Immendorff, Jörg, dt. Maler, Zeichner, Bildhauer, Opern-Bühnenbildner, *16.6.1945 Bleckede/Lüneburg, †28.5.2007 Düsseldorf.
Immendorff, Jörg
Studiert ab 1963 drei Semester Bühnenkunst bei Theo Otto an der KA Düsseldorf und wird 1964 in die Kl. von Joseph Beuys aufgenommen, den er Zeit seines Lebens verehren wird. Nach versch. kleineren Aktionen an der KA 1968 Beginn der anarchischen LIDL-Aktivitäten im Zeitkontext von Studentenunruhen und Fluxus-Kunst. I. erregt damit zwei Jahre lang in Düsseldorf (und anderen Städten des In- und Auslands) öff. Aufsehen; er wird festgenommen, verhört, später wieder freigelassen. Diese provokativen Aktionen führen 1969 schließlich zum Verweis von der Akademie. Von 1971 bis 1980 arbeitet er als Kunstlehrer an einer Hauptschule in Düsseldorf und stellt auch gemeinsam mit seinen Schülern in Gal. aus. 1972 erfährt er die erste öff. Anerkennung, als Harald Szeemann, der Kurator der documenta 5, ihn zur Teiln. an dieser bed. WA nach Kassel einlädt. Thema der Ausst. ist in diesem Jahr: "Befragung der Realität - Bildwelten". 1973 veröff. I. sein Buch Hier und Jetzt: das tun, was zu tun ist, eine Collage aus Dok., Fotos, Bildern eig. Arbeiten und einem lit. Kommentar mit einer selbstkritischen Abrechnung. Im gleichen Jahr tritt er in die maoistische KPD/AO – Liga gegen den Imperialismus ein. 1976 findet eine erste Begegnung mit dem Dresdner Maler A.R. Penck in Ost-Berlin statt; sie wird zu dem Aktionsbündnis Penck mal Immendorff - Immendorff mal Penck führen. Als Konsequenz dieser Malerfreundschaft entsteht von 1977 bis 1983 der Bilderzyklus Café Deutschland (Öl/Lw.; Köln, Mus. Ludwig; Bonn, KM.), welcher I. bekannter macht und ihm nachfolgend erste Mus.-Ausst. ermöglicht. Generalthema dieser Bilder ist die Teilung Deutschlands durch die Mauer, die von 1961 bis 1989 die DDR und die BRD voneinander trennte. Politiker, Dichter, Künstler sowie Museumsleute erscheinen in dieser F. in den bühnenähnlichen Räumen eines imaginierten großen Cafés und erhalten vom Maler bestimmte aktive oder auch passive Rollen zugewiesen. 1990 wird I. mit Café de Flore (Öl/Lw., Klosterneuburg, Mus. Essl) das Thema des Kaffeehauses erneut aufgreifen. In diesem frz. Café lässt er seine Freunde sowie Literaten wie Jean Paul Sartre, Heiner Müller und Bertolt Brecht zusammentreffen und gemeinsam agieren. 1982 Teiln. an der documenta 7, Gastlehrtätigkeit an der KA Hamburg, der F+F - Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich und an der KA Trondheim (bis 1983). In den Jahren 1984 und 1985 unterrichtet er an der Werkschule Köln und an der ABK München. 1984 eröffnet I. die Künstlerkneipe La Paloma in Hamburg/St. Pauli am Hans-Albers-Platz mit eig. Werken, sowie mit Werken von Joseph Beuys, A.R. Penck, Markus Lüpertz und Georg Baselitz. 1986 realisiert er Bühnenbild und Kostüme zu der Richard-Strauß-Oper Elektra am Bremer Theater. Es entsteht eine Inszenierung mit Szenen, in denen die Mägde Gummischürzen, Kellnerinnenschuhe und Gel-Frisuren tragen. I. setzt ein blau glühendes Beil als tragendes Bildmotiv ein. Die Figur des Affen entspricht seinem Alter Ego; er ist mit einem hölzernen Rammbock in beiden Armen und einem erhobenen Zeigefinger ausgestattet. Mit seiner aufrührenden Bildwelt gestaltet I. eine beeindruckende Oper. Die Forts. dieser Bühnentätigkeit findet 1994 in der Ausstattung von Igor Stravinskys Werk The Rake's Progress statt (Salzburger Festspiele, Regie: Peter Mussbach, Musikalische Ltg.: Kent Nagano). 2002 wird er in ähnlichen schrillen Tönen Bühnenbild und Kostüme für eine weitere Oper schaffen: Die Nase von Dimitri Shostakovich (Staatsoper Unter den Linden Berlin, Regie: Peter Mussbach, Musikalische Ltg.: Kent Nagano). Zu all diesen Inszenierungen entstehen Zchngn, Aqu. und auch Skulpturen. I. erhält Professuren an der Frankfurter Städelschule (1989-92) und der Staatlichen KA Düsseldorf (1996); er unterrichtet von 1997 bis 2002 auch in der Volksrepublik China. 1997 wird I. zum Mitgl. der Europ. Akad. der Wiss. und Künste in Salzburg berufen; 1998 erhält er den Verdienstorden der BRD; 2006 wird ihm der Kaiserring der Stadt Goslar verliehen. 1997 ist ein tragisches Jahr für I., da feststeht, das er an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet, einer degenerativen Erkrankung des Nervensystems, die letztlich zu einer vollständigen Lähmung des Körpers führt. Seine Bildwelt verändert sich ab 1999 radikal. Die späten Werke offenbaren eine gänzlich neue Bildsprache, in der das Rätselhafte und motivisch Verschleierte bzw. das Drohende seiner Krankheit vorherrscht. 2004 wird wegen Rauschgiftbesitzes Anklage gegen ihn erhoben. Der Prozess endet aufgrund der schon fortgeschrittenen Krankheit mit einer milden Bewährungsstrafe, I. behält seine Prof. an der KA Düsseldorf. Seit E. 2005 muss I. künstlich beatmet werden. Obwohl er die eig. Hände in den letzten Jahren nicht mehr gebrauchen kann, gibt I. seine Kunst bis zuletzt nicht auf. In Zusammenarbeit mit seinen Assistenten entstehen Bilder, die vom Künstler mit Hilfe des Computers in einer Art Collagetechnik komponiert werden. Diese Entwürfe werden in Bilder umgesetzt, die exakt den Computercollagen entsprechen. - I.s Schaffen ist von A. an von einem politischen und ges.-kritischen Impetus geprägt. Er verlässt 1964 nach nur drei Semestern Stud. der Bühnenkunst bei Theo Otto an der KA Düsseldorf dessen Kl., um bei dem charismatischen Lehrer Joseph Beuys aufgenommen zu werden. Die Idee, den Menschen als soziale Plastik zu begreifen und Kunst im erkenntnisorientierten Sinn ges. wirken zu lassen, definiert im Kern die Beuys'sche Strategie. Erste wichtige Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem konzeptuellen Werk von Beuys sind Werke wie Fruchtmann oder Beuysland (1965). Für I. ist Kunst M. bis E. der 1960er Jahre - in einer Zeit der außerparlamentarischen politischen Bewegungen, die zu den 1968er Studentenunruhen führen - gleichbedeutend mit Agitation und politischem Engagement. Eine zentrale Arbeit während seiner Lehrzeit bei Beuys mit dem für einen jungen Maler irreführenden Titel ist Hört auf zu malen (1966, Kunstharz/Lw., Eindhoven, Van Abbe-Mus.). I. stellt sich mit diesem Bildpamphlet gegen eine sich selbst genügende, rein ästhetische Kunst ohne jeglichen ges. Anspruch. Im gleichen Jahr entsteht die Werkserie der Babybilder mit Titeln wie bä tunst bä oder teine tunst mache. Sie zeigen den Künstler als Ironiker, der mit dieser ersten wichtigen Ser. sein Anti-Kunst-Konzept realisiert. Im Zuge der fortschreitenden ges. Politisierung entstehen die LIDL-Aktionen. Das der Babysprache entlehnte Wort LIDL erinnert kunsthist. an die DADA-Bewegung der 1920er Jahre, wobei für I. DADA-Kunst ein Nährboden für Agitprop ist. In der ersten LIDL-Aktion wird das Parlament in Bonn, der damaligen Hauptstadt der BRD 'in Angriff' genommen. Der Künstler versucht - ohne Erfolg - mit einem in den Bundesfarben bestrichenen Holzklotz am Bein die Bannmeile zu durchbrechen. Eine weitere Aktion - Ich halte mich als Verteidigungsminister bereit, bei der ein Papierhaus an das Bundeshaus angebracht wurde - wird von den Ordnungshütern schnell unterbrochen. Die Reste des archit. Objekts werden später künstlerisch in einer Assemblage verwertet und finden Eingang ins Museum. 1967 findet der erste Kölner Kunstmarkt statt, der jährlich wiederholt wird. Die 1970 von Beuys und Wolf Vostell initiierte spektakuläre Protestaktion 'Wir betreten den Kunstmarkt' gerät zum ersten öff. Skandal. Kunst ist mittlerweile zu einer Handelsware geworden. I. wird sich in Zukunft damit auseinandersetzen. 1972 entsteht seine plakative und mit Absicht grob gemalte Text-Bild Werkserie Wo stehst du mit deiner Kunst, Kollege. 1973 wird er Mitgl. in der maoistischen KPD/AO und gestaltet deren Flugblätter. Zudem engagiert er sich für das Nat. Vietnam-Komitee, die Liga gegen den Imperialismus und die Vrg Sozialistischer Kulturschaffender. Ein zentrales Bild dieses politischen Engagements Eine Künstlerfaust ist auch eine Faust von 1973 mit Portr. von Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Lenin, Josef Stalin und Mao Zedong ist heute verschollen. Das 8-teilige Werk zeigt die wichtigsten Akteure des Kommunismus in einer der Bildsprache des Bühnenbildes entliehenen Ausdrucksweise, die keinen Gefallen in der Partei findet. 1976 steht im Zeichen der Auseinandersetzung mit dem Werk von Bertolt Brecht und dessen Gedicht Fragen eines lesenden Arbeiters (1935 im dän. Exil entstanden, erstmals 1936 in Moskau veröff.). In I.s Werkserie wird das manifestartige Gedicht Brechts in eine comicähnliche und malerisch reduzierte Malerei übersetzt, die Flugblatt-Char. hat. 1976 wird ein entscheidendes Jahr für den Künstler. I. trifft sich in Ost-Berlin mit dem systemkritischen Künstler A.R. Penck. Beide planen ein gemeinsames Arbeitsprojekt. Ein Jahr später entsteht die vielteilige Bildfolge Café Deutschland, die sich in künstlerisch neuartiger Weise mit der Gesch. des geteilten Deutschland auseinandersetzt. Angeregt wurde I. zu dieser Ser. durch das Werk 'Caffé Greco' (1976) des realistisch arbeitenden ital. Malers Renato Guttuso. Zwar hatte I. auf der Bienn. in Venedig direkt neben Guttuso ausgestellt, dessen Kaffeehausbild allerdings erst ein Jahr später in einer Ausst. in Köln gesehen. Guttusos Bild zeigt in der die Archit. des realen Caffé Greco in der Via Condotti in Rom nachempfindenden Szenerie eig. Erinnerungen sowie hist. Begebenheiten. Zu erkennen sind der bed. ital. Maler Giorgio de Chirico Seite an Seite mit hist. Personen wie André Gide, Guillaume Apollinaire oder Buffalo Bill sowie jap. Touristen, Politiker und Journalisten. In I.s Café-Bild ist dieser selbstgenügsame Realismus überwunden; seine Ser. erlangt unzweifelhaft den Rang eines mod. Historienbildes. In der ersten Version, die den Bühnenraum einer Discothek mit agierenden Personen zeigt, streckt der Künstlers seine Hand zur Versöhnung durch eine Öffnung in der - die beiden dt. Staaten teilenden - Mauer, während im Hintergrund Erich Honecker und Helmut Schmidt auf einer zweigeteilten Deutschlandfahne wirtschaftliche Themen verhandeln - beispielsweise die Lieferung der 10.000 VW-Golf-Fahrzeuge an die DDR im Jahr 1977. Auch in den weiteren Bildern setzt I. seiner Vision der Durchdringung der Mauer die politische Realität - Abhören von Bürgern, Einsperren von Systemgegnern, inner-dt. Handel - entgegen. I.s Bildthemen haben zu jenem Zeitpunkt den Char. einer Utopie, die 1989 Wirklichkeit werden sollte. Der gesamte Zyklus enthält eine spezifische Ikonogr., die sich in signifikanten Emblemen, Symbolen und Metaphern äußert: das Brandenburger Tor, der heraldische Adler, die dt. Fahnen, immer wiederkehrende Eisschollen und Nähte, die sog. Systemklemme usw. I.s Ikonogr. ist ohne Embleme nicht denkbar. Viele Embleme, wie etwa Feuer, Fackel, Kerze und Wagen erschließen sich durch ihre allg. Bedeutung, and. wiederum, z.B. Säule, Postament, Kreuz und Leiter, können nur im Zusammenhang der versch. Bildserien verstanden werden. Der Adler stellt für den Künstler ein Herrschaftstier dar, im Gegensatz dazu symbolisiert die Biene ("Imme") ein sensibles, zum Nachdenken anregendes Tier, wie dies beispielsweise in dem Werk Bild mit Geduld aus dem Jahr 1992 deutlich wird. Die Schildkröte findet sich in den kleinformatigen Werken der 1960er Jahre und symbolisiert den langsamen politischen Wandel. Das bedeutendste Tier in I.s Bildwelt ist der Affe, der sein zweites Ich, sein Alter Ego darstellt. Der Affe ist das Symbol für die Ambivalenz der Künstlerexistenz, die Gradwanderung zw. Überzeugung und Selbstzweifel. Ein beredtes Beispiel hierfür ist das großformatige Gem. Affenregen (1997), in dem die Affen ein von wenigen Menschen besuchtes Theater besetzen und eine Art 'Planet der Affen' schaffen. Der Affe ist I.s Malerfeind und Malerfreund zugleich, schlechtes Gewissen und guter Geist in einem. Dreidimensional erscheint er als Bronzeskulptur ab 2002 in vielerlei Rollen und versch. Größen und Posen: mal trägt er einen Baumstamm mit Malerpalette und Malerstock, mal hält er den Pinsel oder spielt mit einem Vogel. I.s Skulpt. der 1970er bis 1990er Jahre sind in aller Regel Übersetzungen von malerischen Figuren in ein dreidimensionales Medium. In Holz oder in Bronze nehmen die plastischen Werke Figuren, Zeichen oder Embleme aus der Malerei auf. Seine bedeutendste Skulpt. ist die 1999 in Riesa realisierte 25 Meter hohe Arbeit Elbquelle. Aus Gusseisen gestaltet, ist sie motivisch an die kahlen Wintereichen in den Gem. von Caspar David Friedrich angelehnt. In knorrigen Ästen finden sich Malerpalette und Malstock, darunter ein Findling und die symbolische Elbquelle. Der Baum wird zur Kultureiche und zur "Malereiche". Entscheidend für I.s Werkgenese ist 1980 die Aufgabe des Lehramts an der Schule; von nun an widmet er sich ausschl. der Kunst. In diesem Jahrzehnt, nach Beendigung der Café Deutschland-Ser., beschäftigt er sich intensiv mit seiner Rolle als Künstler im 'Betriebssystem Kunst'. Char. für diese Phase ist u.a., dass I.s Bilder neben ihrem Realitätsgehalt immer auch eine Welt der Phantasie beinhalten, in der nach dem Prinzip der "Vergleichzeitigung" alle für den Künstler wichtigen Personen auftreten - auch er selbst in seinen versch. Funktionen ist hier mit einbezogen. 1987 entstehen die ersten Beitr. zur Bildfolge Café de Flore, benannt nach dem gleichnamigen Café im Pariser Viertel Saint-Germain-des-Près (Ecke Boulevard Saint-Germain und Rue Saint-Benoît). Dieses Café war Treffpunkt für versch. frz. Intellektuelle wie Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir und Künstler wie Alberto Giacometti und Pablo Picasso. In der vielteiligen Ser. treffen sich Persönlichkeiten des I.'schen Welttheaters zu einer imaginären Versammlung: Künstler, Freunde, Galeristen, Museumsleute und Sammler. - Auch das reale Theater und seine Bühne beschäftigen I. 1994 wieder. An der Aufführung der Stravinsky-Oper 1994 The Rake's Progress in Salzburg ist er mit dem Entwurf für das Bühnenbild und die Kostüme künstlerisch beteiligt. Ausgehend von der Bilderfolge von William Hogarth (1732/33) wird hier das Leben eines berüchtigten Wüstlings, Tom Rakewell, in Szene gesetzt. In den kommenden drei Jahren wird I. sich in vielen Zchngn, Aqu. und Gem. mit dem Leben der Figur Tom Rakewell auseinandersetzen. Die Biogr. des verschwenderisch lebenden Sohns und Erben eines reichen Kaufmanns fasziniert ihn. Im Sommer 1997 entgleitet ihm beim Zeichnen verschiedentlich seine rechte Hand. In dem programmatischen Bild Wie geht es der Künstlerhand? (Öl/Lw., Priv.-Bes.) hinterfragt er seine eig. Situation: Wie soll es weitergehen? Wie ist die Zukunft zu meistern? Auch die Sensationspresse ist in diesem Werk anwesend: die bandagierte Hand ist einer Menge von Fotografen und Sensationssüchtigen ausgeliefert. Bereits zwei Jahre später hat sich die Malerei durch die Realität seiner unheilbaren Krankheit ALS substantiell verändert. Die Ikonogr. in I.s Werk ändert sich grundlegend. Ab 1999 ist eine der wichtigsten Bildfiguren eine - durch einen von Hans Baldung Grien inspirierten weiblichen Akt - mühevoll auf zwei Kugeln balancierende enigmatische Figur. Offensichtlich thematisiert die Erscheinung Unbeweglichkeit und Leiden. I. tritt mit neuen Werken, die in Farbgebung und Inhalt reduziert sind, auf. Ein bed. Werk dieser neuen Phase ist das Gem. Wer reitet zu spät …Schwarzes Schaf (1999/2000, Öl/Lw., Priv.-Bes.). Ein Babylonischer Turm, die Figur auf Krücken, abgestorbene Bäume sowie apokalyptisch anmutende kleine Reiter erinnern an Goethes 'Erlkönig'. Die lit. gestimmte Arbeit fungiert als Schmerz- und Todesallegorie. Das neue Vokabular beinhaltet neben dem Babylonischen Turm und der Grien'schen Figur auf Krücken, auch den Weltlauf, eine Raupe/Puppe, die Darst. des Darms und den Malerpinsel. Die bisweilen auftretenden Höllenfiguren erinnern an die Kunst von Hieronymus Bosch. Eine erneute Veränderung der Bildsprache tritt zu dem Zeitpunkt ein, an dem I. ab E. 2004 physisch nicht mehr in der Lage ist, seine Bilder selbst zu malen. Eine tief existentialistische Phase bestimmt das Werk der letzten Jahre. Rückgriffe auf Kunst und Kunstgesch. prägen diese Bildwelt, die dem Betrachter emotional aufgewühlt gegenübertritt. Die Todessymbolik ist offenkundig, die Bildwelt ist von dunklen Farben durchdrungen. Diese letzten Werke entstehen durch die Hilfe von I.s Assistenten. Bilddaten von Grafiken und and. Vorlagen wie Fotogr. und Büchern, aber auch einfache Tapetenmuster, werden digital gespeichert und am Computer durch die präzisen Anweisungen des Künstlers zu Komp. zusammengeführt. Die später erfolgenden Ausdrucke erhalten genau die Größe, die der Künstler anweist. Sein politisches Bild ist in eine Bildwelt voll tragischer Schönheit übergegangen. I. ist internat. einer der bedeutendsten Künstler der Nachkriegszeit.
Lidlraum, Dok. der Aktivitäten, 1968; Hier und Jetzt: Das tun, was zu tun ist, Mat. zur Diskussion: Kunst im politischen Kampf. Auf welcher Seite stehst Du, Kunstschaffender?, Köln 1973; An die "parteilosen" Kollegen, in: Kunstforum internat. (Köln) 8/9:1973/74, 162-177; Interview mit Joseph Beuys, in: SPUREN Zs. für Kunst und Ges. 5:1978, 38-41; Interview mit Joseph Beuys, Forts., in: Überblick 3:1979, 10-11; mit A.R. Penck; I. besucht y, Deutschland mal Deutschland - Ein Dt.-Dt. Vertrag, M. 1979; Brandenburger Tor - Weltfrage, N.Y. 1982; Monolog im Malerhauptquartier, in: Durch 3/4:1987; Dem alten Wahnsinn entgegen, Art-Debatte: Taugt das Haken-Kreuz als Kunst-Motiv?, in: Art 3:1989, 75-76; Langer Marsch auf Adler (Sechs Linolschnitte), S.Knust (Ed.), M. 1992; Peer Gynt Today - es lebe hoch der große Peer, Hellerup 1996; An meine Ateliergeister, in: J.I. - Respect I, Dresden 1996; Male Lago (Kat. Neue NG), B. 2005; Video: Zeichne. Zchngn 1959-89, vierbändige Kat.-Kassette, M.Boetzkes/D.Nguy (Ed.), Hildesheim 1989.
Einzelausstellungen:
Bonn: 1961 New Orleans Club; 1998 KM / Düsseldorf: 1965 Gal. Schmela; 1968 Staatliche Ingenieurschule; 1982 KH; 1988 KV für die Rheinlande und Westf.; KH; 2006 Mus. Kunst-Pal. / 1966 Fulda, StG / 1966 Aachen, StG / Köln: 1967 Gal. Art Media; 1971, '77, '78 Gal. Michael Werner; 2004 Mus. Ludwig / Frankfurt/Main: 1968 Gal. Patio; 1969 Gal. Lichter; 1990 Portikus / 1969 Antwerpen, A 379089 / 1972 Münster, Westfälischer KV / Wien: 1975 Gal. Nächst St. Stephan; 1991 MMK / 1976 Amsterdam, Gal. Seriaal/Helen van der Meij / 1977 Utrecht, Hedendaagse Kunst / 1979 Basel, KM / 1980 Bern, KH / 1981 Eindhoven, Van Abbe-Mus.; Hamburg, Gal. Hans Neuendorf / New York: 1982 Ileana Sonnabend Gall.; 1986 Michael Werner Gall.; 1995 ACE Gall. / 1982 Gent, Verenigung Aktuele Kunst / 1983 Zürich, Kunsthaus / 1984 Oxford, MA; Bilbao, Museo de Bilbao / 1988 Auckland, City AG / 1989 Hildesheim, Roemer-und-Pelizaeus-Mus. / 1991 Esslingen, StG / 1992 Rotterdam, Mus. Boymans-van Beuningen; Den Haag, Gemeente-Mus.; Kyongju (Korea), Sonje MCA / 1993 Paris, Centre Pompidou; Seoul, AC; Horsens, KM; Taipei, FA Mus. / 1993/1994 Los Angeles, ACE Gall. Contemp. Exhib. / 1994 Mexiko-Stadt, Mus. Tamayo / 1995 London, Barbican AG / 1996 Wolfsburg, KM; Dresden, Residenzschloss / Berlin: 1996 Neuer KV; 2005 Neue NG/ 1998 Warschau, MN / 1999 Holte, Breda-Fonden; Duisburg, Mus. Küppersmühle - Slg Grothe / 2000 Hannover, Kestner Ges.; Dortmund, Mus. am Ostwall / 2001 St. Petersburg, Russ. Mus. / 2002 Shanghai, Jin Mao Tower; Beijing, Millenium Mon. / 2008 Klosterneuburg, Mus. Essl / 2013 Höxter, Schloss Corvey / 2013 Bad Pyrmont, Schloss. -
Gruppenausstellungen:
1972, '82 Kassel: documenta / 1976, '80, '95 Venedig: Bienn. / Köln: 1981 Messe; 1986, '95 Mus. Ludwig / 1984 Duisburg, Wilhelm-Lehmbruck-Mus. / 1988 Düsseldorf, KS NRW / 1990 London, Tale Gall. / 1993 Nürnberg, GNM / 1997 London, Sir John Soane's Mus. / 2009-10 Berlin, DHM: Kunst und Kalter Krieg / Wien, Albertina Modern: 2023-24 Österreich - Deutschland Malerei von 1970 bis 2020 (K); 2025 Remix (K).
Weitere Lexika:
DA XV, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; Bénézit VII, 2006; Kürschners Hb. der Bild. Künstler. Deutschland, Österreich, Schweiz, I, M./L. 2007; Schweers II, 2008
Gedruckte Nachweise:
D.Koepplin, Café Deutschland (Kat. KM), Basel 1979; J.Gachnang/M.Wechsler, Malermut rundum (Kat. KH), Bern 1980; J.Harten/U.Krempel, Adlerhälfte (Kat. KH), Dd.1982; H.Szeemann u.a., J.I. (Kat. KH), Z. 1983/84; D.Eliot/H.Szeemann, Café Deutschland and related works (Kat. MMA), Oxford 1984; A.Bogle/Ph.Gant (Ed.), J.I. in Auckland (Kat.City AG), Auckland 1988; D.Diederichsen (Ed.), I.s Hb. der Akad. für Adler, Ffm. 1990; A.Tolnay/L.Hegyi (Ed.), I., Malerei 1983-90 (Kat. MUMOK), W. 1991; R.Fuchs u.a. (Ed.), I. (Kat.), Den Haag 1992; C.Grenier u.a. (Ed.), I., is it about a bicycle? (Kat. Centre Pompidou), P. 1993; V.Görner u.a. (Ed.), J.I., Bild mit Geduld (Kat. KM), Wolfsburg 1996; L.Rennison u.a., I., Gyntiana (Kat. Neuer Berliner KV. mit einem Interview von P.Kort), B. 1996; P.Kort u.a., J.I., Respect I (Kat. KV Residenzschloss), Dresden 1996; R.Storr u.a., J.I., Malerdebatte (Kat. KM Bonn), Köln 1998; J.Thage, J.I., The Rake’s Progress, Breda-Fonden 1999; D.Ronte, J.I., Malerwald (Kat. Mus. Küppersmühle/Slg. Grothe), Duisburg 1999; C.Haenlein u.a. (Ed.), J.I., Bilder und Zchngn (Kat. Kestner Ges.), Hn. 2000; H.Althöfer/T.Belgin/B.Brock (Ed.), I., Bilder (Kat. Mus. am Ostwall), Dortmund 2000; J.I., Allen Dingen ist der Wechsel eigen (Kat. Russ. Mus.), St. Petersburg 2001; U.Wilmes u.a. (Ed.), J.I., Standort für Kritik (Kat. Mus. Ludwig), Köln 2004; D.Geuer/T.Breckner, J.I. - Das grafische WV, Dd. 2006; K.Essl/T.Belgin, J.I., Was uns Malerei Bedeuten kann (Kat. Essl Mus.), Klosterneuburg/W. 2008