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Frei zugänglich

Kusama, Yayoi

Geboren
Matsumoto, 22. März 1929
Land
Japan, Vereinigte Staaten
Geschlecht
weiblich
GND-ID
Weitere Namen
Kusama, Yayoi
Berufe
Maler*in; Bildhauer*in; Installationskünstler*in; Performancekünstler*in; Modegestalter*in; Filmkünstler*in; Schriftstellerin
Wirkungsorte
New York, Tokio
Zur Karte
Von
Papist-Matsuo, Antje
Zuletzt geändert
14.11.2025
Veröffentlicht in
AKL LXXXII, 2014, 342; Vollmer VI, 1962, 178

VITAZEILE

Kusama, Yayoi, jap. Malerin, Bildhauerin, Druck-, Installations-, Performance- und Filmkünstlerin, Modegestalterin, Schriftstellerin, *22.3.1929 Matsumoto, lebt in Tokio.

LEBEN UND WIRKEN

K. wächst als viertes Kind einer wohlhabenden, konservativen Fam. auf. Bereits mit zehn Jahren beginnt sie Punktmuster und Netzstrukturen in ihre Zchngn, Aqu. und Ölbilder einzuarbeiten. Sie führt dies später auf durch ein strenges, unberechenbares Elternhaus hervorgerufene Halluzinationen zurück. Mit 13 Jahren erhält sie priv. Kunstunterricht. Ihre Eltern lehnen ihren Berufswunsch Malerin zu werden ab, und sie muss an jährlichen Kunstwettbewerben teilnehmen, um ihr Talent zu beweisen. 1948-49 Stud. der Malerei im Jap. Stil (nihonga) an der KHS Kyôto (Kyôto shiritsu geijutsu daigaku; Abschluss 1949). Im selben Jahr beteiligt sich K. an der 2.Ausst. der Vrg Sôzô Bijutsu (Kreative Kunst), ein kurzlebiges Nihonga-Kollektiv in Opposition zu den Ausst. der konservativen Nihonga-Salons. 1950 nimmt sie mit einem Nihonga-Werk an der 1.Nagano Pref. Exhib. teil (Cat, 1947), entschließt sich aber die Nihonga-Malerei zugunsten der Ölmalerei aufzugeben. 1953 entscheidet sie sich gegen eine Ausb. an der Acad. de la Grande Chaumière in Paris, um eine Ausst. in Tokio zu organisieren. 1952-55 hat sie sechs Einzelausstellungen in Japan (z.B. 1952 Matsumoto Civic Hall, 1954 Shirokiya Dep. Store, Mimatsu Shobo Gall.). Das Mag. Mizue widmet ihr 1954 ein Titelbild. 1957 erste Einzelausstellung in den USA (Zoe Dusanne Gall. Seattle), die sie mit Hilfe von Kenneth Callahan und Georgia O'Keeffe organisiert. Vor ihrer Abreise verbrennt K. die meisten der frühen Werke (v.a. Nihonga), um sie vor dem Zugriff der Mutter zu retten. Ab 1958 lebt K. in New York; dort Einzelausstellungen (1959 Brata Gall.; 1961 Stephen Radich Gall., 1962 Green Gall.) u.a. mit der minimalistischen Ser. Infinity Nets (No. A. B., 1959, City MoA, Toyota). Ihre Arbeiten hinterlassen einen starken Eindruck in der Kunstszene New Yorks und werden von Künstlern wie Frank Stella und Donald Judd erworben. Enge Bekanntschaft zu Judd, der, ebenso wie Eva Hesse, in unmittelbarer Nachbarschaft zu K. wohnt. 1960 beginnt sie Collagen aus Alltagsgegenständen (Eierkartons, Aufkleber) herzustellen. Im selben Jahr Teiln. an internat. Ausst. zur zeitgen. Abstraktion (StM Leverkusen), bei der sie neben Mark Rothko die einzige Künstlerin aus New York ist. Ihre Begegnung mit dem New Yorker Psychiater Taketomo Yasuhiko im Dez. 1961 wird für K.s Identitätsverständnis und weiteres Schaffen prägend, da er ihre obsessive Kreativität (Repetition, Anhäufung, Verdichtung, phallische Symbole) aus wiss. Perspektive als Ausdruck einer Angstneurose deutet. Weitere Ausst. in Europa und den USA (u.a. in New York, Whitney, 1962 Green Gall.). 1962 Beginn der Werkreihe Accumulations (sog. "Soft Sculptures"). Ab dieser Zeit regelmäßige Klinikaufenthalte wegen Arbeitsüberlastung und psychischer Probleme (Suizidversuch). Sie lernt den Bildhauer Joseph Cornell kennen, der ihr langjähriger Lebenspartner wird. 1963 erhält K. das dauerhafte Aufenthaltsrecht für die USA; Ausst. in der Gertrude Stein Gall. (Aggregation: One Thousand Boats Show), für die sie den gesamten Galerieraum auskleidet. Ab 1964 zusätzlich zu den Infinity Net-Gem. regelmäßige Verwendung von Spiegeln und Glühbirnen in ihren zunehmend raumgreifenden und beweglichen Installationen (Driving Image Show 1964; Infinity Mirror Room 1965, Floor Show in der Richard Castellane Gall.; u.a. lebende Hunde, Mannequins). 1965 Stip. der Rockefeller Foundation. Bekanntschaft mit Kawara On (gemeinsames Atelier). 1966 Teiln. an der Bienn. Venedig; die Kosten der Installation von 1500 Silberkugeln (Narcissus Garden) werden von Lucio Fontana übernommen, bei dem sie wohnt. Ab 1967 Performances und Happenings, die sie "Body Festivals" nennt (Self-obliteration, Black Gate Theatre, New York u.a.). 1968 Gründung einer eigenen Filmproduktionsgesellschaft zur Dok. der Happenings (TV-Berichte in USA und Europa), deren Filme aufgrund von Nacktdarstellungen und politscher Kritik (u.a. am Vietnamkrieg) der Zensur unterliegen (Anatomic Explosion on Wall Street 1968, Wall Str., New York; Grand Orgy to Awaken the Dead, 1969, Sculpture Garden MoMA, New York). Die Medienberichte erreichen auch Japan und führen zu weiteren Spannungen mit K.s Familie. Zahlr. weitere Happenings und Performances sowie erstes Mode-Label. In den frühen 1970er Jahren pendelt K. zw. USA und Japan. 1972 Beginn ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, weiterhin Keramiken, Aqu., Zchngn und Collagen. 1973 kehrt sie nach dem Tod Cornells nach Japan zurück. 1973-75 wird K. durch den jap. Kunstmarkt ignoriert. Aufgrund psychischer Probleme mehrere Klinikaufenthalte. 1975 publiziert sie einen Essay im Mag. Geijutsu Seikatsu, in dem sie über die Gründe ihrer Angstneurose schreibt. Ihre Reputation wandelt sich schlagartig (1975 Ausst. in der Nishimura Gall., Tokio). 1977 begibt sich K. dauerhaft in die Seiwa-Klinik in Tokio, wo sie ein Atelier einrichtet und seitdem lebt. Wenige Ausstellungstätigkeiten in den nächsten Jahren. 1978 erscheint ihr erster Roman Manhattan Suicide Addict, 1983 The Hustler’s Grotto of Christopher Street (Preis des Mag. Yasei Jidai). Ab Ende der 1980er Jahre große Retr. und Ausst. im westlichen Ausland. 1989 Zusammenarbeit mit dem Fotografen Araki Nobuyoshi (Mag. S&M Sniper). 1989 widmet ihr das Mag. Art in America als erster jap. Künstlerin überhaupt ein Titelbild. 1991 erscheint ihr neunter Roman The Foxgloves of Central Park. Im selben Jahr wirkt sie im Film "Tokyo Decadence" von Murakami Ryû mit. 1993 repräsentiert K. mit ihrer Einzelausstellung den Jap. Pavillon auf der 45. Bienn. in Venedig (Mirror Room, Pumpkin). 1998 Teiln. an den Bienn. in São Paulo und Taipei. 1999 Zusammenarbeit mit Miyake Issey. 2003 Teiln. an der Echigo-Tsumari Art Trienn. (Tsumari in Bloom, Skulptur). Ausz.: 2003 Ordre des Arts et des Lettres; 2006 Kleiner Orden der Aufgehenden Sonne mit Rosette und Praemium Imperiale für Malerei, Japan Art Assoc., Tokio. - K.s Arbeit umfasst im Bereich der Bild. Kunst Installationen, Performances, Skulptur, Malerei und Zchng, Medien- und Filmkunst (1994 Musikvideo für Peter Gabriel). Weiterhin Modedesign sowie Tätigkeit als Schriftstellerin (Gedichte und zehn Romane). K.s Werke sind signifikant für die amer. Pop-Art, die Minimalismus- und Post-Minimalismus-Bewegung sowie für Künstler der Post-Abstract-Expressionismus-Bewegung (Judd, Stella, Robert Ryman). Als die einflussreichste Phase ihres Schaffens gelten die 1960er Jahre, in denen sie die Werkreihe der Infinity Nets und Accumulation-Skulptur erstmals kreiert. Die Werke dieser Zeit projizieren die psychische Labilität und Einsamkeit der Künstlerin während ihres New Yorker Aufenthaltes. Öff. Happenings und Performances thematisieren ges. (Homosexual Wedding, 1968, Walker Str., N.Y.), wirtschaftliche und politische Missstände (The Anatomic Explosion). Ihr Beitrag zur Bienn. in Venedig 1966 wird als Kritik am Kommerz der Kunstwelt verstanden (Narcissus Garden). Die politische Haltung der Künstlerin, die als Außenseiterin (Frau und Japanerin) männerdominierte Machtstrukturen in Frage stellt, wird als richtungsweisend für die Entwicklung des amer. Feminismus angesehen. Bed. Motive in K.s Werken sind Punkte ("Polka dots") und endlose Netzlinien, mit denen die Künstlerin (oft in Performances und Happenings) ihre Lw. ebenso überzieht wie die sie umgebenden Oberflächen, etwa Körper, Möbel, Bäume, Tiere usw. (Self-Obliteration, 1991, Installation, Sony Center Ginza, Tokio). Wiederholung, Serialität und Spiegelung werden von K. als zwanghafte Themen inszeniert, die v.a. Nachkriegs- und Kindheitstraumata in Japan verarbeiten. Das endlose, scheinbar ziellose Setzen von Punkten und Linien zielt auf eine Selbstauslöschung ihrer Individualität, die sie als belastend empfindet. Obgleich das Streben nach Überwindung des Individuums buddh. Implikationen erlaubt, lehnt K. diese Deutung entschieden ab. Die von K. oft geäußerte Sexualangst und Erfahrung mit patriarchalischer Dominanz visualisiert K. durch phallische "Soft Sculptures", die sie als "phallozentrisches Universum" inszeniert (Accumulations No. 2, 1962, Dartmouth Coll., Hood ). Indem K. Alltagsobjekte mit überhängenden Schwellungen überzieht, verfremdet sie deren Funktion und schafft zugleich eine Parodie auf phallische Identität (Spring Festival 1981, Installation, Brisbane; Shooting Stars, 1992, City MoA, Niigata). Im Spätwerk erweitert K. den theatralischen Aspekt früherer Installationen durch den Gebrauch von Primärfarben und in höchstem Maße stilisierter Punkte und Muster, die zu einer Betonung von Hyperrealismus führen (Pumpkin, 1994, Skulptur, Benesse Art Site, Naoshima).

WERKE

Akita, FMOCA. Akron, AM. Amsterdam, Sted. Mus. Boston/Mass., Inst. of Contemp. Art. Brisbane, Queensland AG. Chicago, Art Inst. Florenz, Uffizien. Hiroshima, City MCA. Iwaki, City AM. Kanazawa, 21st C. MCA. Kitakyûshû, City MoA. London, Tate Modern. Los Angeles, LACMA. Matsumoto, City MoA. Minneapolis, Walker AC. Mönchengladbach, StM Abteiberg. New York, MMA. - Whitney Mus. of Amer. Art. Naoshima, Benesse Art Site. - Ferry Terminal. Oberlin, Allen Mem. AM. Ôsaka, NMA. Paris, Centre Pompidou. Phoenix, AM. Saitama, Pref. MoA. Seoul, Leeum, Samsung MoA. - Seoul MoA. Tokio, Hara MCA. - NMMA. - Tōkyō-to Gendai Bijutsukan. Toyota, City MoA. Utsunomiya, Tochigi Pref. MoA. Venedig, François Pinault Found.

SELBSTZEUGNISSE

Driving Image, To. 1986; Mugen no ami: K.Y. jiden, To. 2002; Y.K. Infinity Net, Chicago 2011; Hi, Konnichiwa, To. 2013.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

Tokio: 1975 Nishimura Gall.; 1982, '88, '94 Fuji Television Gall. (K); 1991, '99 Hara MCA (K); 1992 Sôgetsu AM (K); 1996, Ota FA (K); 2004 NMMA (K); Mori AM (K) / 1982 Mailand, Naviglio Gall. (K) / 1987 Kitakyûshû, City MoA (K) / New York: 1989 Cent. for Internat. Contemp. Art (K); 1998 MoMA (K); 1996 Paula Cooper Gall. (K) / 1989 Oxford, MMA (K) / 1998 Los Angeles, LACMA (K) / 2002 Matsumoto, City MoA (K) / 2003 Wien, KH (K) / 2004 Braunschweig, KV (K) / 2008 Rotterdam, BvB (K) / 2011 Brisbane, Queensland Art Gall. (K); Madrid, Mus. Reina Sofia; Paris, Centre Pompidou / 2011 (K), '22 London, Tate Modern / 2013 Shanghai, MOCA (K) / 2014 Seoul, AC (K) / 2021 Berlin, Gropius-Bau (Retr., K) / 2023-23 San Francisco, MMA / 2025 Nürnberg, Neues Mus. (mit Pipilotti Rist) / 2025-26 Basel, Fond. Beyeler. -

 

Gruppenausstellungen:

1960 Leverkusen, StM: Monochrome Malerei (K) / New York: 1966 MoMA: The Object Transformed (K); 1984 Whitney: Blam! (K); 1994 Guggenheim: Scream against the sky (K); 2007 Jap. Soc. Gal.: Making a Home (K) / Tokio: 1981 NMMA: The 1960s (K); 2024 MCA: A Personal View of Jap. Contemp. Art: Takahashi Ryutaro Coll. / 1983 Los Angeles, MCA: Inaugural exhib. (K) / 1985 Oxford, MMA: Reconstructions (K) / 1986 Paris, Centre Pompidou: Jap. des Avant Gardes (K) / Brisbane, Queensland AG: 1989 Jap. Ways, Western Means (K), 2002 The Asia Pacific Trienn. of Contemp. Art (K) / 2005 Utsunomiya, Tochigi Pref. MoA: Zen'ei no josei (K) / 2010 Sydney: Bienn. (K) / 2016-17 München, Haus der Kunst: Postwar - Kunst zw. Pazifik und Atlantik 1945-1965 (K).

 

QUELLEN

Thieme-Becker, Vollmer und AKL:

Vo6, 1962

 

Weitere Lexika:

WWAA, 1991/92; WWAA, 1993/94; L.C. und K.Hillstrom (Ed.), Contemp. women artists, Detroit u.a. 1999

 

Gedruckte Nachweise:

D.Friis-Hansen, A.&Text 49(1994):48-55; Y.K., 1958-1868. Archives pamphlet file, N.Y. 1998; L.Hoptman/A.Tatehata u.a. (Ed.), Y.K., Lo. 2000; G.Borggreen, Copenhagen J. of Asian Studies 15(2001):10-46. M.Yoshimoto, Into Performance: Jap. Women Artists in New York, New Brunswick 2005; Future bodies from a recent past (K Mus. Brandhorst, München), B. 2022; M.Blättner, Kunstforum Internat. 305:2025(Sept./Okt.)238-240.

 

Onlinequellen:

K.Y. Studio; Dict. universel des Créatrices, 2023

 


VOLLMER

Kusama, Yayoi, jap. Maler, *1929 Matsumoto, ansässig in New York. Sonderausst. 1959 in d. Brata Gall., New York. Lit.: The Art News, 58 (1959) Okt. p. 17. - Arts, 34 (1959) Okt. p. 56, m. Abb. - Ausst.: Monochrome Malerei, Städt. Mus. Leverkusen, Schloß Morsbroich 1960, Kat.