Vasari, Giorgio, ital. Maler, Kunstschriftsteller, Architekt, *30.7.1511 Arezzo, †27.6.1574 Florenz.
Vasari, Giorgio (1511)
V. war v.a. in seiner Geburtsstadt Arezzo, in Florenz und in Rom tätig. Er veröffentlichte die erste Monogr. über Theorie und Gesch. der Schwesterkünste Archit., Malerei und Skulptur und zugleich die erste Vitensammlung von Künstlern (Le vite […], Fi. 1550; erw. Aufl., Fi. 1568). Mit diesem Buch gilt V. als Begründer der Kunsthistoriografie. Als Maler schuf er allegorisch verrätselte Porträts und mehrfigurige Allegorien, in den gen. Städten umfangreiche Gemäldezyklen. Zugleich war V. Architekt und Urbanist, der die Gestalt des zu Beginn seiner Tätigkeit als Hofkünstler und Kunstintendant des Herzogs Cosimo I. (1554) in seinen Bauten noch weitgehend spätmittelalterlichen Florenz retrospektiv zur paradigmatischen Stadt der Renaiss. formte. Dies durch das städtebauliche Ensemble aus Uffizien, Corridoio Vasariano und Ponte Vecchio, durch die Modernisierung der Innenräume der großen ma. Ordenskirchen und seine maßgebliche Beteiligung an der Fertigstellung von Bauten und Innenräumen Filippo Brunelleschis und Michelangelos. Als Sammler legte er mit seinem Libro dei Disegni eine frühe, wohl chronologische Slg von Zchngn in Alben an. Als Autor begründete er nicht nur die Fokussierung der mod. Kunsthistoriografie auf Florenz und Rom, sondern auch eine neue Form der ikonogr. Bildanalyse: die beschr. Erklärung komplizierter und ohne 'Leseanweisung' nicht verständlicher Inhalte seiner eig. Gem. (in Briefen an Auftraggeber und den Ragionamenti, 1588). Als Gesprächspartner und Briefschreiber trat er in Austausch mit Intellektuellen und Künstlern seiner Zeit, u.a. mit Rosso Fiorentino, mit Francesco Salviati, Pietro Aretino und Paolo Giovio, mit Giulio Romano und Garofalo, Tizian und Michelangelo. V. unterhielt seit 1529 auch ein wachsendes Netzwerk einflussreicher Kleriker (z.B. Don Miniato Pitti, Don Silvano Razzi, Don Vincenzio Borghini). Für Papst Julius III. war er 1550-53 als Architekt, für die Päpste Pius V. und Gregor XIII. als Maler tätig (1571-73). Auch als Wanderkünstler, als Hofkünstler und zugleich als bürgerlicher Maler Arezzos mit patrizischen Aspirationen (Amt des "Gonfaloniere", 1561) war er erfolgreich und dokumentierte seine Aufträge und Einkünfte in einem erh. Rechnungsbuch, den Ricordanze. Letztere addierte sein gleichnamiger Neffe und Nachlassverwalter, G.V. (1562; gen. il Giovane) auf die enorme Summe von 51620 (Gold-)Scudi. - Eine Vielzahl von weiteren Autografen (z.B. ein Zibaldone und ca. 1000 Briefe), Archivalien außerhalb des umfangreichen Nachlasses (siehe Lepri/Palesati, 2003) und seine Autobiografie (die erste gedruckte eines Künstlers, in den Vite von 1568) machen V. zu einem der bestdokumentierten Künstler der Frühen Neuzeit. In Letzterer verortet V. seine Herkunft in familiären, künstlerischen, humanistischen und politischen Netzwerken. Seinen Namen führt der Sohn eines wenig wohlhabenden Textilienhändlers oder Trödlers auf die Trad. der Töpferkunst im antiken Arezzo mit seinen berühmten Reliefvasen zurück; sein Urgroßvater, Lazzaro, habe solche ausgegraben, sein Großvater G. sei Töpfer (ital. vasaio) gewesen. Darauf und auf seinen Namen bezieht V. sich in seinen Bildern gelegentlich durch die bildliche Sign. in Form einer Vase. Zugleich betont V. genealogische Verbindungen mit Malern: mit dem gen. Lazzaro, der Mitarb. und Freund Piero della Francescas gewesen sei (sich im Kataster von 1427 aber selbst als Sattler bez. hatte), und mit dem nach V.s Angabe entfernt verwandten Luca Signorelli (der die Begabung des neunjährigen V. erkannt habe). Die frühe Prägung durch die renommierte öff. Lateinschule Arezzos, die er ab ca. 1518 bis 1524 besuchte, hebt V. in der Vita des Francesco Salviati hervor. Hier nennt V. seinen humanistischen Lehrer Giovanni Lappoli (gen. Pollastra; 1465-1540) als späteren Berater. Parallel sei er von dem seit 1520 in Arezzo weilenden Glasmaler und Freskanten Guillaume de Marcillat unterwiesen worden, der dort den neuen Stil der röm. Renaiss. einführte. V. behauptet außerdem eine lange Verbindung seiner Fam. mit den Medici: Lazzaro habe Lorenzo il Magnifico die von ihm ausgegrabenen antiken Vasen zum Geschenk gemacht, sein Förderer Kardinal Silvio Passerini (im Auftrag von Clemens VII. Medici damals Regent von Florenz), mit dem V. (in der Vita Salviatis) eine entfernte Verwandtschaft behauptet, habe ihn 1524 aufgrund seiner Vergil-Kenntnisse mit den Medici-Stammhaltern Ippolito und Alessandro nach Florenz genommen. Dort sei er täglich zwei Stunden mit beiden von dem Humanisten Pierio Valeriano unterrichtet worden. Auf Passerinis Vermittlung habe er seine künstlerische Ausb. bei Michelangelo beg., die er auf dessen Vermittlung bei Andrea del Sarto fortgesetzt habe, während Ippolito ihn zu Baccio Bandinelli in die Lehre gegeben haben soll, die er wiederum im engen Austausch mit Salviati verbracht habe. 1527, das Jahr des Sacco di Roma, markierte einen Wendepunkt: wegen der Vertreibung der Medici floh V. aus Florenz nach Arezzo, wo sein Vater im selben Jahr an der Pest starb. Hier baute sich V., der für Mutter und Geschwister zu sorgen hatte, eine Existenz als zunächst wenig erfolgreicher Maler auf (siehe die Ricordanze, deren Urschrift er damals begann). Ebenfalls 1527 begegnete er in Arezzo Rosso Fiorentino, der ihm einen Entwurf für eine Auferstehung Christi zur Verfügung stellte (nicht erh.) und den V. als einen seiner Lehrer nennt. 1529 kehrte er nach Florenz zurück, zunächst in die Wkst. von Raffaelo da Brescia und dann in die des Goldschmieds Vittorio Ghiberti, von dem er Zchngn des berühmten Vaters Lorenzo erh. haben will. 1530 reiste V. über Modena nach Bologna, wo er an den Dekorationen für die Kaiserkrönung Karls V. mitwirkte. Ab 1532 wurde Rom das dritte Zentrum seines Wirkens. Von Ippolito de' Medici dorthin eingeladen und unterstützt, studierte er zus. mit Salviati mehrere Monate zeichnend die Kunstdenkmäler der Stadt. Frühestes erh. Gem. V.s ist eine Grabtragung Christi aus diesem Jahr für Ippolito (Arezzo, Casa V.). Als erstes seiner Gem. beschrieb V. eine verschollene Venus und die Drei Grazien für denselben Auftraggeber (1532; vgl. sog. Toilette der Venus, 1558, Stuttgart, SG). 1534 erhielt er in Florenz über die Vermittlung Ottavianos de' Medici Porträtaufträge von Herzog Alessandro, so für ein postumes Porträt Lorenzo il Magnificos (eine Variation von Jacopo Pontormos Bildnis Cosimos des Alten) und des Herzogs selbst (beide Florenz, Uffizien). Diese zeigen eine Fülle symbolischer Attribute, die V. in Briefen an Ottaviano ausführlich erklärte. In diese Zeit fiel auch eine erste archit. Arbeit (Orgelempore, Arezzo, Kathedrale). 1536 arbeitete er an den Dekorationen für den festlichen Einzug Kaiser Karls V. in Florenz mit. 1536-38 malte er eine Grablegung Christi (Arezzo, SS. Annunziata). 1537 wurde Alessandro de' Medici ermordet, bei dem V., wie bei dem 1532 plötzlich verst. Ippolito, als Hofkünstler hatte tätig werden wollen. V. reiste in der F. im Sommer 1537 in das Kloster von Camaldoli und führte dort mehrere Gem. (zumeist in situ, darunter die Nachtszene einer Geburt Christi) und Fresken (zerst.) aus. 1538/39 hielt er sich in Bologna auf, wo er für das nahe Kloster S.Michele in Bosco Fresken (in situ) und zwei Gem. (1540, Bologna, PN) schuf. 1539 malte V. für das Kloster von Camaldoli die Hochaltartafel einer Kreuzabnahme (Ravenna, Pin.Com.). Hier traf er den Bankier und späteren Finanzier des antimediceischen Heeres, Bindo Altoviti, der im selben Jahr bei V. die Allegorie der Unbefleckten Empfängnis für SS. Apostoli in Florenz (in situ; mehrere Repliken) gegen hohes Honorar bestellte. 1541 reiste V. nach Norditalien. In Parma sah er Gem. Correggios, in Mantua besuchte er Giulio Romano, in Ferrara Garofalo, der mit Raffael zusammengearbeitet hatte. Zu Karneval 1542 malte er auf Einladung Pietro Aretinos in Venedig das Bühnenbild sowie Wand- und Deckenmalereien für die Aufführung von dessen Komödie "La Talanta". Über Michele Sanmicheli erhielt er dort den Auftrag für Deckengemälde im Pal. Corner Spinelli (nicht mehr in situ, teils erh.: Venedig, Gall. dell'Accad., Mailand, Castello Sforzesco, Priv.-Slgn; vgl. De Girolami/Cheney, 2007). Im selben Jahr begann er mit der Ausmalung seines 1540 in Arezzo erworbenen Hauses, u.a. mit Darst. von Künstleranekdoten Plinius' d.Ä. und mit Personifikationen der drei Schwesterkünste sowie der Poesie. 1541 war er in Rom, wo er für Altoviti eine Pietà malte. (Ob es sich dabei um diejenige der Slg Bruno Bischofsberger bei Zürich handelt oder ob die Pietà in Siena, Coll. Chigi-Saracini, eine Replik dieses Gem. ist, bleibt unklar; siehe K Arezzo 2011, Nr. 6, 80f. und K Frankfurt 2016, Nr. 115). Diese Pietà fand nach V.s eig. Angaben die Anerkennung Michelangelos, mit dem er spätestens nach Drucklegung seiner Vite in einen intensiven Austausch treten sollte (erster erh. Brief Michelangelos an V. dat. 1550). Altoviti empfahl V. dem Kardinal Alessandro Farnese, für den er 1543 Die Gerechtigkeit des Hauses Farnese malte (Neapel, Capodimonte). In dessen Residenz, dem Pal. della Cancelleria in Rom, schuf er mit seinen Mitarb. binnen kurzer Zeit in dem daher Sala dei Cento Giorni gen. "Saal der Hundert Tage" einen Freskenzyklus mit Taten des Farnese-Papstes Paul III. Auch seine späteren Bildzyklen realisierte V. stets mit einem Team von Malern (u.a. Cristofano Gherardi, Raffaelino dal Colle und Jan van der Straet [lat. Johannes Stradanus]). Selbst sein berühmtes Selbstporträt (1572-73, Florenz, Uffizien) wurde wohl von einem Künstler seines Kr. gemalt (siehe A.Checci, in: K Arezzo, 1981, 311s. und K Arezzo, 2011, 20). 1544 arbeitete V. in Neapel für die Olivetaner im Kloster S.Maria di Montoliveto (heute S.Anna dei Lombardi), malte für sie das Hochaltarbild einer Darbringung Christi (Neapel, Capodimonte) und entwarf die Stuck- und Groteskendekoration des Refektoriums (in situ). 1545 führte er Tizian durch Rom. 1546 will V. bei einem Abendessen im Haus von Kardinal Farnese von diesem und Giovio die Anregung zur Abfassung seiner Künstlerviten (als Erg. von Giovios Gelehrten- und Herrscherviten) erh. haben. Dabei wurde V. bereits in einem Brief Aretinos vom 17.6.1536 als "Philosoph, Historiker, Poet und Maler" bez. und V. spricht in der "Conclusione" seiner Vite von 1550 von zehn Jahren intensiver Recherche. Im Okt. 1547 hielt er sich in Rimini auf, wo er eine Anbetung der Könige malte (S.Fortunato) und in dem nahen Kloster von Scolca die Reinschrift einer Vorfassung der Vite anfertigen ließ (eine Seite dieses Ms. hat sich erh., mit Erg. von Pierfrancesco Giambullari für die Drucklegung 1550; siehe Scapecchi, 1998). 1547 beendete V. die Ausmalung seines Hauses in Arezzo. 1549 heiratete er Niccolosa Bacci, eine Nachfahrin des Auftraggebers der "Kreuzlegende" Della Francescas in Arezzo und Schwester von Maddalena Bacci, der Mutter seines ersten unehelichen Sohnes. Letztere sollte V. mehrfach in Rollenporträts darstellen, u.a. auf seinem Grabaltar als hl.Magdalena, als von Abraham verstoßene Magd Hagar (auf der Rückseite eines Gonfalone von 1573, Arezzo, Mus. d'Arte Medievale e Mod.) und in seinem Florentiner Künstlerhaus (als eine von zwei Schwestern auf dem Weg ins Atelier des Zeuxis). Ab Febr. 1550 weilte V. in Rom, da ihn der neu gewählte Papst Julius III. mit dem Festapparat seiner Inthronisation beauftragt hatte. - Im März desselben Jahres wurde in Florenz der Druck der ersten Aufl. der Vite beim offiziellen Hofdrucker Cosimos, Lorenzo Torrentino (geb. Laurens van den Bleeck), abgeschlossen. Sie wird daher (Editio) Torrentiniana oder auch Torrentina genannt. Darin liefert V. die erste Theorie aller drei Schwesterkünste sowie eine kurze Gesch. der "Künste des disegno". Diese beginnt beim Weltarchitekten Gott, den altorientalischen Anfängen und dem von V. als Antagonisten Mose und seines Bilderverbotes dargestellten Bezalel (Künstler von Bundeszelt und Bundeslade). Sie führt über die Blütezeit der griech. und röm. Antike bis zum E. jener vermeintlich dunklen Zwischenzeit des Verfalls seit Konstantin d.Gr., die Petrarca "media aetas" gen. hatte. V. prägte die pejorativen Begriffe "Gotik" und "maniera greca" für Kunstwerke dieser Zeit, deren Stil er auf germanische bzw. griech. Invasoren zurückführte. Der Epoche der "rinascita", der Wiedergeburt der Künste seit Cimabue bis Michelangelo in Italien und bes. in der Toskana, sind dann die drei "parti" der Vite mit je einer umfangreichen Ser. von Biogr. samt Vorrede gewidmet. Jeder der drei Teile steht für eine der drei Epochen dieser Wiedergeburt: eine etwa dem 14.Jh. entsprechende erste; eine zweite im 15.Jh., die wir heute Frührenaissance nennen; eine dritte Epoche der Voll. (und Überbietung der Antike), jene der eigentl. "maniera mod.", die das spätere 15.Jh. und v.a. die erste H. des 16.Jh. umfasst (im heutigen Wortgebrauch Hochrenaissance und Manierismus). V. legte mit den Vite - unterstützt von Co-Autoren - eine "Große Erzählung" seit der Schöpfung des Weltbaus und der "ersten Skulptur" bzw. Plastik des Menschen (durch Gott), von der Genesis bis zum Jüngsten Gericht (Michelangelos) vor. Die Struktur des Werks vermischt dabei humanistische Konzepte von Historiografie mit ma. Hagiografie und der Geschichtstheologie der ma. und frühneuzeitlichen Weltchroniken. Aus der Antike übernimmt V. das historiografische Modell der Lebensalter, von Kindheit, Jugend, Reife und Verfall (der Künste) und, u.a. aus Florus' "Röm. Gesch." und Ciceros "Brutus", die Konzeption einer graduellen hist. Entwicklung menschlicher Hervorbringungen hin zur Vollendung. Dem Humanismus verpflichtet ist die Dreiteilung der Kunstgesch. in eine vorbildhafte "antike", eine barbarische "alte" (ma.) und eine (die Antike erneuernde und positiv konnotierte) "mod." Zeit seit Giotto und dessen angeblichem Lehrer Cimabue. V.s paradoxe Wortprägung eines "Fortschreitens der Wiedergeburt" ("progresso della rinascita", Vite, 1550, 125) zeigt sowohl seinen Bezug auf zyklische Modelle der paganen Antike als auch auf das Fortschrittsdenken der christlichen Geschichtstheologie. V. fügt unzählige Künstleranekdoten und zunächst 133 (1550), dann 178 (1568) Einzel- und Sammelviten in eine fortschrittsorientierte Gesch. des "rinascimento" (einmalige Verwendung dieses Begriffs in der Vita von Iacopo del Casentino, 1568) ein, die in wichtigen Epochenzäsuren der paulinisch-patristischen Unterteilung der Bibel in drei Heilszeiten und sechs Zeitalter folgt. Insbes. entspricht die erste Epoche von V.s "rinascita" der biblischen Epoche "ante legem" (vor dem Gesetz). Cimabue erscheint als Noah, der nach der "Sintflut der Übel" des MA wieder festen Grund betritt, Giotto als Abraham einer neuen Kunst, der nur von der Natur und nicht von and. Meistern gelernt habe und Stammvater einer verzweigten Schulfamilie gewesen sei (Barolsky, 1997). Das zweite Zeitalter der "rinascita" ordnet V. den Meistern der neu entdeckten "regola" der Schwesterkünste im Florenz des 15.Jh. zu ("Ordnung, Proportion, disegno und Stil" [Vite, 1550, 555] sowie Perspektive, anatomisch korrekte Mimesis, Säulenordnungen), in Analogie zur zweiten patristischen Epoche der Heilsgeschichte, jener "sub lege" (unter dem Gesetz). Die Vitenserie der "terza maniera" beginnt mit der Biogr. Leonardo da Vincis. Bekrönt wird diese dritte Epoche der "rinascita" durch die Werke Raffaels, der am Karfreitag geboren und (christusgleich) gest. sei, v.a. jedoch durch Michelangelo (einzige zeitgen. Biogr. in der Torrentiniana). Letzteren stellt V. als trinitarischen Meister der drei Schwesterkünste dar, setzt ihn insofern in Analogie zu Gottvater. Dank Michelangelos "grazia piú interamente graziosa" (Vite 1550, 558) hätten die Künste mit dessen "Jüngstem Gericht" ihren äußersten Ziel- und Endpunkt erreicht, welcher Antike, Natur, und Zeitgen. übertroffen habe. Diese dritte Epoche der "rinascita" V.s trägt trad. Kennzeichen der heilsgeschichtlichen Epoche "sub gratia" (unter der Gnade). V.s Vite erheben den Künstler (und wenige Künstlerinnen) auf das geistige und ges. Niveau der Philosophen und Poeten. Enthalten sind 1550 die Vita der Properzia de' Rossi, 1568 innerhalb einer Sammelvita mit Biogr. dreier Künstlerinnen (mit Plautilla Nelli und Sofonisba Anguissola). Die "arti del disegno" werden über die Handwerke (arti) der Zünfte (ebenfalls arti gen.) gestellt. V. definiert sie als autonome Kulturtechniken mit eig. Regeln und eig. Gesch., befördert also die Säkularisierung und Ausdifferenzierung der Künste, die er zugleich sakralisiert. - 1550 beauftragte Julius III. V., unter Aufsicht Michelangelos und zus. mit Bartolomeo di Antonio Ammannati, Archit. und Ausstattung der Capp. Del Monte in S.Pietro in Montorio in Rom zu übernehmen (Altarbild Bekehrung des Saulus, in situ), die er bereits 1553 vollendete. Im selben Jahr malte er auch die Bekehrung der Söhne des Zebedäus für Julius III., die dieser jedoch zurückgab und die V. 1563-64 für seinen Grabaltar in Arezzo wiederverwendete. Ebenfalls 1550 zeichnete er einen von Michelangelo befürworteten Gesamtplan für die röm. Villa Giulia, den er mit Ammannati ausführte. Anschl. arbeitete er in Rom sowohl für Gegner der Medici im dortigen Exil als auch für deren Parteigänger in Florenz. Für einen der Letzteren, für Bernardo Minerbetti, malte er eine Allegorie der Geduld (ca. 1551-52, Florenz, Pal. Pitti, umstritten). 1554 dekorierte V. die Fassade des Pal. des Privatsekretärs des Herzogs, Sforza Almeni, in Florenz. In Rom übernahm er als Maler neuerlich Aufträge für den zunehmend antimediceischen Altoviti, z.B. für einen kürzlich wohl wieder aufgefundenen Kreuztragenden Christus (1553, Priv.-Bes.) und für Altovitis Pal. (zerst.) am Tiber (Fresken der Loggia teilw. erh.; Rom. Pal. Venezia) und dessen Villa (zerst.) sowie für die röm. Bruderschaft der Florentiner, S.Giovanni Decollato (in situ). Ebenfalls 1554 entwarf V. einen typologischen Zyklus alttestamentlicher Opferszenen für die Compagnia del Buon Gesù in Cortona (in situ), außerdem Pläne und ein Holzmodell für die dortige Kirche S.Maria Nuova. Im Jan. dieses Jahres wurde V. zum Hofkünstler Cosimos I. ernannt. Ebenfalls 1554 konfiszierte dieser die Besitztümer Altovitis in der Toskana, u.a. Raffaels "Madonna dell'Impannata", die er in seiner priv. Kap. im Pal. Vecchio aufstellen ließ. V. malte zu dieser zwei Seitentafeln: Cosimo den Alten als Medici-Hl. Cosmas (wiederum im Rückgriff auf Pontormos Porträt dieses Vorfahren) und den neuen Cosimo ebenfalls als Medici-Hl. Damian. 1555 begann V. seine eigtl. Tätigkeit und die archit. Umgestaltung des Rathauses der Republik zu einer herzoglichen Residenz. Diese wurde erst seit dem neuerlichen Umzug Cosimos I. in den Pal. Pitti (1565) Pal. Vecchio genannt. Ebenso übernahm er die Ausgestaltung mit Zyklen von Wand- und Deckenbildern (1555-72). In diesen übertrug V. die theol. begründete Darstellungsform der Typologie auf Bilder zur Gesch. der Medici und von Florenz. Ihr mit Cosimo Bartoli und Borghini ausgearbeitetes Programm erklärt V. in einem 1558 beg., umfangreichen Ms., den 1588 postum gedruckten Ragionamenti. Das "Quartiere degli Elementi" im zweiten Stock dekorierte er mit Decken- und Wandgemälden zur Genealogie der olympischen Götter, das "Quartiere di Leone X" im ersten Stock mit Gem. zur Gesch. der Fam. Medici. V. betont das typologische Prinzip der vertikalen Zuordnung der Bilder über beide Stockwerke: alles, was in den oberen, den Göttern gewidmeten Räumen dargestellt werde, habe sein Gegenstück in den Räumen darunter, in den politischen und kunstfördernden Taten der Medici (Ragionamenti, Giornata I, Ragionamento I). 1560 legte V. Michelangelo ein Modell für die Umgest. des "Salone dei Cinquecento" vor, der eine Erhöhung des riesigen Saales vorschlug, die V. umsetzte. Thema der Bildfelder der mon. Holzdecke ist die Gesch. von Florenz seit seiner Gründung. Szenen aus den Kriegen gegen Pisa und Siena nehmen die seitlichen Register der Decke und die Seitenwände des Saales großteils ein (wodurch möglicherweise Leonardos "Anghiari-Schlacht" überdeckt wurde), wiederum nach dem typologischem Schema von Verheißung (Eroberung Pisas durch die Republik) und Erfüllung (Sieg über Siena durch Cosimo). Im zentralen Bildfeld befindet sich eine Apotheose von Cosimo I., an den seitlichen E. der Decke sind jeweils in den topogr. richtigen Himmelsrichtungen die Städte des Herzogtums Toskana und die Stadtviertel von Florenz dargestellt: Cosimo, seit 1569 Großherzog, erscheint so als Höhepunkt der gesamten florentinischen Gesch., aber auch als Zentrum eines topogr. (Mikro-)Kosmos (Ausf. der Gem. 1563-72). 1558-59 stellte er Filippo Brunelleschis Pal. di Parte Guelfa fertig. 1559-62 erhielt V. drei bed. archit. Aufträge: für die Uffizien (1580 durch Bernardo Buontalenti voll.), für Bauten des von Cosimo gegr. Ordens der Cavalieri di S.Stefano in Pisa samt Umgestaltung des ehem. republikanischen Rathauses (1571 voll.) und für die Kuppel der Madonna dell'Umiltà in Pistoia (1569 voll.). Die Uffizien, ein Gebäude, in dem die "Büros" (daher der gebräuchliche Name) von ehem. regierenden und autonomen Zünften sowie Verwaltungsbehörden untergebracht waren, dienten der Vereinheitlichung und Kontrolle durch den Herrscher. Bezeichnenderweise wurden sie zunächst nicht als Bauwerk, sondern als "Strada dei Magistrati" bezeichnet. Zugleich Str. und Platz, Außenraum und Innenhof, bilden die Uffizien ein urbanistisches Scharnier zw. Stadtkern und den durch die Ausblicksloggia der "Testata" am Arno visuell erschlossenen Hügel jenseits des Flusses mit der Palazzina der Medici (wohl schon unter Cosimo I. geplant; siehe B.Mazzanti, in: Acidini Luchinat/Pirazzoli, 2011, 221s.) und der späteren Forte di Belvedere. Das dreiachsige Grundmodul, aus dessen serieller Reihung sich die Fassadenfluchten der Uffizien ergeben, verdichtet prominente Fassaden aus der Architekturgeschichte der Stadt zu einer Essenz florentinischen Bauens von brunelleschianischer Formenklarheit. Wiederum im Sinne einer typologischen Dialektik von Bewahrung und Überbietung nimmt V. dafür Bezug auf den Gründungsbau des alten Florenz - den angeblichen antiken Marstempel bzw. das Baptisterium - und auf den spektakulärsten, unter Ammannatis und V.s Mitwirkung erst im neuen Florenz von Cosimo I. voll. Innenraum der Stadt, Michelangelos Treppenvorhalle (ricetto) der Medici-Bibl. an S.Lorenzo mit ihren dreiachsigen Schaufassaden. 1561 übertrug Cosimo an V. das Haus, das dieser in Florenz bewohnte. 1561-62 renovierte V. die Villa Poggio a Caiano. Niccolò Tribolo und V. installierten 1556-59 noch auf dem Boden abgestellte Skulpturen Michelangelos in dessen Neuer Sakristei, die V. 1563-65 fertigstellte. V. modernisierte mittels Ser. rinascimentaler Tabernakelrahmen und Entfernung der Lettner die Innenräume der gotischen Kirchen S.Maria Novella (1565-67) und S.Croce (1566-68) in Florenz, wo er weitere ma. Kirchen umgestaltete. Er entwarf ephemere Dekorationen, insbes. für die Hochzeit von Francesco I. de' Medici mit Johanna von Österreich 1565 und für die Taufe ihrer Tochter Eleonora 1568. Das Obergeschoss der Uffizien erhielt anlässlich jener Hochzeit eine neue Funktion als Tl des Corridoio Vasariano, der den Pal. Vecchio mit dem Pal. Pitti auf der and. Flussseite verbindet (im selben Jahr vorläufig fertiggestellt, lt. den Ricordanze binnen fünf Monaten). V. wirkte maßgeblich an der Gründung der ersten KA mit, der Accad. delle Arti del Disegno in Florenz (1563), als deren Ehrenpräsident Michelangelo und als deren Oberhaupt Cosimo I. fungierten. An deren Statuten arbeiteten V. und der "luogotenente" (Statthalter) der Akad., Borghini, mit. V.s Konzept für die KA erschließt sich auch aus den Vite von 1568. Er sah sie als institutionelle und kollektive Bewahrerin von Errungenschaften der Kunst der "terza maniera", von individuellen Errungenschaften eines Raffael und Michelangelo durch ein Kollektiv (Ruffini, 2011). Die KA sollte die unüberbietbaren Leistungen dieser Künstler verwalten und vermitteln - in Analogie zur Institution der Kirche, die bereits gestiftete Heilsmittel verwaltet und vermittelt. Die Errungenschaften der "Künste des disegno" würden so für ein Künstlerkollektiv lehr- und lernbar. Kollektive Autorschaft, wie auch er sie mit seinen Mitarb. pflegte, war für V. ein Mittel nicht zur Qualitätssteigerung, wohl aber zu größerer Effizienz und Schnelligkeit bei Qualitätserhalt (siehe Vite 1568, Bd 2, Vorrede zum Dritten Tl). V. war an den von den Academici besorgten Dekorationen für die Trauerfeierlichkeiten Michelangelos 1564 beteiligt und konzipierte dessen Grabmal (Florenz, S.Croce). Für die Kap. der Akad. (Capp. della SS. Trinità der Compagnia di S.Luca) an SS. Annunziata schuf er ein programmatisches Fresko (Lukas malt die Madonna, 1567, in situ). Im Zuge der geplanten Neuausg. der Vite reiste V. 1563 nach Cortona, Assisi, Loreto, Ancona und Venedig. 1566 besuchte er zahlr. Städte in Mittel- und Norditalien, darunter Parma. In Cremona hielt er sich bei der Fam. der Malerin Sofonisba Anguissola auf. Für S.Pietro in Perugia lieferte er in diesem Jahr drei Altargemälde. Der Textumfang der 1568 ersch. zweiten Ausg. der Vite (nach ihrem Verleger Giuntina gen.) ist mehr als verdoppelt. V. und seine Co-Autoren vervollständigen darin nicht nur die bereits 1550 veröff. Biogr. durch weitere Recherchen. Gänzlich neu sind die Biogr. einer R. von 1550-67 verst. und von noch lebenden Künstlern, die öfter in Sammelviten behandelt werden und mit denen sich zugleich der geogr. Fokus über die Toskana hinaus erweitert: so mit Andrea Palladio und Paolo Veronese auf das Veneto, mit Tizian und Jacopo Sansovino, beide in Venedig tätig, und mit dem in Frankreich wirkenden Francesco Primaticcio. Eine Sammelvita des Hofmalers Angelo Bronzino und der Künstler der Florentiner KA steht vor V.s umfangreicher Autobiografie am E. der drei Bde der Neuauflage. Letztere stellt den als bizarr geschilderten Lebensgewohnheiten und dem ges. Scheitern eines Parmigianino, Rosso und Pontormo die Soziabilität des Hofkünstlers sowie den Fleiß und das Gewinnstreben des bürgerlichen Künstlers mit Kaufmannsethos gegenüber - als Paradigmen des künstlerischen und ges. Erfolgs von Künstlern. Zugleich übernahm V. weiterhin Aufträge für Kirchen und Bruderschaften, so für eine Allegorie der Kreuzigung (1567, Florenz, S.Maria Novella), eine Marienkrönung (ca. 1567, Arezzo, Badia delle SS. Flora e Lucilla), die Hauptaltartafel Himmelfahrt Mariens für S.Maria Assunta in Florenz (1568, als Ersatz für ein Polyptychon Giottos), im selben Jahr für eine Maria mit Hll. für die Pieve di S.Maria in Arezzo (1568, Arezzo, Mus. d'Arte Medievale e Mod.) und eine Standarte mit einer Vision des hl.Rochus (mit Mitarb., 1568, ebd.). Letztere ist eine Variation von Michelangelos "Moses". Ab 1568 erbaute V. die Loggia für den Fischmarkt von Florenz (transloziert) und konzipierte Sakralbauten im (Groß-)Herzogtum Toscana, so in Lucignano und Pozzo della Chiana. Im Febr. 1570 reiste V. nach Rom, da Pius V. ihn mit der Ausmalung von drei Kap. in der Torre Pia des Vatikanspalasts beauftragte, die er 1571-72 fertigstellte (Aurigemma, 2012). Mit Borghini arbeitete er 1571 am Programm für das Studiolo Francescos I., Sohn und Nachf. Cosimos, im Pal. Vecchio, zu dessen Ausstattung V. die Gem. Perseus befreit Andromeda und Vulkan in der Schmiede beitrug. Borghini erarbeitete auch das Programm für die von V. entworfenen Fresken der Innenkuppel des Florentiner Domes. 1570-73 freskierte V. sein Wohnhaus in Florenz mit Darst. aus dem Leben des Apelles und des Zeuxis nach Plinius d.Ä. und mit allegorischen Darst. des Disegno, der Schwesterkünste und der Poesie. 1571 wurde V. Ritter des päpstlichen Ordens vom Goldenen Sporn und begann das gegenreformatorische Freskenprogramm der Sala Regia im Vatikan mit der Schlacht von Lepanto. 1570-72 entwarf V. Loggien und Bebauung der Piazza Grande in Arezzo und fing 1572 die Ausmalung der Florentiner Domkuppel an. Im Nov. dieses Jahres setzte er die Ausmalung der Sala Regia (bis 1573) fort, u.a. mit einer affirmativen Darst. des Massakers der Bartholomäusnacht im Auftrag von Papst Gregor XIII. In vielfacher Weise schloss V. unvoll. Projekte der Früh- und Hochrenaissance ab, noch in seinem Todesjahr 1574 entwarf er den Fußboden der von Michelangelo freskierten Capp. Paolina im Vatikan. Die von V. beg. Darst. des Jüngsten Gerichts in der Innenkuppel des Domes von Florenz stellten Federico Zuccari und Jacopo Zucchi fertig. Seinen Nachruhm gedachte V., aus dessen Ehe keine Kinder hervorgingen, durch den Grabaltar seiner Fam. in Arezzo zu sichern, den er 1563-64 in der mon. Pieve errichtete, der romanischen Pfarrk. der Stadt, die er 1564-73 modernisierte. Die Gem. zeigen u.a. seine Vorfahren sowie ein Selbstporträt V.s. als hl.Lazarus und ein Porträt seiner Frau Niccolosa (und zugleich von deren Schwester Maddalena) als hl. Maria Magdalena (1864 in die von V. umgebaute Kirche der Badia delle SS. Flora e Lucilla transferiert). Diesem Zweck diente auch eine ungewöhnliche Bestimmung seines Testaments: Sie sieht die Begünstigung jener Nachkommen seines Bruders vor, die über die "natürliche Begabung" ("naturale ingegno") und den Willen verfügten, sich in der Lit., Malerei und Archit. hervorzutun. Als bes. Verpflichtung führt V. dabei die Ordnung seiner schriftlichen Hinterlassenschaften an. V. kann hier kaum schon seinen erst 1562 geb. Neffen im Auge gehabt haben, der später aufgrund dieser Verfügungen den schriftlichen Nachlass des Onkels ordnete, redigierte und die Ragionamenti publizierte. - V. ist nur mit einem Bauwerk, nämlich den Uffizien, in den globalen Kanon der Bauten und Bilder der Kunstgesch. eingegangen, den er durch seine Vite wie kein and. Autor bis heute prägt. Mit seinen allegorisch überhöhten Porträts und ganz- und mehrfigurigen Allegorien sowie seinen raumgreifenden typologischen Bilderzyklen etablierte er sich als 'pictor doctus', der nicht dem rinascimentalen Ideal des monoszenischen und einen bestimmten Moment festhaltenden Einzelbildes im Sinn des Modernisierers Leon Battista Alberti folgte, sondern der auf die ausdrücklich vormodernen Darstellungsmodi der Allegorie und Typologie zurückgriff. Innovativ sind V.s Bilder über die Künste, ihre Auftraggeber und Künstler. In seinen Freskenzyklen der Residenzen bed. Fam. gibt es Darst. der Kunstförderung und der Bautätigkeit. Mit Meta-Malerei, mit Malerei über Genese und Gesch. des Malens, freskierte V. seine eig. Häuser in Arezzo und Florenz. Diese Fresken sind gemalte Kunsttheorie, ebenso wie sein Altarbild für die Kap. der KA an SS.Annunziata in Florenz. Die Architektur- und Kunstgeschichte als Thema der Malerei kanonisiert zu haben, ist eine Leistung V.s. Seine Vite trugen maßgeblich zur Ausdifferenzierung der "Arti del disegno" aus dem vormodernen System der mechanischen und freien Künste bei und beförderten eine säkulare Auffassung von diesen. Zugleich bestimmte V. maßgeblich das Konzept vom "göttlichen", von Gott inspirierten, gar gottgleichen Künstler der Neuzeit. In seinen Beschr. von Kunstwerken, bes. des "Jüngsten Gerichts" Michelangelos, formulierte er das Paradigma des Meisterwerks. V. hat frühmoderne Konzepte von Kunst, Künstler, Kunstwerken, Kunstbetrachtung folgenreich geprägt - mittels deren Kanonisierung durch die Textgattungen Biogr. und Vitensammlung sowie Bildbeschreibung (Alpers, 1995; Rosenberg, 1995; Arnulf, 2007) und durch die Institution KA. Seine Vite wurden zum Muster der europ. Kunsthistoriografie des 17.Jh., die sich ebenfalls der Gattung Vitensammlung bediente, also bes. für Giovanni Pietro Bellori, Carlo Cesare Malvasia und Filippo Baldinucci in Italien sowie für Karel van Mander und Joachim von Sandrart nördlich der Alpen. Johann Joachim Winckelmann setzte sich von V.s "Gesch. der Künstler" zugunsten einer "Gesch. der Kunst" ab, folgte aber dessen Konzept fortschreitender Vervollkommnung und anschl. Verfalls von Epochenstilen. Als "Ende der Kunstgeschichte" hat Hans Belting in der F. nicht ein Ende der Kunstproduktion (und auch nicht der Kunsthistoriografie), sondern ein Ende der "Großen Erzählungen" der Kunst nach dem Muster der Meistererzählung V.s bezeichnet. Wurden und werden V.s Irrtümer und Fiktionen bei der Wiedergabe vorgeblicher Fakten durch hist.-kritische Forschungen laufend korrigiert, so werden seit Kris/Kurz (1934) auch die poetischen und lit. Voraussetzungen und Topoi seiner Biogr. und die Erfindungskraft ihrer Mikroerzählungen sowie ihre intertextuellen Bezüge erforscht (Barolsky, 1997 u. 2000). Etliche von V.s Anekdoten konterkarieren subversiv die heilsgeschichtlich unterlegte Gesamtstruktur der Vite, etwa jene, dass Leonardo die ihm zuvor vermeintlich unbek. Grundzüge des christlichen Glaubens erst auf dem Totenbett von seinen Schülern erläutert worden seien (nur in der Ausg von 1550). Zugleich hat die Lektüre der internat. übers. und z.T. umfangreich kommentierten Vite V.s und insbes. seiner Vita Michelangelos die Ausb. einer Kunstreligion und des Geniekultes vom späten 18.Jh. an entscheidend geprägt.
Vite: Le vite de' più eccellenti architetti, pittori, et scultori italiani, da Cimabue, insino a' tempi nostri, 2 Bde, Fi. 1550 (sog. Torrentiniana); Le Vite de' più eccellenti pittori, scultori et architettori, scritte e di nuovo ampliate da G.V. con i ritratti loro e con l'aggiunta delle vite de' vivi e de' morti dall'anno 1550 infino al 1567, 3 Bde, Fi. 1568 (sog. Giuntina); Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister, von Cimabue bis zum Jahre 1567, ed. L.Schorn/E.Förster, St./Tb. 1832-49 (Neuausg. Worms 1983); Le vite de' più eccellenti pittori, scultori e architettori nelle redazioni del 1550 e 1568, ed. P.Barocchi/R.Bettarini, 6 Bde, Fi. 1966-88; La vita di Michelangelo nelle redazioni del 1550 e del 1568, ed. P.Barocchi, 5 Bde, Mi. 1962; Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten, übers. V.Lorini, ed. A.Nova et al., 45 Bde, B. 2004-15 (Ed. G.V.). - Ragionamenti: Ragionamenti del sig. cavaliere G.V., Fi. 1588; V.s Decoration in the Pal. Vecchio: The "Ragionamenti", Ü̈bers., Einl. u. Anm. J.L. Draper, Diss., Chapel Hill, Univ. of North Carolina, 1973; Ragionamenti di Pal.Vecchio, Übers., Einl. u. Kommentar R. Le Mollé, P. 2007. - weitere Schr./Briefe: Descrizione dell'apparato fatto nel Tempio di S. Giovanni di Fiorenza per lo battesimo della Signora prima figliuola dell’Illustrissimo […] Principe di Fiorenza, et Siena Don Francesco Medici, e della Serenissima Reina Giovanna D'Austria, Fi. 1568 (online ed. C.Davis, 2008); Der lit. Nachlass G.V.s, 3 Bde: Bd 1, ed. K.Frey, M. 1923, Bd 2: ed. H.-W. Frey, M. 1930, Bd 3: ed. H.-W. Frey, Burg 1940 (Repr. Hildesheim 1982); Il libro delle ricordanze, ed. A. Del Vita, R. 1938; Lo zibaldone, ed. id., R. 1938; Poesie, ed. E.Mattioda, Alessandria 2012.
Einzelausstellungen:
Arezzo: 1981 Sottochiesa di S.Francesco (K); 2011 Gal. Comunale d'Arte Mod. e Contemp. (K) / 1994 New Haven, Yale Univ., AG (K) / 2011 Florenz, Uffizien (K) / 2011 Berlin, Kpst.Kab. (K) / 2018 München, Staatl. GrS. -
Gruppenausstellungen:
2008 New York, Morgan Libr. & Mus.: Michelangelo, V. and their contemp. (K) / 2016 Frankfurt a.M., Städel: Maniera (K; dt./engl.)
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB34, 1940
Weitere Lexika:
DA XXXII, 1996; DBI XCVIII, 2020
Gedruckte Nachweise:
Monogr.: W.Kallab, Vasaristudien, ed. J.v.Schlosser, W. 1908; E.Kris/O.Kurz, Die Legende vom Künstler, W. 1934; L.Ragghianti Collobi, Il libro de' disegni del V., Fi. 1974; T.S.R. Boase, G.V., Pr. 1979; C.Conforti, G.V. architetto, Mi. 1983; R.Williams, Vincenzio Borghini and V.'s "Lives", Ann Arbor 1989; L.Corti, V., Fi.1989 (WV Gem.); U.Muccini, Il Salone del Cinquecento in Pal. Vecchio, Fi. 1990; U.Muccini/A.Cecchi, Le Stanze del Principe in Pal. Vecchio, Fi. 1991; L.G. Satkowski, G.V. Architect and Courtier, Pr. 1993; P.L. Rubin, G.V., New Haven/Lo. 1995; J.R. Lupton, Afterlives of the Saints, Stanford 1996; P.Barolsky, Giottos Vater, B. 1997; P.J. Jacks (Ed.), V.'s Florence, C., Mass. 1998; N.Lepri/A.Palesati (Ed.), Fuori dalla corte, Montepulciano 2003; A.B. Barriault, Reading V., Lo. 2005; L. De Girolami Cheney, The homes of G.V., N.Y. u.a. 2006 (ital. 2011); ead., G.V.'s teachers, N.Y. u.a. 2007; M.Burioni, Die Renaiss. der Architekten, B. 2008; D.Cast, The delight of art, University Park,Pa. 2009; K.Burzer et. al. (Ed.), Die "Vite" V.s, Ve. 2010 (ital./dt.); C.Conforti, G.V., Fi. 2010; C.Acidini Luchinat/G.Pirazzoli (Ed.), Ammannati e V. per la città dei Medici, Fi. 2011; G.Blum, G.V., M. 2011; M.Ruffini, Art without an author, Fordham 2011; D.Cast, The Ashgate research companion to G.V., Farnham u.a. 2014; F.Härb, The drawings of G.V. (1511-74), R. 2015 (WV Zchngn); F.Jonietz/A.Nova, V. als Paradigma, Ve. 2016 (dt./engl.); E.Mattioda, G.V. tra prosa e poesia, Alessandria 2017; F.Jonietz, Das Buch zum Bild, M. 2018; B.Agosti, G.V.: luoghi e tempi delle Vite, Mi. 32021. - Art.: E.H. Gombrich, JWarburg 23:1960, 309-311; M.Warnke, Kritische Berichte 5:1977, 5-28; E.Panofsky, in: id., Sinn und Bedeutung in der Bildenden Kunst, Köln 1978, 192-274; H.Belting, in: id., Das E. der Kunstgesch.?, M. 21984, 63-91; U. Link-Heer, in: H.U.Gumbrecht/K.L.Pfeiffer (Ed.), Stil, Ffm. 1986, 93-126; S.Alpers, in: G.Boehm/H.Pfotenhauer (Ed.), Beschreibungskunst - Kunstbeschreibung, M. 1995, 217-253; R.Rosenberg, ZKg 58:1995, 297-318; P.Scapecchi, FlorMitt 42:1998, 101-114; P.Barolsky, Source 19:2000(3)1-6; A.Cecchi, JWarburg 65:2002, 244-258; P.Michelsen, Arch. für Kulturgeschichte 84:2002, 293-312; I.Verstegen, Storiografia 14:2006, 1-19; A.Arnulf, in: C.Zöhl/M.Hofman (Ed.), Von Kunst und Temperament, Turnhout 2007, 23-35; M.G. Aurigemma, RömJb 39:2009/10, 65-163 (ersch. 2012); G.Blum, ArtB 95:2013(4)557-577; A.Nova, FlorMitt 55:2013(1)55-71; A.Linke, in: J.Clifton/W.Melion/M.Weemans (Ed.), Imago Exegetica, Leiden 2014, 923-958; M.Burioni, in: W.Brassat (Ed.), Hb. Rhetorik der Bildenden Künste, B./Boston 2017, 269-282; A.Morrogh, in: J.Marciari (Ed.), A demand for drawings, N.Y. 2018, 30-43; C.Falcani, Paragone 70:2019(143)23-35 u. 70:2019(148)3-35, Taf. 1-25.
Archive:
Schriftlicher Nachlass: Arezzo, Casa V., Arch. V.; New Haven, Yale Univ., Beineke Libr., Spinelli Arch., Spinelli fam. papers I, filze 34, 35 u. 66.
Onlinequellen:
Volltext zahlr. Schr. V.s: https://www.memofonte.it