Mackintosh, Charles Rennie, schott. Architekt, Maler, Designer, *7.6.1868 Glasgow, †10.12.1928 London, ebd. und in Glasgow tätig.
Mackintosh, Charles Rennie
1883 oder '84 in der Lehre bei John Hutchison (1841); ab 1888/89 als Ass. bei John Honeyman & Keppie, Glasgow, angestellt. 1883-94 Besuch der Abendklassen der Glasgow School of Art. 1901-13 Partner von Honeyman, Keppie & M. 1900 Heirat mit der engl. Designerin und Malerin Margaret Macdonald. - Zu seinen frühen archit. Entwürfen der 1890er Jahre zählen Arbeiten für Aufträge seiner Arbeitgeber John Honeyman und John Keppie, so z.B. Inneneinrichtungen für den Glasgow Art Club und Craigie Hall (beide 1892-93). Größere gestalterische Freiheit erlangt er mit Großprojekten M. der 1890er Jahre: Glasgow Herald Building (1893-97, Mitchell Lane); Queen Margaret College, Anatomical Dept. (1894-95, Queen Margaret Drive), Martyrs Public School (1895-97, Parson Str.), Glasgow SchA (1896-99, Renfrew Str.) und Queen's Cross Church (1896-99, Garscube Road). Während die Pläne von Funktionalität bestimmt sind und wenig experimentierfreudig erscheinen, überzeugen die Designs mit einer individuell geprägten Detailbehandlung. Einflüsse durch hist. schott. Archit. sind erkennbar, v.a. befestigte Gebäude mit sichtbarem Mauerwerk, auskragenden Vorsprüngen und kleinen, unregelmäßig platzierten Fenstern sowie alte engl. Archit., bes. ma. Kirchen und landestypische Bauwerke des 17. und 18. Jh., die M. auf Studienreisen in England in den 1890er Jahren zeichnet. M. ist sich der Leistungen seiner progressiven engl. Zeitgen. - darunter William Richard Lethaby und Charles Francis Annesley Voysey - bewusst. Während der 1890er Jahre und zu Beginn des 20. Jh. ist er stark involviert in die qualitativen, aber erfolglosen Wettb.-Beiträge der Fa. John Honeyman & Keppie, darunter Entwürfe für die Glasgow AG (1891-92), Manchester Mpal Technical School (1892) und die Liverpool Cathedral (1901). Zu Beginn des 20. Jh. ist M. bes. produktiv; einige seiner bedeutendsten Gebäude, wie die Villen Windyhill, Kilmacolm (1900-01, Rowantreehill Road) und Hill House, Helensburgh (1902-04, Upper Colquhoun Str.), entstehen in diesen Jahren. Er entwickelt hier einen char. rauh verputzten, rustikalen Stil, der mit der detailliert ausgearbeiteten Innen-Gest. kontrastiert. Zur selben Zeit entsteht der Entwurf für die Scotland Str. Public School (1903-07), eine gekonnte Kombination von Elementen der schott. Archit. des 17. Jh. mit abstrakten geometrischen Dekorationen am Außenbau und dramatischen Raumeffekten im Inneren. Das wohl bedeutendste Werk seiner Karriere ist die Glasgow SchA, die er 1909 fertigstellt. Aufgrund eines finanziellen Engpasses ist der Westflügel unvoll., als die Schule 1899 eröffnet wird. 1907 arbeitet M. den urspr. Entwurf entscheidend um. Die N-Fassade folgt weitestgehend dem originalen Plan; ein zurückgesetztes Obergeschoss wird jedoch ebenso hinzugefügt wie Ergänzungen auf der Rückseite des Gebäudes. Im W-Teil kommt es zu umfassenden Änderungen. An der südwestlichen Ecke positioniert M. den bek. turmähnlichen Bibl.-Flügel mit seinen aufsteigenden Erkerfenstern, M.s erfinderischste Antwort auf die Trad. der schott. Wohntürme. M.s Karriere gerät um 1906 ins Stocken, da er nicht über J.Keppies Fähigkeit verfügt, Aufträge zu sichern. Der archit. Geschmack der Zeit entwickelt sich darüber hinaus weg von Eklektizismus und Individualismus hin zu einem Klassizismus, der vom US-amer. Beaux-Arts-Stil geprägt ist. Hinzu kommt, dass sich die Einwohner Glasgows zur selben Zeit in ökonomischen Schwierigkeiten befinden. E. 1913 wird die Zusammenarbeit mit J.Keppie offiziell beendet. M. zieht nach England und schließlich nach Südfrankreich, wo er sich in seinen letzten Lebensjahren 1923-27 ganz der Malerei zuwendet. Wichtigste Aufträge nach seiner Glasgower Zeit sind die Möbel- und Innen-Gest. für ein Stadthaus in Northampton (1916-17, Derngate) nahe London. Strukturelle Neuerungen scheinen auf den Auftraggeber Wenman Joseph Bassett-Lowke zurückzugehen, der mit dem lokalen Architekten Alexander Ellis Anderson zusammenarbeitet. M. zeichnet für Möbel und Dekorationskonzepte für die Inneneinrichtung verantwortlich. Die kühnen geometrischen Muster und lebendige Farbkonzepte markieren einen entscheidenden Schritt weg von den feinen Farbtönen und subtil gearbeiteten Formen der Innen-Gest. um 1900. M. erhält während und kurz nach dem 1. WK nur wenige Archit.-Aufträge; es handelt sich in der Regel um kleinere Umgestaltungs-Projekte. 1920 zeugen die Entwürfe für einige Künstlerateliers in Chelsea von einem neuen Sinn für Funktionalität. Die strenge Schlichtheit stößt bei dem Grundstückseigentümer jedoch auf Widerstand. Letztendlich wird v.a. aus Kosten- und weniger aus ästhetischen Gründen nur ein einziges Atelier gebaut, jenes für Harold Squire in einer modifizierten Form. Es handelt sich um das letzte bek. Archit.-Projekt, an dem M. arbeitet; das vorzeitige Ende seiner Karriere als Architekt ist hiermit markiert. - Als Designer von Möbeln und Innenräumen ist M. für die bedeutendsten und stimmungsvollsten Interieurs der vorletzten Jahrhundertwende verantwortlich. Ähnlich wie weitere führende Designer seiner Zeit betrachtet er den Architekten als Künstler, der für das gesamte Gefüge eines Gebäudes und somit auch für den Innenraum verantwortlich ist, der Möbel, Ausstattungsstücke und dekorative Elemente umfasst. Er ist ein führender Vertreter des Konzeptes vom Raum als "Gesamtkunstwerk". Zu seinen wichtigsten Leistungen zählt eine Ser. von Teesalons im Zentrum von Glasgow, die er für die Unternehmerin Catherine Cranston gestaltet. Auf ihren Grundstücken in Ingram Str. (1900-01) und The Willow, Sauchiehall Str. (1903) gestaltet er existierende Räume in eine visuell fesselnde und räumlich ausgeklügelte Anlage um. Im Inneren von Hill House (1902-04) findet sich eines seiner stimmungsvollsten Interieurs, das die Gest. mit Licht, Raum, Form und dekorativem Motiv kombiniert. Die holzverkleidete Bibl. mit Gal. in der Glasgow SchA wird als M.s Hw. im Bereich Innen-Archit. betrachtet. Seine Möbelentwürfe bestechen durch formale Raffinesse; nur selten gibt er hochwertige Mat. oder Tischlereiarbeiten an. Wenn Stoffe verwendet werden, handelt es sich meist um Rosshaar, Leinen oder Seide, gelegentlich mit Motivdrucken (Stuhl und Sessel für das Rose Boudoir, 1902, gefasstes Holz mit Glas-Einlagen, bedrucktem Leinen und Seiden-Polster, für Turin, Internat. Ausst. für mod. dekorative Kunst). Gebeizte und bemalte Oberflächen bringen feine Schrägen und Kurven zur Geltung, während in M.s späteren Möbeln geradlinige Geometrien vorherrschen. Trad. Formen wie der Leiterstuhl werden auf kunstvolle Weise neu interpretiert und umgeformt zu skelettartigen Hochlehnstühlen (Kabinett des Hunterian Mus. and AG, 1902, gefasstes Holz mit Glas-Einlagen, Glasgow, Kingsborough Gardens; Chin. Interieur, 1911, Glasgow Mus.; Leiterstuhl für den Haupt-Schlafraum, 1903, ebenierte Eiche, Helensburgh, Hill House). Umsichtig innerhalb eines Interieurs platziert, fungieren einzelne Möbelstücke oft als Blickfang und wichtige Punkte innerhalb einer Gesamtanlage (Stuhl für die Willow Tea Rooms, 1904, ebenierte Eiche mit Rosshaar-Polster, Glasgow, SchA). - Eher selten verfolgen Architekten parallel eine Karriere als Maler oder Zeichner, aber M. geht zeit seines Lebens seinem Interesse an Zchng, Malerei und Grafikdesign nach. Ab den 1880er Jahren skizziert er hauptsächlich in Schottland und England. Seine Zeichenkunst wird bestimmt vom ökonomischen Einsatz der Mittel und von großem Geschick; sie basiert auf der kompromisslosen Analyse des Bildgegenstands, die der Darst. auf Papier vorausgeht. M. selbst spricht von "Bits" (Häppchen) und "Jottings" (schnelle Notizen). Diese Studien beeinflussen seine archit. Praxis: Der Turm der All Saints Church, Merriot/Somerset, den er studiert, prägt z.B. jenen der Queen's Cross Church, während der konisch zulaufende Treppenturm, der den zentralen Bereich des Falkland Palace in Fife flankiert, auf die Gest. der N-Fassade der Scotland Str. Public School Einfluss ausübt. M. der 1890er Jahre malt M., der dazu von seinem engen Vertrauten Herbert MacNair und den engl. Schwestern Frances und M.Macdonald ermutigt wird, eine kleine Gruppe von symbolisch stark aufgeladenen Aqu. (The Tree of Personal Effort; The Tree of Influence, beide 1895, Bleistift und Aqu., Glasgow, SchA). Diese Werke sind wohl für den priv. Austausch unter Freunden und Kommilitonen an der Glasgow SchA gedacht. In den späten 1890er Jahren entsteht eine Reihe von stilisierten dekorativen, figurativen Studien (Untraced, In Fairyland, 1897, Bleistift und Aqu.). Diese experimentelle Phase ist jedoch von kurzer Dauer; M. wendet sich erst wieder der Aqu.-Malerei zu, nachdem seine Architekten-Karriere 1913 durch Auflösung des Büros unterbrochen wird. 1914-15 arbeitet er in Walberswick/Suffolk an einer Ser. von elaborierten botanischen Studien. Es folgen acht Jahre in London, in denen M. dieses Interesse weiterverfolgt, sowohl in einer Ser. von Stillleben, die eine große Virtuosität zeigen, als auch mit einer Reihe von progressiven Textil-Designs. Als gelungenste seiner Aqu. können jene gelten, die 1923-27 in Südfrankreich entstehen. Die Lsch. und Studien von Dörfern und Städten nahe Port Vendres, Collioure und entlang der Flusstäler in den Pyrenäen verbinden topografische Genauigkeit mit dem genauen Auge des Designers für Muster, Licht und Schatten (repräsentative Beispiele finden sich in Glasgow, Hunterian Mus. and AG). - M. gehört zu einer internat. Gruppe von Architekten und Designern gegen E. des 19. und zu Beginn des 20. Jh., zu denen auch Frank Lloyd Wright, Josef Hoffmann (1870), Antoni Gaudí und Victor Horta zählen. Sie stehen für individuelle und char. neue Formensprachen, die sich gegen den Historismus wenden. Dennoch bleiben sie verwurzelt in nat. Trad. und fühlen sich lokalen Werkstoffen und Lsch. verpflichtet. Alle gen. Künstler folgen der Idee vom Architekten, der sowohl für die Gest. des Innenraums als auch für die Struktur eines Gebäudes verantwortlich zeichnet. M. ist früh von der engl. Arts and Crafts-Bewegung beeinflusst, die für eine unverdorbene nat. Archit. und für natürliche, v.a. pflanzliche Formen eintritt. Um 1900 ist M.s größte stilistische Nähe zu Architekten und Designern der Wiener Secession zu erkennen. Für einige spätere Kritiker ist M. aufgrund seines Umgangs mit Raum, Licht und Geometrien als Pionier des Mod. Movement anzusehen (Pevsner 1936; Howarth 1952). And. Autoren erkennen komplexe symbolische Bedeutungen in seinen Entwürfen (Neat 1994), obwohl es nur wenige hist. Anhaltspunkte gibt, die diese Meinung stützen könnten. In den frühen 1890er Jahren bringt die informelle kreative Allianz zw. M., H.MacNair und den Macdonald-Schwestern einige der innovativsten graf. und dekorativen Designs der Epoche hervor. Das gemeinsame Œuvre ist umfassend in den Zss. The Studio, Dekorative Kunst und The Yellow Book publiziert. Diese neue Aufmerksamkeit trägt dazu bei, dass Glasgow als bed. künstlerisches Zentrum sowie der "Glasgow Style" als dekoratives und innen-archit. Design anerkannt werden. Wenngleich sich nur wenige direkte Nachfolger von M. finden und die Zahl seiner Werke vergleichsweise gering ist, nehmen seine Bauwerke und Interieurs eine prominente Position ein in der Archit.- und Design-Gesch. um 1900.
Gem. und Entwürfe:
P.Robertson (Ed.), C.R.M. The Archit. Papers, Wendlebury, Oxon 1990; ead., The Chronycle, Glasgow 2001 (Briefe an M.Macdonald).
Einzelausstellungen:
1933, '96-97 Glasgow (K), McLellan Gall. (Wander-Ausst.) / Edinburgh: 1952 Saltire Soc.; 1968-69 R. Scottish Mus. (Wander-Ausst.); 2005-06 Scottish NG of Mod. Art. / 1968-69 London, V&A. / 1985 Tokyo, Isetan Mus. (Wander-Ausst.) / 2000 Osaka, Suntory Mus. Tenpōzan (Wander-Ausst.). -
Gruppenausstellungen:
1896, '99, 1916 London, Arts and Crafts Exhib. Soc. / 1900 Wien: Secession / 1902 Moskau: Archit. and design of the New Style / 1903 Dresden: Dresdener Wkst. / in den 1920er Jahren regelmäßig Chicago: Internat. Water Color Exhib.
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
Vo3, 1956
Weitere Lexika:
Bénézit VII, 1976; Macmillan II, 1982; R.J. van Vynckt (Ed.), Internat. Dict. of Architects and Archit., Detroit u.a. 1993; DA XX, 1996; Oxford DNB, 2004 (auch online)
Gedruckte Nachweise:
G.White, Studio 11:1897(52)86-100, (54)225-236; H.Muthesius, Dekorative Kunst 5:1902, 214-215; id./F.Commichau, Meister der Innen-kunst, Da. 1902; F.Agnoletti, Dt. Kunst und Dekoration 15:1904/5, 337-359; N.Pevsner, Pioneers of the Mod. Movement, Lo. 1936; T.Howarth, C.R. M. and the Mod. Movement, Lo. 1952; N.Pevsner, Stud. in Art, Archit. and Design, II, Lo. 1968; R.Billcliffe, M. Watercolours, Lo. 1978; id., C.R. M. - The Complete Furniture, Furniture Drawings and Interior Designs, Moffat 1979; J.Macaulay, Glasgow SchA, Lo. 1993; id., Hill House, Lo. 1994; T.Neat, Part Seen Part Imagined, Edinburgh 1994; P.Robertson, C.R. M. - Art is the Flower, Lo./N.Y. 1995; A.Crawford, C.R. M., Lo. 1995; C.R. M. in France (K NG of Scotland), Edinburgh 2005
Archive:
Glasgow, Hunterian Mus. and AG: Orig. Mss.
Onlinequellen:
J.Macaulay, Oxford Art Online, 2008; P.Robertson/J.Sharples/N.Imrie, M. Archit.: Context, Making and Meaning, 2014 (WV, Lit.)
Mackintosh, Charles Rennie, schott. Architekt u. Aquarellmaler, *1868 Glasgow, †10. 12. 1928 London. Stud. an d. Kstsch. in Glasgow, weitergebildet in Paris u. Italien. Hauptwerk als Architekt: Kstschule In Glasgow. 2 Aquarelle: Ansicht von Port Vendres u. Stilleben, in d. Art Gall. in Glasgow (Kat. 1935). Roll.- Ausst. 1954 in d. Art Gall. in Aberdeen u. Glasgow. Lit.: Nikol. Pevsner, C.R.M. Architect, M.iland 1950.- The Studio, 86 (1923) 330, 331 (farb. Abb.); 105 (1933) 345/52, m. Abbn u. farb. Tat, u. Bildnis, gem. von F. H. Newbery.