Frei zugänglich

Vouet, Simon

Geboren
Paris, 9. Januar 1590
Gestorben
Paris, 30. Juni 1649
Land
Frankreich, Italien, Großbritannien
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Vouet, Simon
Berufe
Maler*in; Porträtmaler*in; Historienmaler*in
Wirkungsorte
Rom, Konstantinopel, Genua, Paris
Zur Karte
Von
Brejon de Lavergnée, Arnauld
Zuletzt geändert
05.01.2025
Veröffentlicht in
AKL CXIV, 2022, 156

VITAZEILE

Vouet, Simon, frz. Maler, *1590 Paris (get. 9.1. Saint-Jean-en-Grève [Jal, 1867]), †30.6.1649 ebd., Sohn des Malers Laurent V., Bruder des Malers Aubin V.

LEBEN UND WIRKEN

Die Quellenlage zu V.s Aktivitäten variiert je nach Station seiner Karriere: in Rom sind sie dok. durch die Stati delle anime, Beschlussprotokolle der Accad. di S. Luca sowie Inventarverzeichnisse bed. Fam., in denen gelegentlich auch Zahlungen an V. erwähnt werden. Ebenfalls aufschlussreich sind spätere Verzeichnisse röm. und neapolitanischer Fam., in denen über 100 Erwähnungen heute verschollener Gem. zu finden sind. Vergleichsweise gering ist die Dokumentation seiner Tätigkeiten in Frankreich; anders als bei Nicolas Poussin sind kaum Briefe sowie wenig Vertragsdokumente zu Dekorationsarbeiten V.s erhalten. Auch finden sich kaum vertrauenswürdige biogr. Quellen zu seiner Zeit in Frankreich; einzig den Schr. André Félibiens (1679, 1685) und Isaac Bullarts (1682) kann quellendokumentarischer Char. zugesprochen werden, während die Publ. Roger de Piles' (1699), Charles Perraults (1700) und Florent Le Comtes (1700) kaum relevante ergänzende Informationen enthalten. Drei Vermögensverzeichnisse V.s von 1639 (Tod der ersten Ehefrau), 1640 (zweite Heirat) und 1649 (Tod des Malers) geben jeweils Hinweise auf die Atelierbestände und heutzutage verlorene Belege (Gutachten, Geldforderungen, Zahlungsnachweise). Diese Quellen sind noch auszuwerten. Da nur wenige Gem. V.s sign. sind, druckgrafisch reproduziert wurden oder in den Quellen beschrieben sind, bleibt unklar, wie umfangreich sein Œuvre tatsächlich ist bzw. war. - V. entstammt dem Milieu des Pariser Kleinbürgertums, darunter Apotheker, Schneider und Goldschmiede. Beim Vater, offenbar einem einfachen Ornamentmaler, erlernt er lt. Félibien die Grundlagen der Malerei. V.s Bruder Aubin ist dafür bek., dass dieser von der Goldschmiedeinnung mit der Ausf. von drei sog. Mays - jährlich zw. 1630 und 1707 in Auftrag gegebenen Gem., deren Schenkung jeweils in den ersten Maitagen erfolgte - für die Cathédrale Notre-Dame beauftragt wird (1631, '39, '40). Zahlr. Zivilstandsurkunden (zusammengetragen von Jal [1867], Herlusion [1972] oder Laborde [A. des 20. Jh.]) geben Auskunft über die Fam.: aus V.s erster Ehe mit Virginia da Vezzi (Heirat am 21.4.1626 in Rom) stammen fünf Kinder. Mit der zweiten Ehefrau Radegonde Beranger (Trauung am 2.7.1640 in Paris) hat er drei weitere. Davon überleben ihn lediglich zwei Töchter und drei Söhne. Die Ehen mehrerer seiner Kinder tragen zur Vergrößerung von V.s künstlerischer Reichweite bei: Françoise heiratet François Tortebat (2.11.1643) und Jeanne Angélique ehelicht Michel Dorigny (11.2.1648). V.s Sohn Louis-René erwirbt sich ebenfalls einen guten Ruf als Maler. Auch die Töchter seiner Schwester Marie gehen bed. Ehen ein: Marie Grégoire mit Jacques Sarrazin (26.10.1632) und Marguerite mit Michel Corneille (4.2.1636). V. selbst wird mehrfach als Trauzeuge und Taufpate berufen; u.a. zählt das Pariser Bildhauermilieu zu den Kreisen, in denen er priv. verkehrt (Bresc, 1992). Das viell. beste Beispiel für V.s verzweigte Vernetzung ist die Hochzeit der Tochter seines Ass. Nicolas Duchâtel mit dem Kaufmann Eustache Bricogne; als anwesende Zeugen werden V., Tortebat und Dorigny benannt. Die zehn Kinder Corneilles und 16 Kinder Sarrazins eingerechnet, könnte die Fam. V. bis zu 300 Personen gezählt haben. - V.s Erfolg als Maler ist mit einem sozialen Aufstieg verbunden; von seinen Kindern scheint dies für die erstgeborenen Söhne aus erster (Laurent V. [1634-82]) und zweiter (Isaac-François [1642-1719]) Ehe zu gelten, die beide Advokaten und Parlamentsmitglieder werden. Die V.s können zurecht als "Clan" bezeichnet werden, wenngleich sie zum Zeitpunkt der Gründung der Acad. r. 1648 nicht gemeinschaftlich organisiert sind. Die z.T. höchst widersprüchlichen Charakterisierungen V.s als hochmütig und selbstherrlich, zugleich auch zugänglich und freundlich durch Zeitgen. geben kein einheitliches Bild seiner Persönlichkeit. Insbes. von Familienmitgliedern Poussins wird er vehement kritisiert. Mit seinen Bemühungen, dem Ideal eines anständigen Bürgers zu entsprechen, ein neuer Francesco Primaticchio zu werden, dem Prinzen als "premier serviteur" am Hof zu dienen und nahezu innerhalb von zehn Jahren ab A. der 1630er bis A. der 1640er Jahre alle kgl. Baustellen abzuarbeiten, sichert er sich seine viel Neid und Kritik hervorrufende Vorrangstellung, bis der junge Charles Le Brun ihm den Rang abläuft. V.s erste Ehefrau, Virginia da Vezzi (geb. in Velletri bei Rom um 1593-1638 [Michel, 1992]), die lt. Félibien unschwer in vielen seiner Gem. zu erkennen ist (keines davon kann heute mit Sicherheit seiner frz. Schaffensperiode ab 1627 zugeschr. werden), stammt aus bescheidenen Verhältnissen. V. selbst ist wohlhabend, wobei insbes. drei Einkommensquellen zum Aufbau seines Vermögens beitragen: Die Vermietung mehrerer Häuser bringt ihm jährlich 3000 livres ein, daneben bezieht er eine kgl. Pension von anfangs 350 livres jährlich, die sich sukzessive bis auf 1500 livres tournois pro Jahr erhöht. Dazu kommen Vergütungen für voll. Aufträge (für die Arbeiten im Château de Saint-Germain-en-Laye erhält V. insgesamt 40.757 livres tournois, wovon er allerdings auch Mitarb. bezahlt). Für eine einfache Vierge à l'Enfant-Darst. dürfte er 500 bis 1000 livres erh. haben (Félibien). Daraus resultieren "bourgeoise" Vermögensverhältnisse, ähnlich denen reicher Pariser Händler oder Amtsadeliger. - Wohl um 1605 unternimmt V. eine Reise nach London, über die nichts weiter bek. ist. Bereits früh scheint er eine Vorliebe für Porträts zu entwickeln. Um 1611-12 begleitet er den frz. Botschafter Nicolas de Harlay, Baron de Sancy, nach Konstantinopel. Dort verbringt V. das allseits bewunderte Kunststück, ein Porträt des Sultans aus dem Gedächtnis zu malen. Lt. Félibien verlässt er die Türkei im Nov. 1612, um nach Venedig zu reisen, wo er sich etwa drei Monate aufhält; A. März 1613 erreicht er Rom. Nachweislich dok. ist er ebd. jedoch erst 1615 in Form einer Erwähnung in den Stati di anime (Vodret, 2000). Seine Anfänge in der ital. Hauptstadt stehen unter den Eindrücken eines Caravaggismus frei von manieristischen Zügen, wohingegen seine Weggefährten (die von Mancini beschr. "molti Francezi e fiamminghi che vanno e vengono") unter dem Einfluss Bartolomeo Manfredis (1582) stehen. Nachdem er zu Beginn realistisch und von der Bologneser Schule inspiriert arbeitet (z.B. Diseuse de bonne aventure, 1617, Rom, Pal. Barberini), malt V. mit dem Gem. Naissance de la Vierge ein Meisterwerk (Rom, S. Francesco a Ripa), von dem angenommen wird, dass es vor einer Reise nach Genua entsteht (1621). In Genua ist er scheinbar hauptsächlich mit einem Auftrag für die Fam. Doria beschäftigt, in deren Verzeichnissen elf Gem. aufgeführt sind. Die Rückkehr in die Hl. Stadt erfolgt im Jahr darauf in mehreren Etappen über u.a. Mailand und Modena, wo V. Werke der Renaiss. studiert und möglicherweise zeichnet. Zurück in Rom arbeitet er für bed. Privatsammler, wird zum Leiter der Accad. di S. Luca ernannt und führt ein Atelier, das jedoch schlecht dok. ist (Sandrart nutzt diesen Terminus). Auch erhält er bald vom Klerus Aufträge für Kirchendekorationen wie Altarbilder oder das Deckenfresko der Kapelle S. Giacinta Marescotti in der Kirche S. Lorenzo in Lucina. Deren Höhepunkt bildet das sieben Meter hohe Fresko zu dem Thema Gloire exaltant les mystères de la Passion (von Rice interpretiert als Dieu le Père reçoit le sacrifice de son Fils offert par sa Mère repräsentierend) für den Petersdom. Bis zu seiner Zerstörung im 18. Jh. dient es als Hintergrund für Michelangelos Pietà. Von den Jesuiten wird V. mit einem Calvaire für die Kirche Sant'Ambrogio in Genua (in situ) sowie möglicherweise mit der von ihm für die Certosa di S. Marino in Neapel gemalten Vierge apparaissant à St-Bruno (1626) beauftragt. Daneben wird V. von bed. Fam. wie den Barberini um Gem. für ihre Quadrerien ersucht. Die zahlr. für Angehörige der Fam. Doria, Barberini und Filomarino, des Hofes von Savoyen sowie des Hauses Ruffo (erst etwas später erworben) entstandenen Gem. machen beinahe die H. seines malerischen Œuvres aus. V.s Arbeiten für Cassiano dal Pozzo, den Sekretär Kardinal Barberinis, sind hingegen möglicherweise von geringerer Bedeutung als bisher angenommen, da deren Umfang fragwürdig erscheint (lt. Robert de Cotte [1689] handelt es sich um zwei Gem., lt. erstem Verz. Carlo Antonio dal Pozzos [1689] um acht Gem. und lt. letztem [1740] um zwölf Gem.). V. ist sowohl an der Malerei der Renaiss. wie an Arbeiten zeitgen. Künstler interessiert. Sein Aufenthalt außerhalb Frankreichs beginnt (E. 1612) und endet (Sommer 1627) in Venedig. Die Werke aus seiner Zeit in Rom reichen von dem als post-giorgionesk zu bezeichnenden Porträt Spadassin (um 1620, Braunschweig, HAUM) bis zu dem Gem. Temps vaincu (um 1627, Madrid, Prado), das Einflüsse der zeitgen. venez. Malerei aufweist (Sterling). Kaum ein and. frz. Maler verarbeitet in Italien in seinen Werken eine derartige Vielzahl an Eindrücken wie V.: In Genua setzt er sich mit Peter Paul Rubens auseinander, gewinnt in Mailand Kenntnis der Arbeiten Giulio Cesare Procaccinis und muss in Venedig über den Dichter und Librettiautor Giulio Strozzi sowie den Sammler Bartolomeo dalla Nave die Reformationskunst Johann Liss', Bernardo Strozzis und Domenico Fettis kennengelernt haben. Zudem kommt er in Rom wohl mit so unterschiedlichen Künstlern wie Gerrit van Honthorst, Artemisia Gentileschi, Orazio Borgianni, Giovanni Lanfranco (lt. Schleier) sowie Gian Lorenzo Bernini (lt. Harris) in Berührung. Als Präs. der Accad. di S. Luca (Okt. 1624-Juli 1627), im Auftrag des Vatikans arbeitender und Porträts von Poeten und Gelehrten (B. Brejon de Lavergnée) malender Künstler ist ihm lt. Zeitgen. eine außergewöhnliche Karriere beschieden. V. unterhält in Rom ein Atelier, über das kaum etwas bek. ist. Félibien nennt einige Maler wie Charles Mellin, die sich in seinem engsten Umkreis aufhalten. Es besteht eine große Nachfrage nach "tele da testa", Engel oder Apostel zeigenden Bildserien und Darst. des Hl. Hieronymus oder der Hl. Katharina als Halbfigur; die "tele" werden vielfältig kopiert und auch von Joachim von Sandrart rezipiert. Von manchen der in Italien entstandenen Gem. V.s können bis zu acht versch. Versionen angenommen werden, obgleich diese nicht druckgrafisch reproduziert werden. - E. Dez. 1626 erreicht V. ein kgl. Erlass von Louis XIII, der ihn nach Frankreich zurückbeordert, "pour le servir en ses bastiments" wofür ihm "mille livres de gages chaque an" zugesichert werden. V. wird in den Rang eines Peintre ordinaire du roi erhoben, erhält eine Unterkunft und ein Atelier in der Grande Gal. des Louvre. Ab 1628 verrichtet er zahlr. Dekorationsarbeiten in Schlössern im Umland der frz. Hauptstadt sowie in Pariser Stadtpalais (nicht erh.), zudem malt er Gem. für Kirchen und Klöster sowie Staffeleibilder für Kunstliebhaber. Die Dekorationsmalereien für Louis XIII, dessen Mutter Maria de' Medici sowie seine Ehefrau Anna von Österreich führt V. in Saint-Germain-en-Laye, Fontainebleau und dem Pal. r. aus. Weitere Auftraggeber stammen aus dem Umfeld des Hofes, darunter Kardinal Richelieu, Claude de Bullion (ab 1632 surintendant des Finances), Kanzler Pierre Séguier, Antoine Ruzé d'Effiat (ab 1626 surintendant des Finances) und Henri de Fourcy, surintendant des bâtiments. Diese besitzen Schlösser bei Paris (Richelieu in Rueil, Bullion in Wideville, Ruzé d'Effiat in Chilly, Fourcy in Chessy), Stadthäuser in der frz. Hauptstadt (Séguier) oder beides (Richelieu, Bullion), für deren Kapellen und Oratorien Gem. entstehen. Die für die Gebäude in Auftrag gegebenen Arbeiten finden größtenteils in den 1630er Jahren statt (in Chessy und Chilly vor 1632, im Kardinalspalais um 1632-35, in Bullions Pal. 1634, in Séguiers Stadthaus ab ca. 1636-38 bis 1649 sowie in Wideville 1640 und später), wobei die Dekorationsarbeiten variieren, jedoch hauptsächlich von der Ausstattung von Galerien über Decken-, Gewölbe- und Wandmalereien reichen. Das Hw. bildet die Auftragsarbeit für Ruzé d'Effiat in Chilly, die zwar zu einem großen Tl auf Stuck, aber dennoch großflächig ausgef. wird. Die Deckenmalerei erstreckte sich über 17 Räume, während zw. den Karyatiden und Putti zeigenden Verzierungen der Wände 22 quadratische und ovale Gem. Platz fanden, die mythologische Szenen zeigten. Im Zentrum der Plafondmalerei konnte eine Assemblée des dieux bewundert werden, an deren äußeren Enden sich zwei großflächige Komp. zu den Themen Lever du Soleil und Lever de la Lune befanden, die letzteren beiden inspiriert durch Guido Reni und Giovanni Francesco Barbieri. Die Arbeiten für das Stadthaus Bullions umfassten 34 Komp., die den Odysseus gewidmeten Tl der Ilias zum Thema hatten und teils als Wand-, teils als Gewölbemalerei ausgeführt werden. Nur wenig bek. ist dagegen über V.s Plafondmalereien zur Ausschmückung der Galerien in Wideville und Chessy sowie in Séguiers Stadtpalais. Bes. hist. Bedeutung kommt V.s achtteiliger großformatiger Gemäldeserie Hommes illustres (1632) für die Gal. des Pal. Richelieus zu. Neben den genannten Arbeiten beinhalten die Aufträge auch die Ausschmückung von Schlafzimmern (Château Saint-Germain-en-Laye und Pal. r.), Bädern (Pal. r.), eine Kamineinfassung (Saturne vaincu par l'Amour, Vénus et l'Espérance für das Hôtel de Bretonvilliers, heute Bourges, Mus. du Berry) oder Kabinette (z.B. für Bullion in Paris und Wideville sowie das Hôtel d'Aumont). Bullion beauftragte V. auch mit der Ausschmückung des Nymphäums und der Voliere im Château de Wideville (B. Brejon de Lavergnée, 2003). - Im Lauf seiner Karriere malt V. herausragende Historiengemälde, darunter L'Enlèvement d'Europe (Madrid, Mus. Thyssen Bornemisza), La Mort de Didon (für Jacques Tubeuf, côntrolleur général des Bâtiments Annas von Österreichs; Dole, MBA), Vénus et Adonis (Malibu, Getty Villa), Artémise faisant construire le Mausolée (wahrsch. für Anna von Österreich; Stockholm, NM) und Le Triomphe de Galatée (unlängst erworben von der NG in Ottawa). Ein weiteres Beschäftigungsfeld V.s ist die Dekoration der Pariser Kirchen, wobei auch viele dieser Werke nicht erh. sind. Durch die Arch. des Mus. des Mon. franç. erfolgte eine Auflistung (1883, '86, '87), die um zahlr. Werke zu ergänzen ist, die in Frauen- und Männerkonvents aufbewahrt wurden. Die Kirchen, die mit Altargemälden V.s ausgestattet wurden, befinden sich zw. dem Pal. r. und dem Marais (St-Nicolas-des-Champs, 1629; St-Eustache, 1634; Oratorium des Louvre, um 1638; St-Paul-St-Louis, 1640-41; St-Merry, um 1646, in situ). Mehrere Mäzene V.s besaßen eig. Kapellen in den Kirchen oder Klöstern - Séguier sowie Bullion in St-Eustache; Michel de Beauclerc, Baron d'Achères, in der Église des Feuillants (eines von drei Gem., Le repos de la sainte Famille, befindet sich im Mus. de Grenoble). Für die Kapelle Antoine Dreux d'Aubrays, lieutnant civil des Grand Châtelet, im Oratorium entsteht La Tentation de St-Antoine (Mus. de Grenoble). Ein bed. Werk V.s entsteht im Auftrag der Jesuiten; neben dem Altarblatt für die Maison professe in der Rue Saint-Antoine (La Présentation au temple, Paris, Louvre) malt er auch dasjenige für das Noviziat (La Sainte Vierge prend la Compagnie de Jésus sous sa protection, 1641; 1944 zerstört in Saint-Cyr; überliefert als Kpst. von Dorigny, 1642). Von Zeitgen. werden diese mit Jacques Stellas "L'Enfant Jésus retrouvé au temple par ses parents" (Église des Andelys) und Nicolas Poussins "St-François-Xavier ressuscite une jeune fille à Cangoxima" (Paris, Louvre) verglichen. Von den etwa 14 Altarblättern, die V. zugeschrieben werden, sind nur sieben erh.; sechs davon befanden sich in großen steinernen Retabeln mit kannelierten Säulen, Kapitellen, Frontons und sogar Statuen, wie die Nachforschungen Cousiniés (2012) ergeben haben. Lediglich ein Altar ist noch intakt (Paris, St-Nicolas-des-Champs). V. arbeitet auch für Männer- und Frauenkonvente, von denen in Paris zw. 1600 und 1640 etwa 60 gegründet werden; an die zwölf alleine im Quartier Faubourg Saint-Jacques. Neben den Feuillants führt er Auftragswerke für das Karmeliterkloster in der Rue Chapon, die Minimes und die Oratorianer aus, die bis auf einen Calvaire (Paris, Louvre [Zuschr. cf. A. Brejon de Lavergnée, BurlMag 2017]) nicht erh. sind. Während die Dekorationsarbeiten oft durch offizielle Verträge, and. Aufzeichnungen oder Zahlungsbelege dok. sind, setzt V. Privatverträge für seine Gem. auf. Untersuchungen von V.s Werk sollten daher stets beide von ihm ausgeübten Funktionen bzw. Arbeitsmethoden als Unternehmer und Atelierinhaber berücksichtigen. Zahlr. Vertragsunterlagen lassen eine bauunternehmerische Betätigung V.s erahnen, da er auf den Großbaustellen offenbar die Ltg der Belegschaft, bestehend aus Gehilfen, Tischlern, Dekorationsmalern, Bildhauern und Vergoldern, innehatte. So finden sich im Fall von Bullions Stadtpalais Hinweise auf eine Beteiligung V.s sowie einer Gruppe von Dekorateuren und Bildhauern (darunter Sarrazin), ebenso bei den Baustellen in Saint-Germain-en-Laye und dem Pal. Royal. In Saint-Germain-en-Laye arbeitet V. mit Guillaume Dumée, dessen Platz später sein Sohn Toussaint einnimmt. Auch Duchâtel zählt zu einer Gruppe, die über einen längeren Zeitraum mit V. und dessen Bruder Aubin zusammenarbeitet. An der Ausstattung der beiden Zimmer der Königin im Pal. r. beteiligt V. Toussaint Dumée und Duchâtel, denen er 7200 livres zahlt, während er sich mit 2400 livres begnügt. Die Erkenntnisse bezüglich V.s Atelier gehen auf Quellenstudien zurück (Félibien), die eine Einteilung seiner Mitarb. in zwei Kategorien ermöglichen: zunächst Künstler, die V. aufgrund ihrer Fachkenntnisse einstellt, insbes. für die Herstellung der Tapisseriekartons. Daneben gibt es V.s Schüler, deren heute bekanntesten Dorigny, Corneille und Charles Poerson sind (B. Brejon de Lavergnée, 1986 und 1987; Coquery, 2006; Sainte Fare Garnot, Reyniès und B. Brejon de Lavergnée, 1997). Diese sind bis etwa 1645 für ihn tätig und werden danach durch jüngere Maler ersetzt, deren Namen nicht überliefert sind. Diese scheinen an wichtigen Aufträgen wie den Plafondmalereien des Dép. des Cartes et Plans der BN in Paris oder einer auf dem engl. Kunstmarkt angebotenen Bacchanale beteiligt zu sein. - Die Tapisserien stammen zu einem wesentlichen Tl aus V.s Hand. Lt. Félibien beansprucht der König V.s persönliche Dienste für die erforderlichen Dekorationsarbeiten in den kgl. Bauten sowie für die Ausführung der Tapisserieentwürfe. Die Grundlagen bilden fünf Wandbehänge zu den Themen L'Ancien Testament, Renaud et Armide, Théagène et Chariclée, L'Histoire d'Ulysse und Les Amours des Dieux, wobei über Letztere wenig bek. ist. (Crelly [1962] listet sogar 23 Themen auf, wobei es sich um theoretische Annahmen handelt). Für die Ausführung der Kartons zieht V. Spezialisten hinzu: Juste d'Egmont und Frans Van Dries für die Historiengemälde, Frédéric Scalberge, Pierre Patel und François Bellin für die Landschaften, Peter van Boeckel (1610) für die Tierdarstellungen sowie Henri Bellange und Jean I Cotelle für die Ornamente (Félibien). Die Wandbehänge zu ein und demselben Thema variieren voneinander und umfassen nicht immer die gleiche Anzahl an Einzelwerken. Dekore, die urspr. für Galerien entworfen wurden, darunter Renaud et Armide (Gem. aus Chessy), Théàgene et Chariclée (Pariser Stadthaus Bullions) und L'Histoire d'Ulysse (Gal. in Wideville), dienen als Vorlagen für die Bildwirkerei. Wohl aufgrund des hohen Arbeitsaufwands entstehen lediglich zu acht von den 34 Komp. zur Histoire d'Ulysse, die die Wände und die gewölbte Decke der Gal. von Bullions Stadthaus zieren, Tapisserien. V. erlaubt sich, Szenen hinzuzufügen, wie z.B. Les Grècs à la table de Circe (eine Tapisserie befindet sich heute in Riom, Pal. de Justice). Einige Wandbehänge sind vollständig verschollen; erw. werden z.B. "trois pièces de tapisseries de hault lice, L'Histoire de la Nymphe Solitaire contenant sept aulnes de tour" (Inv. von 1640; Brière, S. 137) sowie ein Wandbehang zum dem Thema Vénus et Adonis, dessen Existenz angenommen wird (Lavalle, 1990-91, S. 502). Die Tapisserien werden auf Hoch- und Flachwebstühlen in versch. Man. (der Wkst. des Louvre, den Ateliers von Marc de Comans und Raphaël de la Planche im Faubourg Saint-Marcel, der Wkst. von Amiens) hergestellt, was anhand von Zeichen in den Bordüren zu erkennen ist. Gleiche Wandbehänge könnten in mehreren Man. gewirkt worden sein, was Fragen nach dem Umlauf der Kartons sowie der Qualität aufwirft. Louis XIII konnte die Originaltapisserien für sich vorbehalten, während Liebhabern nachgefertigte hochqualitative Bildwirkereien beschieden waren, weshalb die Bordüren abweichen können. Insbes. die Wandbehänge zu Renaud et Armide fanden Gefallen seitens der Kundschaft. Der König besaß drei in den Wkstn des Louvre gefertigte Wandbehänge; weitere von höchster Qualität wurden für die Barberini (heute Ohio, Flint Mus.), Jean II de Choisy (Haras nat. du Pin, Dép. Orne) und Claude le Ragois, seigneur de Bretonvilliers (verschollen) gewirkt. Das große Hw. bleibt L'Histoire de Moïse sauvé des eaux aus der Bildfolge zum AT, eines der Vorzeigestücke des Dép. des Objets d'Art des Louvre. - Zahlr. Zchngn V.s sind erh. (K B. Brejon de Lavergnée, 1987), von denen 159 im Louvre, darunter beide Cholomoneley-Alben, und 119 in and. Mus. aufbewahrt werden; ein einmaliger Bestand wurde 1989-90 von R. Harprath in der BSB in München entdeckt. Mittlerweile ist erwiesen, dass V. bereits in Italien einige Zchngn anfertigt. Den Großteil seines zeichnerischen Œuvres machen Figurenstudien und vorbereitende Detailarbeiten für Gem. aus, es existieren aber auch Übersichtszeichnungen. V. zeichnet mit Vorliebe in Schwarzstein. Sein zeichnerisches Vorgehen zeugt von großem Erfindungsreichtum und größter Sorgfalt in der Ausarbeitung aller Details; auch stellt er ausgewählte Zchngn seinen Schülern zur Verfügung, denen er die malerische Ausf. überträgt (z.B. Christ à la colonne, Paris, Louvre, Inv. 8066). Wie für Rubens spielt auch bei V. die Druckgrafik eine bedeutende Rolle, da er darauf bedacht ist, seine wichtigsten Werke reproduzieren zu lassen. In Rom übernehmen dies Claude Vignon (1593), Johann Friedrich Greuter und Sebastiano Vaiani, seinen wichtigsten Interpreten findet er jedoch in Claude Mellan, der von 1624-27 sukzessive dreizehn Kpst. fertigt, darunter die als Meisterwerk der zeitgen. Druckgrafik geltende La Lucrèce. Auch in Frankreich werden in Italien entstandene Gem. V.s gestochen durch Charles David (1595) und Michel Lasne (1590). In Paris beauftragt er Pierre Daret (1605) mit der Übertragung zahlr. Vierges à l'enfant, wie auch seinen Schwiegersohn Dorigny, dank welchem einige von V.s bemerkenswerten Dekorationsarbeiten überliefert sind (die zwei Plafondmalereien aus Chilly sowie die Gewölbemalerei der Kapelle in Séguiers Stadtpalais zu dem Thema L'Adoration des rois mages, alle 1638; weiterhin die Darst. der die Tugenden des Kanzlers preisenden Allegorien für die Bibl. ebd., 1640; fünf mythologische Darst. für das Vestibül des Château de Fontainebleau, 1644). Außerdem geht auf Dorigny ein Livre de diverses grotesques peintes dans le cabinet et bains de la Reyne Régente au Palais Royal (1647, 15 Ex.) zurück, anhand dessen Mérot (1992) die Bedeutung der Dekorationsmalerei für das Werk V.s aufgezeigt hat. V., der die während seiner Zeit in Paris entstandenen Druckgrafiken herausgibt, besitzt die Kupferplatten und überwacht die Gesamtauflage. Nach seinem Tod sticht Dorigny zehn von seinen mythologischen Darst. für die niedrige Gal. des Stadtpalais Séguiers, die von versch. Episoden aus der Gesch. Louis XIII und Richelieus inspiriert sind (1651). - V.s Werk, das zweifellos als gigantisch bezeichnet werden kann, hat viel Aufmerksamkeit erfahren. Antoine-Joseph Dezallier d'Argenville hat zu Recht darauf hingewiesen, V.s Œuvre ausschl. anhand der Arbeiten aus seiner eig. Hand zu beurteilen und nicht anhand derjenigen, die er von seinen Schülern ausführen ließ. Diesem Rat folgend, hätte de Piles nicht die nachlassende Qualität seiner späten Werke und das "gris" bemängelt, in das V. verfiel, der zu einem "strapasson" geworden war, erschöpft ob des zu hohen Arbeitspensums. Vielmehr ist auf den Stellenwert der Dekorationsmalerei zu verweisen, den V. dieser innerhalb der Historienmalerei verliehen hat, oder auf die herausragende Adoration des mages im Stadtpalais Séguiers (gestochen von Dorigny 1647), die eindrucksvoll V.s außergewöhnliches Talent bezeugt.

WERKE

Amiens, Mus. de Picardie. Amsterdam, RM. Berlin, GG. Brüssel, MRBAB, Mus. d'Art ancien. Caen, MBA. Cambridge/Mass., Harvard AM. Chicago, Art Inst. Dresden, GG AM. Epinal, Mus. dép. d'Art ancien et contemp. Genua, Gall. di Pal. Bianco. Greiz, Staatl. Bücher- und Kpst.-Slg. Karlsruhe, SKH. Kassel, GG AM. London, NG. Los Angeles/Cal., Getty Mus. - LACMA. Marseille, MBA. New York, Metrop. Mus. Paris, ÉNSBA. Philadelphia/Pa., MoA. Potsdam, SPSG, Schloss Sanssouci. Rennes, MBA. San Francisco, Achenbach Found. St. Petersburg, Ermitage. Strasbourg, MBA. Versailles, MN des Châteaux de Versailles et de Trianon. Windsor/Berks., Windsor Castle, R. Coll.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

2024-25 Greiz, Staatl. Bücher- und Kpst.-Slg (mit Claude Mellan).

 

Gruppenausstellungen:

2019 München, AP: Utrecht, Caravaggio und Europa (K).

 

QUELLEN

Thieme-Becker, Vollmer und AKL:

ThB34, 1940

 

Weitere Lexika:

Jal, 1867; Bauer, GEM VIII, 1978; Waterhouse, 1988; ELU IV, 1966; DA XXXII, 1996; PittItalSeic II, 1988; P.Bellini, Diz. della stampa d'arte, [Mi.] 1995; Stewart/Cutten, 1997

 

Gedruckte Nachweise:

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THIEME-BECKER

Artikel von: H. V.

Vouet, Simon, Maler, *9. 1. 1590 Paris, †30. 6. 1649 ebda, Bruder des Aubin, Gatte der Virginia, Vater des Louis René. Schüler s. Vaters Laurent, eines bescheidenen Fahnen- u. Schilderrnalers ("peintre ordinaire de l'écurie du Roy"). Soll sich als erst 14 jähriger schon durch s. Bildnisarbeiten hervorgetan und in jugendlichem Alter einen Ruf als Porträtist nach England erhalten haben. Begleitete 1611 den neuen Gesandten, M. de Harly, nach Konstantinopel, um den Sultan Achmed I. zu malen. 1612 von dort nach Venedig, wo er sich bes. dem Studium Veroneses gewidmet haben soll. Ende 1613 nach Rom; dort mit zahlr. Aufträgen von kirchl. u. privater Seite bedacht. Zu seinen Gönnern zählten der Kardinal Mai feo Barberini (seit 1623 Papst Urban VIII.), der Commendatore Cassiano del Pozzo und der Dichter Giovanni Batt. Marini. 1620 nach Genua berufen, um den Sohn des Dogen, Gio. Carlo Doria, zu malen. Freundschaft mit Bern. Strozzi. Dort entstand die erst 1622 in Rom vollendete Kreuzigung für die Genueser Kirche S. Ambrogio, eines seiner Hauptwerke. Herbst 1621 Rückkehr nach Rom über Modena, Parma, Bologna. In Rom Eröffnung einer Schule, in der nach dem lebenden Modell gearbeitet wurde. 1623 bei der Papstkrönung s. Gönners Barberini zugegen. 1624 zum princeps der Accad. di S. Luca ernannt. 1626 Heirat mit der Malerin Virginia da Vezzo. 1627 von Ludwig XIII. nach Paris zurückberufen, wo er am 25. 11. mit s. Familie u. s. beiden Schülern Jacques Lhomrne u. J.-B. Mole eintraf u. zum Hofmaler mit Wohnung im Louvre ernannt. Außer von dem König selbst von dem Oberbauintendanten Fourcy in Chessy en Brie u. von dem Finanzminister d'Effiat in Chilly bei Longjumeau beschäftigt, auch für Richelieu tätig. Sein Ruf nicht nur als Künstler, sondern auch als Lehrer war ständig im Wachsen. Seine bedeutendsten Schüler sind Eust. Lesueur, Ch. Le Brun u. Pierre Mignard. Seine beiden Töchter waren an seine Schüler Michel Dorigny u. Fr. Tortebat verheiratet. Daniel Boutemie gravierte eine Medaille mit V.s u. s. Gattin Bildnis, auf der Rückseite Bildn. s. 4 Kinder. Nach dem Tode s. Frau (1638) heiratete V. 1640 Radegonde Beranger, die ihm 3 Kinder schenkte. Seine letzten Lebensjahre waren durch Krankheit u. Arbeitsunfähigkeit getrübt. Das Werk V.s ist außerordentlich umfangreich; eifersüchtig auf seinen Ruhm bedacht, hat V. kaum einen der in Fülle ihm zuströmenden Aufträge abgelehnt; eine erstaunliche Leichtigkeit der Hand befähigte ihn, riesige Leinewände u. Wandflächen spielend zu zwingen und in dekorativ wirksamster Weise zu füllen, verführte ihn allerdings häufig genug auch zu oberflächlichem Arbeiten. In seinem Werk kreuzen sich die verschiedenartigsten Einflüsse: in s. ital. Frühzeit stark von Caravaggio u. dessen Nachfolge (Valentin de Boullogne) beeinflußt, wendet er sich unter dem Einfluß Ann. Carraccis, Lanfrancos, Guercinos, Renis u. Veroneses vom Naturalismus mehr u. mehr ab und kommt in seinem späteren Schaffen schließlich zu einer "unindividuellen, äußerlich idealisierenden Auffassung" (Voss), die das Signum der franz. Malerei der 2. Hälfte des 17. Jh.s wurde. Stellt sich indes mit den besten A:beiten seiner Frühzeit wie dem Hl. Karl Borromäus des Brüsseler Mus, in die vorderste Linie der Maler seiner Zeit. Als schufbildende Kraft ersten Ranges von starkem Einfluß auf die Folgezeit. - Der Louvre bewahrt 8 Bilder (Cat. par G. Brière, 1924), dazu im Vorrat eine Caritas romana (Cat. par F. Villot, 1892). Ferner ist V. in fast allen größeren franz. Provinzmuseen vertreten, dazu in zahlr. öff. Smlgn des Auslandes. Liste bei Bénézit; zu ergänzen durch folg. Bilder: Bildnis e. Jünglings in Waffenrüstung, Accad. Carrara, B ergamo (Kat. 1912). - Christuskopf, Mus. Bergues (Kat. 1923, Nr 130). - Verkündigung, Kais.-Fr.-Mus. Berlin, Vorrat (Kat. 1912, p. 590 Nr 479). - Tod der hl. Magdalena; Heimsuchung Mariä, Mus. Besançon (beide abgeb. im Kat. 1919). - Grablegung Christi, Pinak. Bologna. - Maria mit d. Kinde (Zuschr.); Der Soldat, Herzog Anton Ulrich-Mus. Braunschweig (Kat. 1932).- Engel, den Leichnam Christi zur Ruhe bettend, Mus. Brüssel. - Das Bad; Männl. Brustbild (Abb.: Revue de l'art anc. et mod., 67 [1935] 59), Mus. Magnin, Dijon. - Tod der Dido; Tod der Lukrezia, Mus. Dole (Kat. 1920, m. Taf.-Abb. des erstgen. Bildes). - Hl. Wilhelm v. Aquitanien, Pinak. Gubbio. - Diana, Hampton Court (Kat. 1898, Nr 790). - Hl. Sebastian, Brukenthal. Mus. Hermannstadt (Kat. 1909). - Bildn. J.-B. Colbert's, Mus. Ferdinandeum Innsbruck (Kat. 1928).- Sophonisbe empfängt den Giftbecher, Gem. Gal. Kassel (Führer [o. p. 77; Abb. bei Voss). - Herkules zwischen Tugend u. Laster, Ermitage Leningrad (aus Gatschina; Abb. in Staryje Gody, 1916, Juli-H. p. 49). - Abendmahl, Museo d. Santa Casa, Loreto. - Mad. m. d. Kinde u. den Hll. Joh., Isabella u. Katharina, Prado-Mus. Madrid. Das bei Bénézit gen. Bild ist zu streichen. - Christus am Kreuz mit den 3 Marien, Schloß Maisons. - Mad. m. d. Kinde (2 Bilder), Mus. Marseille (Kat. 1908). - Verkündigung, Mus. d. Sch. Künste, Moskau. - Judith, Staatsgal. München, Vorrat (Abb. bei Voss). Das bei Bénézit gen. Bild ist zu streichen. - Sophonisbe empfängt den Giftbecher; Tod der Lukrezia (Abb. bei Voss), N. Palais Potsdam. - Hl. Dorothea, Gal. Nostitz, Prag (Kat. 1905, Nr 248). - Allegorie: Verstand, Gedächtnis u. Wille, Kapitol. Mus. Rom (Abb. bei Michel). - Bildn. Papst Urbans II., Gall. Barberini Rom (nicht ausgest.). - Salome mit dem Haupt des Joh., Gall. Corsini, Rom (Abb. bei Voss). - Mad. m. d. Kinde, Mus. Schwerin (Beschr. Verz. von Schlie, 1882). - Anbetung der Könige, Gem.-Smig d. Hochsch. Stockholm. - Loth u. s. Töchter, Mus. Straßburg (Kat. 1938). - Loth u. s. Töchter, Staatsgal. Stuttgart (Kat. 1931). - Judith mit der Magd, Landesmus. Troppau. - Vermählung der Zeichnung u. der Farbe (Kopie nach Reni), Pinak. Turin. - Achilles unter den Töchtern des Lykomedes, Accad. Albertina Turin. - Judith mit d. Haupt des Holofernes, Gem.-Gal. Wien (Kat. 1938). Von Voss wird V. außerdem das im Kat. Der Elis. Sirani zugewiesene Bild: Martha tadelt ihre eitle Schwester Magdalena, zugeschrieben. - Entente zwischen England u. Frankreich, Heylshof Worms. - Von den noch an Ort u. Stelle befindlichen Kirchengemälden V.s sind die bedeutendsten: Geburt Mariä, S. Francesco a Ripa in Rom. Kreuzigung, S. Ambrogio in Genua. Mad, erscheint dem hl. Bruno, Certosa di S. Martino in Neapel (1620). 2 Szenen aus d. Leben des hl. Franziskus, S. Lorenzo in Lucina in Rom. Marter des hl. Eustachius, St-Eustache in Paris; das zugehör. Aufsatzstück: Apotheose des Heil., im Mus. Nantes. Die Apostel am Grabe Mariä, u.: Himmelfahrt Mariä, beide am Hochaltar von St-Nicolas-des-Champs Paris (1628). Befreiungder Gefangenen durch den hl. Mederich, St-Merry ebda. Der Gekreuzigte zw. Maria u. den hil. Magdalena u. Joh., Kirche in Chilly. - Die großen Freskodekorationen V.s wie die Malereien in der Galerie des Schlosses Rueil, im Palais Richelieu, in der Bibliothek u. der Kapelle des Hôtel Séguier, im Palais de Justice in Paris, in der Chambre des Enquétes du Parlement u. a. O., bei denen er häufig zus. mit d. Bildh. Sarazin arbeitete, sind zugrunde gegangen bzw. nur in vorbereitenden Skizzen, Nachstichen, bes. von M. Dorigny, und in danach gefertigten Wirkteppichen erhalten. Von den 1630 ausgef. Malereien im ehem. Pariser flöte] des Finanzintendanten Claude de Bullion ist die Folge mit der Gesch. Rinaldos u. Armidas erhalten, jetzt im Bes. des Herrn Guyot de Villeneuve in Paris (2 davon abgeb. bei Demonts). In 2 Räumen der Pariser Bibl. Nat. (Säle der "Geographie") haben sich 2 aus dem Hôtel Tubeuf bzw. der Chambre Mazarine stammende Plafondgern. erhalten, im Nymphäum des Schlosses Wideville bei Poissy, früher im Bes. des Cl. de Bullion, ein sehr ruinöser Kuppelplafond mit Darst. des Parnaß u. 2 Felder über den Türen, davon das eine fast völlig zerstört, das andere, Flußgott u. Nymphe, in gutem Zustand. - Selbstbildn. im Mus. Lyon. - Das von Bénézit verzeichn. Selbstbildnis in den Florent. Uffizien ist vielmehr eine Arbeit des Ferd. Voet. Lit.: Monographien: A. Lecarpentier, S. V. peintre, Rouen o. J. - N. Pio, Vite de' pittori etc., Rom 1724 (Ms. d. Bibl. Vatic., Cod. Capp. 257); franz. Ausg.: Biogr. inkl. d. peintres S. V., Jacques et Guill. Courtois etc., commun, et annotées par E. Müntz, Paris 1874. - Ch. Blanc in: Hist. d. peintres de toutes les écoles. Re. franç., 1(1865). - A. Tzigara, S. V. Hofmaler Ludwigs XIII., 1896. - Handbücher u. 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