Mengs, Anton Raphael, dt. Maler, Kunsttheoretiker, *12.3.1728 Aussig (Böhmen), †29.6.1779 Rom.
Mengs, Anton Raphael
Die Taufe (Dok. im Pfarr-Arch. Aussig) erfolgt am 13.3.1728 nach dem damals in Böhmen praktizierten kath. Ritus. Der Vater Ismael M. lebt als kursächsisch-poln. Hofmaler in Dresden, wo ihm die ledige Christiana Charlotte Bornmannin den Haushalt führt und Mutter seiner vier Kinder wird. Sie verstirbt 1730 im Kindbett. Zusammen mit seinen Schwestern Therese Concordia M. und Juliane Charlotte M. wird M. durch den Vater erzogen und ausgebildet. Im Herbst 1740 geht Ismael Mengs mit seinen Kindern nach Rom, wo er sich v.a. der Weiterbildung des Sohnes zum Historienmaler widmet. Das Rüstzeug dazu erwirbt M. in den priv. Akt-Akad. von Sebastiano Conca und Marco Benefial sowie durch das Kopieren im Vatikan und bes. in der Sixtinischen Kapelle. Die Fam. wohnt im Pal. dei Penitenzieri bei St. Peter. E. des Jahres 1744 kehrt sie nach Dresden zurück. Am 1.10.1745 wird M. "in Betracht seiner in dieser Kunst erlangten und bey verschiedener ihm seither anvertrauter Arbeit erwiesenen Geschicklichkeit" (Dok. s. Roettgen, 2003) mit nur siebzehn Jahren zum "kgl. Hofmaler" ernannt. Zuvor hatte er den König und andere Mitgl. des Hofes in Pastell porträtiert (Dresden, GG AM.). Am 6.4.1746 wird ihm eine jährliche Pension von 600 Talern gewährt, während die zu Miniaturmalerinnen ausgebildeten Schwestern eine Jahrespension von je 300 Talern erhalten. Im April 1746 bricht die Fam. unter der Ägide des Vaters erneut nach Rom auf, wo sie nach Stationen in Bologna, Parma und Venedig A. Juni 1746 eintrifft und im Borgo Pio Quartier nimmt. Auch dieser Aufenthalt steht unter dem Vorzeichen der weiteren Ausb. von M., der nun das Stud. Raffaels intensiviert und an den anatomischen Lektionen im röm. Ospedale di Santo Spirito teilnimmt. Vor der Rückkehr nach Dresden (E. Aug. 1749) konvertiert M. gemeinsam mit seinen Schwestern und gefolgt von seinem Vater, vom ev.-luth. zum röm.-kath. Bekenntnis. Nach der Firmung erhält M. die Genehmigung zur Heirat mit der Römerin Margherita Guazzi, die am 16.8.1749 in So. Spirito in Sassia vollzogen wird. Sein erstes Öl-Gem. einer Hl. Familie, das er im "Geschmack Raffaels" malt (London, Priv.-Slg) und für das ihm seine Frau Modell sitzt, nimmt er mit nach Dresden. Während der beiden folgenden Jahre entstehen dort die offiziellen Porträts der kurfürstlichen Fam. (Dresden, GG AM) sowie zwei kleine Altar-Gem. für die neue kath. Hofkirche. Daneben profiliert sich M. auf dem Gebiet des an van Dyck orientierten priv. Standesporträts (Domenico Annibali, Mailand, Pin. di Brera; Sir William Hanbury, Warschau, MN; Bildnis des Vaters, Chicago. Art Inst.), das für seine weitere Tätigkeit eine bed. Rolle spielen sollte. Am 23.3.1751 erfolgt die Ernennung zum Oberhofmaler mit 1000 Taler Jahresgehalt. Am 15.9.1751 reist M. mit seiner Frau, der Tochter Anna Maria und seinen Schwestern nach Italien und macht an mehreren Orten, darunter Bologna und Florenz, Station. In Venedig bleibt er ca. fünf Monate, um sich wegen des Auftrags für das Hochaltarbild der Himmelfahrt Christi für die Dresdener Hofkirche (1767 installiert) mit Tizians "Assunta" auseinanderzusetzen. Im späten Frühjahr 1752 trifft er in Rom ein und wird am 14.6.1752 zum Mitgl. der Accad. Clementina in Bologna und am 20.8.1752 zum ordentlichen Mitgl. der Accad. di San Luca ernannt. Im Dez. 1752 erhält er durch die Vermittlung von Horace Mann, des brit. Residenten in Florenz den Auftrag, für die Gal. des Duke of Northumberland in London eine Kopie nach Raffaels "Schule von Athen" zu malen (London, V&A). M. mietet eine Wohnung mit Atelier in der Via Sistina 82 gegenüber dem Pal. Zuccari, die in den kommenden Jahren zum Ort von Debatten über neue Wege zur künstlerischen Ern. wird, an denen mehrere Künstler aus nordischen Ländern partizipieren, darunter Richard Wilson, Richard Brompton, Peder Als, Nicolas Guibal, Anton Maron, Laurent Pecheux, Giovanni Battista Casanova und Charles-Louis Clerisseau. M. öffnet ihnen sein Atelier und gibt ihnen die Möglichkeit, in seinem Haus nach guten Gipsabgüssen von Antiken zu kopieren, um deren Erwerb er sich bemüht. Ab 1755 ist er einer der Lehrer für das Akt-Stud. in der öff. Accad. del Nudo auf dem Kapitol. Im Dez. 1755 schließt M. Freundschaft mit Johann Joachim Winckelmann, der für ca. ein Jahr in seiner unmittelbaren Nachbarschaft lebt und mit dem sich ein intensiver kunsttheoretischer Diskurs entwickelt. M. verfasst auf seine Anregung hin den Traktat "Gedanken über den Geschmack in der Mahlerey", für deren Publikation (Z. 1762) sich Winckelmann einsetzt. Dieser Leitfaden zur Ausb. des "Geschmacks" (Stils) auf der Basis von vier exempla (Raffael, Tizian, Correggio und die antike Skulptur) folgt Winckelmanns Auffassung von der Nachahmung des Idealschönen als sicherstem Weg zur künstlerischen Erneuerung. Mit Ausbruch des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) verliert M. seine Gehaltszahlungen aus Dresden und ist nun auf Aufträge angewiesen. Das 9,30 m hohe Altarbild für Dresden mit der Himmelfahrt Christi wird daher 1756 auf zehn Jahre in Rom magaziniert. Neben den Porträts für engl. Rombesucher, mit denen M. zum Konkurrenten von Pompeo Batoni wird, entstehen bis 1761 hist. Gem., darunter eine Semiramis für die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (Bayreuth, Neues Schloss), eine Sibylle (London, Priv.-Slg) und eine hl. Caecilie im Stil Domenichinos (Rom, Priv.-Slg) und die Unterredung zw. Kleopatra und Augustus für den brit. Bankier Henry Hoare (Stourhead House). Der Briefwechsel mit dem Auftraggeber dokumentiert, dass sich M. um eine rigorose Auslegung der antiken Schriftquellen bemüht und dass er einen thematisch angemessenen Bildaufbau anstrebt, für den er sich an Poussin orientiert. 1757 erhält er den Auftrag für das Deckenfresko in der röm. Kirche San Eusebio, mit dem er sich eine führende Stellung als Freskant erringt. 1758 malt er das offizielle Bildnis des neu gewählten Papstes Clemens XIII. Rezzonico in zwei unterschiedlichen Versionen (Bologna, PN; Spoleto, Priv.-Slg). M. profiliert sich auch auf dem Gebiet der relig. Malerei röm. Trad., wie seine Gem. des Tempelgang Mariae für die Kap. des Kgl. Palastes in Caserta (zerst.) und des hl. Benedikt bei der Niederschrift der Ordensregel für Sulmona (Sulmona, MCiv.) zeigen. Während eines Aufenthaltes in Neapel (Okt. 1759-Mai 1760) porträtiert er den neunjährigen König Ferdinand IV. (Neapel, MN di Capodimonte) und lernt hier dessen Vater Karl VII. kennen, der kurz zuvor als Karl III. die span. Königswürde erhalten hatte. Zurückgekehrt nach Rom wird M. mit dem Namen Dinia Sipilio zum Mitgl. der röm. Ges. Arcadia ernannt und freskiert im Auftrag des Kardinals Alessandro Albani die Decke der Gal. in dessen Villa mit einem in Vertikalperspektive konzipierten "quadro riportato", das Apollo, Mnemosyne und die neun Musen auf dem Parnass darstellt. Das von zwei allegorischen Darst. flankierte Bild, das im März 1761 vollendet ist, wird von Winckelmann zum Programmbild einer aus dem Geist der Antike erneuerten Malerei interpretiert und findet wegen seiner Neuartigkeit große Resonanz. Im Juli 1761 erhält M. die Einladung aus Madrid, sich in den Dienst des span. Königs Karl III. zu begeben. Er nimmt das finanziell verlockende Angebot trotz mancher Bedenken an und trifft Ende Sept. 1761 mit seiner Fam. in Madrid ein. 1762 beginnt er mit der Ausmalung von drei kleineren Decken in der kgl. Wohnung im Palacio Real, während Giambattista Tiepolo und seine Söhne gleichzeitig die Deckenfresken der großen Repräsentationssäle ausführen. Als Gehilfen bei der Ausf. der Deckenfresken engagiert M. 1763 Francisco Bayeu y Subias, den Lehrer und späteren Schwager von Goya. Zu seinen Arbeiten als pintor de camara gehören die Porträts der königlichen Familie und mehrere relig. Gem. für das Schlafzimmer des Königs (Madrid, Patrimonio Nac.). 1764 wird M. zum Academico de Honor der Acad. de San Fernando ernannt. Als seine Vorschläge zur Reformierung der Unterrichtspraxis auf Widerstand stoßen, kommt es zu Spannungen, die 1768 mit seinem Austritt aus der Akad. enden. Im Okt. 1766 wird er zum Primer Pintor de Camara ernannt. Im gleichen Jahr bricht Winckelmann aus nicht völlig geklärten Gründen die Korr. mit ihm ab. Eine Rolle dabei scheint sein Gem. Jupiter küsst Ganymed (Rom, GN d'Arte Antica Pal. Barberini) gespielt zu haben, das im Stil eines antiken Freskos gemalt ist und das Winckelmann 1764 als antikes Werk in seiner "Gesch. der Kunst" abgebildet hat. 1769 erkrankt M. schwer und wird für einen Genesungsaufenthalt in Italien beurlaubt. Er begibt sich über Monaco, wo er vom Arzt des Fürsten Grimaldi behandelt wird, nach Genua und Parma. Anschl. verweilt er ca. acht Monate in Florenz, wo er die Erlaubnis zum Abformen der berühmtesten Antiken in der Tribuna der Uffizien sowie der Porta del Paradiso von Ghiberti erhält. Er malt im Auftrag des span. Königs die Bildnisse der großherzoglichen Fam. (Madrid, Prado) und wird in die Florentiner Accad. del Disegno (16.6.1770) und die Genueser Accad. Ligustica (16.7.1770) aufgenommen. Am 16.12.1770 wird er, obwohl noch in Florenz, auf zwei Jahre zum Princeps der röm. Accad. di San Luca gewählt. Im Febr. 1771 trifft er in Rom ein und stellt im Nov. das Altarbild Noli me tangere (urspr. Oxford, All Souls College, Leihgabe London, NG) in der Villa Medici öffentlich aus. Große Resonanz findet sein Bildnis der Marquesa de Llano in einem Kostüm ihrer span. Heimat (Madrid, Mus. de la RABA de S.Fernando). 1771 beginnt er mit der Ausmalung eines zur Aufbewahrung frühchristlicher Papyri bestimmten Zimmers in der vatikanischen Bibliothek. Im Deckenbild stellt er eine Allegorie auf die Gründung des Mus. Clementino durch Clemens XIV. (1770) dar. Der übrige Dekor und das figürliche Programm verweisen auf die ägyptischen und ravennatischen Ursprünge des Papyrus. M. ist auch für den Entwurf zur Wand- und Fußbodengestaltung dieses mit farbigem Marmor ausgekleideten Zimmers verantwortlich. 1772 erhält er den Auftrag zum Altarbild der Schlüsselübergabe für St. Peter, das jedoch nicht über den modello hinausgelangt ist (Italien, Priv.-Slg), und 1773 reist er nach Neapel, um dort die königliche Fam. zu porträtieren (Madrid, Prado). 1773 wird er durch Clemens XIV. zum Ritter des Ordens Speron d'oro ernannt, dessen Dipl. er schon 1755 erhalten hatte. Von Aug. 1773 bis April 1774 weilt er erneut in Florenz, wo er zeitweise schwer erkrankt, aber auch für priv. Auftraggeber mehrere Gem. ausführt. Sein Selbstbildnis wird in die Slg der Künstlerporträts der Uffizien aufgenommen. Im April 1774 reist er über Mailand und Turin nach Madrid, wo er im Juli 1774 eintrifft. Im Dez. 1774 sorgt er dafür, dass Goya, den er schon seit einigen Jahren kannte, Kartonmaler in der kgl. Teppichmanufaktur wird. Im kgl. Pal. von Aranjuez bemalt er die Decke des Haustheaters mit der Allegorie Chronos raubt das Vergnügen, während er im Pal. Real in Madrid das figurenreiche Deckenfresko Apotheose des Kaisers Trajan im kgl. Konversationszimmer vollendet. 1776 veröffentlicht Antonio Ponz M.s Abhandlung über die Gem.-Slg der span. Krone. Anhaltende gesundheitliche Probleme veranlassen M. dazu, um seine dauerhafte Beurlaubung zu bitten. Nach der Überreichung eines Memorandums über die Neustrukturierung der kgl. Gem.-Slg und der offiziellen Schenkung seiner Slg von Gipsabgüssen an den König verlässt M. im Februar 1777 Madrid. In Rom erwirbt er in Erbpacht die in der Nähe von St. Peter gelegene Villa Cavalieri Sannesi. Im Febr. 1778 stellt er das Gem. Perseus befreit Andromeda (St. Petersburg, Ermitage) in seinem Atelier öff. aus und erntet dafür viel Lob, aber auch Kritik. Im April 1778 stirbt seine Frau, mit der er zwölf Kinder hatte, an einem Fieber. Von diesem Zeitpunkt an verschlechtert sich sein labiler Gesundheitszustand, der wohl die Folge seiner Art der Zubereitung der Farben war, rapide. Er stirbt am 29.6.1779 in Rom und wird in S. Michele in Sassia (Grabmal von Vincenzo Pacetti) bestattet. Der Ateliernachlass wird zugunsten der teils noch unmündigen Erben verkauft. Einen beträchtlichen Teil erwirbt Kaiserin Katharina II. von Russland. Ein Teil der in Rom befindlichen Abguss-Slg wird vom Dresdener Hof erworben (s. Kiderlen 2006). Der mit M. befreundete span. Diplomat José Nicolas de Azara veröffentlicht 1780 zus. mit einer Biogr. die ungedruckten Schriften, die um die Vorbildfunktion von Raffael, Correggio, Tizian und der Antike sowie um die akad. Prinzipien der künstlerischen Ausb. kreisen. 1779 und 1780 erscheinen weitere Biogr. von G. L. Bianconi, C. G. Ratti und G. C. Amaduzzi. Der Nachruhm von M., der durch zahlr. Schüler und Bewunderer verbreitet wurde, verblasst erst mit dem Beginn der Romantik.
Gedanken über den Geschmack und die Schönheit in der Malerey, Z. 1762: Carta à D. Antonio Ponz 1776 (Viaje de Espaňa, VI); J. N. de Azara, Opere di A.R.M. (ital. und span.), Parma/Ma. 1780; M./Doray de Longrais, Œuvres de M. Mengs Rb. 1782; J. N. de Azara/C.Fea, Opere di A. R. M., R. 1787; C.F. Prange, Des Ritters A.R.M. Werke, Halle 1786.
Einzelausstellungen:
1929 (K), '80 (K) Madrid, Prado / 1980 Leningrad, Ermitage (K) / 1993 London, Kenwood Iveagh Bequest (K) / 1993 / 2000-01 Dresden, SKS (Wander-Ausst., K) / 2013 Madrid, Mus. de la RABA de S.Fernando (K)
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB24, 1930
Weitere Lexika:
Rump, 1912; Toman II, 1950; Schede Vesme II, 1966; DEB VII, 1975; Bauer, GEM VI, 1978; PittItalSettec II, 1990; Dicc. de arte esp., Ma. 1996; DA XXI, 1996; Dumas II, 2007
Gedruckte Nachweise:
G.C. Amaduzzi, Discorso funebre 1780; G.L. Bianconi, Elogio storico del Cav. M., Mi. 1780; F.J. Sanchez Cantón/D.Honisch, M. und die Bildform des Frühklassizismus, Recklinghausen 1965; H. v. Einem, M. Briefe an Raimondo Ghelli und Anton Maron, Göttingen 1973; S.Roettgen, M. 1728-1779 and his British Patrons, Lo. 1993; G.Hojer/P.O. Krückmann, M. Königin Semiramis erhält die Nachricht vom Aufstand in Babylon, B./M. 1995; S.Roettgen: M. Das malerische Werk, M. 1999; ead. (Ed.), M. La scoperta del Neoclassico, Ve. 2001; ead. (Ed.), M. Die Erfindung des Klassizismus, M. 2001; ead., M. Leben und Wirken, M. 2003; M.Kiderlen, Die Slg von Gipsabgüssen von M. in Dresden, M. 2006; P.Hollweg, M. Wirken in Spanien, Ffm. 2008; A.Negrete Plano (Ed.), M. y la Antiguedad, Ma. 2013