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Frei zugänglich

Hockney, David

Geboren
Bradford (Yorkshire), 9. Juli 1937
Land
Großbritannien
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Hockney, David; Hochney, David
Berufe
Maler*in; Fotograf*in; Bühnenbildner*in; Zeichner*in; Radierer*in; Illustrator*in
Wirkungsorte
London, Hamburg, Los Angeles (California)
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Von
Köhnen, Ralph
Zuletzt geändert
11.11.2025
Veröffentlicht in
AKL LXXIII, 2012, 458

VITAZEILE

Hockney, David, engl. Maler, Grafiker, Fotograf, Bühnenbildner, *9.7.1937 Bradford/Yorkshire.

LEBEN UND WIRKEN

Nach Besuch der Bradford Grammar School 1953-57 Ausb. in Grafik und Malerei am Bradford College of Art, ab 1959 Stud. am gegenwartsorientierten R.College of Art, London; 1962 Abschluss mit Auszeichnung. In London lernt H. Vertreter der Pop Art, u.a. Ronald B. Kitaj, Jasper Johns und Allen Jones kennen. Ende 1963 geht er nach New York und tritt dort in Kontakt zu Andy Warhol, Dennis Hopper und Henry Geldzahler (Kurator des MoMA). Ab 1964 wird Los Angeles für lange Zeit H.s Hauptwohnort. Lehrtätigkeit: 1960er Jahre versch. Lehraufträge; 1962 Maidstone College of Art; 1963-64 Univ. of Iowa; 1965-66 Univ. of Colorado; 1966-67 Univ. of California, Berkeley. Im Anschluss an Reisen nach Italien, Frankreich und Deutschland 1968 Rückkehr nach London. 1973-1975 Aufenthalt in Paris. Geht 1976 wieder für lange Zeit nach Los Angeles; Reisen nach Europa und China. Seit 2000 erneut in London bzw. Bridlington/Yorks., wo er, abgesehen von Zwischenaufenthalten in Los Angeles und zahlreichen anderen Reiseorten, seitdem hauptsächlich lebt. - Zumal unter dem Einfluss von Kitaj hat H. intensiv die Impulse der frühen Pop Art aufgenommen und dann seinerseits diese Hauptströmung der 1960er Jahre mitgeprägt. Die Fertigteile einer schönen bunten Warenwelt sowie Zeichen und Lettern sind ihm weniger wichtig, bedeutsam sind bei H. aber die Strategien der Darst., das Zeichenhafte bzw. die Semiotisierungsprozesse des Bildes prinzipiell sowie der Vorgang des Sehens. Solche Bewusstmachung der Zeichenhaftigkeit von Bildern wird z.B. durch Rahmen im Bild, durch Vorhänge, Trennstriche, durch Verschiebung von Einzelteilen in Gegenständen oder Figuren erzielt, was diese bisweilen wie Versatzstücke aussehen lässt. Nebenher macht sich hier auch ein Einfluss der "cool abstraction" Barnett Newmans geltend. Die Bandbreite der Themen umfasst Porträts, kalif. oder engl. Lsch., Badeszenen und Stillleben. All diese Gegenstände werden aber in ihren Abbildungshorizont zurückgestellt, sie erscheinen ironisch markiert durch Titel, durch Bild- und Stilzitate und allgemein dadurch, dass das Malmittel selbst auf sich aufmerksam macht. Daraus ergeben sich Verfremdungseffekte, die die Motive selbst in Anführungszeichen setzen. Eine Affinität zur Pop Art ist darin zu sehen, dass sich H. stets für optische und Reproduktionsmedien interessiert hat und die jeweils möglichen Effekte sich direkt in seinen Techniken oder auch indirekt in seiner Malerei niedergeschlagen haben. Die Experimente beginnen mit dem eigenen Kunstmaterial; ab 1964 benutzt H. auch Acrylfarben und wechselt 1974 zur Ölfarbe zurück. 1967 beginnt er, sich der Fotogr. zu widmen und verstärkt diesen Impuls ab 1976, um dann aber nicht fotorealistisch zu arbeiten, sondern aus Einzelbildern in den 80er Jahren (auch mit der Polaroid-Kamera) Fotocollagen zusammenzufügen. An dem eigentlich statischen Kunstmedium entdeckt H. die polyperspektivische Gest. neu, die teilweise aus Dutzenden von Einzelfotos eine panoramatische Darst. hervorgehen lässt. Dabei ist der Bildraum nicht mehr homogen, sondern oft unterbrochen oder mit Leerstellen versehen, die ihrerseits Lücken in den Wahrnehmungsablauf reißen. Hier sind die Serien-Fotogr. von Muybridge sowie die Simultanansicht der vielfachen Perspektive des Kubismus wirksam geworden, aber auch die großformatigen Landschaftsrollen, die H. 1981 in China studierte. Das Collageprinzip hat H. öfter als zentrale Gestaltungsform seines Œuvres benannt und es bereits Mitte der 80er Jahre auf die Landschaftsmalerei transferiert; noch die jüngsten Darstellungen von Yorkshire beruhen auf zusammengesetzten, fotoähnlichen Bildern, die ein großformatiges Ganzes formen. Erkennbar nehmen die Bilder Anteil an einem fröhlich-luxuriösen Lebensstil der 60er und 70er Jahre, doch ist auch eine melancholische Tendenz zu erkennen - die Figuren erscheinen isoliert, wie umrandet und abgegrenzt von ihrer jeweiligen Umgebung. Doch ist nicht nur die Farbigkeit heiter und erinnert an die Tradition der Pleinairmalerei, sondern ist insgesamt ein humoristischer Grundzug darin zu sehen, dass H. den Gegenstand durch Verweise auf seine mediale Erscheinung ironisiert. Diese Haltung schlägt sich nicht nur in Experimenten mit zahlreichen Gattungen nieder, sei es dem Film (A Bigger Splash, 1974), dem Poster oder dem Bühnenbild (seit Mitte der 70er Jahre z.B. zu Stravinskijs The Rake’s Progress, Mozarts Zauberflöte oder Wagners Tristan). Die Erfahrungen mit den Bühnenbildern und -modellen schlägt sich wiederum zu Beginn der 90er Jahre in abstraktiven Elementen der Malerei nieder: Bei aller Technizität der Fotocollagen kommen dann auch surreale Zusammenstellungen von biomorphen Formen zum Zuge, die nicht selten mit psychedelischer Chromatik ausgestattet sind, und wiederum zehn Jahre später greift er auf Aquarell- und Pastelltechniken zurück. H. hat seit seinen Experimenten mit dem Fotokopierer (ab 1986), mit Fax-Kopien (ab 1988) und dann mit Computergrafik und Farbdrucker stets die neuesten Reproduktionsmedien einbezogen - bis hin zu iPhone und iPad, mit deren Apps er Bildschirmzeichnungen oder Kleingemälde kreiert, die Stillleben oder Porträts in Anlehnung an den Impressionismus zeigen. Doch arbeitet er auch mit älteren Medien wie der camera lucida, um damit etwa Figuren-Darst. zu zeichnen. Insgesamt soll die bildende Kunst als ein durch Medien bedingtes Sehverfahren ausgewiesen werden, doch begreift H. sie vor allem als optimistische Erweiterung der Wahrnehmung und gibt stets dem Experiment Vorrang vor der Gewohnheit. In den letzten Jahren hat H. vor allem großformatige Landschaftsansichten von East Yorkshire gemalt, deren auf den ersten Blick naiven Duktus er wiederum verfremdet: Durch die erneute Collagentechnik der addierten Ansichten distanzieren sich auch diese Bilder von jeder naiven, fotorealistischen Wiedergabe, die H. als nur historische Station der Projektion des Raumes in die Fläche ablehnt - erst die montierten Ansichten seien geeignet, einen Raumeindruck wiederzugeben und der menschlichen Wahrnehmung adäquat oder für sie anregend zu sein. 1989 Ausz. mit dem Praemium Imperiale für Malerei, Japan Art Assoc., Tokio.

WERKE

Beverly Hills/Calif., Joseph Haddad: Play within a Play, Öl/Lw. und Plexiglas, 1963. Boston, MFA: Garrowby Hill, Öl/Lw., 1998. Canberra, NG of Australia: A Bigger Grand Canyon (60-teilige Collage), Öl/Lw., 1998. Hamburg, KH: Doll Boy, Öl/Lw., 1960/61. Kansas/Mo., William Rockhill Nelson Gall.: Celia in a Black Dress with Red Stockings, Patelle/Papier, 1973. - Nelson-Atkins-Mus. of Art: Invented Man Revealing Still Life, Öl/Lw., 1975. Köln, Mus. Ludwig: Sunbather, Acryl/Lw., 1966; A Visit with Christopher & Don, Santa Monica Canyon (2-teilig), Öl/Lw., 1984. Liverpool, Walker AG: Peter Getting Out of Nick’s Pool, Acryl/Lw., 1966. London, Arts Council of Great Britain: We two boys together Clinging, Öl/Lw., 1961. - Linden Gardens: Mr and Mrs Ossie Clark, Öl/Lw., 1971. - NG: The artist’s eye, Posterdruck, 1981. - Tate: A Bigger Splash, Acryl/Lw., 1967; Bigger Trees near Warter, 2007. Los Angeles, Getty Mus.: Pearblossom Hwy 11-18 April 1986, Fotocollage, 1986. - Music Center: Bühnenausstattung für Wagners "Tristan und Isolde", 1986-87 (erneut 2008). Minneapols, Walker AC: Grove With the Three Temples, Bühnenbild/Skulpt., 1977. Naoshima, Contemp. AM: A Walk around the Hotel Courtyard, Acatlàn, Öl/Lw., 1985. New York, MMA: Kerby (After Hogarth) Useful Knowledge, Öl/Lw., 1975. Saltaire/W. Yorks., Salts Mill, 1853 Gall.: Montcalm Interior of Seven o’clock, Öl/Lw., 1988. Venice/Calif., L.A. Louver: Interior with Lamp, Aqu./Pastell auf Papier, 2003 (Priv.-Bes.); Summer Summer Sky, Computergrafik/Farbdruck, 2008 (Priv.-Bes.).

SELBSTZEUGNISSE

My early years, ed. N.Stangos, Lo. 1988; That’s the way I see it, Lo. 1993; Secret knowledge. Rediscovering the lost techniques of the old masters, Lo. 2001 (dt.: Geheimes Wissen. Verlorene Techniken der alten Meister, M. 2001); Die Welt in meinen Augen. Auto-Biogr. 1973-1992, Schmieheim 2005.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

London: 1963 Kasmin Gall.; 1970 Whitechapel AG; 1991 BM; 2003 Nat. Portr. Gall.; 2006, '09 Annely Juda FA; 2007 RA; 2016 Annely Juda FA / New York: 1964 Alan Gall.; 1967 Landau-Alan Gall.; 1973, '82 Andre Emmerich Gall.; 1976 Sonnabend Gall.; 1979 MMA; 1993 Athena FA; 2004 Richard Gray Gall.; 2009 Pace Wildenstein Gall.; 2017-18 Metrop. Mus. (Retr.) / 1966 Amsterdam, Sted. Mus. / 1971 Bielefeld, KH / Paris: 1974 MAD; 1999 Centre Pompidou; 2010-11 Fond. Pierre Bergé-Yves Saint Laurent; 2025 Fond. Louis Vuitton / Hamburg: 1977 Gal. Neuendorf; 1995 KH: Zchngn 1954-1994 (Wander-Ausst.); 2007 KH; 2020 Bucerius-Kunst-Forum / 1983 Minneapolis, Walker AC / 1983-87 London, Hayward Gall.; Milton Keynes, Libr.; Bath, R. Photogr. Soc.; Dublin, Douglas Hyde Gall.; Barcelona, Fund. Caja de Pensiones; Lissabon, Fund. Gulbenkian; Florenz, Alinari Mus.; Tokio, Toyama Prefectural Mus.; Queensland, AG u.a. / 1985 San Francisco, MMA / Honolulu (Hawaii): 1986 Contemp. AC; 1990 The Contemp. Mus. / Los Angeles: 1988 County Mus. of Art (Retr., Wander-Ausst.); 2000 Ucla Hammer; 2001 MCA / 1989 Cleveland (Ohio), Cleveland Center for Contemp. Art / 1996-97 Wien, Kunsthaus / 1997 Köln, Mus. Ludwig / 1998, 2006 Boston (Mass.), MFA / 1998, 2005, '09 Venice (Calif.), L.A. Louver Gall. / 2001 Bonn, Kunst- und Ausst.-Halle der Bundesrepublik Deutschland / 2002 Kairo, Pal. of the Arts / 2005 Saltaire (W. Yorks.), Salts Mill / 2008 Chicago, The Arts Club of Chicago / 2009 Schwäbisch Hall, KH Würth / Bradford:2011-12 Cartwright Hall AG; 2025 Nat. Science and Media Mus. (Fotogr.) / 2011-12 Toronto, R. Ontario Mus. / 2022 Berlin, GG / 2023 Küntelsau, Mus. Würth..

 

Gruppenausstellungen:

London: 1960 Rba Gall.; 1963 Whitechapel AG; 1982 Waddington Gall. / 1964 Düsseldorf, KH / Paris: 1965 Gal. Creuze, 1999 Mus. Picasso; 2006 Centre Pompidou / New York: 1966 The Jewish Mus.; 1983 Internat. Center of Photogr.; 1984 Patricia Heesy Gall.; 2004 Whitney Bienn.; 2007 Seventh Regiment Armory / 1968, '77 Kassel, documenta / 1969 Belfast, Arts Council Gall. / 1972 Sheffield, Mappin Art Gall. / 1973, '86 Brüssel, Pal. des BA / 1980 Venice (Calif.), L.A. Louver Gall. / 1987 Chicago (Ill.), Richard Gray Gall. / 1989 Washington (D.C.), NG / Glasgow: 1990 Glasgow Mus.; 2009 Gall. of Mod. Art / 1994 Indianapolis, The NM of Sport / 1995 Berkeley (Calif.), Univ. AM / 1997 Norwich, Norwich Castle Mus. / 2000 Tokio, Gall. of Art / 2002 Los Angeles, Ucla Hammer Mus. / 2003 New Orleans, Contemp. AC / 2008 Las Vegas, The Las Vegas AM / 2024 Zürich, Kunsthaus: Apropos Hodler. Aktuelle Blicke auf eine Ikone.

 

QUELLEN

Weitere Lexika:

List, 1967; Bauer, GEM IV, 1977; Krichbaum, 1981; ContempArtists, 1983; Peppin/Micklethwait, 1983; C.Naylor (Ed.), Contemp. photographers, Chicago/Lo. 21988; Dict. de la peint., P. 1991; Spalding, 1991; T.J. Mikotowicz (Ed.), Theatrical designers, N.Y. u.a. 1992; A.Windsor (Ed.), Hb. of mod. Brit. paint. 1900-1980, Aldershot 1992; R.Köhnen, in: Künstler. Kritisches Lex. der Gegenwartskunst, Ausg. 23, M. 1993; DA XIV, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; H.-M. Koetzle, Das Lex. der Fotografen, M. 2002; R.Mißelbeck (Ed.), Prestel-Lex. der Fotografen, M. u.a. 2002

 

Gedruckte Nachweise:

L.Weschler, D.H., Camera works, M. 1984; M.Vaizey, Connoisseur 1984(Jan.)106-111; M.Tuchman/S.Barron (Ed.), D.H., A retr. (K Los Angeles u.a.), Lo. 1988; H.Geldzahler, H. at home, in: House and garden 1988(März); K.Heimer/J.Frings (Ed.), Exciting times are ahead. D.H. (K Bonn), L. 2001; B.Kling (Ed.), D.H. Sechs Märchen der Brüder Grimm. 39 Rad. (K Steinau), Marburg 2008; M.Gayford (Ed.), A bigger message. Conversations with D.H., Lo. 2011.

 

Onlinequellen:

K.Wright, Brushes with H., in: Website H.