Frei zugänglich

Wren, Christopher

Geboren
East Knoyle (Wiltshire), 20. Oktober 1632
Gestorben
London, 25. Februar 1723
Land
Großbritannien
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Wren, Christopher; Wreen, Christopher
Berufe
Architekt*in; Zeichner*in; Astronom; Mathematiker; Naturphilosoph; Erfinder
Wirkungsorte
England, Oxford (Oxfordshire), Hampton Court (Middlesex), Windsor (Berkshire), London
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Von
Bissell, Gerhard
Zuletzt geändert
27.03.2024
Veröffentlicht in
AKL CXVII, 2022, 244

VITAZEILE

Wren, Christopher, Sir, engl. Architekt, Zeichner, Naturphilosoph, Astronom, Mathematiker, Erfinder, *20.10.1632 East Knoyle/Wilts., †25.2.1723 London.

LEBEN UND WIRKEN

W. ist eine der herausragenden Persönlichkeiten des Barockzeitalters und gilt als bedeutendster brit. Architekt der Neuzeit. Als hochbegabter Universalgelehrter mit mathematischem Geist legt er in jungen Jahren die Basis für eine glänzende, von kgl. Gunst geprägte Laufbahn, die infolge des Großen Feuers von London zu einem beispiellosen Aufgabenspektrum führt. Sein epochales Meisterwerk, der Neubau von St.Paul's Cathedral, sowie die Türme seiner Stadtkirchen dominieren die Silhouette Londons für Jahrhunderte. - Die wenigen vagen, oft spekulativ interpretierten Angaben über W.s Jugend entstammen v.a. der von seinem Sohn und Ass. Christopher kompilierten, chronologisch unzuverlässigen Familienchronik "Parentalia". W. ist der Sohn des gleichnamigen C.W., des Rektors von East Knoyle, der 1635 als Nachf. seines Bruders Matthew (des späteren Bischofs von Ely) Dekan von Windsor und infolgedessen Registrar des Hosenbandordens wird. W. wächst somit in unmittelbarer Nähe zur kgl. Fam. im Schloss Windsor in dessen Deanery auf, das auch als Logis für hochrangige Besucher dient, u.a. 1641 für den Neffen von König Charles I., den exilierten Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz. Infolge des Engl. Bürgerkriegs 1643 aus Windsor verwiesen, schließt sich W.s Vater loyalistischen Kreisen in Oxford und Bristol an, wird zweimal inhaftiert und von den Parlamentariern seiner Pfründe entledigt. Lt. Parentalia besucht W. nur kurzzeitig (in der Lit. oft, aber ohne dok. Basis: 1641-46) die Westminster School und wird durch seinen Schwager William Holder in Mathematik unterwiesen. W.s Fam. wohnt ab 1646 bei Holder in Bletchingdon/Oxon., vielleicht lebt der 15-jährige W. nun aber bereits im Londoner Haushalt des Arztes und Mathematikers Charles Scarburgh (dort 1647 belegt), dem er bei anatomischen Sektionen und mit Demonstrationsmodellen für Muskelbewegungen assistiert. Er übersetzt zudem William Oughtreds Traktat über Sonnenuhren ins Lateinische. Jardines Hypothese, W. begleite 1649 John Wilkins im Gefolge des Kurfürsten von der Pfalz ins europ. Ausland, entbehrt jeder Dokumentation. Ca. 1649/50-53 Stud. bei John Wilkins am Wadham College in Oxford; ab 1653 Fellow von All Souls College in Oxford (1659 Schatzmeister). Im politisch und konfessionell neutralen Kreis progressiver Naturphilosophen um Wilkins profiliert er sich mit vielfältigen Experimenten sowie der Konstruktion von Apparaten (u.a. einer pneumatischen Pumpe, einer Sämaschine sowie einem Instrument zum simultanen Schreiben und Kopieren) und beschäftigt sich intensiv mit Teleskopen. Als medizinischer Pionier injiziert W. 1656 als Erster Flüssigkeit in den Blutkreislauf eines Lebewesens (einem Hund). Zudem fertig er Zchngn mikroskopisch beobachteter Insekten (bald im kgl. Kabinett von Charles II.; verloren), die später den Ausgangspunkt für das Buch "Micrographia" (1665) von W.s häufigem Mitarb. Robert Hooke bilden. 1657-61 Lehrstuhl für Astronomie am Gresham College in London. 1659 Entwurf der Sonnenuhr von All Souls College. Mit der Restauration des Stuartkönigtums erregt W. rasch die Aufmerksamkeit von Charles II., dem er 1660 im Namen seines verstorbenen Vaters die geretteten Register des Hosenbandordens restituiert und auf dessen Wunsch er 1661 eine reliefierte Mondkugel anfertigt (verloren). 1660 Mitbegr. der R.Soc., 1661-73 Savilian Prof. of Astronomy in Oxford. Erstmals manifestieren sich nun W.s archit. Interessen. Zwar schlägt er 1661 aus Gesundheitsgründen die Berufung zum Leiter der Befestigung der marokkanischen Hafenstadt Tanger aus, fungiert aber inoffiziell als Berater zur Rest. der ma. St.Paul's Cathedral in London. 1663 entwirft er das Sheldonian Theatre der Univ. Oxford (Ausf. bis 1669 nach modifiziertem Plan) und für seinen Onkel, den Bischof von Ely, die Pembroke College Chapel in Cambridge (1663-65). 1664 Magister Artium der Univ. Cambridge. Aufgrund gemeinsamer Forsch. zeichnet W. Ill. des Gehirns für "Cerebri Anatome" (1664) von Thomas Willis. 1664 vom König für den Ausbau von Whitehall Pal. in London konsultiert, begibt sich W. vom Juni 1665 bis März 1666 im Gefolge der Königinmutter Henrietta Maria nach Paris, um aktuellste archit. Anregungen zu sammeln und insbes. die Bekanntschaft von François Mansart und dem von Louis XIV. nach Frankreich eingeladenen Giovanni Lorenzo Bernini zu machen. Auf dieser einzigen dok. Auslandsreise studiert er intensiv den Baufortgang am Louvre und besucht zahlr. Schlösser der Île-de-France. Zurück in London, werden W.s Renovierungspläne für den Altbau von St.Paul's akzeptiert, jedoch wenige Tage darauf wegen des Großen Feuers von London im Sept. 1666 hinfällig. Innerhalb einer Woche nach dem verheerenden Brand unterbreitet W. einen rational ohne Rücksicht auf das alte Straßensystem konzipierten Bebauungsplan für London, der wie vergleichbare Pläne von John Evelyn und Hooke aufgrund legaler und ökonomischer Zwänge sowie Zeitdruck nicht aufgegriffen wird. Als einer der drei Inspektoren des Königs neben dreien der Stadt (u.a. Hooke) erarbeitet W. strikte Bauvorschriften für den Wiederaufbau (1667 und '70 kodifiziert). 1669-1718 als Surveyor of the King's Works zum höchsten Baubeamten des Landes aufgestiegen, baut er 1669-71 das Custom House (1718 zerst.) in einem holl. Vorbildern folgenden Stil. 1669 Bezug seines amtlichen Wohnhauses im Scotland Yard, Whitehall Pal., und Heirat mit der aus Bletchingdon stammenden Faith Coghill (†1675). Ab 1670 obliegt ihm die Oberaufsicht über ein Kirchenbauprogramm von 51 Pfarrk. in London und Westminster, v.a. um die abgebrannten Kirchen zu ersetzen (Ausf. sukzessive ab 1670, alle ca. 1690 weitgehend voll.; mehrere der char. Glockentürme aus Finanzierungsgründen erst 1697-1717). 1672 Publ. der Vedute Prospect of Windsor Castle from the North (Stich von Wenzel Hollar nach W.) in Elias Ashmoles Buch "The Institution, Laws & Ceremonies of the most Noble Order of the Garter". 1673 offizieller Auftrag zum Neubau von St.Paul's Cathedral und Ritterschlag. Ab 1677 zweite Ehe mit Jane Fitzwilliam (†1680). 1678-80 Vize-Präs., 1681-83 Präs. der R.Soc., 1679-83 im Vorstand der Hudson's Bay Company. In den 1680er Jahren bis M. der 1690er Jahre nimmt er Nicholas Hawksmoor in seinen Haushalt auf, der sein Schüler und wichtigster Ass. wird. 1685-1702 mehrfach Parlamentsabgeordneter. 1698-1722 führt er als Surveyor von Westminster Abbey Reparaturen und Baufortführungsmaßnahmen in gotischen Formen durch. 1711-15 Mitgl. der Kommission für Fifty New Churches, der er eine Denkschrift über seine Erfahrungen mit der früheren Kirchenbaukampagne unterbreitet. Der nun ca. 80-Jährige sieht sich zunehmender öff. Kritik an seiner Amtsführung ausgesetzt, von neupalladianischer Seite auch für seine Stilwahl angegriffen (u.a. 1712 vom Earl of Shaftesbury). Mit der Thronbesteigung von König George I. 1714 wird aktiv seine Entfernung als Leiter der Baubehörde betrieben; John Vanbrugh schlägt die ihm um diese Zeit angetragene Nachf. als Surveyor aus respektvoller Zuneigung zu W. aus, der nur rein symbolisch im Amt bleibt und schließlich 1718 durch den politisch einflussreichen, aber inkompetenten William Benson (1682) ersetzt wird. Er zieht in sein Haus am Hampton Court Green, hält sich aber weiterhin oft in London auf, wo er hochbetagt stirbt. - W. ist als Architekt Autodidakt und stützt sich mit einem klassischen Vokabular auf seine umfassende Kenntnis der Traktatliteratur der Antike und Renaissance. Er begnügt sich jedoch nie mit bloßer Nachahmung von Vorbildern, sondern ergründet spezifische Lösungen durch den Rückgriff auf archit. Grundprinzipien und mathematische Eleganz. Dieses unbefangene Denken demonstriert er bereits bei dem von Bischof Gilbert Sheldon für säkulare Zeremonien der Univ. Oxford gestifteten Sheldonian Theatre (1663-69). Als neue Bauaufgabe verlangt es eine neuartige Lösung, bei der W. wohl auf absidiale Theater der Antike zurückgreift, den Innenraum hingegen in vielbeachteter Weise für ungestörte Durchblicke durch eine innovative Trägerkonstruktion stützenlos belässt. W.s Londoner Stadtkirchen liegt ein pragmatischer Ansatz zugrunde, der sich nicht nur der Fundamente, sondern auch erh. Mauern bedient, ohne aber die zerst. Kirchen zu replizieren. Einem mod. Architekturbüro vergleichbar, ist W. Leiter eines Teams, in dem spezifische Aufgaben bis hin zum Entwurf an Mitarb. delegiert werden (bes. Hooke und bis 1675 Edward Woodroffe); für Mobiliar wie Lettner, Kanzeln oder nicht strukturelle Emporen sind die Gemeinden verantwortlich. Der Außenbau ist wegen der oft engen Umbauung meistens relativ schlicht und erhält den Hauptakzent v.a. durch ostentative Türme. W. entwickelt einen völlig neuen, den Bedürfnissen des anglikanischen Gottesdienstes entsprechenden Typus, für den er in St Paul's Covent Garden von Inigo Jones sowie vereinzelten protestantischen Kirchen Hollands Anregungen findet. Er strebt nach der Vereinheitlichung eines lichterfüllten Innenraums mit klarer Verglasung sowie neutralem Kolorit (v.a. Steinfarbigkeit, Weiß, dunkles Holz und Vergoldung) und kreiert Auditorien mit unbeeinträchtigter Sicht und Akustik für die Kongregation. Herausfordernde Bauvorgaben und das Bestreben, sich nicht zu wiederholen, führen zu mannigfaltigen Lösungen. Er baut mehrschiffige, zumeist tonnengewölbte Basiliken und Hallenkirchen (St.Bride, 1670-74; St.Magnus the Martyr, 1671-78), deren spätere Varianten archit. integrierte Emporen erhalten (Christ Church Newgate Str., 1677-87, zerst., Turm erh.; St.Clement Danes, 1680-82, W.s einzige Pfarrk. mit apsidialer, nicht flach endender Altarwand; St.Andrew Holborn, 1684-92); das in dieser Weise konzipierte St.James's Piccadilly (1676-84) empfiehlt W. in seinem Memorandum von ca. 1711 als nachahmenswertes Modell einer anmutig geräumigen, rasch und ökonomisch zu errichtenden Kirche. In St.Lawrence Jewry (1670-81), der prestigeträchtigen Kirche der Corporation of London, operiert W. mit optischen Tricks und variiert die Mauerdicke der Altarwand, um den Eindruck eines eleganten, rechtwinkligen Saals mit gefeldertem Spiegelgewölbe zu erzielen. Die äußere Ostseite des freistehenden Baus erhält zudem eine prägnante Fassade mit säulengegliedertem Tempelmotiv und Nischen. Lt. Parentalia greift er für St.Mary-le-Bow (1671-75) mit drei Kapellenbögen zum Hauptschiff auf die spätantike Maxentiusbasilika in Rom zurück; St.Mary-le-Bow weist zudem den frühesten differenziert bekrönten Glockenturm auf (1676-80), der einen Leitfaden für spätere Turmspitzen bietet, die jedoch sehr individuell gelöst sind (herausragend etwa die von St.Bride, 1702-03, und Christ Church Newgate Str., 1703-04). Kleinere Zentralbauten besitzen ovale (St.Benet Fink, 1670-81; St.Antholin, 1678-83, beide zerst.) oder runde Kuppeln (St.Swithin Cannon Str., 1677-81; St.Mildred's Bread Str., 1681-87, beide zerst.; St.Mary Abchurch, 1681-87). Obgleich gegenüber der klassischen Ordnung von ihm als minderwertiger erachtet, greift W. zur Einbettung in ein besser konserviertes ma. Umfeld ausnahmsweise auf ein gotisches Vokabular zurück und deckt St.Mary Aldermary (1679-82) mit einem Fächergewölbe (aus vergleichbaren Gründen ist W.s zeitgleicher Tom Tower, 1681-82, von Christchurch College in Oxford gotisierend). Einprägsam sind Grundrisslösungen mit eingeschriebenem Kreuz, die teilweise auf Vitruv und, zeitlich näher, auf der Nieuwe Kerk in Haarlem (1645-49) von Jacob Pietersz van Campen basieren. Dies führt ihn sowohl zu kreuzgratgewölbten Vierungen zentraler Anlagen (St.Anne and St.Agnes, 1676-81; St.Martin Ludgate, 1677-86) und Längsbauten (St.James Garlickhythe, 1676-82) sowie zu überkuppelten Zentralräumen (St.Mary-at-Hill, 1670-72). Letztere kulminieren in der fragilen Eleganz seines internat. vielbeachteten Hw. St.Stephen Walbrook (1672-79), einer komplexen, in vielfacher Weise beschreibbaren Struktur, deren spektakuläre Kuppellösung über acht Bögen gleicher Dimension W. parallel zu seiner erneut intensivierten Beschäftigung mit St.Paul's Cathedral entwickelt. Bereits für die modernisierende Renovierung der ma. Kathedrale 1666, noch vor dem Großen Feuer, fasst W. eine das Stadtbild dominierende mon. Vierungskuppel ins Auge (Entwürfe in Oxford, All Souls College), die das Leitmotiv aller späteren Planungen bleibt. Vergeblichen Versuchen zur Erhaltung oder Teilintegration des brandbeschädigten Altbaus bis 1668 folgen Pläne zu einem kompletten Neubau. Nachdem W.s First Model eines Langhauses mit Emporen sowie westlichem, überkuppelten Vestibül (1670, Fragment in St.Paul's erh.) als nicht grandios genug empfunden wird, schlägt W. ca. 1670-72 einen kolossalen Zentralbau mit konkaven Außenmauern zw. den Armen eines griech. Kreuzes vor (Zchng von Woodroffe in Oxford, All Souls College); mit diesem rezipiert er sowohl Ideen von Donato Bramante und Michelangelo für St.Peter in Rom als auch die während seines Parisaufenthalts aktuellen Entwürfe von Mansart und Bernini für ein mon. Mausoleum der Bourbonen in St.-Denis. Nahezu unverzüglich verleiht er diesem Konzept eine Längsachse durch Anfügung eines überkuppelten Eingangsvestibüls. Dies findet die Zustimmung des Königs, der W. 1673 offiziell mit einem Neubau beauftragt und ein kostspieliges, mehr als sechs Meter langes Holzmodell anfertigen lässt (Great Model, 1673-74, St.Paul's). Die Opposition konservativer Kleriker bringt den Entwurf zu Fall und führt W. zu einer Langhauslösung mit einer verkleinerten, mit hoher Spitzhaube bekrönten Kuppel (Warrant Design, Oxford, All Souls College). Der kgl. Auftrag hierfür ergeht 1675, aber die nur wenige Wochen später beginnende Bauausführung beruht auf erneut radikal modifizierten Plänen, die W. von nun an geheim hält. Erst ca. 1690 entstehen detaillierte Entwürfe für Kuppel und Chorschranken (Zchngn u.a. St.Paul's Cathedral Arch. und BM), 1694 beginnt die Ausgestaltung des Chors (1697 dort erste Messe), 1700 ist das Kirchenschiff fertig, 1704 nehmen die Ausführungsentwürfe für Kuppel und Fassadentürme letzte Gestalt an und 1708 ist die Kuppel komplett gebaut. Nach 36 Jahren Bauzeit unter ununterbrochener Federführung des entwerfenden Architekten wird St.Paul's Cathedral 1711 offiziell als voll. erklärt. W.s Bau ist basilikal, präsentiert sich nach außen aber als zweigeschossiger Block, um mit der Schauwand des Obergeschosses die für W. unansehnlichen, aber statisch nötigen Strebepfeiler zu verbergen. Die Giebelfront des Westeingangs wird von zwei Fassadentürmen flankiert, deren reich gegliederte Spitzen mit der puren Geometrie der dominanten Kuppel kontrastieren. Die arkadengegliederten Joche des Innenraums sind mit Flachkuppeln gedeckt, und der Tambour der Vierungskuppel ruht über ausgehöhlten Pfeilern auf acht Bögen. Gegen W.s Wünsche wird 1715-19 die Kuppel von James Thornhill (1675) in Quadraturmalerei dekoriert und 1717 von einer neupalladianisch ausgerichteten Baukommission die Bekrönung der Außenmauern mit einer Balustrade nach dem Vorbild von Jones' Banqueting House angeordnet. Die weiße Erscheinung des Inneren wird durch die Mosaizierung des Chors im 19.Jh. verändert. W. sieht in dem ihn zeitlebens beschäftigenden St.Paul's auch eine politische Dimension der Glorifizierung des Herrschers. Diese zeichnet auch sein 1671-76 zus. mit Hooke errichtetes Mon. to the Great Fire of London aus (schlicht als The Monument bek.), eine 202 Fuß hohe dorische Säule, die, in voller Höhe ausgehöhlt, einen Durchblick zum Himmel öffnet und für wiss. Experimente nutzbar ist. Die von W. vorgeschlagene Bekrönung mit einer Statue von Charles II. lehnt dieser zugunsten einer flammenden Urne ab. Ein strukturelles und ästhetisches Meisterwerk findet sich in der Trinity College Library in Cambridge (heute als Wren Library bez., 1676-84). Die erste Idee eines freistehenden Rundbaus hinter sich lassend, integriert sie W. in die bestehende Bausubstanz um Nevile's Court, deren Erdgeschossarkaden er vergrößernd paraphrasiert und um Bogenfelder bereichert, um darüber ein anschaulich gleich hohes Obergeschoss zu errichten. Im Inneren jedoch korrespondiert das Bodenniveau des Lesesaals mit der Kämpferhöhe der äußeren Arkaden und ist damit weitaus höher, um die Buchregale vor Wandflächen zu situieren und helles Oberlicht zu gewinnen. Diese Lösung illustriert musterhaft W.s Überzeugung, dass Gebäudeteile, die nicht gleichzeitig erfahrbar sind, nicht zwingend eine übereinstimmende Gliederung beanspruchen. W.s bereits 1664 im Keim erwogener, groß angelegter Ausbau des Whitehall Pal. unter Charles II. kommt wegen des Großen Feuers nicht zustande, allerdings errichtet er für ihn 1670 ein Apartment im Hampton Court Pal. (durch W.s erneuten Umbau ab 1689 zerst.). In rasantem Tempo baut W. 1683-85 in Winchester, dem Vorbild von Versailles folgend, ein ausgreifendes dreiflügeliges Jagdschloss (mit dem Tod von Charles II. im Febr. 1685 unvoll. aufgegeben, 1894 niedergelegt und durch Baracken ersetzt). Langlebiger ist das ab 1682 parallel, in ähnlicher Weise vorwiegend in Backstein errichtete Royal Hospital Chelsea, das als Alterssitz für Armeeveteranen die Idee, jedoch nicht die Archit. des Hôtel des Invalides von Louis XIV. in Paris aufgreift und noch heute diese Funktion erfüllt (die Ausgangsplanung als Dreiflügelanlage 1685 voll., jedoch bis 1693 um Seitenhöfe erweitert). Während der kurzen Reg. 1685-88 von James II. legt W. im Whitehall Pal. einen neuen Wohnflügel an, der eine prächtige und politisch provozierende Kap. (1686 inauguriert) für dessen kath. Gemahlin Mary of Modena beeinhaltet. Whitehall Pal. wird von William III. als zu feucht verschmäht und geht in den Bränden von 1691 und bes. 1698 zugrunde; W.s Pläne für einen neuen Pal. (1698, Oxford, All Souls College) werden aber nicht aufgegriffen. Allerdings ist W. auch für das Königspaar William und Mary mit Residenzbauten beschäftigt. Er konzentriert sich unmittelbar nach deren Thronbesteigung 1689 auf den Ausbau von Nottingham House zu Kensington Pal. (1689-96; z.T. mit Hawksmoor) und bes. die modernisierende Erweiterung von Hampton Court Pal. (1689-94, '97-1700). Hierfür erarbeitet er ausgreifende Pläne mit einem von vier Flügeln umfassten Hof, denen der Großteil des Tudorschlosses zum Opfer gefallen wäre. Diese weichen bald einer realistischeren Einschätzung mit der Reduzierung auf einen kleineren Süd- und Ostflügel mit den Apartments des Königs und der Königin, die den neu angelegten Fountain Court umschließen. Die Hauptansicht beider Flügel liefert als reine Schaufassade keine Anhaltspunkte für die innere Disposition, suggeriert jedoch die Existenz einer mächtigen Vierflügelanlage. Das Royal Naval Hospital (ab 1873 Royal Naval College) in Greenwich erfüllt dieselbe Aufgabe für Marinepensionäre wie Chelsea Hospital für die Armee, soll aber auf Wunsch von Königin Mary prachtvoller gestaltet werden. Der kgl. Landschenkung 1694 folgt 1696 die offizielle Berufung W.s mit Hawksmoor als seinem Ass., der auch eig. Entwürfe für einzelne Bauteile realisiert (bes. den Hof des King William Block). Versch. Pläne W.s von ca. 1694 orientieren sich am unvoll. King Charles Block von John Webb (1611) an der Themse (Teil eines ab 1664 für Charles II. beg. Schlosses, das infolge des Großen Feuers aufgegeben wurde) und dem weiter zurückgesetzten Queen's House von Jones, das nicht auf dem Hospitalgelände liegt. Ein Projekt W.s dupliziert Webbs Flügel (wie von diesem bereits für seinen Schlossbau intendiert) zuseiten eines sich szenisch verengenden Hofs, den ein Hauptblock mit hoher Kuppel über dem gemeinsamen Vestibül der Kap. und des Versammlungssaals abschließt, damit aber Jones' Bau vom Fluss aus unsichtbar macht (Zchngn in London, Sir John Soane's Mus.). Sein finalisierter Plan von 1698 ist ähnlich, aber mit unbebauter zentraler Hofachse und ungehindertem Blick auf das Queen's House. Das Aufgeben eines zentralen Hauptgebäudes führt zur Spaltung der sich auch archit. manifestierenden Gemeinschaftsfunktionen. Die im Status aufgewerteten, als gleichwertig artikulierten seitlichen Flügel erhalten parallel zur Hauptachse Kolonnaden, die sich auf Höfe öffnen, und beherbergen im Queen Mary Block die Kap. und im King William Block den Saal (sog. Painted Hall), beide mit ihren eig. Vestibülen, über denen sich zwei Kuppeln mit hohen Tambours erheben, die den einzigartigen Gesamteindruck des symmetrischen Komplexes bestimmen. - Als das Banqueting House, Jones' Meisterwerk und das höchstgepriesene Bauwerk der Zeit, durch die Brände von Whitehall Pal. bedroht ist, ordnet W. dessen Rettung mit allen Mitteln an. In analoger Weise erteilt Winston Churchill 250 Jahre später, als London während des 2.WK in Flammen steht, den absoluten Befehl, St.Paul's Cathedral als Symbol nat. Unerschütterlichkeit zu beschützen. St.Paul's ist W.s Vermächtnis und sein Denkmal, wie es seine Grabinschrift in der Krypta deutlich ausspricht: "Lector, si monumentum requiris, circumspice".

WERKE

Fulton/Mo.: Nat. Churchill Mus. (Rekonstr., 1964-69, der im 2.WK beschädigten Londoner Pfarrk. St.Mary Aldermanbury, 1670-74). London: Temple Bar, 1670-72; St.Edmund King and Martyr, 1670-76, Turm 1706-07; St.Nicholas Cole Abbey, 1671-78; R.Observatory, Greenwich, 1675-76 (zus. mit Hooke); St.Benet Paul's Wharf, 1677-85; St.Peter upon Cornhill, 1677-81, Turm 1685; St.Clement Eastcheap, 1683-87; St.Margaret Pattens, 1684-87, Turm 1702; St.Andrew-by-the-Wardrobe, 1685-94; St.Vedast Foster Lane, 1695-1700, Turm 1709-12; Marlborough House, Pall Mall, 1709-11 für Sarah Churchill, Duchess of Marlborough. Tring/Herts.: Tring Manor, ca. 1687-90 für Schatzminister Henry Guy (im 19.Jh. umfassend verändert). Winslow/Bucks.: Winslow Hall, 1699-1702 für Schatzminister William Lowndes.

QUELLEN

Thieme-Becker, Vollmer und AKL:

ThB36, 1947.

 

Weitere Lexika:

Oudin, 1970; Colvin, 1978; DA XXXIII, 1996; Dict. des architectes, P. 1999.

 

Gedruckte Nachweise:

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Onlinequellen:

Oxford Art Online; Oxford DNB; The Architectural Drawings at All Souls College, Oxford: W. and Hawksmoor.