Mendieta (M. Lizaur), Ana (Ana María), kubanisch-US-amer. Bildhauerin, Malerin, Performance- und Videokünstlerin, *18.11.1948 Havanna, †8.9.1985 New York. Verh. mit dem Konzeptkünstler Carl André.
Mendieta, Ana
Stud.: 1965-67 Kunst am Briar Cliff College, Sioux City/Iowa; 1967-69 Bachelor of Arts, 1969-72 Master of FA in Paint. und Master of FA in Intermedia, Univ. of Iowa, Iowa City. 1980 Nat. Endowment for the Arts Grant sowie John Simon Guggenheim Found. Fellowship; 1983 Prix de Rome, Amer. Academy. - M. arbeitete intermediär im Kontext der Land-, Body- und Performancekunst der 1970er und 80er Jahre in den USA; sie setzte sich mit feministischen, (post)kolonialen, relig., okkulten und mythischen Inhalten auseinander. Die Künstlerin entstammte einer politisch einflussreichen kubanischen Fam.; ihr Vater Ignacio Alberto M. Lizaur war Gegner der Fidel Castro-Regierung. Kurz vor Ausbruch der Kubanischen Revolution schickte die Fam. 1961 die 13-jährige Ana und ihre Schwester Raquelín mit der Operación Peter Pan in die USA, wo die Schwestern bis 1965 in versch. Waisenhäusern aufwuchsen; die Mutter Raquel folgte 1966 mit Sohn Ignacio. Die Fam. wurde in Cedar Rapids ansässig und 1979 mit dem Vater, der 18 Jahre in politischer Gefangenschaft verbracht hatte, vereint. Dieses Exil beeinflusste M. und ihr Schaffen grundlegend. Die Künstlerin studierte ab 1969 an der Univ. of Iowa bei Hans Breder, einem Exildeutschen, der sich für die Etablierung der Fächer Intermedia und Performance einsetzte. Die beiden waren von 1969-80 ein Paar und kollaborierten wiederholt. 1972 präsentierte M. die erste "earth-body"-Arbeit, Grass on Woman, für die sie mit einem Rasen verschmolz, sowie die ritualistische Performance Death of a Chicken, die auf eine Auseinandersetzung mit afro-kubanischen Relig. wie Santería, der synkretistischen Hauptreligion Kubas, verweist. Sie engagierte sich in der Folge zunehmend, durch den Einsatz des eig. Körpers und den Gebrauch von Haaren, Haut, Blut oder Federn für feministische Themen, etwa Gewalt gegen Frauen. 1971-80 reiste M. regelmäßig nach Mexiko. Da ihr die Einreise nach Kuba nicht möglich war, setzte sie sich auf diesem Weg mit ihrer eig. Gesch. sowie entsprechenden spirituellen Trad. auseinander. 1973 realisierte sie in der präkolumbischen Ausgrabungsstätte von Yagul, Oaxaca, Silueta, Imagen de Yagul, eine Aktion, für die sie sich mit Pflanzen bedeckt in einer Grabstätte fotografieren ließ. Im darauf folgenden Jahr entstand am selben Ort innerhalb der labyrinthischen Ruinen des Palasts die erste Silueta, die nur noch aus schematisierten Körperumrissen bestand. Für vergleichbare temporäre Arbeiten, dokumentiert durch Fotogr., Dias, Film oder Video, fanden Naturstoffe wie Erde, Sand, Steine, Wasser, Eis, aber auch rotes Pigment, Einsatz. Identität entsteht in diesen Arbeiten erst durch körperbezogene wie performative Rituale und Techniken. Diese Ersatzkörper, ihre Spuren und magischen Doppelgänger, sind Opfergaben, werden gemartert, begraben oder kehren zur vitalen Natur zurück; sie verweisen u.a. auf Märtyrer des Katholizismus, die disziplinierten Körper der Sklaven ehem. span. Kolonien sowie die gegenwärtigen Machtkonstellationen in Kuba und den USA. Neben meso-amer. Stätten besuchte M. 1975-83 regelmäßig die Lsch. Old Man's Creek in Iowa. Hier entstanden etwa die schwimmende Flower Person (1975), die Ser. Tree of Life (beg. 1976) sowie Fetish und die grabähnlichen Tumbas (beide 1977). Mithilfe ihres ehem. Prof. Julius Schmidt verwendete M. für weitere Siluetas zw. 1975-77 Schwarzpulver, Rauch und Feuer. 1976 reiste die Künstlerin mit Breder nach Europa und besuchte u.a. Jugoslawien, Belgien und Großbritannien. 1978 zog sie nach New York; hier präsentierte sie zentrale Performances wie La Noche Yemayá (1978) und Body Tracks (1982). Aufgrund der vermehrten Arbeit in Gal. wurden die Siluetas in den Innenraum verlegt. 1979 erhielt M. eine Einzel-Ausst. in der von Künstlerinnen geleiteten A.I.R. Gal., New York, und schloss sich dieser Institution an. Hier traf sie auf den Minimalisten und Konzeptkünstler Carl André. Von Jan. 1980 - kurz nachdem ihr Vater aus der Haft entlassen wurde und zur Zeit verstärkter Spannungen mit den USA - bis 1983 fanden diverse Reisen nach Kuba statt; 1981 ritzte M. Bilder prähispanischer Göttinnen in die Wände der San Ambrosio-Höhlen des Nationalparks Escaleras de Jaruco. In ihrer New Yorker Wohnung fertigte sie kleinere Arbeiten, etwa Zchngn oder sog. Amategrams, und brandmarkte versch. Objekte mit einem Eisen in Form eines Handabdrucks. 1983-85 kam es zu einem längeren Aufenthalt in Rom; M. bezog hier zum ersten Mal ein konventionelles Atelier und erstellte Skulpturen aus Sand, Erde und Bindemittel. 1985 entstand die Holzskulptur Totem Grove sowie gemeinsam mit André das Künstlerbuch Duetto Pietre Foglie. Im selben Jahr heiratete das Paar. Am 8. Sept. 1985 stürzte M. nach einem Streit unter ungeklärten Umständen aus dem Fenster von Andrés Apartment im 34. Stock von Nr 300 Mercer Str., New York. Ihre Kunst regt bis heute jüngere Künstlergenerationen zur Auseinandersetzung mit politischen Themen an.
Einzelausstellungen:
1977 Iowa City, Corroboree Gall. / New York: 1979 A.I.R. Gall.; 1987 New Mus. of Contemp. Art (K); 1992 Gal. Lelong (K); 2004 (K) / 1983 Havanna, MNBA (K) / 1996 Santiago de Compostela, Centro Galego de Arte Contemp. (K) / 2013 Rivoli, Castello di Rivoli (K); London Hayward Gall. (K) / 2018 Berlin, Martin-Gropius-Bau. -
Gruppenausstellungen:
New York: 1976 112 Greene Str.: Kirsten Bates, Bill Beirne, Dieter Froese, A. M., Virginia Piersol; 1982 Center for Inter-American Relations: Women of the Americas; 2018 New York, Brooklyn Mus.: Radical Women / 1996 Paris, Centre Pompidou: Féminin-Masculin / 2012 Havanna: Bien. / 2018 Berlin, Bienn. / 2023 London, Whitechapel Gall.: Action, Gesture, Performance: Feminism, the Body and Abstraction. / 2024 Antwerpen, Mus. für Fotogr. (FOMU): RE/SISTERS - A Lens on Gender an Ecology (K) / 2024-25 Essen, Mus. Folkwang: Grow It, Show It! (K).
Weitere Lexika:
DA XXI, 1996; J.Turner (Ed.), Enc. of Latin Amer. & Caribbean art, Lo. u.a. 2000; Delarge, 2001
Gedruckte Nachweise:
B.Clearwater (Ed.): A.M.: A Book of Works, Miami Beach 1993; A. M. (K Fund. Antoni Tàpies) Ba.1996; J.Blocker, Where Is A. M.? Durham/Lo. 1999; A. M.: Body Tracks (K KM) Luzern 2002; A. M.: Earth Body. Sculpture and Performance, 1972-1985, (K Whitney) N.Y. 2004; O.Viso, Unseen M. The Unpublished Works of A. M., M. u.a. 2008; C.Caron/C.Redfern, Who Is A. M.? N.Y. 2011; Une avant-garde féministe (K Les Rencontres de la Photographie, Arles), P. 2022; T.Schneider, Kunstforum Internat. 299:2024(Nov.-Dez.)238-240.
Onlinequellen:
Dict. universel des Créatrices, 2023