Rainer, Arnulf (Pseud.: TRR; TRRR; Zuzulu), österr. Maler, Zeichner, Grafiker, Fotograf, *8.12.1929 Baden b. Wien, tätig u.a. in Wien, Berlin, München und Teneriffa.
Rainer, Arnulf
Ausz. (Auswahl): 1966 Österr. Staatspreis für Grafik; 1978 Großer Österr. Staatspreis; 1981 Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt; 1989 Preis des Internat. Center of Photogr., New York; 1998 Officier de l'Ordre des Arts et des Lettres, Paris; 2003 Rhenus Kunstpreis, Mönchengladbach; 2006 Aragon Goya Preis, Zaragoza; 2014 Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land NÖ; 2015 Österr. Ehrenkreuz für Wiss. und Kunst I. Klasse. - R.s Entscheidung für eine künstlerische Laufbahn fällt 1944 während der Schulzeit in der nationalsozialistischen Erziehungsanstalt in Traiskirchen/NÖ, als er sich gegen die Anweisungen seines Kunstlehrers zum Zeichnen nach der Natur auflehnt. 1945 flüchtet er aus dem russ. besetzten Baden nach Kärnten. Während dieser frühen Jahre malt er von Luftaufnahmen inspirierte kartografische Kriegslandschaften oder Kärntner Lsch. ohne menschliche Figuren. Zugang zur internat. zeitgen. Kunst findet er erstmals 1947 durch Zss. im Brit. Council in Klagenfurt und Ausst. des Frz. Kulturinstituts in Villach. Dort sieht er u.a. Werke von Francis Bacon (1909). R. beschäftigt sich außerdem mit Theorie und Werk des Surrealismus, die großen Einfluss auf sein künstlerisches Selbstverständnis haben. Im selben Jahr begegnet er der Künstlerin Maria Lassnig. 1949 besteht er die Aufnahmeprüfungen, wendet sich aber nach einem Tag an der HS für angewandte Kunst und nach drei Tagen an der ABK in Wien vom Akademiebetrieb ab. Mit Arik Brauer, Ernst Fuchs (1930), Wolfgang Hollegha, Lassnig, Anton Lehmden, Josef Mikl u.a. gründet er 1950 die Hundsgruppe. R.s Zchngn sind intensiv verdichtete, surreal-figurative Fantasien wie Anfüllung der Welt. Während der Ausst. der Hundsgruppe in Wiener Ges. für Wiss. und Kunst macht R., enttäuscht von der Eröffnungsrede von Fuchs, eine spontane Publikumsbeschimpfung. Es entsteht die Grafikmappe Cave Canem, und er erfindet das Pseudonym TRR oder TRRR, das an das Knurren eines Hundes erinnern soll. Im Sommer 1951 reist er mit Lassnig nach Paris. Sie besuchen André Breton, den "Vater des Surrealismus", der ihre Erwartungen jedoch enttäuscht, und er macht u.a. die Bekanntschaft mit Paul Celan. In der Ausst. "Véhémences confrontées" (Gal. Nina Dausset) sieht R. Werke von Jackson Pollock, Georges Mathieu (1921), Willem DeKooning, Jean Paul Riopelle, Wols und Hans Hartung (1904). Es ist dies eine Begegnung mit informeller bzw. abstrakt-expressiver Kunst, die sein Schaffen nachhaltig prägen wird. Zurück in Österreich sucht er nach einem schöpferischen Nullpunkt, indem er mit geschlossenen Augen oder in äußerster Dunkelheit Blindzeichnungen ausführt. Damit verwandelte er die auch von Surrealisten genutzte Technik der écriture automatique, indem er der informellen psychomotorischen Bewegung der Hand in sekundenschnellen Kürzeln Ausdruck verleiht, die er auf den Bll. autonom stehen lässt. Einen Gegenpol dazu bilden die Mikrostrukturen, die R.s paralleles Interesse an einer systematischen und die gesamte Bildfläche gleichwertig einnehmenden Strukturierung offenbaren. In den weitgehend mit schwarzem Malmittel ausgeführten Zentral- und Vertikalgestaltungen (ab 1951) sowie in den farbigen Proportionsstudien (1953/54, geometrisch organisierte Collagen aus Papier), erforscht er die ordnenden und impulsiven Gestaltungsmethoden weiter, sowohl unabhängig voneinander als auch parallel in derselben Zchng. Ab 1953 findet er im asketischen Rückzug in Gainfarn b. Baden schrittweise zu den Übermalungen, seinem zentralen Schaffensthema, das er bis heute in schier unendlicher Vielfalt variiert. Er arbeitet mit Grafit, Kohle und zunehmend mit Tusche und Ölfarbe, setzt knappe malerische Gesten über- und nebeneinander, was zu einer farbgesättigten, zuweilen in sich nuancierten schwarzfarbigen Malerei führt. Anfänglich bedecken diese Flächen das Bild nur partiell und evozieren durch ihre Form oder unterstützt durch Bildtitel Assoziationen an die Gegenstandswelt (Kreuz, Sonne, Blume etc.). Sukzessive entstehen Werke, in denen R. in einem langen, zuweilen über Jahre hin ausgedehnten Prozess das gesamte Bildfeld mit Farbschichten bedeckt, bis auf eine unbearbeitet belassene Ecke. Mit diesen Bildern versucht R., wie er wiederholt in eig. Schriften formuliert, das Unvollkommene aus den Bildern zu tilgen und sich dem Absoluten anzunähern. Bereits mit Mitte 20 hat R. die Pole seiner künstlerischen Arbeit definiert: einerseits die aus den Blindzeichnungen hervorgegangene, extrem schnell und impulsiv ausgef. gestische Ausdrucksweise, andererseits die kontemplative, mit äußerster Bedachtsamkeit und Geduld entwickelte monochrome Übermalung. 1953 begegnet er dem Wiener Domprediger Monsignore Otto Mauer, Gründer und Leiter der Gal. St. Stephan (ab März 1964 Gal. nächst St. Stephan, Wien) wo sich die österr. Avantgarde versammelt und R. bis 1970 häufig ausstellen wird. 1956 entstehen die ersten großformatigen Kruzifikationen. Er führt sie auf Hartfaserplatten (seltener auf Lw.) aus, die er in versch. Kreuzformen zusammensetzt und übermalt. Im gleichen Jahr macht er erste Kaltnadelradierungen, eine Disziplin der Grafik, die er in ihrer Vielfalt fortan intensiv und parallel neben Malerei und Zchng ausübt; ab 1961 wird er auch Rad. überzeichnen oder übermalen. 1959 gründet R. mit Fuchs und Friedensreich Hundertwasser das "Pintorarium" als einen Gegenentwurf zur Akad. oder "ein Crematorium zur Einäscherung der Akad.". Der österr. Künstler und Filmemacher Peter Kubelka produziert den Film "Arnulf Rainer", der nur aus schwarzen und weißen Flächen zusammengesetzt ist. R.s Werk findet nat. und internat. große Beachtung und wird u.a. in der Ausst. "monochrome malerei" 1960 in Leverkusen zus. mit Lucio Fontana, Piero Manzoni, Yves Klein, Mark Rothko gezeigt. Renommierte Künstler wie Sam Francis, Mathieu (1921), Emilio Vedova oder Victor Vasarely stellen ihm Werke zum Übermalen zur Verfügung. R.s Interesse geht über das trad. Verständnis von bild. Kunst hinaus: Er befasst sich mit dem Potential menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten, wirkt bestehenden Kategorien von hoher und Nicht-Kunst entgegen und wird zu einer wichtigen Stimme innerhalb der Diskussion zur Definition von Kreativität und Kunst. So sammelt er auch seit den 1960er Jahren bildnerische Arbeiten von Menschen mit psychischer Erkrankung. Zur Erforschung von verdecktem kreativen Potential in sich selbst, führt er außerdem gezielte Experimente mit halluzinogenen Drogen und Alkohol durch, die 1966 in dem Film "Künstler unter Psilocybin" im Univ.-Klinikum Lausanne dok. werden; im Max-Planck-Inst. in München zeichnet er 1968 unter LSD-Einfluss. R. hat aus diesen Experimenten nach eig. Aussagen nur wenige für seine Kunst brauchbare Anregungen erhalten. Angeregt durch die oftmals starke Mimik psychisch Erkrankter experimentiert R. mit den Ausdrucksmöglichkeiten seines Gesichts, die er in einem öff. Passfotoautomaten aufnimmt. 1967 erweitert er seinen Kunstbegriff ins Performative, als er bei der Eröffnung der "Pintorarium"-Ausst. in der Münchner Gal. Richard P. Hartmann seine erste Körperbemalung eines nackten Modells ausführt. 1968 macht er erste Selbstbemalungen (Gesicht und Hände), mit denen er sich in der Wiener Innenstadt präsentiert. 1969 überarbeitet er erstmals vergrößerte Automatenfotos sowie von Fotografen angefertigte Aufnahmen von sich selbst. Seit 1970 steigert er die expressiven Farcen und Gesten und verschnürt außerdem Körper und Kopf mit Gummibändern, den Kopf überzieht er außerdem mit Strumpfmasken. Es entstehen die Face Farces sowie die Body Language und Gummibandserien. Er dokumentiert ab 1972 seine Grimassen und Gesten durch Video- und Filmaufnahmen. Durch die Übermalungen entdeckt er, wie er 1975 formuliert, "neue, unbek. Menschen, die in mir lauerten, die aber meine Muskeln alleine nicht formulieren konnten." Als ihm 1972 bei der Übermalung eines Selbstbildnisses der Pinsel abbricht, malt er in der Hast mit den Händen weiter. Die "Ohrfeigerei" (R.) faszinierte ihn, und er beschloss, dies zu verselbstständigen. Es entstehen die ersten Gestischen Handmalereien, die eine weitere Hauptgruppe seines Schaffens bilden (1981; 1997 Wiederaufnahme der "Hand- und Fingermalerei" in neuen Ser.). Überdrüssig, sich stets nur mit dem eigenen Körper zu befassen, geht er 1974 auf die Suche nach großen Mimen. Er fotografiert die im 18. Jh. entstandenen, kurios-komödiantischen Bronze-Köpfe Franz Xaver Messerschmidts und übermalt sie. Bald darauf übermalt er echte oder von ihm abfotografierte Totenmasken und wendet sich damit, fasziniert von dem "Eintritt ins Unmittelbare, Gesichtslose" (R.), dem letzten inszenierten Ausdruck des Menschen zu. Zahlr. Totenmasken erwirbt er mit dem Preisgeld, das er 1978 für den österr. Staatspreis erhalten hat. 1974 arbeitet er außerdem zus. mit Dieter Roth an den gemeinsamen Werken Misch- und Trennkunst. In Fortsetzung seiner Beschäftigung mit der Vielfalt körperlicher Ausdrucksmöglichkeiten entstehen die großen Zyklen Schlangenfrauen (Kontorsionistinnen), Frauensprache und Frauenrausch. 1979 malt R. zus. mit zwei Schimpansen. Daraus entwickelt sich die Ser. Nachmalungen, in der R. versucht, die entstandenen Zchngn und Malereien der Affen zu kopieren bzw. zu übertreffen. Durch die spätere Teiln. von Dieter Roth wird der experimentelle Wettstreit mit den Affen erweitert. Es entstehen Filme hierzu, darunter die ORF-Produktion "Körpersprache - Körperkunst" (1979). In den zwei 1978 entstandenen Werkserien mit dem Titel Reste übermalt er reale Fragm. bzw. dok. Fotos von Werken der 1950er Jahre mit schwarzer Tusche und Ölfarbe. Auf unterschiedlichste Weise beschäftigt sich R. bis heute weiter mit dem Motiv des Kreuzes. Er übermalt große, kreuzförmige Bildträger (Bretterkreuze u.a.) und appliziert darauf teilw. Spolien, darunter kleine, oft zerbrochene Christusfiguren, aber auch Spielzeug, wie Bären etc. Parallel beschäftigt er sich weiter mit kreuzförmigen Übermalungen auf rechteckigem Bildgrund, die zu einer großen Gruppe innerhalb seines Schaffens werden. Sie reicht von den 1950er Jahren über die Überarbeitungen fotografierter Selbstporträts aus den frühen 1970er Jahren bis hin zu den Kreuzbildern auf Papier im Spätwerk. Im Rahmen seiner Beschäftigung mit den Kreuzen aus Holz übermalt er nicht verwendete schmale Bretter (Ser. Schwarze Mumien). Es entsteht die Ser. Kistenwalhalla, in der er die 1978 erworbenen Gipstotenmasken einzeln in Holzkisten einschäumt und übermalt. Seit den 1970er Jahren bis in die Gegenwart hinein macht R. Übermalungen von Darst. auf Papier, die inhaltlich eine enzyklopädische Dimension haben. Mit großer Sorgfalt sucht er seine Vorlagen, die er abfotografiert und anschließend überzeichnet oder übermalt. Zunehmend experimentiert er mit dem fotograf. Prozess, legt versch. Prismen oder farbige Folien vor die Linse und verändert dadurch den zu bearbeitenden Bildgrund. Im Hinblick auf die Gesamtheit dieser Werkgruppen, die im Folgenden summarisch aufgelistet werden, äußert R. 1998: "Das Zeichnen ermöglicht mir eine imaginative Beweglichkeit, das heißt auch große Vielfalt innerhalb meines Werkes. Die zahlr. Ser. entstehen völlig eigenständig neben der Malerei, haben aber dann Einfluss auf sie." R. überarbeitet Motive zu den Themen Anatomie, Botanik, Zoologie (u.a. Aus der Schlangengrube und Animalia, 1985), Geologie, Astronomie, Theologie (u.a. Buddha-Ser., 2002), Gesch. (u.a. Ser. zu Antike, Ägypten, Asien, Katastrophen), Lit. (Victor Hugo, Traumland, beide 1998-2000), Archit. (u.a. Piranesi-Ser.), Lsch. (Kanaren, 2003), Maschinen, Zirkus, Karikatur etc. Bes. bek. ist der in zahlr. Ländern ausgestellte Zyklus Hiroshima (1982), in dem R. reportageartige Fotos überarbeitet hat, die zumeist anonyme Fotografen nach den Einsatz von Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki aufgenommen haben. Zu den wiederkehrenden Themen gehört das Überarbeiten von Werken and. Künstler. Auf die bereits 1976 erfolgten Übermalungen nach Charakterköpfen von Leonardo da Vinci folgen zahlr. and. (u.a. Vicent van Gogh, 1977; Rembrandt und Gustav Klimt, 1980/81; Francisco de Goya, 1983/84; Giotto, Sandro Botticelli, Fra Angelico, 1998/99; Caspar David Friedrich, 1999-2001; Werke von Künstlern der Art brut, 2002/03; Werke der AP in München, 2010). Von kontinuierlichem Interesse für ihn ist der Mensch und insbes. das menschliche Antlitz. R. übermalt immer wieder Selbstbildnisse, Christus-Darst. (ab 1980), Engelsköpfe (1992-96), Frauen-Darst. (div. Ser. ab 1977), Clown-Porträts (2008, 2010-13), Marionetten (2003/04) und Masken versch. Kulturen (div. Ser. 2003-12), Porträts und Karikaturen von Dichtern und Schriftstellern (Straßenräuber, 1979/80; Shakespeare, 1988), oder mimischen Experimenten mit Schauspielern (Theater/Minetti, 1985). Über seine künstlerische Arbeit und seine große internat. Ausstellungstätigkeit hinaus, ist R. 1981-95 an der ABK Wien als Prof. tätig. Ebenfalls 1981 wird er Mitgl. der AK in Berlin. 1985 arbeitet R. mit dem Maler und Aktionskünstler Günther Brus an der aus Zchngn über Naturselbstdrucken bestehenden Werkserie Vertiefung mit Bewölkung. 2009 kooperieren die beiden erneut für die kleinformatigen Zchngn Am Horizont der Sinne - Am Horizont der Dinge. 1992 beginnt R. die Arbeit an den großformatigen Geologica, die eine weitere markante Etappe in seinem Œuvre bilden. Hierbei handelt es sich nicht um partielle oder annähernd bildfüllende Übermalungen bestimmter Motive, vielmehr liegen ausschl. Farbschichten transparent übereinander, die R. in schwungvollen Bögen mit dem Malbesen aufträgt. Der Bildeindruck unterscheidet sich deutlich vom pastosen Farbauftrag früherer Werke. In direkter Nahsicht offenbart sich dem Betrachter ein Mikrokosmos aus wie willkürlich eingestreuten kleinsten Pflanzenteilen, zuweilen auch Metallspänen, die das Licht reflektieren. Der Blick scheint in unbestimmbar weite sphärische Dimensionen geleitet zu werden. 1994 variiert R. diese Malweise in der Ser. der Kosmosbilder auf rundem Grund. Bereits ein Jahr später entstehen die Mikrokosmos- und Makrokosmosbilder (Stern- bzw. Himmelsstrukturen). 1993-96 betreibt die Ayn Found. ein Arnulf Rainer Mus. in New York und gibt dort einen umfassenden Einblick in wichtige Werkgruppen des Künstlers. Aufgrund R.s intensiver künstlerischer Auseinandersetzung mit theologischen Fragen erhält er 1996 den Auftrag, eine Bibel zu gestalten. Hierfür überzeichnet er Bibel-Ill. u.a. von Gustave Doré. Dies knüpft an die seit 1964 entstehenden Bücherübermalungen an. 1997 entstehen die ersten Schleierbilder. Wie in den Geologica- und den Kosmos-Bildern arbeitet R. hierbei mit allen Farben des Spektrums, gibt jedoch in diesen vergleichsweise kleinen Werken der Farbe Schwarz wieder größeren Raum und ordnet den Farbauftrag in annähernd geometrischen Feldern. Einen Kontrast zur meditativen Anmutung dieser Bilder bilden die im selben Jahr erstmals ausgef. Diagonalmalereien. Sie sind den Hand- und Fingermalereien verwandt, doch während dort eine Fülle von "Ohrfeigen" die Lw. füllt, sind es hier diagonal durch das Bild führende Gesten, die als Vergegenwärtigung einer eruptiven Urkraft wirken. - R. hat in über 60 Jahren ein internat. einflussreiches Werk von hoher Eigenständigkeit, großem Umfang, ebensolcher Dichte und Kontrasten geschaffen. Mit seinen Übermalungen, seinen erfinderischen, hoffnungsvollen, widerspenstigen, provokativen, verzweifelten oder humorvollen malerischen Gesten, hat er eine eigenständige Disziplin entwickelt, die es ihm erlaubt, sowohl die eigene Kunst als auch die Gesch. der Malerei umfassend zu hinterfragen, auf sie zu reagieren und neu zu definieren. Durch die Übermalungen hebt er die vielschichtigen Bedeutungsebenen der Kunst einerseits hervor, andererseits tilgt er sie. Was als Auslöschung aufgefasst werden kann, bewahrt als schützende Schicht auch Vorhandenes und ermöglicht diese neue Form der eig. Malerei. R.s Schriften (R., ed. Thierolf, 2010) dokumentieren seine Reflexionen zu Kunst und Gesellschaft. Oft im unmittelbaren Anschluss an die Fertigstellung einer Werkgruppe verfasst, geben sie direkten Einblick in R.s künstlerische Entwicklung. Er arbeitetet im Spannungsfeld abstrakt und gegenständlich, kontemplativ und aktional und überschreitet die Grenzen von Zchng und Malerei bis hin zum Performativen. Innerhalb seiner Kunst lotet er damit physische und psychische Grenzen des menschlichen Daseins aus. Seismografisch veranschaulicht er in seinen Werken subtilste Regungen oder manifestiert maximale körperliche Kraft. Sein Werk widersetzt sich einer Einordnung in die geläufigen Ismen und doch ist er im Anschluss an die Bewegungen des Surrealismus, des Abstrakten Expressionismus und Action Painting einer der führenden Künstler des Informel und der monochromen Malerei.
Schriften. Selbstzeugnisse und ausgewählte Interviews, C.Thierolf (Ed.), Ostfildern 2010.
Einzelausstellungen:
Dauer-Ausst.: 2015ff. Jersey City, N.Y, Mana Contemp. (Ayn Found.); 2009 ff. Baden b. Wien, Arnulf Rainer Mus. Frauenbad (alle K). - 1951 Klagenfurt, Gal. Kleinmayer / Frankfurt am Main: 1952 Gal. Frank (K); 1976 Gal. ak (K) / 1981 Städel (K) / Wien: 1955 Gal. St. Stephan; 1968 Mus. des 20. Jh. (K, Retr.); 1972 Gal. Klewan; 1978-79 Österr. Gal. im Oberen Belvedere (K); 1982-83 Gal. Ulysses (K); 1986 MUMOK (K); 2000 BA Kunstforum (K); 2014-15 (K), '19-20 Albertina / 1962 Düsseldorf Gal. Schmela (K) / München: 1970 Gal. Schöttle (K); 1974, '77 Kunstraum (beide K); 1976 Gal. van de Loo (K); 1976-77, '78 Gal. Heiner Friedrich; 1977, '78 Lenbachhaus (beide K); 2010 AP (K) / 1972 Cambridge, Mass., Havard Univ., Busch-Reisinger Mus. / Köln: 1974 Gal. Karsten Greve; 1976 Gal. Michael Werner; 1992 Kunst-Station St. Peter (K) / 1975 Darmstadt, Hessisches LM (K) / Linz: 1976, 2017 Lentos (beide K); LG (K) / 1977 Bern, KH (K) / Venedig: 1986 Abbazia di S. Gregorio (K); 2003 Mus. Correr (K); 2003-04 Mus. Diocesano d'Arte Sacra und Mus. d'Arte dello Splendore (K) / 1980 Eindhoven, Van-Abbe-Mus. (K) / 1980-81 Berlin, NG (K) / Bochum: 1982-83 Gal. m (K); 1985 Schauspielhaus (K) / Mönchengladbach: 1984 Mus. Abteiberg (K) / 1986 Boca Raton, Fl., Ritter AG (K); Hasselt, Prov. Mus. Beginhof (K); Hamburg, KH (K); Lausanne, MBA (K) / New York: 1986 Maeght Lelong (K); 1986 Margarete Roeder Gall.; 1989 Guggenheim (K) / 1987-88 London, Inst. of Contemp. Arts (K) / 1988 Krefeld, Mus. Haus Lange und Haus Esters (K) / 1988-89 Leverkusen Mus. Morsbroich (K) / 1990 Zundert, Van Gogh-Centrum (K); 1990, '97-98 KM (beide K) / 1992 Houston, The Menil Coll. / 1995: Bukarest, NM Cotroceni (K); Bozen, Museion (K) / 1996 Reykjavik, NG of Iceland (K); Buenos Aires, MNBA (K); Santiago de Compostela, Centro Galego de Arte Contemp. (K) / 1997 Krems, KH (K) / 1998 Prag, NG (K) / 1999 Augsburg, NG im Höhmann-Haus (K) / 2000 Amsterdam, Sted. Mus. (K) / 2001 Bologna, MAMbo (K); Künzelsau, Mus. Würth (K) / Paris: 2005 Maison Rouge (K); 2011-12, Maison de Victor Hugo (K) / 2006 Las Palmas, CAAM (K, Wander-Ausst.) / 2011 Madrid, Mus. de la RABA de S. Fernando (K) / 2013 Greifswald, Caspar-David-Friedrich-Gal. / 2015 Amstelveen, Cobra MMK (K) / 2016 Sharjah, Art Found. / 2023-24 Dachau, Gal. Lochner -
Gruppenausstellungen:
2011 Hamburg, KH: Übermalt. Verwischt. Ausgelöscht / Wien, Albertina Modern: 2020 The Beginning. Kunst in Wien 1945 bis 1980 (K); 2023-24 Österreich - Deutschland Malerei von 1970 bis 2020 (K) / 2022 Bonn, Bundes-KH: Das Gehirn in Kunst & Wiss. (K).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
Vo6, 1962
Weitere Lexika:
List, 1967; Bauer, GEM VII, 1978; DA XXV, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; Delarge, 2001; M.-L. Sougez/H.Pérez Gallardo, Dicc. de hist. de la fotogr., Ma. 2003.
Gedruckte Nachweise:
A.R. Überdeckungen (WV Rad., Lith., Siebdrucke bis 1972), W. 1972; Mus. Ludwig Köln. Gem., Skulpt., Environments vom Expressionismus bis zur Gegenwart (K), M. 1986; Von Menzel bis Beuys. Aus dem Kpst.-Kab. der KS der Veste Coburg (K), Coburg 1992; Wilhelmi, 1996; Die Kunst der Linie (K LG am OÖ. LM, Linz), Weitra 1999; Slg Würth (K KH Schwäbisch Hall), 2 Bde, Künzelsau 2001; BilderBuch. Slg Würth (K Schwäbisch Hall), Künzelsau 2001; PM. Malerei, Skulpt., Neue Medien (K München), Köln 2002; W.Schmied (Ed.), 20. Jh., M. u.a. 2002 (Gesch. der bild. Kunst in Österreich, 6); Lentos KM Linz. Gem. (K), Linz 2003; Geschenkt-Gestiftet-Gekauft. Kunst nach 1945 aus den Slgn des Mus. für Kunst und Kultur-Gesch. der Hansestadt Lübeck (K Lübeck), Ha. 2003; Vision einer Slg (K Mus. der Moderne Salzburg), M. u.a. 2004; Slg Frieder Burda (K Baden-Baden), Ostfildern-Ruit 2004; Impulse. Informel und Zero in der Slg Ingrid und Willi Kemp (K Ratingen), Bonn 2006; Wasser. Verstreute Kunst-Anm. zu einem Element (K), Mondsee 2006; Fluxus, Happening, Konzeptkunst. Aus der Slg der Neuen Gal. Graz (K), Graz 2007; T.O. Immisch/F.M. Neusüss (Ed.), Die zweite Avantgarde. Das Fotoforum Kassel 1972-1982 (K), Halle 2007; F.Wappler/R.Hoppe-Sailer (Ed.), KS der Ruhr-Univ. Bochum. Campus-Mus., Slg Moderne (K), Dd. 2008; S.Röckelein, Identität und Weltbild. Die Wiederholung im Schaffen von Außenseiter-Künstlern, Taunusstein 2008; Rewind, fast forward. Die Video-Slg (K Neue Gal. am LM Joanneum), Graz 2009; M.Blättner, Kunstforum internat. 204:2010(Okt./Nov.)310-312; M.Seidel, ibid. 281:2022(Mai-Juni)264-266
Rainer, Arnulf, öst. Maler u. Graph., *8.12.1929 Baden b. Wien, ansässig in Wien. Autodidakt. Abstrakter Kstler. Fertigt sog. "Übermalungen" u. "Monochromien". Sonderausst. 1958 in d. Gal. Renate Boukes in Wiesbaden, 1958 u. 1960 in d. Gal. St. Stephan in Wien. Lit.: Knaurs Lex. abstrakter Malerei, München o. J. - L. Chardon O. P., A. R., m. Einführg von Msgr. Mauer (Dädalus-Reihe, 2), Basel o. J. [1960], m. 15 vollseit. Reprod. - Seuphor. - Gerb. Schmidt, Neue Mal. in Öst., 1956, p. 34 (Abb.). - Kst ins Volk (Wien), 9 (1958) H. 1/2 p. 320f., m. Abb.; 11 (1960) H. 1/2 p. 62/65, m. 3 Abbn. - Ausst.-Kat.: Monochrome Malerei, Städt. Mus. Leverkusen, Schloß Morsbroich 1960, m. Abb. Nr 76 p. [9]; "salon informel", Gal. Renate Boukes, Wiesbaden 1960, m. Abb. - Mitteil. d. Kstlers.