Sinān (auch Mimar S.; wahrsch. S. oder Sinanüddin bin Abdullah, Yusuf), osmanischer Architekt, Militärarchitekt, Militäringenieur, Stadtplaner, Bauingenieur, *um 1494-98 Ağırnas/Prov. Kayseri, †1588 Konstantinopel, lebte in Konstantinopel und war im gesamten Osmanischen Reich tätig.
Sinān
S., der auch als Mimar S. (S., der Architekt) bek. ist, stammte aus dem anatolischen Dorf Ağırnas in der Prov. Kayseri. Er wurde als Kind einer christlichen Fam. vermutlich zw. 1494-98 geb.; das genaue Geburtsdatum ist unbek., ebenso seine ethnische Zugehörigkeit. Durch die Knabenlese wurde er 1512 vom osmanischen Heer rekrutiert und kam so nach Konstantinopel. Dort trat er den Janitscharen bei. Da das Rekrutierungssystem nicht nur eine Ausb. zum Soldaten, sondern auch zum Handwerker vorsah, wurde S. Tischler und arbeitete als Zimmermann im Bauwesen. S. nahm an den großen Militärkampagnen Süleymans I. teil, u.a. an den Belagerungen von Belgrad (1521) und Rhodos (1522-23), am Ersten Österr. Türkenkrieg (Schlacht von Mohács, 1526; Erste Wiener Türkenbelagerung, 1529) sowie am Osmanisch-Safawidischen Krieg (Einnahme von Bagdad, 1534). Während des Feldzugs in den Iran baute er trotz knapper Ressourcen drei voll ausgerüstete und bewaffnete Galeeren, mit denen er im Zuge einer Aufklärungsmission den Vansee überquerte. Als Belohnung für diese Leistungen wurde er in den Rang eines Haseki Janitschar befördert. Diese standen dem Sultan bes. nahe, nahmen an kgl. Jagdspielen teil und liefen neben dem Pferd des Sultans als Leibwächter her. Nach den Feldzügen nach Apulien (Süditalien) und auf die Insel Korfu (1537) erlangte S. große Anerkennung für die Brücke über den Prut (1538), die er während des moldawischen Feldzuges (1538) in sehr kurzer Zeit auf sehr sumpfigem Gelände errichten ließ. S. war 27 Jahre lang Militärarchitekt und -ingenieur. 1539 wurde er, nach dem Tod des obersten imperialen Architekten Aǧam Alisi, dessen Nachfolger. Für diese Beförderung spielte sein vorhergehender Erfolg in der Zivilarchitektur eine entscheidende Rolle. Im Hinblick auf sein späteres archit. Werk war S.s Tätigkeit als Militärarchitekt in vielerlei Hinsicht bedeutend: Oft war das Entwickeln schneller Lösungen erforderlich, die Disziplin, Selbstkontrolle und organisatorischen Fähigkeiten wurden ihm bes. bei den späteren Großprojekten nutzbar; nicht zu unterschätzen sind auch die Erfahrungen mit der internat. Archit. Italiens, Ungarns, Österreichs, Deutschlands, Persiens, die sein Formenvokabular bereicherten. Das Korps der Sultansarchitekten, dem S. vorstand, war für alle techn., archit. und städt. Aufgaben verantwortlich (u.a. Wasserverteilung, Kanalisation, Straßennetz, Umsetzung von Bauvorschriften, Brandschutz). Daneben war das gleiche Amt auch für das Personal (Architekten, Meister, Lehrlinge und and. Untergebene) sowie für deren Gehälter zuständig. Die Prüfung und Einhaltung der Qualitätsstandards sowie die Preiskontrolle der Baumaterialien war ebenfalls Teil seiner Aufgaben, außerdem Planung, Bau, Instandhaltung, Inspektion, Reparatur und Kontrolle staatl. Gebäude sowie der der imperialen Fam. und der Staatsbeamten. Zu Kriegszeiten war die imperiale Armee für den Bau von Brücken und Festungen für das Heer verantwortlich. Während S.s Amtszeit als Chefarchitekt waren 50 Architekten versch. Herkunft für das Korps der Sultansarchitekten tätig. Der Wohlstand während der Regierungszeit Sultan Süleymans, der sich noch bis in die Regierungszeit seiner zwei Nachf., Selim II. und Murad II., erstreckte, speiste sich aus Einnahmen aus weiten Teilen des Reiches und wurde hauptsächlich für die Entwicklung und Modernisierung der neuen Hauptstadt Konstantinopel ausgegeben, was in zahlr. Bauprojekten resultierte. Gleichzeitig waren Wesire, Paschas sowie Angehörige des Harems als priv. Auftraggeber wohltätiger Einrichtungen tätig. Um die zahlr. gleichzeitigen Projekte bewältigen zu können, hatte man sich darauf verlegt - wahrsch. weil entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte und Ressourcen begrenzt waren - Projekte auf Rotationsbasis abzuwickeln. S. hingegen entwickelte eine bessere Lösung, er vereinfachte und standardisierte die Konstruktionspraxis: Zeitaufwändige Verzierungen wurden reduziert und Ornamente nur an bestimmten Stellen eingesetzt, ebenso mied er teure Mat. wie farbigen Marmor und verzierte Keramikfliesen. S.s Ansatz Zeit und Mat. zu sparen, bestand v.a. darin, die archit. Struktur selbst zum wesentlichen Teil der archit. Gestaltung zu machen. Damit schuf er, statt den lokalen Geschmack zu bedienen, eine rationale, universale Archit. auf Grundlage geometrischer Formen. Die Loslösung von zeitgebundenen Stilen ist eine der Qualitäten von S.s Archit., sodass sie auch für heutige Architekten noch vorbildhaft ist. S. kombinierte in seinen Entwürfen trad. und and. Bauweisen des Osmanischen Reiches, bezog sich aber auch immer wieder auf and. Modelle, die er auf ganz eig. Weise miteinander kombinierte. Die Hagia Sophia (537 erb.) und die auf deren Aufbau beruhende Bayezid-Moschee (1505) in Konstantinopel wurden S.s wichtigste Moscheebauten. Durch die Rest. der Hagia Sophia wurde S. mit den Vor- und Nachteilen des Baus vertraut. Der Bau wurde schließlich zum Messpunkt für S.s Werk. In diesem Kontext ist der Bau der Moschee für Sultan Selim II. in Edirne zu sehen. Die Nachfrage nach S.s Werken war stetig gewachsen, insgesamt errichtete er 316 Gebäude in Konstantinopel. Gemäß seinen eig. Aufzeichnungen war er für den Entwurf, die Bauaufsicht, den Bau und die Rest. von insges. 477 Bauten verantwortlich; davon sind ca. 200 gar nicht, 50 nicht im urspr. Zustand erh. und 20 sind verfallen. Bedenkt man die großen Zuständigkeiten S.s im Korps der Sultansarchitekten, ist es wahrsch., dass zumindest die Pläne oder Skizzen auf ihn zurückgehen. Dass die Bauaufgaben außerhalb Konstantinopels lokale Trad. reflektieren, unterstützt diese These. Architekten scheinen keinen prominenten Rang im osmanischen Hofprotokoll eingenommen zu haben, was wohl der Grund dafür ist, dass S. sich in seinen Memoiren als "verletzliche Ameise" (Tezkiretü'l Bünyan) bezeichnete. S. war ein geschätzter Architekt, der auf dem Höhepunkt des Osmanischer Reichs für drei Sultane sowie zahlr. Palast-Notabeln tätig war. Durch die Fertigstellung des komplexen Wasserversorgungssystems der Stadt sicherte er sich die Gunst Sultan Süleymans. Diese Wertschätzung zeigt sich nicht zuletzt darin, dass S. auf Bitten des Sultans die Süleymaniye-Moschee eröffnete, die im Namen des Sultans gebaut wurde. S. war sich sowohl seiner zeitgen. Bed., als auch seines hist. Erbes sehr bewusst: Er verfasste ein Verz. seiner Werke, einzigartig in der osmanischen Trad., und diktierte gegen E. seines Lebens dem Dichter Sai Çelebi seine Biogr. und sein Œuvre. Dieser verfasste zwei versch. Versionen: "Tezkiretü'l Ebniye" und "Tezkiretü'l Bünyan", die beide "Buch der Gebäude" bedeuten. S. bekleidete bis zu seinem Tod, 1588, das Amt des Vorstehers des Korps der Sultansarchitekten. Er wurde in einem kleinen Mausoleum in der Mauer am Süleymaniye-Komplex beigesetzt. - Im Hinblick auf den Umgang mit Räumlichkeit sind die Moscheen S.s bedeutendste Werke. Diese mit Kuppeln bekrönten Archit. entwickeln sich um eine Vertikalachse, wodurch der zentral organisierte Raum betont wird. Am A. seines Schaffens errichtete S. die Kuppel üblicherweise über einem quadratischen Raum. Durch das Anfügen von Halbkuppeln vergrößerte er den Raum, wobei dieser zur Mittelzone stetig angehoben wurde, sodass die Überkuppelung am E. dem Aufbau einer Pyramide ähnelte. Im Gegensatz zur Archit. der frühen Moscheen, die meist durch eine kleine Kuppel nur die nach Mekka ausgerichtete Mihrap betonten, wurde in der osmanischen Archit. die Kuppel zum bestimmenden Gestaltungselement der Moschee. Die erste Moschee S.s, die Haseki Sultan Moschee (Hürrem Sultan Moschee; voll. 1540) in Konstantinopel, die von Roxelane in Auftrag gegeben worden war, hatte eine kleine Kuppel. Die Moschee selbst ist einfach gestaltet, gleichwohl umfasst der beeindruckende Komplex auch Medrese, Grundschule, eine öff. Küche und eine Krankenhaus für Frauen. Kurze Zeit später entwarf S. für Sultan Süleymans Tochter Mihrimah Sultan in Üsküdar die Mihrimah Sultan Moschee (voll. 1548). Hier gruppierte er erstmals drei Halbkuppeln um die zentrale Hauptkuppel und fügte als Neuheit dem Eingangsportico eine Traufe hinzu. Noch bevor dieser Bau abgeschlossen war, baute S. in Konstantinopel für den Sultan zum Andenken an den verstorbenen Lieblingssohn, den Prinzen Mehmed, die Şehzade Mehmed Moschee (voll. 1548). Die Kuppel der Şehzade-Moschee erhebt sich hier, flankiert von vier Halbkuppeln, über einem Quadrat, der Gesamteindruck des Baus erinnert damit an eine Pyramide. Die an gegenüberliegenden Seiten der Moschee angebrachten Portiken sind ebenfalls eine Innovation S.s. Dieses Modell, das er schon zu Beginn seiner Karriere entwickelte, erwies sich als großer Erfolg. Die Moschee für Sultan Süleyman in Konstantinopel (Süleymaniye-Moschee, 1550-57) war nur ein Teil eines riesigen Komplexes, der u.a. sechs Medresen, eine medizinische Fakultät, ein Krankenhaus, eine Grundschule, ein Gästehaus, eine Karawanserei, ein öff. Bad und eine Armenküche umfasste und der nach dem Komplex der Fatih-Moschee (1471) der zweitgrößte in Konstantinopel war. Der Standort der Moschee auf dem steilen dritten Hügel der Stadt, in unmittelbarer Nähe zur Bayezıt-Moschee, war trotz der baulichen Herausforderung sorgfältig gewählt, sodass sich die Süleymaniye-Moschee aus der M. der umliegenden Bauten weithin sichtbar über die Stadt erhob. Wie schon die Sultane Bayezid II und Süleyman der Prächtige, die sich in ihren großen Moscheebauten in der Gestaltung des Raumes und der Struktur auf die Hagia Sophia bezogen, war für die Süleymaniye-Moschee die Hagia Sophia die wichtigste Referenz - wobei unbek. ist, ob dies S.s Entscheidung oder dem Auftraggeber geschuldet ist. Während die Kuppel der Moschee mit ihren 26 Metern Durchmesser nicht ganz an die 30 Meter Durchmesser der Hagia Sophia heranreicht, so übertrifft die Rationalität der Struktur als auch die äußere und innere Gestaltung und das Innere den spätantiken Bau. Die massiven, die Kuppel stützenden Strebewerke führt S. stufenweise zum Boden. Außen gestaltet er sie zu zweistöckigen, an Palastarchitekturen erinnernde Gal., sodass das massive Mauerwerk unsichtbar wird. Damit fand S. eine wesentlich elegantere Lösung als die massiven Stützmauern an der Kuppel der Hagia Sophia. Auch die auf sechseckiger Basis errichtete Üç-Şerefeli-Moschee (1448) in Edirne, deren Kuppel bis S.s Zeit die größte Überkuppelung seit der Hagia Sofia hatte, wurde ein Vorbild für S.s Moscheenbau. Dabei erwies sich der hexagonale Grundriss, der einen größeren Raum für die muslimische Gebetspraxis erlaubte, als bes. vorteilhaft. In sechs über einen Zeitraum von 17 Jahren entstandenen Moscheebauten experimentierte S. mit diesem Bautyp: Die Kara-Ahmed-Pascha-Moschee (voll. 1569?), die Kadırga-Sokollu-Moschee (voll. 1572) und die Molla-Çelebi-Moschee (1584?) in Konstantinopel sind hervorragende Beispiele hierfür. Mihrimah Sultan beauftragte S. mit der Rüstem-Pascha-Moschee (voll. 1563?), die für ihren verstorbenen Ehemann, den Großwesir Rüstem Pascha, errichtet wurde. Die Kuppel konstruierte er mittels kleinerer Pendentifs über achteckigem Grundriss, was zu einer größeren strukturellen Sicherheit führte. Der Bauplatz befand sich auf ebenem Gelände in einem Geschäftsviertel in der Nähe des Goldenen Horns, die Stadtmauern erhoben sich direkt vor dem Sakralbau. S. errichtete die Moschee zweigeschossig; das Erdgeschoss war für Geschäfte vorgesehen, das obere Geschoss für den Gebetsraum. Damit erhob sich der Bau einerseits weithin sichtbar über die umliegenden Gebäude und verfügte andererseits einen repräsentativen Ausblick auf das Goldene Horn. Die Mihrimah-Sultan-Moschee (voll. 1570?) in Konstantinopel-Edirnekapı ist der zweite Moscheeauftrag für die Prinzessin und das extremste Beispiel für S.s Lösung für einen Kuppelbau über quadratischem Grundriss. In unmittelbarer Nähe der Theodosianischen Mauer errichtet, umfasst die außergewöhnliche Struktur eine Kuppel, deren Pendentifs über vier Punkte miteinander verbunden sind. Die Illusion einer auf diesen Punkten ruhenden Kuppel ergibt sich dadurch, dass die vier tragenden Säulen sich außen am Gebäude befinden und von innen nicht sichtbar sind. Auch die Massivität der Hauptbögen wird von der Fensterfassade verborgen, die keinerlei tragende Funktion hat und durch zahlr. bunte Glasfenster durchbrochen wird. Damit ist der Bau eines seiner Hw., in dem S. die gemauerte Struktur zur archit. Rahmung werden ließ und die Leichtigkeit einer fast hängenden Kuppel erwirkte. Die dieser Archit. zugrunde liegende, gewagte Struktur war den zahlr. Erdbeben nicht gewachsen, sodass der Bau häufig wiederhergestellt werden musste. Mit dem Tod Süleymans 1566 und der Thronbesteigung seines Sohnes Selim II. ergab sich für S. die Gelegenheit in Edirne die Selimiye-Moschee zu errichten, die als eines seiner Hw. gilt. Zur Auftragslage sind keine genaueren Umstände überliefert, offensichtlich aber nutzte S. die Gelegenheit einen bes. anspruchsvollen Entwurf umzusetzen. Die Kuppel des 1574 voll. Baus erreichte die Dimension der Kuppel der Hagia Sophia. Im Gegensatz zu seinem antiken Vorbild wählte S. eine stabilere Konstruktion und errichtete die Zentralkuppel über Pendentifs auf oktogonalem Grund. Die folglich größere Anzahl der die Pendentifs stützenden Bögen ermöglichte einer Verringerung ihrer Spannweiten. So wird die Zentralkuppel zum dominierenden Element des Innenraums, während in der Hagia Sophia vier massive, tragende Bögen mit der Wirkung der Kuppel konkurrieren. S. gelang durch die Baustruktur eine Harmonisierung des Innenraums. Um die Massivität der Strebepfeiler zu verkleiden, setzte er sie innen und außen als Gestaltungselemente ein, außen etwa machte er sie gleichzeitig zu den Seitenwänden der äußeren Galerien. Da er auf teure Mat. und Ornamente im Bauschmuck verzichtete und auf eine kosteneffiziente Bauweise setzte, ermöglichte er einen Bau mit geringen Ausgaben. Für die Sokollu-Moschee (voll. 1578) in Konstantinopel konstruierte er erneut eine oktogonale Kuppel. Dort scheint er Ideen umgesetzt zu haben, die er bereits im Bau der Selimiye-Moschee formuliert hatte. Allerdings zentralisierte er hier die Kuppel mittels Halbkuppeln und Pendentifs auf allen Seiten des Oktogons, anstatt der vier Pendentifs der Selimiye-Moschee. S. baute im Laufe seines Lebens ca. 100 Moscheen, meist erhöht, auf Hügeln nahe der Stadttore, oder an leicht mit dem Boot erreichbaren Orten an der Küste, da die von den Admirälen in Auftrag gegebenen Komplexe sowie ihre Gräber stets am Meer erbaut wurden. Die von S. entworfenen Moscheekomplexe beinhalteten üblicherweise eine Medrese, öff. Küche, ein Krankenhaus, öff. Bad, eine Karavanserei, ein Gästehaus, eine Grundschule und einen Brunnen; Grablegen und Geschäfte befanden sich außerdem um die Moschee. Abhängig von ihrer Lage dienten die Moscheekomplexe entweder als städt. Sozialzentren (u.a. Hüsrev Paschaa, 1547, Aleppo; Hürrem Sultan, 1557, Jerusalem; Süleymaniye, 1567, Damaskus; Pertev Pascha, 1580, İzmit; Muradiye, 1590, Manisa) oder aber als Herbergen entlang der Karavanenstraßen. Die von ihm entworfenen Grablegen waren meist trad., oktogonale Entwürfe. Die Ausnahmen sind die Sultangrabmäler für Süleyman und Selim II. Das Grab Süleymans (1567) ist ein Bau auf achteckigem Grundriss, der von einer Säulengalerie umgeben ist. Im Innenraum sind die an den Ecken stehenden Säulen breite Bögen mit den Wänden verbunden. Das Grabmal hat zwei Kuppeln, von denen die innere von acht Stützen getragen wird, während die äußere auf den Außenwänden ruht. Das Grab von Selim II. (1577) hat eine komplexere Struktur. S. überführte die zunächst quadratische und dann oktogonale Wand durch Trompen in die Kuppel. Der oktogonale Wandabschnitt, die Trompen sowie die äußere Kuppel sind durchfenstert. Die acht Säulen der inneren Kuppel bilden eine Arkatur, die durch Bögen auch mit der Außenwand verbunden ist. Der gesamte Innenraum ist durch Fliesen, aufgemalte Ornamentierung und Kalligrafien kostbar ausgestattet. Zu Hw. von S.s Tätigkeit als Ing. zählen u.a. die Brücke von Tchoban Mustafa Pascha (1529) in Swilengrad (Bulgarien), die Kanuni-Sultan-Süleyman-Brücke (Büyükçekmece-Brücke, 1568) in Istanbul, die Sokollu-Brücke (1578) über die Drina in Višegrad (Bosnien-Herzegowina). In seinen Memoiren fand die Kanuni-Sultan-Süleyman-Brücke bes. Erwähnung, die für die osmanische Armee während der Feldzüge in den Westen wichtig war. Nachdem die urspr. röm. Brücke an gleicher Stelle überflutet worden war, war S. vom Sultan zunächst mit einer Wiederherstellung beauftragt worden. Nach dem Stud. des Ufers und der Böden, entschied sich S. stattdessen für einen Brückenneubau auf dem sandigem Untergrund. S.s Brücke von 636 Metern Länge führt über vier Pfeilern unterschiedlicher Größe über einer Lagune. Durch eine Inschr. mit S.s Namen ist sie das einzige sign. Werk S.s. Große Bed. hatte ebenfalls die Erneuerung des Wasserversorgungssystems von Konstantinopel (1563). Durch das Stud. der urspr. röm. und byzantinischen Wasserversorgung konnte S. - nach der Prüfung der Durchflussraten - neue Quellen erschließen und modernisierte mit neuen Wasserwerken, Tunneln, Verteilungsbecken, Wassertürmen und Aquädukten das 55 Kilometer lange Versorgungsnetz. Während einige der Aquädukte nur wiederhergestellt werden mussten, wurden and. wie etwa das Mağlova-Aquädukt von S. neu gebaut. Nach der Zerst. dieses ersten Aquädukts durch eine Flutwelle, errichtete S. ein zweites, das heute durch seine außergewöhnliche Gestaltung bek. ist: 260 Meter lang und 38 Meter hoch, besteht es aus zwei Registern aufeinandergestellter Bögen. - S.s Auffassung des Raumes ist singulär in der osmanischen Architektur. In seiner Arbeit fügen sich Bögen, Gewölbe, Kuppeln sowie Wände, Säulen und Pfeiler zu einem Ganzen zus., die Struktur wird für ihn Gestaltungselement des Raums. S. entwarf viele versch. Innenräume, die auf diesem einen Schema beruhten und das nur strukturelle Elemente veränderten. Seine Werke zeichnen S. als unermüdlichen Experimentierer, der kontinuierlich an der Perfektionierung der Lösung eines komplexen baulichen Problems arbeitete, einen kritischen Verstand besaß und in vielen Dingen seiner Zeit voraus war. S. war gleichzeitig auch das Ergebnis einer florierenden und off. Ges., in der Kunst und Künstler hoch geschätzt waren. Als Michelangelo der Osmanen betitelt, gilt S. unbestritten als größter osmanischer Architekt.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB31, 1937
Weitere Lexika:
ELU IV, 1966; Mazalić, 1967; DA XXVIII, 1996; MU, 1997; J.M. Bloom/S.S. Blair (Ed.), The Grove enc. of Islamic art and archit., III, Ox. u.a. 2009
Gedruckte Nachweise:
C.Gurlitt, Die Baukunst Konstantinopels, B. 1912; A.Kuran, Mimar S., Hürriyet Vakfı, Ist. 1986; G.Necipoglu, The age of S. Lo. 2005; R.Günay, S.s Istanbul, Ist. 32014; id., The architect and his works: S., Ist. 92016.