Karavan, Dani, israelischer Maler, Architekt, Bildhauer, Grafiker, Bühnenbildner, *7.12.1930 Tel Aviv, †29.5.2021 ebd., lebte und arbeitete dort wie auch in Paris und Florenz.
Karavan, Dani
Wegbereitend für K.s Kunst war sein Vater, Avrahm K., der in Tel Aviv als leitender Gärtner und Landschaftsarchitekt tätig war. Bei ihm sammelte K. erste Eindrücke der Gest. urbaner Räume, die für die Entwicklung seiner ortsspezifischen Environments nützlich werden sollten. Im Studio von Aharon Arni lernte K. 1943/44 in Jugendjahren das Zeichnen und entwarf Bühnenbilder für Schulaufführungen. 1945-48 erhielt er Unterricht bei den Malern Avigdor Stematsky, Yehezkel Streichman, Marcel Janco und Eugene Kolb. Ihre Forts. fand diese Ausb. an der Bezalel SchA and Design in Jerusalem (1949), an der Freskoschule in Florenz (1956) und an der Acad. de la Grande Chaumière in Paris (1957). Im Laufe seiner Studienzeit und seiner vielseitigen Schaffensperioden erlernte K. versch. Techniken und verwendete unterschiedliches Mat. wie Mosaik, Beton, Glas, Metall, Ton, Holz, Stein, Granit und Marmor. Sie bilden das Repert., aus dem er bis heute schöpft. Schon früh beschäftigte sich K. mit dem Humanismus, Sozialismus und Zionismus und entwickelte eine Haltung, die vom Glauben an den Frieden zw. den Kulturen geprägt ist. Das daraus resultierende sozialpolitische Engagement verbindet K. stets mit seinen künstlerischen Tätigkeiten. Nach den Ausbildungsjahren war K. zunächst als Bühnen- und Kostümbildner verschiedener Theater- und Tanzaufführungen in Tel Aviv, New York, Florenz und Spoleto tätig. Dabei schuf er ausdrucksvolle Räume, die mit den Schauspielern und Tänzern interagieren. Seine Erfahrungen in der Bühnengestaltung flossen in seinen ersten großen Auftrag ein, den er von Soldaten der Palmach-Brigade erhielt: das nahe der Wüstenstadt Be'er Sheva errichtete Negev Monument (1963–68) zur Erinnerung an den israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948. Auf der 100 x 100 m großen Fläche gestaltete K. einen urbanen Raum aus unterschiedlichen skulpturalen und archit. Formen wie Halbkreis, Turm, Rampe, Röhren und schachtartigen Gängen. Das Spiel von Licht und Schatten unterstreicht die Präsenz der ineinander aufgehenden geometrischen Figuren. Zus. mit dem vom Wüstensand ocker gefärbten Beton, einer Wasserlinie und der von dem Organisten Gideon Shamir errichteten Windorgel entstand ein magisch wirkender Ort, der sich in die natürliche Umgebung einfügt. Hier fand K., wie er selbst sagte, seine skulpturale Sprache, die sein Werk bis heute prägt. 1976 gestaltete K. auf der 38. Bienn. in Venedig den israelischen Pavillon. Sein Werk Environment of Peace und seine Arbeit im Skulpt.-Garten Jerusalem City of Peace brachten ihm internat. Aufmerksamkeit. Schon im Jahr darauf wurde er von Manfred Schneckenburg zur documenta 6 in Kassel eingeladen (Environment Made of Natural Materials and Memories). Von Anbeginn setzte sich K. mit jedem einzelnen - landschaftlichen oder archit. - Ort, der gestaltet werden sollte, analytisch auseinander. Er nutzte den jeweiligen hist. Hintergrund als Inspirationsquelle und machte die spezifische Beschaffenheit des Geländes zu einem wichtigen Bestandteil seines Werkes. So bediente sich K. für Two Environments for Peace (1978) zweier ma. Festungen, des Forte di Belvedere in Florenz und des Castello dell’Imperatore in Prato, die er künstlerisch umdeutete. Damit seine Botschaft von Frieden und Kunst nicht nur die Ausst.-Besucher erreichte, sondern für alle sichtbar wurde, verknüpfte K. das Forte di Belvedere symbolisch über einen blauen, nachts sichtbaren Laserstrahl mit der Kuppel des Florentiner Doms von Brunelleschi. Hatte er beim Negev Monument noch Proportion und Maß auf den Ort abgestimmt, ging er in Florenz erstmals über den dem Besucher zugänglichen Ort der Installation hinaus. Die Verbindung von zwei entfernten Orten spielt auch bei anderen Werken eine Rolle, v.a. in der Trabantenstadt Cergy-Pontoise nördlich von Paris, wo K. das bisher großflächigste seiner Environments schuf. Für die Axe Majeur (1982) entwarf er eine 3 km lange Betonachse. In ihrem Verlauf gestaltete er zwölf thematische Stationen, passend zur Zahl zwölf, die die Zeit vom Kalender bis zum Ziffernblatt und damit den Lebensrhythmus des Menschen bestimmt. Diese einzelnen Stationen bestehen aus Plätzen, Gärten und Mon. und laden die Passanten ein, Teil des Kunstwerkes zu werden und den Übergang von Stadt und Natur bewusst zuerleben. Mit den einzelnen Interventionen gibt K. das Tempo der Begehung der Achse vor. Die Zugänglichkeit der Werke ist kennzeichnend für K.s Kunst, die den Betrachter auffordert, mitzudenken und mitzuempfinden. Die Empathie, die alle seine Werke charakterisiert, ist für die vielen v.a. in Deutschland errichteten Mahnmale von bes. Bedeutung. Hier konnte er sein Anliegen, die Gesellschaft durch Kunst zu erreichen, umsetzen. Er nutzt symbolische Bilder wie Gleise und Brunnen, aber auch narrative Elemente wie Texte und Zahlen, die er mit dem jeweiligen Ort zu einer unerlässlichen Einheit verbindet. Zu diesen Arbeiten zählen u.a. das Ma'lot in Köln (1979), das die Deportation der Kölner Juden thematisiert, und der Way of Human Rights (1989) in Nürnberg. Das Spiel auf versch. metaphorischen Ebenen, das K. stets mit einfachen künstlerischen Formen verbindet, lässt v.a. sehr poetische Werke entstehen. Die formale und kommunikative Ausdrucksmöglichkeit K.s zeigt sich auch bei seinem bekanntesten Werk Passagen. Hommage to Walter Benjamin (1990), das an der span.-frz. Grenze in Portbou entstand. K. wurde vom damaligen dt. Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker beauftragt, einen Gedenkort für den dt.-jüdischen Kunstphilosophen und Schriftsteller Walter Benjamin zu konzipieren, der auf der Flucht vor den Nationalsozialisten am 26.09.1940 an der span. Grenze Selbstmord begangen hatte, nachdem ihm die Einreise und damit die weitere Flucht verweigert worden war. K. schuf an der schroffen Steilküste eine Aussichtsplattform mit Olivenbäumen, neben denen er eine trichterartige Treppe in den Felsen schlagen ließ. Sie endet über dem offenen Meer und lenkt den Blick auf den reißenden Wasserstrudel in der Tiefe. Durch den Dialog zwischen dem Ort des Geschehens und dem von ihm gestalteten fassbaren Raum sowie der Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart erzeugt K. eine künstlerische wie spirituelle Kraft, die der Person W.Benjamins gerecht werden soll. In den über 60 Jahren seines künstlerischen Schaffens konzentrierte sich K., seinem radikal-demokratischen Bewusstsein entsprechend, v.a. auf öff. Aufträge. Er verbindet einen formalen Minimalismus mit einem inhaltlichen Konzeptualismus genauso wie er Skulptur und Archit. zusammenführt. Er stellt Bezüge zu diesen unterschiedlichen Kunstrichtungen her, setzt sich auch mit Land Art auseinander, ohne einem einzigen künstlerischen Anspruch vollst. zu folgen. Zu seinen Mitteln gehören neben Naturelementen auch Textzitate aus der Bibel, der Lit. und dem Gesetzbuch. Das weite Spektrum der künstlerischen Ausdrucksformen und sein feinfühliger Umgang mit schwierigen Themen verschafften ihm große internat. Anerkennung. Dies gilt auch für das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma (2012) in Berlin. - Ausz.: 1993 Kommandeur des frz. Ordre des Arts et des Lett.; Picasso-Med. der UNESCO; 1998 Praemium Imperiale für Skulptur, Japan Art Assoc., Tokio; 1999 Goethe-Med.; Ehren-Dr. Hebr. Univ. Jerusalem; 2004 Europ. Skulpturenpreis. Aus Anlass seines 70. Geburtstags würdigte ihn die Accad. dell’Arte del Disegno in Florenz durch die Berufung zu einem ihrer Mitglieder.
Einzelausstellungen:
1971 Florenz, Gal. Bellini / 1982 Tel Aviv, Mus. of Art. (K) / 1992 Köln, Mus. Ludwig. / 1993 Amsterdam, Sted. Mus. (K) / 1994 Sapporo, MCA. (K) / 1999 Florenz, Pal. Vecchio. (K) / 2002 Moskau, State Mus. of Archit. / 2007 Tel Aviv, Mus. of Art / 2008 Berlin, Martin-Gropius-Bau. (Retr.; K). -
Gruppenausstellungen:
Venedig: 1976, '91 Bienn. / 1975 New York, Jewish Experience in Contemporary Art / 2001 Barcelona, Requiem per l’Escala / 2004 Berlin, Schrift – Bilder – Denken: Walter Benjamin und die Kunst der Gegenwart / 2010 Potsdam, Schloss Marquardt: Rohkunstbau XVII.
Weitere Lexika:
DA XVII, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., Bd. 2, Köln u.a. 1998
Gedruckte Nachweise:
P. Restany, D.K., M. 1992;E.Masa, Freiplastiken in Nürnberg, Neustadt an der Aisch 1994; I.Scheurmann (Ed.), D.K. Hommage an Walter Benjamin. Der Gedenkort „Passagen“ in Portbou, Mainz 1995; H.Fußbroich, Skulpt.-Führer Köln, Köln 2000; J.Monneret, Cat. raisonné du Salon des Indépendants 1884-2000, P. 2000; G.Ofrat, One hundred years of art in Israel, Boulder, Colo. 1998; U.Peters/A.Legde, Mod. Zeiten. Die Slg zum 20. Jh. (K), Nü. 2000; A.Minta, Israel bauen, B. 2004; C.Brockhaus (Ed.), Das Jh. mod. Skulpt. (K Stiftung Wilhelm Lehmbruck Mus - Zentrum Internat. Skulpt. Duisburg), Köln 2006; A.d'Andrea u.a., Kunstf. durch den Kt. Zürich, [Z. 2008]; Skulptur! Piepenbrock Skulpturpreise 1988-2006, B. 2008; R.Purpar, Kunststadt Düsseldorf. Objekte und Denkmäler im Stadtbild, Dd. 22009
Onlinequellen:
GNM-Archiv; Israeli AC.