner Periode (1515/16-34). Den Rest seines Lebens verbrachte M. fast ausschl. in Rom (dritte röm. Zeit). Sein Leichnam wurde noch 1564 nach Florenz überführt und dort in S. Croce beigesetzt. - M.s künstlerische Laufbahn steht mit diesen Ortswechseln in engem Zusammenhang. Die erste Florentiner Zeit war geprägt durch die künstlerische und handwerkliche Ausb. v.a. in der Wkst. Domenico Ghirlandaios, aber auch durch lit. und intellektuelle Initiationen im engsten Medicikreis, wo M. nicht nur mit antiker Kunst und neuplatonischen Ideen, sondern auch mit führenden Gelehrten seiner Zeit (Polizian, Pico della Mirandola, Marsilio Ficino, aber auch Lorenzo il Magnifico) in Berührung kam. Während das Stud. der Florentiner Malerei des Quattrocento v.a. durch Zchngn dokumentiert ist, entstanden in der Auseinandersetzung mit zeitgen. wie antiker Skulptur M.s erste Arbeiten als Bildhauer. Neben kontrovers diskutierten Zuschr. wie dem Kruzifix von S. Spirito stehen die 1491/92 entstandenen kleinformatigen Marmorreliefs Madonna della Scala sowie die Zentaurenschlacht als erste gesicherte Werke. Schon diese Arbeiten zeigen eine erstaunliche stilistische Breite: Die aufgegriffenen Vorbilder reichen von dicht gedrängten antiken Sarkophag-Reliefs bis hin zu toskanischen Bildhauern des Tre- und Quattrocento wie Nicola Pisano oder Jacopo della Quercia. Die beiden Hw. der ersten röm. Zeit zeigen diese stilistische Wandlungskraft in mon. Steigerung. So ist die Figur des Bacchus (1496/97) mit der klassizistischen Glätte ihrer Volumina geradezu als Imitation (freilich im Sinne des Übertreffens) einer antiken Skulptur angelegt, während die aufgewühlt-zerklüftete Faltenlandschaft der Pietà von St. Peter (1497-99) gerade im Kontrast zur zerbrechlichen Glätte der freiliegenden Glieder an die Hochzeit der Skulptur des frühen Florentiner Quattrocento anknüpft, um sich gleichzeitig an den Möglichkeiten der zeitgen. Malerei (Leonardo da Vinci) zu messen. Dieses beinahe extreme, da immer auch experimentierende Divergieren der Ausdrucksmittel findet im großen Werk der Florentiner Zwischenzeit, der mon., über vier Meter hohen Marmorfigur des David (1501-04), zu einer ersten Synthese. Urspr. als Bekrönung eines der Strebepfeiler des Florentiner Doms in Untersicht konzipiert (was einige, wenn auch nicht alle Besonderheiten der Proportionen erklärt), hatte die enorme öff. Resonanz die Aufstellung auf der Piazza della Signoria zur Folge, direkt vor dem Regierungssitz im Palazzo Vecchio, wo die Skulptur rasch zur - auch antimediceischen - Projektionsfläche republikanischer Ideale wurde. Seine ikonische Wirkung bezieht das Werk wohl nicht zuletzt aus der Verbindung antikischer Klassizität der Formen und frühneuzeitlicher Psychologisierung des Ausdrucks, die bes. auf den Kontrast zw. der makellosen Jugendlichkeit des Protagonisten und jener Willenskraft zielt, die seine ganz unwahrsch. Tat erfordert. Die oft gestellte Frage, ob der Moment vor oder nach derselben gezeigt sein soll, tritt gegenüber diesem Grundkonflikt zurück. In diese Jahre (1503/04) fällt mit dem Tondo Doni auch M.s erstes gesichertes Gem., eine gedrängte Komp. aus einer komplex handelnden Hl. Fam. im Vorder- sowie allegorischen AT und NT thematisierenden Ignudi im Hintergrund. Das hier behandelte, v.a. zw. Mutter und Sohn ausgetragene Zusammenspiel konträrer Bestrebungen und Befindlichkeiten beschäftigte M. auch bei der gleichzeitig entstandenen Skulptur der Brügge-Madonna. In doppelter Überkreuzung werden hier Ruhe und Unruhe - einmal körperlich, einmal innerlich - sowohl innerhalb der Einzelfiguren als auch in ihrer Interaktion gegeneinandergesetzt. Am E. war es v.a. der Ruhm des Florentiner David, der das Interesse des neugewählten Papstes Julius II. della Rovere (1503-13) an M. weckte. Mit der Planung und Errichtung seines Grabmals erteilte dieser ihm 1505 den wohl folgenschwersten Auftrag. Urspr. als freistehendes Mon. mit einem Apparat von über 40 Skulpturen für den gleichzeitig beg. Neubau von St. Peter geplant, wurde es erst 1545 nach grundlegenden Planänderungen und erheblichen Unterbrechungen in stark reduzierter Form bei immer noch gewaltigen Ausmaßen als Wandgrabmal in S. Pietro in Vincoli in Rom fertiggestellt. Obschon nach nur wenigen Jahren durch den vom selben Papst erteilten Auftrag zur Ausmalung der Sixtinischen Decke (1508-12) erstmals unterbrochen, entwickelte M. in der frühen Planungsphase grundlegende Gestaltungsprinzipien. Diese betreffen bes. das Zusammenspiel von Archit. und Skulptur, wobei die trad. eher rahmende Funktion der Archit. in ein zunehmend gleichberechtigtes Ineinandergreifen beider Gattungen überführt wird. Indem M. die um 1500 gängigen runden Elemente wie Bögen oder Tondi immer mehr durch rechtwinklige Strukturen ersetzt und so die Elemente auf immer engeren Raum zusammenrückt, erreicht er eine extreme Verdichtung der Formen, was zeichnerische Trennschärfe und Imaginationskraft in der Planung sowie gleichzeitig höchste handwerkliche Präzision in der Ausf. erforderte. Diese Möglichkeiten der Komprimierung erlaubten es ihm, das von Papst Julius II. urspr. vorgeschlagene Programm der Sixtinischen Decke auf gleichem Raum erheblich zu erweitern, indem ein gleichfalls freskiertes, streng rechtwinklig aufgebautes archit. Gitter nicht nur die verlangten Szenen der Genesis, sondern darüber hinaus auch Sibyllen und Propheten sowie zahlr. Assistenzfiguren aufzunehmen in der Lage war. Die anfangs mehr als unwillkommene Unterbrechung des von M. als Hw. seines Lebens betrachteten Grabmalprojekts bot damit die Gelegenheit, diese neuen Gestaltungsprinzipen im mon. Maßstab anzuwenden - und sich als Experte einer neuen Form der Integration von Archit. und Skulptur zu empfehlen. So wuchs der Bildhauer M. letztlich durch ein Malerei-Projekt auch in die Rolle des Architekten. Dass er vom nächsten Papst, dem Florentiner Leo X. Medici bzw. von dessen Cousin Kardinal Giulio, ab 1516 mit der Planung der Fassade von S. Lorenzo in Florenz beauftragt wurde, ist daher nur folgerichtig. In alles Dagewesene sprengendem Maßstab - wie bei M. inzwischen unvermeidbar - sollte ein reiches Figurenprogramm mit einer gewaltigen, als massiver Block vor die bestehende Kirche gesetzten Archit. aus weißem Pietra-Santa-Marmor verbunden werden, wofür M. in den folgenden Jahren eig. Steinbrüche erschloss und große Mengen bereits zugehauener Blöcke nach Florenz schaffen ließ. Als das Projekt von den Auftraggebern 1519 aus nie ganz geklärten Gründen abgesagt wurde, sah sich M. - nach dem von den Medici blockierten Juliusgrab - ein zweites Mal mit einem zentralen Vorhaben gescheitert, für das er Jahre intensiver Arbeit aufgewendet hatte. Im Rückblick gesehen hatte dies jedoch den Effekt, dass M. die dabei gesammelte Erfahrung in Entwurf und Planung auf das jeweils nächste Projekt übertragen und dort weiterentwickeln konnte. So präsentierte er bei den unmittelbar folgenden (und diesmal auch größtenteils ausgef.) Projekten in und um S. Lorenzo völlig revolutionäre Archit., wie sie ohne die Vorarbeiten an Grabmal und Fassade kaum denkbar gewesen wären. Bei den Wandgräbern der Medici in der Neuen Sakristei und, mehr noch, im Ricetto (Vestibül) der nahen Biblioteca Laurenziana führt die Annäherung von Archit. und Skulptur so weit, dass beide Elemente ihre traditionellen Rollen geradezu vertauschten, indem beispielsweise im Ricetto freistehende Säulen in tiefe Wandnischen zurücktreten, während Figurentabernakel in die erste Ebene vorgeschoben werden - ein Prinzip, das M. in seinen Vor-Zchngn für das nicht ausgef. Doppelgrabmal der Magnifici an der Südseite der Neuen Sakristei entwickelt hatte. Für die beiden ausgef. Gräber schuf M. zw. 1519 und 1534 die letzten großen, voll. Skulpturen seiner Florentiner Zeit. Neben den Sitzfiguren des Lorenzo und Giuliano de’ Medici, in denen jegliche Porträthaftigkeit durch allegorische Charakterzüge ersetzt wird, sind dies die berühmten Allegorien des Morgens und Abends sowie des Tages und der Nacht. M. präsentiert sich hier auf einer neuen Stufe seines bildhauerischen Könnens, auf der antike wie zeitgen. Vorbilder hinter selbst entwickelten Auffassungen zurücktreten. Dies betrifft v.a. den neuplatonisch inspirierten Gegensatz von Geist und materiellem Körper, deren irdische Schicksalsgemeinschaft M. bes. an den überwiegend unvoll. Prigioni (Sklaven) für das im Hintergrund weiterbetriebene Juliusgrabmal thematisiert, an denen er gleichfalls in den Jahren vor 1534 arbeitete. In versch. Motiven wird hier der Kampf des Körpers gegen seine irdische Beschränktheit sowie, parallel hierzu, der Kampf des Geistes (oder der Seele) gegen das Gefangensein in eben diesem Körper zu einer dramatischen, pessimistisch gestimmten Vision der Conditio Humana verdichtet. Diese Integration klassischer sowie "ma."-toskanischer Formensprache prägt auch M.s Archit. dieser Jahre, wo sich eine ganz antikische Auffassung von Mat. und Ornament mit geradezu "gotischen" Tendenzen verbindet, wie etwa das leitmotivische Interesse für die vertikalen Bezüge der Bauglieder. Die Produktivität der Florentiner Jahre kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Florenz trotz der Florentiner Päpste in den ersten Jahrzehnten des 16. Jh. zum künstlerischen Nebenschauplatz wurde und M. von den wirklich großen Projekten im Umkreis der Kurie ausgeschlossen blieb. In Rom ansässige Konkurrenten wie Raffael oder Antonio da Sangallo d.J. wurden dagegen mit spektakulären Aufträgen bedacht. Spätestens als dem 1534 verstorbenen Medici-Papst Clemens VII. der Nicht-Florentiner Paul III. della Rovere folgte, war der Wechsel nach Rom für M. eine künstlerische Existenzfrage. Wie schon in seiner ersten röm. Zeit wurde M. auch diesmal vom neuen Papst zunächst für ein gigantisches Fresko-Projekt in der Capp. Sistina eingesetzt, dem die gesamte Altarwand füllenden Jüngsten Gericht. Bis 1541 entstand die letzte mon. Version der bis in das Hoch-MA (Torcello) zurückreichenden Darst. des Themas. In Anlehnung an Dante verband M. testamentliche und apokryphe Quellen mit Motiven der antiken Mythologie und zeitgen. Anspielungen. Ein bartloser Christus thront als urspr. nackter (!), siegreich richtender Heros inmitten einer ihn ringförmig umkreisenden Heerschar an Engeln, Hll. und Märtyrern, während sein Stellvertreter auf Erden beim Zelebrieren der Messe direkt in das über der Altar-Mensa sich öffnende Höllenfeuer blicken muss. Das hinderte diesen nicht daran M. gleich im Anschluss mit der Ausf. des Paulus-Freskos in der Capp. Paolina zu beauftragen (1542-50), wo die wie von Naturgewalten bewirkte, schlagartige Bekehrung gleichzeitig als Erlösung wie als neue, folgenschwere Belastung gedeutet wird. Es dauerte einige Jahre bis sich schließlich jene Aufträge zu mon. Archit. einstellten, auf die es M. in Rom eigtl. abgesehen hatte - und zwar in solcher Fülle, dass er bis zu seinem Tod 30 Jahre später fast ausschl. als Architekt beschäftigt blieb. Betraf das erste Projekt, die Neugestaltung des Kapitols ab 1538, noch die urbane Peripherie des damaligen Rom, so übernahm M. 1546 von seinem im gleichen Jahr verstorbenen Vorgänger Antonio da Sangallo d.J. die größte, prestigeträchtigste und wohl auch komplizierteste Baustelle der Christenheit, den 1505 von Donato Bramante beg. Neubau der Peterskirche. Die Planungsarbeit an den Bauten des Kapitols waren hierfür insofern eine wichtige Voraussetzung, als M. dort den in seinen Florentiner Innenräumen entwickelten Experimentalstil in eine wesentlich klassizistischere, repräsentativere und mon. Formensprache überleitete, ohne auf spezifische Ausdrucksmittel wie komplex sich durchschneidende Schichten und überlagernde Elemente zu verzichten. Diese Archit. lebt aus der Verbindung von mon. Ordnungen, abstrahierten Mauerstreifen und glatten Wandflächen mit raffinierten, preziös gearbeiteten Schmuckelementen wie Kapitellen, Profilen und Friesen. Diese, wenn man so will, klassisch-kuriale Sprache war den neuen Bauaufgaben nicht nur stilistisch angemessen, sie ermöglichte auch die einheitliche, alles Kleinteilig-Additive vermeidende Gest. riesiger Strukturen, wie sie die Peterskirche mit ihren schier endlosen Außenfassaden sowie der gewaltigen Kuppel darstellt. Noch bevor auf der Baustelle von St. Peter sichtbare Fortschritte erzielt wurden, konnte M. die Wirkkraft dieser Prinzipien auf der damals größten Privatbaustelle Italiens beweisen, dem gleichfalls 1546 von Sangallo übernommenen, halbfertigen Palazzo Farnese. Wo dies noch möglich war (Hoffassade ab erstem Stock, Rückfront, Kranzgesims) überführte er die gelegentlich zur repetitiven Kleinteiligkeit neigende Formensprache Sangallos in großflächigere und mon. Strukturen. Die für ihn inzwischen typische Vermeidung des Rundbogens (außer bei der Loggia) verschafft dem Baukörper vermehrte Dichte und optische Festigkeit. Bei St. Peter ging M. mit den umfangreichen Hinterlassenschaften seiner Vorgänger ähnlich um: Kleinteilige Strukturen wurden zusammengefasst und komplizierte Raummuster radikal vereinfacht, wobei er (und sein Auftraggeber) auch vor dem Abriss bereits bestehender Bauteile nicht zurückschreckten. Auf die von Sangallo geplanten Türme und Vorhallen, aber auch auf ein Langhaus, verzichtete sein Entwurf völlig. Die Kuppel, die bei seinem Tod bis zum Ansatz der Wölbung gelangt war, war eine radikale Modernisierung der in ihren Dimensionen vergleichbaren Florentiner Lösung Filippo Brunelleschis. Sah M.s erster Entwurf zunächst noch zwölf Seiten sowie Rundfenster vor, so enthält der Ausf.-Entwurf 16 Seiten und hochrechteckige Fenster sowie eine halbkreisförmige Kuppellinie. Die heutige steilere Kuppellinie sowie das an M.s Zentralbau angefügte Langhaus gehen auf Planänderungen nach M.s Tod zurück. Von M.s "klassisch-kurialem" Stil der röm. Zeit unterscheidet sich die Porta Pia (ab 1560) grundlegend, indem bis dahin scheinbar unumstößliche Parameter in ihr Gegenteil verkehrt werden. Das beginnt bei der Tatsache, dass dieses neuerrichtete Stadttor seine Schauseite im Gegensatz zu allen bisherigen Beispielen nicht dem Land, sondern der Stadt zuwendet und damit das Verlassen - und nicht das Betreten - derselben thematisiert. Neben der folgerichtigen Anlehnung an bukolisch-groteske Villen-Archit. mag in der düster zerklüfteten, mehrfach an M.s eig. Grabmal-Ikonogr. der 1520er Jahre anknüpfenden Formensprache insofern eine Jenseitssymbolik gesehen werden, als das Verlassen der Stadt auch als Hinweis auf das Ausscheiden aus der Gemeinschaft der Lebenden verstanden werden kann - ein Gedanke, den M. zeitgleich auch in den in ihren Raumgrenzen verunklärten "jenseitigen" Abseiten der Capp. Sforza aufgreift. Mit Jenseitsfragen beschäftigen sich auch seine wenigen späten Skulpturen wie die Pietà Bandini (ab 1550), wo der - lebende wie tote - Körper als schweres, sperriges und zugleich hoffnungslos fragiles, letztlich lebensunfähiges Seelen-Gefäß erscheint. Laut Vasari hat M. vor seinem Tod alle greifbaren Skizzen und Zchngn vernichtet, um der Nachwelt keinen Einblick in den mühseligen Gestaltungsprozess seiner Kunst zu geben. Gestützt wird dies durch zahlr. weitere Belege wie etwa die Tatsache, dass die nachw. eigenhändigen Zchngn überwiegend Florentiner Projekte dokumentieren. Sie wurden 1534 von M. in Florenz zurückgelassen. Trotz dieser u.a. deutlicher Hinweise hat sich der mit etwa 200 Bll. schmale Umfang des ersten Corpus der Zchngn (Frey 1909-11) bis zum Kat. Tolnays (1976-80) durch massive Zuschr. mehr als verdreifacht. Während in der anglo-amer. Forsch. diese Zuschr. weitgehend akzeptiert werden, stoßen sie v.a. in der dt.-sprachigen Wiss. auf z.T. entschiedenen Widerspruch. Neben dem Corpus der Zchngn gab es auch regelmäßige Versuche, jenen der Gem. und Skulpturen durch immer neue Zuschr. zu erweitern, wobei über keinen der seit 1945 diesbezüglich gemachten Vorschläge (z.B. Manchester Madonna, New Yorker Putto, Cambridger Bronzen), ja nicht einmal über die zu Grunde liegenden methodischen Herangehensweisen wiss. Konsens erzielt werden konnte. Die gesicherten Zchngn (überwiegend Bll. zu frühen archit. Projekten) zeigen M. als einen tief von der Handwerkstradition des Florentiner MA geprägten Renaiss.-Künstler mit z.T. überraschenden, im Vergleich zu seinen Zeitgen. archaisch anmutenden Methoden der graf. Repräsentation und Problemlösung. Seine Dichtungen, die er - meist in Sonett-Form - das ganze Leben hindurch regelmäßig zu Papier brachte, sind weit über die engere Lit.-Gesch. hinaus immer wieder auch als kunsttheoretische Äußerungen gelesen und interpretiert worden. Die intensive Rezeption von M.s Werken auf fast allen Gebieten der Kunst und Archit. setzte schon zu seinen Lebzeiten ein. In Italien schon immer als Nationalheros verehrt, wurde M. im späten 19. und frühen 20. Jh. als antiklassische Gegenfigur zu Raffael zur wahlverwandtschaftlichen Projektionsfläche auch dt. Identität - mit teils kuriosen Begleiterscheinungen wie der Parallelsetzung mit Beethoven oder dem dt. Expressionismus.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB24, 1930
Weitere Lexika:
Oudin, 1970; DBI XV, 1972; Bauer, GEM VI, 1978; PittItalCinquec II, 1987; EAPD, 1989; DA XXI, 1996
Gedruckte Nachweise:
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Michelangelo Buonarroti, eigentl. Michelagniolo di Lodovico di Lionardo di Buonarroto Simoni, Bildhauer, Male, Architekt u. Dichter, *6. 3. 1475 Caprese im Casentino, †18. 2. 1564 Rom (Die Geburtsurkunde in Kopie erhalten im Arch. Buonarroti, faks. bei K. Frey, M. B. Quellen u. Forsch., p. 3). Schrieb seinen Namen stets: Michelagniolo. Der Vater: Lodovico di Lionardo Simoni (1444-1534), zeitweilig Podestà in Caprese u. im benachbarten Chiusi; später Ragioniere della Dogana. Die Mutter: Francesca di Neri di Miniato del Sera. Von den 6 Söhnen war M. der zweitgeborene. Geschlechtstafel bei Gotti, Bd II Taf. 1, u. bei K. Frey, Q. F., p. 12a. Die Familie war vornehm, doch nicht reich. Die Verwandtschaft der Buonarroti mit den Grafen von Canossa - an die beide Familien glaubten - urkundl. nicht erwiesen (vgl. K. Frey, Q. F., p. 4f.). Dem Willen des Vaters gemäß mußte M. zunächst die Lateinschule Francesco da Urbinos in Florenz besuchen (Condivi, Vasari). Die Neigung für die Kunst zeigte sich früh. Das kunstler. Studium wurde durch die Bekanntschaft mit Franc. Granacci, dem Lehrling Ghirlandaios, gefördert (Condivi, Vasari). April 1488 tritt er in die Werkstatt Domenico u. Davide Ghirlandaios (vgl. Ricordo Lodovicos abg. bei Vasari ed. Frey p. 15). Condivi u. Vasari erwähnen mehrere damals entstandene Zeichnungen.(keine erhalten): 1. Umreißung einer Federzeichnung der Werkstatt Ghirlandaios, bekleidete Frauen darstellend; 2. Zeichnung nacn den Gerüsten in S. Maria Novella; 3. Kopie nach Schongauers Versuchung des Antonius; 4. Kopien nach Zeichnungen älterer Meister (Namen nicht genannt); 5. Kopie eines Kopfes nach Ghirlandaio. Vasari rühmt die "nuovi lineamenti nella maniera" M.s. - Nach einjähr. Aufenthalt bei Ghirlandaio ging M. 1489 (wohl Frühjahr) in die Kunstschule des Mediceischen Gartens bei San Marco über, deren künstler. Leiter der Bildhauer Bertoldo di Giovanni war. An Stelle der vorwiegend zeichnerischen Tätigkeit von 1488 trat die plastische. Es entstanden kleine Tonfigurennach Bertoldou. ein Faunskopfaus Marmornachantikem Vorbild (Condivi, Vasari; alle verschollen). Damals dürfte auch die Kohlezeichnung eines Triton an der Wand eines Zimmers im Landhaus der Buonarroti zu Settignano (heute Villa Michelagniolo) entstanden sein (unpubliziert). Dies früheste erhaltene u. bisher kaum beachtete Werk gibt sicheren Aufschluß über M.s künstler. Anfänge: An den herben. spannungsreichen Linienstii Pollaiuolos (vgl. dessen Stich Kampf nackter Männer [B. 2]) knüpft M. an. 1490/92 war M. Hausgast im Palast des Lorenzo Medici. Hier lernte er u. a. den Humanisten Poliziano kennen (Vasari); wahrscheinlich hat dieser M. in den Ideenkreis der "platonischen Akademie" eingeführt. Vielleicht unter der Einwirkung der Sammlungen im Pal. Medici (wo neben der Antike auch Giotto u. Masaccio vertreten waren) erfolgte die Abwendung von der dynamischen Linienkunst Pollaiuolos u. die Hinwendung zur monumentalen Massenkunst Giottos u. Masaccios, die die Voraussetzung eines neuen - vom "Triton" völlig verschiedenen - Verhältnisses zur Antike war. Zeugnis der eingetretenen Stilwandlung sind die wuchtigen Federzeichnungen von Gewandfiguren nach den Fresken Giottos u. Masaccios: Frey 1, 22, 23, 11, 41 (wohl eigene Erfindung). Die Annahme späterer Überarbeitung dieser Zeichnungen durch M. selbst (vgl. Z. f. b. K. 1925 p. 134ff. u. 169ff.) hat sich als nicht zutreffend erwiesen (vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 455 Anm. 70). Das durch das Studium Giottos u. Masaccios angebahnte neue Verhältnis zur Antike zeigen die erhaltenen plast. Werke dieser Epoche. Die Madonna an der Treppe (Flachrelief, Casa Buonarroti) ist in Anlehnung an ein - noch heute im Pal. Medici bewahrtes - antikes Sepulkralrelief entstanden (Hinweis Wölfflins; die Annahme Bodes vom Einfluß des fälschlich D. da Settignano zugeschr. Reliefs d. Sig Dreyfus ist von Wölfflin [Z. f. b. K. 1893 p. 107] bereits widerlegt. Vgl. auch Liphart, G. d. B.-A. 1924 p. 1). Technisch ist der Einfluß von Donatellos "rilievo schiacciato" fühlbar. Ober die neue inhaltl. Auffassung der Madonna vgl. Steinmann, Z. f. b. K. 1896, p. 169ff. Der Kentaurenkampf (Hochrelief, Casa Buonarroti) - das zweite Werk dieser Epoche - ist im Anschluß an die Komposition antiker Barbarenschlachtsarkophage (z. B. Museo delle Terme, Helbig Nr 1320) entstanden. (Bertoldos Schlachtrelief kommt weniger in Betracht.) Inhaltlich kommt die Anregung von Ovid Met. XII v. 210ff. (nicht von Hygin 33). Die großartige, geballte Massenkomposition nimmt spätere Gedanken (z. B. Cascinaschlacht, Jüngstes Gericht) vorweg. Nach dem Tode Lorenzo Medicis (April 1492) kehrt M. in das Vaterhaus zurück u. beginnt eine überlebensgr. Freistatue: den Herku1es. Die Figur kam schon im 16. Jahrh. nach Fontainebleau (heute verschollen). Ein unbeachteter Stich Israel Silvestres ("Vue du bastiment de la Cour des fontaines et du jardin de l'Estan") zeigt die Rückansicht der Statue (auf dem von Heinrich IV. errichteten Postament) u. ermöglicht deren Rekonstruktion. (Die Vermutung Bayersdorfers, daß eine der Statuen des Giardino Boboli eine Nachbildung des Herkules M.s sei, widerlegt Silvestres Stich.) Verschollen ist auch das zweite Werk dieser Periode: das etwas unterlebensgr. Holzkruzifix, das M. für den Prior von S. Spirit o ausführte. Eine genaue Kopie des verschollenen Originals ist in dem unbeachteten Holzkruzifix der Sakristei von S. Spirito (links, in der Nische eines 1584 dat. Schrankes) zu vermuten. (Die Annahme Thodes [Krit. Unt., 118ff.], daß das Holzkruzifix der Chorschranken v. S. Spirito mit M.s Werk identisch sei, wird allgemein u. mit Recht bezweifelt) Das neue Kontrapostmotiv hatte einen großen Einfluß auf die florentin. Kruzifixdarstellungen; früheste Kopie: Peruginos Fresko in S. Maria Maddalena dei Pazzi von 1493. In diese Zeit fallen die anatomischen Studien M.s (Condivi, Vasari). Kurz vor Vertreibung der Medici flüchtete M. - den Umsturz ahnend - nach Oberitalien (Okt. 1494). Ober Bologna ging er nach Venedig, kehrte aber bald nach Bologna zurück, wo er bis Frühjahr 1495 als Gast Gianfranc. Aldovrandis weilte. Das künstlerische Schaffen tritt hinter literar. Studien (Condivi, Vasari) etwas zurück. Aber für die weitere Entwicklung war dieser Bologneser Aufenthalt von größter Bedeutung: hier lernte er die Werke des wahlverwandten Quercia kennen. Die 3 kleinen Statuetten - die als Ergänzung des plast. Schmuckes der Arca di S. Domenico damals entstanden - verraten den tiefen Eindruck, den Quercia ausübte: der kandelaberhaltende kniende Engel ist eine Verschmelzung florentin. Erinnerungen (Engel L. della Robbias in der Sakristei des Florent. Domes) mit dem Stil Quercias; ebenso der Proculus (im Motivan Donatellos S. Georg (Bargello] gemahnend). Der Petronius endlich ist in direkter Anlehnung an Quercias Petronius (Hauptportal v. S. Petronio) entstanden. (Vgl. P. T. Bonora, L'arca di S. Domenico, 1875, u. Wickhoff, Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch., 1882 p. 408 ff.) Von Sommer(?) 1495 bis Juni 1496 ist M. wieder in Florenz. Es entstehen ein Giovannino u. ein Cupido (beide verschollen). Eine Vorstellung vom Motiv des Giovanninogewährtvielleichtdie Skizzeeines Knaben Frey (die A. Mini in d. Mad. v. Manchester als Johannes verwertete). Eine Kopie des schlafenden Cupido dürfte man in Tintorettos Bild: Mars, Venus u. Vulcan (München, A. Pinak.) - das mit den alten Beschreibungen gut zusammengeht - vermuten. In diesen beiden Kinderstatuetten scheint Quercias Einfluß nachgewirkt zu haben. (Der Cupido wurde - nach Vasari - als Antike an Kard. Raffael Riario, den großen Antiken-Sammler, verkauft.) Ende Juni 1496 traf M. mit einem Empfehlungsbrief des Lorenzo di Pier Francesco Medici an Riario (Milanesi p. 375) in Rom ein. Bis 1501 Frühjahr(?) ist er in Rom. Die Quellen (Condivi, Vasari) erwähnen 4 Werke dieser Epoche: 1. Gemäldeentwurf einer Stigmatisation des Hl. Franziskus (verschollen); 2. Cupido für Jacopo Galli (von Ulisse Aldovrandi als Apollo beschrieben, vgl. Michaelis, Z. f. b. K. 1878 p. 158; verschollen); 3. Bacchus (Bargello), ebenfalls für J. Galli; 4. Pietà (St. Peter). Die beiden erhaltenen Werke der ersten röm. Zeit zeigen eine schärfere u. feinere Durchbildung als die Bologneser Figuren (vgl. Wölfflin, Die Jugendwerke des M. 1891), aber keine jähe Stilwandlung. Der Bacchus (um 1497198) ist von Quercia-Reminiszenzen noch nicht frei (vgl. Haarbehandlung). Die Pietà (Kontrakt Aug. 1498, Milanesi 613; Vollendung Frühjahr 1501) in der Ausführung feiner u. präziser als der Bacchus, ist sicherlich das spätere Werk (vgl. dagegen Wölfflin a. a. O. p. 26). Der Gesichtstypus u. die Gebärde Mariä zeigen den Einfluß Leonardos. Der Typus, an den M.s Gruppe anschließt, ist eine nordische Schöpfung des 14. Jh., die im 15. Jh. auch in Italien bekannt war (vgl. Pinder, Die Pietà, 1922). 1501 (Frühjahr?) Rückkehr nach Florenz, wo M. bis März 1505 bleibt. Erste große schöpferische Epoche. Die Auseinandersetzung mit dem klassischen Stil Leonardos u. mit den röm. Eindrücken (die erst jetzt erfolgt) führt zu einem großzügigen "Klassizismus"; die querciesken Stilelemente treten vollkommen zurück. Am Anfang dieser Epoche steht die Beschäftigung mit der Anna Selbdritt Leonardos (1501). Die Skizze der Heil. Familie in Oxford (Thode 406 Abb. S. Colvin, Drawings of the old masters in Oxford, 1907) ist eine freie Variation Leonardos. Gleichzeitig entstanden die Zeichnungen: Thode 405 a u. b, Thode 406 b (Abb. S. Colvin), Frey 25, 87 u. 88 (hier das Standmotiv des Marmor-David vorgeahnt). Zur Datierung vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 454 ff. Den Übergang zum Klassizismus zeigt deutlich der Hl. Jacobus (untere Nische r.) des Piccolomini-Altares inSiena(Kontrakt Mail Juni 1501, Milanesi p. 615). Die übrigen Figuren sind Gehilfenarbeiten. (Über den Altar vgl. Schmarsow, J. d. p. K., 1883 p. 18 ff., u. Wölfflin, Die Jugendw. des M., p. 77 ff.) Das römisch-klassizist. Gepräge ist für die Zeichnung eines Apostels Frey 13 a - die im Zusammenhang mit dem Vertrag für die 12 Apostelstatuen des Domes von Florenz (April 1503, Milanesi 625) entstand - nicht minder charakteristisch. (Das Standmotiv knüpft an die antiken Musensarkophage an.) Eine scheinbare Ausnahme bildet der Bronze-David für Pierre de Rohan (Auftrag Juni 1501, Kontrakt Aug. 1502, Mil. p. 624; Vollendung Okt. 1508 v. Benedetto da Rovezzano. Verschollen). Dem Auftrag gemäß sollte die Figur dem David Donatellos ähnlich sein. Die Studie Frey 24 zeigt wirklich große Verwandtschaft mit Donatellos David-Statuette in Berlin (Mackowsky). Der Stich Ducerceaus vom Schloß Bury bei Blois, der die ausgeführte Statue wiedergibt (vgl. Montaiglon, G. d. B. A. 1876 I 242), zeigt ein anderes Motiv: die Figur scheint mit der erhobenen Linken den Kopf Goliaths emporzuhalten. Das Motiv klingt noch in Cellinis Perseus (Loggia dei Lanzi) nach. Ganz klassizistisch ist wieder der Marmor -David (Kontrakt August 1501, Milanesi p. 620; Vollendung Apri11504), der aus einem von Agostino di Duccio einst verhauenen Riesenblock gemeißelt wurde. Die geringe Tiefe des Blockes kam M.s klassizistischen Tendenzen zu dieser Zeit entgegen. Erinnerungen an die Dioskuren vom Monte Cavallo, an antike Herkulessarkophage (vgl. Motiv d. Beine) u. an Donatellos S. Georg wirken zusammen. Die Auffassung ist völlig unkonventionell: David ist statt als Knabe als Jüngling gegeben; die Attribute sind weggelassen: das Allgemeingültige soll hervortreten. Über die Aufstellung der Statue entspann sich eine interessante Diskussion (Milanesi p. 620 ff. Anm. 1; vgl. Neumann, Rep. f. Kw. 1916 p. 1 ff.). Die Brügger Madonna (um 1503/04, Skizze dazu in Chantilly, vgl. Münchner Jahrb. 1928 p. 456) ist durch ihre strenge Axialität u. geradlinige Faltengebung ein typisches Werk dieser Zeit. - In diese Epoche gehören 2 Gemälde: 1. die Don' -Madonna, um 150314 - das einzige erhaltene Tafelgemälde -, in welcher Anregungen von Signorelli (Tondo in den Uffizien) verarbeitet sind u. zugleich eine neue Gruppenkomposition versucht wird. (Über den Rahmen u. die Datierung vgl. Poggi, Kstchronik N. F. XVIII 299.) 2. die Schlacht von Cascina (Auftrag Aug. 1504, Milanesi 426, Skizze dazu F. 61 u. 62 (?]), Riesenfresko für die Sala del Consiglio des Pal. Vecchio, wo Leonardo die Anghiarischlacht ausführte. M. vollendete nur den Karton (verschollen). Die Komposition ist durch Bastiano da Sangallos Grisaille in Holkham Hall genau überliefert. (Die Rekonstruktionsversuche Köhlers [Kunstgesch. Jahrb. d. Zentralkomm. I (1907) 115ff.] u. Thodes [K. U., I 95ff.) sind unrichtig. Vgl. Popp, Leonardo-Zeichnungen, p. 48.) Auch hier sind die Einflüsse Signorellis (bes. der Fresken in Orvieto) fühlbar. Mit den Mitteln der Malerei wird ein Höchstmaß von plastischem Gehalt erstrebt. Die Figuren sollen wie Statuen wirken. - Um 1505 gruppieren sich folg. Zeichnungen: Frey 2, 26, 92, 27, 28 (vgl. Mönch. Jahrb. 1928 p. 455). Dem Ruf Julius' II. folgend ist M. im März 1505 in Rom: Auftrag des Juliusgrabes. Der Gesamtentwurf d. Denkmals von 1505 ist nur durch die Beschreibungen Vasaris (p. 67) u. Condivis (p. 66) bekannt: Freigrabentwurf. Einige Zeichnungen u. Fragmente der damals begonnenen Arbeit erhalten. So sind der Würfel ganz links u. 3 Steine des Untergeschosses im heutigen Denkmal noch i. J. 1505 ausgeführt (vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 420 Anm. 39). Eine Skizze zum Maskenornament des Würfels ganz links ist Frey 13 b. Die erhaltenen Steine (u. die Beschreibung in den Quellen) gestatten den Schluß, daß das Untergeschoß schon 1505 im wesentlichen so geplant war, wie es 1542 aufgemauert wurde. Eine klare Vorstellung vom Obergeschoß kann man sich auf Grund der Beschreibungen nicht bilden. Die Sklavenstudien: Frey 63 (Entwurf eines Frontsklaven) u. Frey 64 (Studie für einen Ecksklaven u. den Kopf des Moses) sind ebenfalls von 1505106. Inhaltlich schließt M. an die Triumphalsymbole an (vgl. Weisbach, Trionfi, 1919, p. 109ff.). Bald nach dem Auftrag ging M. für 8 Monate nach Carrara, um den Marmor für das Grabmal zu beschaffer. Dez. 1505 ist er wieder in Rom und wartet auf die Ankunft des Marmors. Der Papst hat inzwischen den Plan des Denkmals aufgegeben und will die Decke der Sixt. Kap. ausmalen lassen (vgl. Steinmann, Die Sixt. Kap., II 695). M. wird am päpstl. Hofe nicht empfangen. Beleidigt flieht er nach Florenz (April 1506). April bis Nov. 1506 in Florenz. M. bietet sich dem Papste an, das Grabmal in Florenz zu beenden. Die Werke, die nun entstehen, zeigen einen neuen Stil, vielleicht unter dem Eindruck des zweiten röm. Aufenthalts: an Stelle des streng ausgeglichenen Klassizismus treten größere Substantialität u. ein Zug ins Gewaltige u. Massige. Wahrscheinlich damals entstanden (od. noch in Rom?): das Madonnentondo des Bargel lo (um 1505/06; Vorstudie in Chantilly. Vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 452) u. das Madonnentondo der R. Acad. zu London (woran auch Schülerhand mitgearbeitet zu haben scheint; um 1506; Vorstudie zum Joh. Frey 91). Wahrscheinlich ist die Zeichnung Frey 27 (um 1505/06) ebenfalls ein Tondo-Entwurf. Das wichtigste Beispiel der Stilwandlung ist die Statue des Matthäus (um 1506, Florenz, Akad., Studie zum Arm: Frey 64). Der Eindruck des Pasquino (Grünwald), des Abraham u. Isaak des Donatello (Fechheimer) u. vor allem Erinnerungen an die Propheten Quercias am Sieneser Taufbrunnen sind in ihm verwertet. Ende Nov. 1506 Versöhnung zwischen Julius II. u. M. in Bologna. M. erhält den Auftrag für eine bronzene Sitzstatue des Papstes. April 1507 macht er ein Wachsmodell (Mil. 148); Februar 1508 wird die Statue über dem Hauptportal an der Fassade von S. Petronio aufgestellt (vgl. Gotti I 65). Bei der Rückkehr der Bentivogli nach Bologna (Dez. 1511) wurde die Figur zerstört. Keine genaue Abbildung erhalten. Ein& (ungefähre) Vorstellung gewinnt man durch Mengantis Sitzstatue Gregors XIII. (1578) an der Fassade des Pal. Pubblico zu Bologna, die mit den alten Beschreibungen der Juliusstatue M.s im allgem. übereinstimmt. (Lit. zusammengestellt bei W. Hager, Die Ehrenstatuen d. Päpste, 1929, p. 36 ff.; Hagers Vermutung betreffend des Sitzmotivs ist nicht überzeugend). Die Sitzstatue Julius' II. scheint ein Vorläufer der Propheten der Sixtin. Decke (besonders Daniels) gewesen zu sein. März/April (?) 1508 Auftrag Julius' II. zur Ausmalungder Decke der Sixtin. Kapelle in Rom. (Die Dokumente z. Sixt. Kap. am besten zusammengestellt von Pogatscher in: Steinmann, Die Sixt. Kap., II 687 ff.) Gemäß dem ursprüngl. Plan (Frey 43) sollten in den Zwickeln die 12 Apostel, am Gewölbespiegel ein System verschieden gestalteter Rahmen ihren Platz finden (vgl. Wölfflin, J. d. p. K. 1892, p. 178). Der 2. u. 3. Entwurf (Frey 247 u. 93) zeigt die schrittweise Vereinfachung u. Vereinheitlichung des Systems. In der Ausführung (Beginn Mai 1508) wächst das Rahmensystem zum einheitlichen architekton. Gerüst zusammen; an Stelle der Ornamente treten ausschließlich Figuren; in die Rahmenfelder kommen Historien. Von Sommer 1508 bis 17. 8. 1510 (Abreise Julius' II. aus Rom) wird der "eine Teil" der Decke (nach Condivi "la metà" [p. 110]) fertig (Mil. p. 30, 31), der wahrscheinlich vom Eingang bis einschließlich zur fünften Historie (Sündenfall) mit den dazugehör. Sklaven, Propheten, Sibyllen u. den beiden Eckzwickeln der Eingangsseite reicht. Von Ende 1510 bis 14. 8. 1511 (1. Enthüllung) werden vermutlich die übrigen 4 Historien mit den Sklaven, Propheten u. Sibyllen u. den beiden Eckzwickeln derAltarw-..ad entstanden sein. Von August 1511 bis 31. 10. 1512 (zweite Enthüllung) erfolgt die Ausführung sämtl. Lünetten u. Stichkappen von der Eingangsseite bis zur Altarseite. (Die Kartons der ersten 8 Lünetten entstanden wahrscheinl. schon Januar bis August 1511. Vgl. Milanesi p. 427.) Die Meinungen über die Chronologie gehen auseinander (vgl. Wölfflin, Rep. f. Kw., 1890 p. 264 ff.; Steinmann, Die Sixt. Kap., II 219 ff.;Wurm, Rep. f. Kw., 1908 p. 305 ff.). Folgende Originalzeichnungen sind (außer den genannten) im Zusammenhang m. d. Sixt. Fresken entstanden: Frey 3, 4, 16, 42, 52 (vgl. Rep. f. Kw., 1927 p. 192 Anm. 1) u. Thode 218 (Studie zum Zacharias). - Der Stil der Sixt. Decke ist eine Synthese der röm. Antike u. des Einflusses Quercias. Das Ganze des Systems erinnert an die röm. Triumphbögen; in den Historien (bes. der ersten 6 Felder) ist der Einfluß der ReliefsQuercias am Portal von S. Petronio offensichtlich. Außerdem wirkten Masaccios Vertreibung aus dem Paradies u. die frühchristl. Schöpfungsfresken in S. Paolo fuori le mura (vgl. Panofsky, Jahrb. f. Kunstg. 1921/22, Buchbesprechungen Sp. 33/4). Ikonographisch ist der Zyklus eine Ergänzung der beiden unteren Freskenzyklen des Quattrocento, die (links) das Erlösungswerk sub lege (Geschichte Mosis) und (rechts) sub gratia (Geschichte Christi) darstellen; M. gibt die Geschichte des Erlösungswerkes ante legem (Genesis u. Noahgeschichte). Unabhängig vom ikonograph. Programm ist der eigentliche künstlerische Inhalt: von der Eingangsseite zur Altarseite soll die Freskenreihe die Stufen der Remanation zum Ureinen offenbaren. (Es ist daher kein Zufall, daß die Fresken nur von der Eingangsseite zur Altarseite, d. h. der historisch-chronolog. Reihenfolge entgegengesetzt, ablesbar sind.) Nach Vollendung der Sixt. Decke wird der Plan des Juliusgrabes wieder aufgenommen (Julius stirbt Februar 1513. Fortan verhandeln die Erben mit M.). Mai 1513 wird der zweite Kontrakt abgeschlossen. (Im Kontrakt genaue Beschreibung des neuen Entwurfes. Vgl. Milanesi p. 635ff.) Gemäß dem neuen Entwurf ist das Denkmal nur von 3 Seiten frei; die eine Schmalseite ist an die Wand gestellt. Ober dem Sockelgeschoß erhebt sich an der Wand eine "Cappelletta". Den Aufriß des Modells von 1513 überliefern 2 Gehilfenzeichnungen Thode 5 (Berlin) u. Thode 209 (Uffizien). (Vgl. Schmarsow, Jahrb. d. p. K., 1884 p. 63 ff.) Die ornamentierten Steine des Untergeschosses (Fassadenseite) werden ab Juli 1513 von Antonio da Pontassieve ausgeführt (Milanesi p. 640). Diese Steine wurden 1542 - bei der definitiven Errichtung des Denkmals in S. Pietro in Vincolisamt den 1505 entstandenen verwertet. Bald nach Kontraktabschluß - aber vor Inangriffnahme der Statuen der Sklaven - entstanden neue Entwürfe für die 6 Ecksklaven: Frey 3. (über die Anordnung derselben am Denkmal vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 78ff.) Am Rebellischen Sklaven (Louvre) arbeitete M. - nach eig. späterer Aussage - 1513 (Milanesi 391). Gleichzeitig scheint der Sterbende Sklave (Louvre) in Angriff genommen zu sein. Zwischen 1515/16 führte M. den Moses aus. (Besonders eifrig scheint er im Sommer 1515 zu arbeiten [Milanesi 115].) Die Figur ist eine Weiterentwicklung der Propheten der Sixt. Decke. Anregungen von Donatellos Sitzfigur des Joh. Ev. (Florenz, Dom) u. von einer Prophetenstatue der Schule Giov. Pisanos (oder einem and. ähnlichen Werk [Berlin, K.-F.-M.; vgl. O. Wulff: Beschreib. d. Bildw., Bd III, Teil 2 Nr 1805]) sind verwertet. Juli 1516 wird der dritte Kontrakt des Juliusgrabesabgeschlossen (Milanesi 644ff.). Unverändert bleibt die Vorderfassade im Erdgeschoß (die Steine dafür waren ja bereits zugehauen); reduziert werden die Seitenfassaden, die nur die Breite von je einer Nische erhalten. An Stelle der "Cappelletta" soll sich oben ein volles Obergeschoß (mit Halbsäulengliederung) erheben. (Genaue Beschreibung des Modells im Kontrakt, Milanesi p. 646 u. 650.) Für diesen Entwurf sind folg. Skizzen erhalten: Frey 29 Federzeichn. mit einem der Hermenpilaster des Untergeschosses wo das Architrav über dem Hermenpilaster erstmalig gestrichen ist (um Februar 1517); Frey 198 die Architektur des Obergeschosses von der Schmalseite gesehen (Hinweis Wildes); Frey 211 b die Papststatue mit dem Sarkophag (der Papst noch nicht auf der Bahre liegend, sondern aufrecht an den Sarkophag gelehnt). Der rechte Ecksklave der Vorderseite überliefert durch d. Christus Seb. del Piombos in der Geißelung Christi in S. Pietro in Montorio (vgl.Münch. Jahrb. 1928 p.74. 1516 beginnt das Freundschaftsverhältnis zwischen M. u. Sebastiano, das bis 1534 währte). Sept./Okt. 1516 (?) scheint M. Leo X. Entwürfe für die Fassade von S. Lorenzo vorgelegt zu haben (Frey, Briefe 35). Nachdem das Modell des Baccio da Montelupo nach den Zeichnungen M.s mißraten war, begann M. selbst ein kleines Tonmodell (1517 März [Milanesi 133]), auf Grund dessen er ein großes Holzmodell mit Wachsfiguren gemacht hat (August bis Dez. [Milanesi p. 565 u. 567]). Auf Grund dieses Modells wird der Vertrag Januar 1518 abgeschlossen. (Im Kontrakt findet sich eine Beschreibung des Projekts [Milanesi 671].) Die Fassade wurde nicht errichtet, nur das Marmormaterial wurde beschafft und die Fundamentierungsarbeiten begonnen (Juni 1517). Der Kontrakt ist 1520 - wegen des Geldmangels des Papstes - gelöst worden. Die frühesten Skizzen: Frey 96 a, Frey 29 a u. Frey 96 b, stehen noch unter dem Einfluß von Giuliano da Sangallos Entwürfen für S. Lorenzo. Die Zeichnung Frey 211 a (mit einem vollen Obergeschoß) gibt das Concetto bereits in der letzten Fassung wieder. Wichtig für die Rekonstruktion des Projektes ist eine Skizze Ant. da Sangallos des Jüng. (Uffizien; vgl. D. Frey, Kunstchronik u. Kunstmarkt, 1922/23 p. 221). Weitere Skizzen zur Lorenzo-Fassade sind: Frey 182, 53, Münch. Jahrb. 1928 p. 461 u. 463. (Im Arch. Buonarroti [Vol. I, fol. 105/106] außerdem 3 Hefte mit Blockzeichnungen für die Fassade. Vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 462 Nr 17, 18.) Die Jahre 1516/17 verbringt M. größtenteils in Carrara, 1518/19 in Pietrasanta, mit der Beschaffung des Marmors für das Juliusgrab u. die Lorenzo-Fassade beschäftigt. (In Pietrasanta u. Serravezza - auf florentin. Gebiet - wurden neue Marmorbrüche entdeckt, deren Ausbeutung den Papst vom Besitzer der Marmorbrüche Carraras unabhängig machten. M. geriet dadurch in Widerspruch mit seinen Verpflichtungen den Carraresen gegenüber.) - Folgende weitere Projekte beschäftigen M. im 2. Jahrzehnt: um 1513/14 Entwurf für das Erdgeschoßfenster des Pal. Medici in Florenz: Frey 286. Okt./Nov. 1518 Entwürfe für den Altar u. 2 Grabmäler in S. Silvestro in Capite. (Die Grabentwürfe abg. Münch. Jahrb. 1927 p. 454.) Das Projekt ausführlich behandelt von Popp (Münch. Jahrb. 1927 p. 452 ff.). 1519 Wiederaufnahme der Arbeit am Julius - grab. Justi, Thode u. Brinckmann nehmen 1519 eine Planänderung an und erstere beide datieren die Bobolisklaven in diese Zeit. (Diese Annahme scheint aus stilistischen Gründen nicht wahrscheinlich.) Okt. 1519 bietet sich M. an, das Grab Dantesauszuführen (Gotti, II 82). Entwurf nicht erhalten. 2. Hälfte 1519 bis Dez. 1521 führte M.den Christus für S. Maria sopra Minervaaus. (Vgl. Studie Frey 36.) Der Auftrag wurde ihm schon Juni 1514 erteilt (Milanesi 641), da aber der Marmor eine Ader zeigte, ließ M. die begonnene Figur unvollendet liegen. Die neue Statue von 1519/21 wurde durch Fed. Frizzi vollendet (Frey: Briefe 178, 180) und von M. eigenhändig nochmals überarbeitet. (Frey: Briefe 187, 189.) Von Nov. 1520 bis 1534 Herbst ist M. mit der Ausführung der Medici-Kapelle beschäftigt. (Die Geschichte der Medici-Kap. am besten dargestellt bei Popp: Die M.-K., 1922. Ergänzung dazu Münch. Jahrb. 1928 p. 379ff.) Die Kapelle war im Rohbau bis zum ersten Gesims noch im Quattrocento ausgeführt. Ende Okt./Anfang Nov. erklärt sich M. bereit, die Grabmonumente (d. h. das Grab Lorenzo Magnificos, Giulianos des Alt., Lorenzos, Herzogs von Urbino, u. Giulianos, Herzogs von Nemour) in der Kapelle auszuführen. Es folgen in rascher Folge mehrere Entwürfe: 1. Freigrabentwurf in der Mitte der Kapelle (zwischen 6. u. 23. 11. 1520 [Frey 48]). 2. Wandgrabentwurf I (kurz nach dem 28. 11. 1520) mit Anordnung der 4 Sarkophage in den 4, dem Verrocchiograb der Sagrestia Vecchia entsprechenden Eckintervallen der Seitenwände: Grundriß im Arch. Buonarroti (Münch. Jahrb. 1928 p. 379); Aufriß Frey 47 linke Hälfte Profil der Türfelder Frey 282 a; Tabernakelnische Frey 177 a. 3. Wandgrabentwurf II: im Mittelintervall der Flankenwände Doppelgräber, gegenüber der Apsis eine Altarwand (zwischen Nov. 1520 u. Januar 1521): Aufriß Frey 47 rechte Hälfte (der gemäß die linke Hälfte zu ergänzen ist) u. Frey 48 (Teilentwurf). Die Altarwand ist auf Grund Freyba mit Weglassung der Sarkophage zu rekonstruieren (vgl. Popp). 4. Wandgrabentwurf III: an den Flankenwänden einsarkophagige, breitproportionierte Herzoggräber, an der Altarwand das Doppelgrab der Magnifici. (Vor Januar/Februar 1521.) Aufriß Frey 55; Altarwandentwurf Frey 9 a, b; Thronentwurf Frey 266 a. 5. Endgültige Fassung (spätestens bis Febr. 1521) mit derselben Anordnung wie in 4, aber mit schlankeren Proportionen u. mit dem neuen, durch ein Mittelgeschoß erhöhten Kapellenraum. Kein Gesamtentwurf erhalten. Detailzeichnungen: Frey 162, 163, 175, 241, 177 b; 31, 212a. - Erhalten sind sodann 2 Studien zur Medici-Madonna Frey 251 (1524; das Motiv des Kindes der Medici-Mad. ist in der Jakoblünette der Sixt. Decke vorgebildet) und eine Handstudie zum Giuliano (vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 431). Ferner sind aus der Mitte d. 20er Jahre zwei Frauenstudien: Frey 184 u. 185. Geschichtliches zur Med.-Kap. (vgl. Popp): M. arbeitet von Aug. bis Sept. 1521, muß aber wegen der Geldnot des Papstes die Arbeit bald unterbrechen. Arbeitsunterbrechung Sept. 1521 bis Jan. 1524. 1524 arbeitet M. an 2 großen Flußgottmodellen aus Ton (für das Lorenzograb); die Architekturteile des Lorenzograbes werden hergestellt. Vor Okt. 1525 hatte M. den Lorenzo u. Crepuscolo in Angriff genommen; wahrscheinlich Anfang 1526 die Notte, den Giorno, die Madonna, den David (Bargello). Zweite Arbeitsunterbrechung von Ende 1526 bis Herbst 1530. 1531 arbeitet M. am Giuliano; die Architektur des Giulianograbes wird aufgemauert. Die Arbeit dauert bis Herbst 1534. Außer den in der Kapelle befindl. 7 Skulpturen waren - nach Popp - für die Medici-Kap. noch folg. bestimmt: 1. der kauernde Knabe in Leningrad für die Attica des Lorenzograbes; 2. der David des Bargello, der möglicherweise für das Magnificigrab bestimmt war; 3. das Flußgottmodell von 1524 (Akad. Florenz; über dessen richtige Aufstellung vgl. Wilde, Belvedere 1927, p. 143 Anm. 1). Eine Werkzeichnung zum Fluggott des Giulianograbes ist Frey 60. Sehr einleuchtend ist auch die Hypothese Popps, daß die Lünetten über den Herzoggräbern u. dem Magnificigrab mit Fresken ausgemalt werden sollten. Entwürfe dafür sind Frey 51 (die eherne Schlange; vorbereitende Skizzen dazu: Frey 45, 46, 132, 141). Frey 40, 19 (Himmelfahrt Christi) für die Lünette über der Eingangswand. (Die Himmelfahrt Frey 59 um 1531. über die Chronologie der Himmelfahrten vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 438.) Zwischen den Figuren des Lorenzograbes u. des Giulianograbes besteht ein deutlicher Stilunterschied. Das Grab Lorenzos hat noch massige Figuren, wenn auch die Extremitäten überaus fein gebildet sind; im Giulianograb wird alles zarter u. schlanker, zugleich kontrastreicher in der Bewegung. Inhaltlich knüpft M. an die antike Idee des Hades (vgl. Platons "Phaedon") an (vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 391). In die Zeit der 20er Jahre gehören außer der Medici-Kap. noch folg. Projekte: 1. Die Entwürfe für die Papstgräber Leos X. u. Clemens' VII. (Juni 1524, vgl. Popp, Münch. Jahrb. 1927 p. 390 ff.). Der erste bescheidene Entwurf war für den kleinen Nebenraum mit dem Lavabo bei der Sacrestia Vecchia geplant. Vgl. Gehilfenzeichn., Dresden (Abb. M. Jahrb. 1927 p. 390; Vorstudie dazu Frey 125 c.). Juli/August 1525 entstand das zweite, großzügigere Projekt (für die Seitenwände des Chores von S. Lorenzo): Frey 14; Vorstudie dazu Frey 125 b. Das dritte Projekt (nach 1534), das Alfonso Lombardi nach Skizzen M.s, die ursprünglich (1525) für das Juliusgrab bestimmt waren, in S. Maria Maggiore ausführen sollte: Frey 106 (vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 414); die Gräber wurden schließlich von Bandinelli u. Ant. da Sangallo in S. Maria sopra Minerva 1536 errichtet. 2. Von Ende 1523 bis Anfang 1524 Plan des Baues der Biblioteca Laurenziana. Von August 1524 bis Juni 1526 reicht die erste Bautätigkeit. 1530 bis 1534 wird weitergearbeitet (Decke u. Treppe des Ricetto bleiben noch unausgeführt). Zwischen 1555 u. 1568 wird die Treppe vollendet. Mehrere Entwürfe sind für den Ricetto erhalten. (Vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 399 ff.) Anfangs (vor 29. 4. 1524) wird eine zweiarmige Wandstiege geplant. Entwürfe im Arch. Buonarroti (Münch. Jahrb. 1928 p. 400) u. Frey 71. Aufriß zu diesem Stiegenprojekt Frey 72 u. Frey 165 oben. Dann wird eine dreiläufige Freitreppe vorgesehen (April 1525). Treppenentwürfe Frey 165 u. 164. Aufriß des Ricetto in dieser Phase Frey 234. Die letzte Fassung von 1525/26 scheint in Frey 164 (in der Mitte unten) erhalten zu sein. Die Treppe wurde damals nicht ausgeführt. 1555 entsteht eine winzige Skizze der Freitreppe. (Codex Vatic. 3211. Vgl. Panofsky, Monatsh. f. Kunstwiss., 1922 p. 262). 1559 schickt M. ein Tonmodell der Stiege nach Florenz, auf Grund dessen Ammanati die Treppe ausführt. Entwurf für den Bibliothekssaal: Frey 199. Weitere Zeichnungen zur Libreria sind: Frey 49, 50, 117, 166, 167, 209, 210, 235, 266 b u. c, 269, Münch. Jahrb. 1928 p. 432 u. 473. (Ein unpublizierter Tür- u. Fensterentwurf in der Casa Buonarroti: 96 verso). 3. Sept./Okt. 1525 beschäftigt sich M. wieder mit dem Juliusgrab. Die Erben sind ungeduldig u. droben mit Prozeß. M. entschließt sich zu einer weiteren Reduktion: das Grab soll den Gräbern Pauls II. u. Pius' II. ähnlich werden. Alles bisher Ausgeführte soll verkauft werden. 1526 Okt. sendet er das neue Projekt ein. Skizzen dazu sind Frey 106 u. die Zeichnung im Arch. Buonarroti (Mönch. Jahrb. 1928 p. 414). Für die mittlere Nische scheint M. damals eine sitzende Petrusstatue oder Papststatue (?) begonnen zu haben. "Una statua per uno S. Pietro, sbozzata et non finita" befand sich im Nachlaß (Gotti Il 150, heute verschollen). Die Annahme, daß das Projekt von 1525 eine Vergrößerung bedeutete u. daß die Bobolisklaven u. die Vittoria damals entstanden seien, ist irrig. 4. 1525 taucht der Plan auf, •an der Piazza vor dem Eingang des Pal. Vecchio eine Statue als Gegenstück zum David aufzustellen. Den Auftrag erhält Bandinelli, der eine Hercules- u. Cacusgruppe entwirft. Gleichzeitig entwirft M. eine Hercules- und Antäusgruppe. Skizzen dazu sind Frey 31 u. 145 (vor Juli 1525 (Wilde)). August 1528 übergibt man den von Bandinelli bereits begonnenen Block an M., der nun daraus einen "Simson mit den beiden Philistern" machen will. Dieses Concetto in mehreren Kopien erhalten (vgl. Brinckmann, Belvedere 1927 p.155 ff., der 2 Kopien publiziert). Nach der Niederlage der Republik erhält Bandinelli den Marmor u. vollendet seine Hercules- u. Cacusgruppe (1534). 5. Okt. 1525 Auftrag Clemens' VII. für ein Ziborium (auf 4 Säulen) für den Chor von S. Lorenz o. Anfang 1526 Entwurf M.s (Skizze dazu im Arch. Buonarroti (Mönch. Jahrb. 1928 p. 399]; Grundriß Frey 68). Ende Okt. 1531 wird dieser Plan aufgegeben, u. man denkt an die Ausführung einer Tribüne über dem Hauptportal. Vgl. weiter unten. 6. Mit Okt. 1528 beginnen in Florenz die Fort ifikationsbauten. Januar 1529 wird M. in das Kollegium für Befestigungsbauten gewählt. April 1529 ist er Governatore generale der Fortifikationen. Nach dem Bündnis des Kaisers (Karls V.) u. Clemens' VII. (Juni 1529) betreibt man die Fortifikationen noch eifriger. 19 (z. T. unpubliz.) Originalentwürfe M.s für die Befestigungen von Florenz (bes. des Hügels von S. Miniato) in der Casa Buonarroti; vgl. Thode, K. U., II 148 ff. 7. Juli/August 1529 sendet die Signoria M. nach Ferrara, damit er dort die berühmten Befestigungswerke studiere. Herzog Alfonso d'Este empfängt ihn mit großen Ehren u. erbittet sich ein Werk. M. macht die Leda (um1530, verschollen; Skizze im Archivio Buonarroti [Münchner Jahrb. 1928 p. 436] und Frey 114). Das Liegemotiv ist eine Weiterentwicklung der Notte. (Außerdem sind Anregungen durch ein antikes Sarkophagrelief nachweisbar (vgl. Michaelis, Festgruß an Ant. Springer, p. 33).) Die Kopien u. Stiche nach d. Leda zusammengestellt bei Thode, II 311 ff., u. bei Roy, Gaz. d. B.-Arts, 1923 I 65 ff. 25. 9. 1529 flüchtete M., den Verrat von Florenz ahnend, nach Ferrara u. Venedig; er hatte die Absicht, nach Frankreich zu gehen. 30. 9. 1529 wird er von der Signoria als Rebell erklärt. Am 20. 10. erhält er Erlaubnis zur Rückkehr; Ende Nov. ist er wieder in Florenz; der Bann wird aufgehoben. Nach der Kapitulation von Florenz (12. 8. 1530) hält sich M. verborgen. Der Papst begnadigt ihn (Aug. 1530), und er nimmt seine Arbeit in d. Medici-Kap. wieder auf. Anfang der 30er Jahre entstehen: 1. Der Karton Venus und Cupido für Barpol. Bettini (Frey 212 c, nicht eigenhändig). Die Ausführung des Gemäldes besorgte Pontormo. Das Liegemotiv knüpft an den Gedanken der Flußgötter der Medici-Kap. an; später in der Bekehrung Pauli nochmals verwendet. (Der Karton in Neapel ist nicht das Original M.s.) 2. Baccio Valori, der Kommissär des Papstes im eroberten Florenz, bestellt eine Marmorfigur des Apollo bei M. (1530, Herbst). Da Vasaris Beschreibung sich auf den David des Bargello bezieht, diese Figur aber wahrscheinlich für die Medici-Kap. bestimmt war (Popp), so ist es möglich, daß M. dieselbe Figur, die er schon 1526 begann, nun für den Regenten v. Florenz bestimmte. (Die Identifizierung einer Bronzestatue des Apollo im Louvre mit dem Apoll B. Valoris (vgl. Popp: Med.-Kap., p. 171) ist unhaltbar, da die Louvrefigur nichts mit M. zu tun hat.) 3. Der zweite Regent von Florenz, Nicolaus von Schomberg (seit 1531 Februar), vermittelt den Wunsch des Erzbischofs v. Capua, ein Gemälde M.s zu besitzen. M. wählt als Thema das Nolimetangere. Der Karton entsteht Okt. 1531, die Ausführung besorgt Pontormo. (Ober die Kopien vgl. Gamba, Boll. d'Arte, 1909 p. 148 ff.) 4. Dez. 1531 erbittet der Kardinal Ciböeinen Grabentwurfvon M. Wahrscheinlich ist die Zeichnung Frey 70 in diesem Zusammenhang entstanden (dem Stil nach gehört sie in den Anf. der 30er Jahre, nicht Mitte d. 40er Jahre wie Popp, Med.-Kap. p. 127, annimmt). 5. Von Okt. 1531 bis Juli 1533 wird die Reliquientribüne in S.Lorenzo (die an Stelle des Planes des Ziboriums trat) über dem Haupteingang des Innenraumes ausgeführt (Abb. D. Frey: M. Bibl. d'Arte Illustrata, Taf. 14; Grundriß dazu Frey 135). 6. In der Lünette über der Reliquientribüne von S. Lorenzo scheint M. eine Himmelfahrt Christi geplant zu haben (um 1532/34). Entwürfe sind: Frey 136 u. eine Zeichnung des Arch. Buonarroti, Abb. Münch. Jahrb. 1928 p. 446. (Die Frage ausführlich behandelt ebda, p. 444 ff.) 7. April 1532 neuer Vertrag über das Juliusgrab (Milanesi 705/06). M. verpflichtet sich, 6 von den begonnenen Statuen: Moses, Madonna, Prophet, Sibylle u. die beiden Sklaven im Louvre (vgl. Milanesi p. 485) u. "alles übrige, was zum Denkmal gehört" d. h. das Quadro von 1505 u. 1513/14 zu liefern. Er soll ein neues Modell "ad suo piacere" ausführen (zur Zeit des Vertrages ist das Modell noch nicht gemacht). Als Aufstellungsort wird S. Pietro in Vincoli bestimmt (Juli/August 1533 wird die Mauer u. das Gewölbe von S. Pietro in Vincoli für das Denkmal hergerichtet). Wie das neue Modell aussah, ist mit Sicherheit bisher nicht ermittelt worden. Nur soviel geht aus dem Vertrage deutlich hervor, daß das radikal reduzierte Projekt von 1525 (vgl. oben) aufgegeben ist u. ein Rückgriff auf das Projekt von 1516 erfolgte. Das Untergeschoß wird in seiner Gliederung im wesentlichen mit dem seit 1505 feststehenden Plan identisch gewesen sein, wie es die Zeichnung Frey 10 (um 1532) bezeugt. Möglicherweise taucht nach dem Kontrakt zeitweise der Gedanke der maBstäblichen Vergrößerung des Untergeschosses auf: denn die Vittoria (um 1530/32, Skizze dazu im Arch. Buonarroti, Münch. Jahrb. 1928 p. 434) und ihr Gegenstück, die nur im Modell erhaltene Kampfgruppe (um 1530/32 Casa Buonarroti; vgl. Wilde, Jahrb. der Kunsthist. Samml. 1928 p. 199ff.), passen ihrer Breite u. Tiefe nach nicht in die ausgef. Tabernakelnischen des Untergeschosses, u. ebenso sind die 4 Bobolisklaven (Akad. Florenz) für das Untergeschoß zu hoch (vgl. Wilde a. a. O.). Die Bobolisklaven scheinen um 1532/34 entstanden zu sein (vgl. Münch. Jahrb. 1928 p. 83 Anm. 15). Kurz vor den Bobolisklaven entstand die Skizze für den rechten Ecksklaven (Smlg Sir Robert Witt), die das Motiv von 1516 erneuert (vgl. Munch. Jahrb. 1928 p. 70). Infolge der Berufung M.s nach Rom (1534) wird dies Projekt endgültig fallen gelassen. Wahrscheinlich April 1532 schloß M. in Rom die Bekanntschaft mit dem jungen röm. Edlen Tommaso Cavalieri (vgl. Steinmann-Pogatscher, Rep. f. Kw. 1906 p. 496ff.). Die harmonische Vereinigung geistigen Adels u. körperlicher Schönheit liebt u. verehrt M. in ihm mit leidenschaftlicher Inbrunst. Einige derschönsten Liebessonette richtete er an C. (z. B. Frey: Die Dichtungen des M. B. 1897 Nr 43, 44, 45, 46, 50, 51, 52, 55, 64, 65, 76, 79 usw.). Mehrere sorgfältig ausgeführte Kreidezeichnungen schenkt er ihm: Ganymed (Januar1533, nur in Kopie erhalten, Frey 18); Tityos (Januar1533, Frey 6 [hier irrigerweise im Gegensinn abgeb.]); Phaetonsturz (Juni/August1533, Frey 57, 75, 58). (Die sog. "Bersaglieri", Frey 298, u. das "Kinderbacchanal", F. 187, nur in Kopien erhalten.) Diese Zeichnungen sind Allegorien seiner Liebesleidenschaft zu Cavalieri. Der Stil der Blätter zeigt bereits den Übergang von den schlanken Formen der späten Medicifiguren zu den wuchtigen Körpern, die das Jüngste Gericht kennzeichnen. Die Freundschaft mit Cavalieri dauerte bis zum Tode M.s. Den Auftrag, die Altarwand der Sixtin. Kapelle mit dem Jüngsten Gericht auszumalen, erhielt M. von Clemens VII. (Herbst 1533/Frühjahr 1534). An die Eingangswand sollte ein Engelsturz gemalt werden. (Die Dokumente zum J.G. zusammengestellt von Pogatscher in: Steinmann, Die Sixt. Kap., II 742ff.) Der Karton ist Sept. 1535 fertig; die Ausführung beginnt April-Mai 1536. Die obere Partie des Freskos ist Dez. 1540 vollendet; das ganze Fresko wird Okt. 1541 enthüllt. Frühester Entwurf Frey 20 (noch ohne die beiden oberen Ecklünetten). Dann folgen Studien zu Einzelfiguren (im Cod. Vat.): 1. ein Himmelfahrender (Rep. f. Kw. 1927 p.173); 2. ein ringender Verdammter (a. a. O. p. 175); 3. ein Laurentius (a. a. O. p. 176). Es folgt Frey 79 (Skizze M.s über Schülerzeichnungen hinweg). Detailstudien zum Bein Christi u. zu dem Knie des Laurentius im Cod. Vat. a. a. O. p. 179, 188. (Die übrigen Zeichnungen, die mit dem Jüngst. Gericht in Zusammenhang gebracht worden sind [vgl. Thode II 6ff.], sind apokryph.) Die Komposition im ausgeführten Fresko - mit der Kreisbewegung um Christus herum - ist ganz neuartig für ein Jüngstes Gericht: gleichsam ein in Menschenhaufen umgesetztes gigantisches "Fortunarad". (Auf der Haut des Bartholomäus das "Selbstbildnis" M.s [vgl. La Cava, Il volto di M., 1925].) Einflüsse der Fresken Signorellis in Orvieto, des Freskos des Jüngsten Gerichts im Camposanto zu Pisa (vgl. Gebärde Christi) oder anderer Bilder, die dieselbe Gebärde zeigen (wie z. B. Giov. di Paolo: J. G. Akad. Siena; Bertoldo di Giovanni: Revers der Medaille Filippo Strozzis), sind fühlbar. Auch antike Motive wirkten, z. B. der Apollo von Belvedere (vgl. Christus des J. G.s) u. die Niobidengruppe (vgl. die Figur der "Ecclesia" [bisher irrig gedeutet]). Die inhaltliche Inspiration durch Dante (Kallab, Borinski u. Steinmann) ist nur allgemeiner Art. Feo Belcari: Rappresentazione del di del Giudizio (Thode), hat gar nicht gewirkt. Unter Paul IV. Carafa wurde das Fresko von Daniele da Volterra z. T. übermalt (die Schamteile aller Figuren wurden verdeckt; die Hll. Blasius u. Katharina wurden gänzlich umgestaltet). Den Zustand vor der Restauration zeigt u. a. Maicello Venustis Kopie in Neapel. Während der Arbeit am Jüngsten Gericht entsteht die Brutusbüste, um 1537/38 (im Anschluß an antike Caracalla-Büsten), die T. Calcagni beendet (vgl. Grünwald, Florent. Studien, p. 11ff.). Ende 1538: Bekanntschaft M.s mit Vittoria Colonna, der Witwe des Marchese di Pescara, durch die M. die Reformideen Occhino's u. Pole's kennen lernt; bis zum Tode Vittorias (Febr. 1547) besteht innige Freundschaft zwischen ihnen (vgl. Francisco de Hollanda: Vier Gespräche über die Malerei, ed. Vasconcellos). Eine Reihe von Sonetten religiösen Inhaltes widmet ihr M. (z. B. Frey: Dichtungen d. M. Nr 90, 96, 109/97, 109/98, 109/103 usw.). Mehrere Vorwürfe - durchwegs religiösen Inhaltes - entstehen für V. Colonna: 1. Die Kruzifixdarstel1 ungen. 2 Haupttypen: a) Christus als Lebender am Kreuz (ohne Maria u. Joh.), um 1540, nur in Kopien erhalten: Frey 287 u. 160 (vgl. Rep. f. Kw. 1927 p. 199 Anm. 1). b) Christus als Toter am Kreuz mit Maria u. Joh. (um 1545): Frey 130, 129, 180, Thode 471 (Abb. Brinckmann: M.-Zeichnungen 74), Frey 127, 128. Vgl. Rep. f. Kw. 1927 p. 199 Anm. 2. Auch als Marmorgruppe wollte M. das Kruzifix mit Maria u. Joh. zu dieser Zeit ausführen (vgl. die Werkzeichnung im Arch. Buonarroti, Münch. Jahrb. 1928 p.461). 2. Pietà (Relief) für V. Colonna. Nur in Kopien erhalten (vgl. Thode, K. U., II 492f.). Bei Thode nicht erwähnt eine Kopie in S. Spirito in Sassia, Rom. 3.Christus u. die Samariterin. Gemäldeentwurf für V. Colonna (von Juli 1541). Nur in Kopien überliefert. Vgl. Thode, K. U., II 464. 4. Christi Abschied von Maria. Gemäldeentwurf, wohl ebenfalls für V. Colonna. Vgl. Thode, K. U., II 502. Nach Beendigung des Jüngsten Gerichtes Auftrag Pauls III. auf Ausmalung der Capp. Paolina (1541, Herbst). Die Dokumente am besten zusammengestellt bei Pastor, Gesch. d. Päpste, V (1909) 795/7. Zuerst entsteht die Bekehrung Pauli (von Sommer 1542 bis August 1545), dann die Kreuzigung Petri (von März 1546 bis 1550). Der Originalkarton für die linke untere Ecke des Freskos in Neapel erhalten (vgl. Steinmann, Boll. d' Arte, 1925 p. 11 ff.). Die Bekehrung Pauli wurde (gleich dem Jüngsten Gericht) im 16. Jahrh. übermalt. Den Zustand vor der Bedeckung der Schamteile zeigt der Stich Beatrizets (B. 33). Die Komposition beider Paolina-Fresken ist aus dem Jüngsten Gericht entwickelt (Kreisbewegung). Ganz neu - dem Gericht gegenüber - ist die zarte flaumige Schönfarbigkeit: ein deutlicher Rückgriff auf das Kolorit der Decke. (Dies gilt bes. von der Kreuzigung Petri; die Bekehrung Pauli sehr schlecht erh.) 1542 wird die Arbeit am Juliusgrabwiederaufgenommen. Der untere Teil der Architektur wird (wahrscheinlich damals) aufgemauert (wobei die 1505/6 u. 1513/14 zubehauenen Steine verwendet wurden). Neu hinzukamen ein flaches graues Marmorpostament; die Halbfiguren der Termini; die Voluten vor den Hermenpilastern. Mai/Juni 1542 wird der Vertrag für Ausführung der Architektur des Obergeschosses abgeschlossen (Milanesi 710f. u. 712f.). Der letzte Vertrag ist von August 1542 (Milanesi 715). Das Denkmal ist Februar 1545 vollendet. Statt der beiden Louvresklaven - die M. jetzt ungeeignet findet - macht er die Rahe Iu. Lea. Die Madonna, der Prophet u. die Sibylle (Obergeschoß) sind von M. nur begonnen, von Raffaello da Montelupo vollendet worden. Die liegende Papststatue ist von Tommaso di Pietro Boscoli. Der Moses wird statt im Obergeschoß in der Mittelnische des Erdgeschosses aufgestellt. Die Kandelaber sind nicht gemäß dem letzten Entwurf (erhalten im Cod. Vat.) ausgeführt. (Vgl. Rep. f. Kw. 1927 p. 163ff.) 2 weitere Grabentwürfe gehören in die 40er Jahre: 1. das Grab Cecchino Braccis (1544) in S. Maria in Aracoeli (ausgef. von Urbino). Skizzen dazu Frey 236 u. Münch. Jahrb. 1928 p. 397. (Popp, Med.-Kap., p. 127, bringt auch Frey 285 u. Frey 70 [links oben] mit dem Bracci-Grab in Verbindung [?J.) 2. Freigrabentwurf für Paul III. 1544/45. Nach Popp, a. a. O. p. 84 u. 127, sind Frey 267b, 39, 125a Entwürfe für das Grab Pauls III. Die späten architekton. Werke. M. tritt als Architekt unter Paul III. das Erbe Ant. da Sangallos an. Nach Sangallos Tod (Okt. 1546): 1. Auftrag, S. Peter zu vollenden. (Zur Gesch. von S. Peter vgl. K. Frey, J. d. pr. K. Bd 30 Bh. p. 103ff., Bd 31 Bh. p. 1ff., Bd 33 Bh. p. 1ff., Bd 37 Bh. p. 22 ff.; O. Pollak, J. d. p. K. Bd 36 Bh. p. 21 ff.; D. Frey, M.-Studien, 1920; Alker, Portalfassade v. S. Peter [Diss. Karlsruhe], u. Tolnai, J. d. p. K. 1930 p. 1 ff.). M. macht zunächst 2 Modelle des Gesamtbaues: ein kl.Tonmodell (Sept./Nov. 1546; Zeichnung nach dem Modell von Dupérac, Abb.: J. d. p. K. 1930 p.5, u. Grundriß d. Cod. Vat. Rep. f. Kw. 1927 p. 160) u. ein großes Holzmodell (1546 Nov./1547 Sept.: Stiche nach dem Modell v. Dupérac). Am 1. 1. 1547 (?) wird M. zum Bauleiter v. S. Peter ernannt. Er verstärkt die 4 Kontrepfeiler der Kuppel u. beginnt die beiden Tribünen im N. u. S. Juli 1547 (Milanesi 211) studiert er die Maße der Kuppel von S. Maria del Fiore in Florenz. (Damals entstanden ' die Studien zur Kuppellaterne in der Casa Buonarroti. Abb.: J. d. p. K. 1930 p. 9.) 1551 ist die südl. Tribuna bis zur Höhe des Kuppelansatzes aufgemauert. 1557 ist der Tambour der Kuppel fast fertig. Frühjahr 1557: die südl. Tribuna (Kapelle des Königs von Frankreich) wird falsch gewölbt. Man muß den ausgeführten Teil abbrechen. 1557 bitten die Freunde M.s, ein Modell der Kuppel zu machen. Juli 1557 entsteht ein Tonmodell der Kuppel (Zeichnung dazu Frey 168). Nov. 1558/Nov. 1561 entsteht das gr. Holzmodell der Kuppel, das die definitive Gestalt zeigt (verschollen). Vorbereitende Studie in Haarlem (Knapp 326). Quellen: Beschreibung Vasaris (228f.; interpretiert von Panofsky, Rep. f. Kw. 1927 p. 45f.), Ricordi, Zeichnungen d. Uff. Arch. Nr 92 u. 94 (nach dem Modell). 1555, 1557 u. 1563 droht die Arbeit stecken zu bleiben; die Gegner M.s arbeiten daran, Sangallos Projekt zum Sieg zu verhelfen. Nach dem Tod M.s wird die Kuppel von G. della Porta (1588/90) im wesentlichen nach M.s Plan (vgl. J. d. p. K. 1930 p. 1 ff.) vollendet. (Das Kuppelmodell im Museo Petriano ist von G. della Porta.) - 2. Nach d. Tode Sangallos (1546) wird M. zum Archit. des Pal. Farneseernannt. Er führt das Kranzgesims (1547; vgl. Meller, J. d. p. K. 1909 p. 1ff. u. J. d. p. K. 1930 p. 33 ff.), das Mittelfenster der Fassade u. das (erste u.) zweite Stockwerk des Hofes aus. - 3. In dasselbe Jahr (1546) fällt der Beginn des Neubaues des Capitols. (Die Statue des Marc Aurel wurde schon 1538 am Capitol aufgestellt, erhielt aber erst nach 1548 die neue Basis von M. Vgl. J. d. p. K. 1930 p.27.) Zuerst wird die Stiege des Senatorenpalastes ausgeführt. 1560/61 besonders rege Bautätigkeit. Als M. starb, war noch keiner der Paläste fertig. Ober M.s Projekt vgl. J. d. p. K. 1930 p. 22ff. - 4. 1548: Entwurf der Brücke S. Maria (1557 wurde die Brücke zerstört). Nur durch Medaillen (vgl. Bonanni. Numismata Pontificum, 1706 Taf. 38, 39) überliefert. - 5. 1550: Entwurf für die Treppen u. Terrassenanlage des Belveder eh ofes. Vgl. J. d. p. K. 1930 p. 29 ff. - 6. 1550: Beginn der Tätigkeit an S. Giovannidei Fiorentini (die Baugesch. von S. Giov. dei F. am besten zusammengestellt bei Popp, Münch. Jahrb. 1927; Ergänzung: J. d. p. K. 1930 p. 15ff.). - Zuerst entsteht die Zeichnung der Uffizien (vgl. Popp a. a. O. p. 418), die noch mit dem Langhaus Sangallos rechnet (nur sind die Säulen Sangallos weggelassen); im Querschiff sind die Grabmale der Verwandten Julius' III. untergebracht. Es folgen die beiden Zentralbauentwürfe in Dresden (Popp a. a. O. p. 424f.). 1559 entstehen die monumentalen Entwürfe Frey 296, 295, 294. Das Modell gibt die Radierung Le Merciers wieder (vgl. J. d. p. K. 1930 p. 17). 1554 verwendet M. die Uffizienzeichnung mit dem Langhaus für die Kirche Gesü. Vgl. Fopp a. a. O. p. 418. - 7. 1551, Modell für den Palast Juhu s' III. (verschollen). - B. Juli 1561: Kontrakt über die Porta Pia (Gotti II 160). Sie blieb unvollendet. Die ursprüngl. Fassung überliefert ein Stich von 1568 (vgl. J. d. p. K. 1980 p. 42 ff.; hier auch alle Skizzen zur Porta Pia veröffentlicht) - 9. 1563/66: Umgestaltung der Diocletiansthermen zur Kirche S. Maria degli Angeli nach M.s Plänen. Die Orientierung der Kirche war mit der heutigen identisch. Den Zustand zur Zeit M.s überliefert der Stich von 1703 (vgl. J. d. p. K. 1930 p. 18ff.). - 10. Vor 1564 begann Tiberio Calcagni auf Grund von M.s Skizzen die Capp. Sforzain S. Maria Maggiore. Skizzen dazu sind Frey 95 u. 284 (vgl. D. Frey, M.-Studien, p. 65). Die später abgebrochene Fassade publizierte in Stich Fasolo in Architettura e Arti Decorat., 1924 p. 433 ff. Die Pietà (Dom, Florenz), die M. ursprünglich für sein eigenes Grab bestimmte, entstand um 1550/55. In einer Anwandlung von Unzufriedenheit mit seiner Arbeit (oder weil der Marmor fehlerhaft war?) zerschlug er das Werk. Die Stücke wurden von T. Calcagni pietätvoll zusammengefügt (die Brüche noch heute erkennbar). Calcagni vollendete die Figur der Magdalena (vgl. Grünwald, Florent. Studien, p. 14ff.). Im Nicodemus hat Vasari das Selbstbildnis M.s vermutet. Die Gruppe bezeichnet den Anfang des Altersstiles. Um 1556/57 entstanden mehrere religiöse Entwürfe (über die Datierung vgl. Rep. f. Kw. 1927 p.178 Anm. 1): 1. Verkündigung. Frey 140, 1556/57. Das Thema beschäftigte M. schon Mitte der 40er Jahre. Damals entstand sein Entwurf für den Kardinal de Cesis, den M. Venusti ausführte. (Vgl. Thode, K. U., Il p. 456f.) Die Zeichnung Frey 190 scheint damals entstanden zu sein. 2. Christus am Ölberg. Frey 240 (um 1556157). Auch dieser Gedanke beschäftigte M. schon Mitte der 40er Jahre; vgl. die beiden Skizzen im Cod. Vat. Rep. f. Kw. 1927 p. 177, 78. (Über die Gemäldekopien vgl. Thode, II 403.) 3. Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel. Frey 253,252.254,256, 255, um 1556/57 (vgl. Rep. f. Kw. 1927 p. 178 Anm. 1). 4. Herculesu. Cacus (?). Frey 157, um 1556/57. Auch mit diesem Problem beschäftigte sich M. bereits Mitte der 40er Jähre (vgl. die Skizzen Frey 76). Von etwa 1555/50 bis 1564 entsteht die Pietà Rondanini (Pal. Sanseverino, Rom). Zeichnung dazu Frey 239. Die Christusfigur neigte ursprünglich mehr zur Seite (siehe den rechten Armstumpf von der ersten Fassung). Bei der Oberarbeitung wurde der Kopf Christi aus der rechten Schulter der Maria herausgeholt. Die Gesamtgruppe wurde dadurch schlanker. Der Typus ist eine spätmittelalterl. nord. Erfindung. (Vgl. Panofsky in Festschr. f. M. J. Friedländer,1927 p.273.) Zu den spätesten Zeichnungen gehören: 1. Madonna mit Kind (stark beschädigt). Frey 34. 2. die Kruzifix-Skizze des Cod. Vat. (Rep. f. Kw. 1927 p. 198 ff.) mit dem gabelförmigen Kreuz (Einfluß der Dugentokunst). 3. Mutter u. Kind. Frey 257. Über die stilgeschichtliche Stellung M.s gehen die Ansichten der Forscher stark auseinander. Burckhardt, Gurlitt, Wölfflin, Schmarsow, Riegl, Dvofák, D. Frey rechnen seine Jugend (bis etwa 1520/30) der Hochrenaissance, die mittlere u. spätere Schaffensepoche dem Barock zu (M. der "Vater des Barockstiles"). Geymüller konstatierte die gleichzeitige Gegenwart mehrerer Stilrichtungen in denselben Werken (eine "strenge", renaissancehafte; eine "ganz freie", barocke; eine "vermittelnde"). Frankl u. Brinckmann betonten das Renaissancemäßige seiner Raumgestaltung. W. Friedländer, Pinder, Pevsner rechnen seine Werke z. T. zum Frühbarock, z. T. zum Manierismus. Neuerdings dringt die Auffassung immer mehr durch, daß M.s Kunst einen selbständigen Stil repräsentiert, der sich sowohl von den Gestaltungsprinzipien der Renais. als auch vom Barock scharf unterscheidet (Panofsky, Tolnai.) Verzeichnis der wichtigsten M.-Apokryphen. A. Plastik. 1. Faunskopf (Bargello). Bezweifelt u. a. von Wölfflin, Thode, K. Frey. - 2. Apollo u. Marsyas (München, Smlg v. Liphart). Vgl. Mackowsky, Apollo u. Marsyas, M.s frühestes Werk, 1929. Bezweifelt u. a. von K. Frey, Q. F., p.95. - 3. Apollostatuette (Berlin). Vgl. Bode: Jahrb. d. p. K., 1901 p. 68. Bezweifelt u. a. von K. Frey, Q. F., p. 98ff. - 4. Kruzifix von S. Spirito (Florenz). Vgl. Thode, K. U., 1 18. Bezweifelt u. a. von Wickhoff, Ges. Schriften, 11 350 ff., K. Frey, Q. F., p. 106. - 5. Giovannino (Berlin). Vgl. Bode, J. d. p. K., 1881 p. 72ff. Bezweifelt u. a. von Wölfflin (Girolamo Santacroce zugeschr.), Grünwald (D. Pieratti zugeschr.), Gamba (Silvio Cosini zugeschr.). - 6. Schlafender Cupido (Turin). Vgl. K. Lange, Z. f. b. K., 1883 p. 233ff. Bezweifelt u. a. von A. Venturi, Wölfflin, K.Frey. - 7. Bacchus und Ampelos (Florenz, Uffizien). Bezweifelt u. a. von Wölfflin, Gamba (Silvio Cosini zugeschr.), Grünwald (Giovanni Caccini zugeschr.). - 8. Sterbender Adonis (Florenz, Bargello). Bezweifelt u. a. von Wölfflin, Grunwald (Vincenzo de' Rossft zugeschr.). - 9. Cupido (London, South Kens. Mus.). Bezweifelt u. a. von Kriegbaum (V. Danti zugeschr.). - 10. Kreuzigung des Hl. Andreas (Bargello). Vgl. L. Dami, Dedalo, 1926/27 p. 29 ff. Bezweifelt u. a. von Thode (Bandinelli zugeschr.), Popp (Tribolo zugeschr.). - 11. Kniende Frauenfigur (München, Privatbesitz). Vgl. Kieslinger, Jahrb. d. p. K., 1928 p. 50 ff. U. E. nicht von M. - 12. Apollon Pythoktonos (Paris, Louvre). Vgl. J. Six, G. d. B. A., 1921 I 166 ff. Bezweifelt u.a. von Panofsky. - 13. Simson-Gruppe, Montpellier. Vgl. Brinckmann, Belvedere, 1927 p. 155ff. - 14. Modell Giulianos (Edinburg). Vgl. Popp, M. K., p. 142. Bezweifelt u. a. von Panofsky. - 15. Pietà (Palestrina). Vgl. Grenier, G. d. B. A., 1907 I 177 ff. Bezweifelt u. a. von Steinmann, A. E. Popp. B. Gemälde. 1. Madonna mit d. kl. Joh. (Wien, Akad.). Bezweifelt u. a. von Popp (A. Mini zugeschr.). - 2. Madonnavon Manchester (London). Bezweifelt u. a. von Wölfflin, Popp (A. Mini zugeschr.). - 3. Gr ablegung Christi (London). Bezweifelt u. a. von Wölfflin, Popp (Carlone zugeschr.). Die in obigem Text vorgetragenen neuen Zuschreibungen werden ausführlich behandelt und in Abb. publiziert in der demnächst erscheinenden M.-Monographie von K. Tolnai. Quellen. K. Frey, Le vite di M. B. (Samml. ausgew. Biogr. II), Berl. 1887 (Vasari I. Ausg., Condivi, Vasari II. Ausg.). - Vasari, Vite, Deutsche Ausg. Gottschewski u. Gronau, V II/2. Bearb. von F. Schottinoller. p. 283/502, mit knapper Bibliographie (p. 284). - G. Milanesi, Le lettere di M. B., Florenz 1875. - K. Frey, Die Dichtungen des M. B., Berl. 1897. - G. Gaye, Carteggio ined. d'Artisti, Florenz 1840, 11. - G. Daelli, Carte Michelangiolesche ined., Mailand 1865. - A. Gott i, Vita di M. B., II, Florenz 1875. - G. Milanesi, Les correspondants de M. B. 1. Seb. del Piombo, Paris 1890. - K. Frey: Samml. ausgew. Briefe an M. B., Berl. 1899. - Eine vollständige Ausgabe der M.-Dokumente bereitet Giov. Poggivor. Neuere Lit.: E. Steinmann u. Wittkower, M.-Bibliographie 1510-1926, Leipzig 1927. Als Ergänzung zu dieser großen und auf absolute Vollständigkeit abzielenden Arbeit diene folgendes Verzeichnis: [Anonym] Discoveries amongst the Drawings in the Roy. Coll. at Windsor, in: The Fine Arts Quarterly Review, I (Lo. 1863) 163165. - Carlo Aru, 1 Dialoghi romani di Francisco de Hollanda, in: L'Arte, 31 (1928) 117/28. - Th. Ashby, Topogr. Study in Boule in 1581. A series of views with a fragment. text by É. du Pérac in the 1.ibrary of C. W. Dyson Perrins Esq., 1.o. 1916. - A. Ber tin i, 11 problema del non finito nell' arte di M., in: L' Arte, 33 (1930) 121/38. - S. Borghesi e L. Banchi, Nuovi Docum. per la storia d. arte senese, in: Append. alla racc. pubbl. dal comm. Gaet. Milanesi, Siena 1898. - K. Brandi. M.s kunstler. u. religiöse Entwicklung, Lpzg o. J. - A. E. Brinckmann, Baukst d. 17. u. 18. Jahrh. in den roman. Ländern (Handb. d. Kstwissensch.), Berl.-Neubabelsberg o. J. [1915]; ders., Die Simson-Gruppe des M., in: Belvedere, XI (1927) 155159. - E. Chiriotti, M. B., Turin 1928. - A. Condivi, La vita di M. B. Prefaz. e note di P. d' Ancona, Mailand 1928. - L. Dami, Un'opera nhisconostiuta di M., in: Dedalo, III (1926127) 29142. - F. Filippini, M. a Bologna, Bol. 1928; vgl. Besprechung von A. C. in L'Arte, 31 (1928) 271. - G. de Frankovich, Appunti su Donatello e Jac. della Quercia, in: 'toll. d'Arte del Minist. d. Educaz. Naz., IX (1929) 145/71. - C. Gamba, Silvio Cosini, in: Dedalo, X (1929) 228154: der s., Un ritratto poco noto di M., in: Riv. d'arte, XI (Serie I1, anno 1), 1929, p. 65171. Goww ans, Les Chefs-d'oeuvre de M., Paris 1924. - O. Grautoff, Romain Rolland, M., in: Kstchronik N. F. 31 (1919120) 66 f. - Grigoletti, Nell' anniversario d. morte di M., Triest 1871. - G. Gronau, Dokumente zur Entstehungsgesch. der N. Sakristei u. der Bibliothek von S. Lorenzo in Florenz, in Jahrb. d. preuß. Kstsammlgn, 32 (1911) Beiheft p. 62181. - D. Guilmard, Les Maitres orneman., Paris 1880, p. 283. - W. Hager, Die Ehrenstatuen d. Päpste. Lpzg 1929. - Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Beziehungen zum Herzog Philipp 11. v. Pommern-Stettin. in: Quellenschr. f. Kstgesch. usw., N. F. VI, Wien 1894. - W. Hausenstein, M. von Norden gesehen, in: Meister u. Werke. Münch. 1930. - Rich. Hoffmann, M. Das Jungste Gericht der Sixt. Kap. Mit e. Einleit. von R. H., Augsburg 1928. - Th. Hofmann, Entstehungsgesch. von S.Peter, Zittau i.S. 1928. - Antonie Jüngst, M.B., in: Die Kultur I 5. - Fr. Kieslinger, Ein unbekanntes Werk des M., in: Jahrb. d. preuß. Kstsamplgn, 49 (1928) 50/54. - Kleinpaul, M. als Zeuge der evangel. Wahrheit. Zu seinem Todestage, in: Wissensch. Beil. d. Leipz. Zeitg, 1894 Nr 21. - Krausse d'A vis, M. u. Vittoria Colonna, in: Waldorf-Nachrichten, III (1921) 167/71. - F. Kriegbaum, Zum Cupido des M. in London, in: Jahrb. d. Ksthist. Slgn in Wien, N. F. III (1929) 247/57; ders., - über den Entwurf M.s zu einem Kristallgefäß f. d. Kardinal Carpi (Vortrag geh. im Ksthist. Inst. Florenz. Vgl. Cicerone, 21 [1929] 420). - J. Landsberger, Der Moses des M., in: Die Grenzkoten, 1879, 28. - Letarouilly-Simil, LeVatican.Emil Ludwig, M., Berl. 1929.- H. Mackowsky, M.s first Sculpture, in: The Burlington Magaz., 53 (1928) 165170 (vgl. dazu: Pantheon, II [1928] 373); ders., Apollo und Marsyas. M.s frühestes Werk. Privatdruck 1929. - E. Maclagan, M. A.s Cupid: Some disputed points, in: Art Studies, 1928 p. 3. - C. Mallarmé, l.a sepoltura di M., in: La Nazione, 1928129 (wichtig der Aufsatz G. Poggis [22. 2. 1929] als Erg. des Mailarmé'schen Aufsatzes); ders., L'ultima tragedia di M., Rom 1929. - 1. Mestrovié in: Nova Evropa (Agram), XIV 243ff. - Bruno Meyer, Zum Gedächtnis M.s, in: Deutsche Warte, V11117. - A. de Montaiglon, Corresp. des Direct. de l'Acad. de France à Rome, 1887/1908. - A. Neumeyer, Burgkmair u. M., in: Münchner Jahrb. d. bild. Kst, N. F. V (1928) 64/69; ders., M.s Fresken in der Capp. Paolina des Vatikans, in: Zeitschr. f. bild. Kst, 63 (1929/30) 173/82. - M. Neusser,.Antikenergänzungen der florent. Manieristen, in: Wiener Jahrb. f. Kstgesch., VI (1929) 27. - Em. Ollivier, M., Introduz. e annotaz. di Corrado Barbagallo, Mail. 1927. Bespr. von A. Ghidigliain: L'Arte, 30 (1927) 187 f. - Ch. Oulmont, Collection M. F. Gentili di Giuseppe, in: Les Arts, 1917 Nr 162 p. 5 (Abb.), 10 (Sepiaskizze f. das Sixtinafresko: Wunder der ehernen Schlange). - E. Panofsky, Kopie od. Fälschung?, in Ztschr. f. bild. Kst, 61. Jahrg. (1927/28) 221/44; ders., Noch einmal "Kopie od. Fälschung?", ebda 62. Jahrg. (1928/29) 179/83. - Anny E. Popp, Unbeachtete Projekte M.s, in: Münchner Jahrb. d. bild. Kst, N. F. IV (1927) 3891477; dies., Kopie oder Fälschung, in: Zeitschr. f. bild. Kst, 62. Jahrg. (1928 bis 1929); 54167; dies., Fälscht. M. zugeschrieb. Zeichnungen. I. B. Cellini. II. Eine Falschung. Ill. Der Salzfaßentwurf f. d. Herzog v. Urbino, ebda 61. Jahrg. (1927/28) 8/17. - Franck Puaux, Vie de M.-A., Paris 1874, 8° 32 S. 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