Frei zugänglich

Rossi, Aldo

Geboren
Mailand, 3. Mai 1931
Gestorben
Mailand, 4. September 1997
Land
Italien
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Rossi, Aldo
Berufe
Architekt*in; Designer*in; Architekturtheoretiker
Wirkungsorte
Mailand, New York, Ithaca, Den Haag, Arezzo, Venedig, Zürich, Cambridge/Mass., Tokio
Zur Karte
Von
Gesierich, Markus
Grandits, Doris
Zuletzt geändert
04.03.2024
Veröffentlicht in
AKL XCIX, 2018, 447

VITAZEILE

Rossi, Aldo, ital. Architekt, Designer, Architekturtheoretiker, *3.5.1931 Mailand, †4.9.1997 ebd.

LEBEN UND WIRKEN

1949-59 Archit.-Stud. am Polytechnikum in Mailand u.a. bei Ernesto Nathan Rogers; ab 1955-64 Mitarb. bei der Zs. Casabella-continuitá, nach dem Stud. als Chefredakteur, ab 1961 als Herausgeber; ab 1956 Mitarb. bei demm Architekten Ignazio Gardella (1905) und später bei Marco Zanuso (1916). Ab 1959 Mitarb. der Soc. und Mitgl. der Mailänder Redaktion von Il Contemporaneo. Ab 1963 ist R. Ass. von Ludovico Quaroni an der Scuola Urbanistica di Arezzo sowie von Carlo Aymonino an der Fakultät für Archit. in Venedig. 1965 Heirat mit der Schauspielerin Sonia Gessner. 1965-72 Doz. am Polytechnikum in Mailand; Zusammenarbeit mit Salvador Tarragó und einer Gruppe katalan. Architekten. Lehrtätigkeit: 1970 an das Polytechnikum in Mailand berufen; 1972-74 Gastdozent an der ETH Zürich, ab 1976 für weitere zwei Jahre Lehrbeauftragter; ab 1975 übernahm R. den Lehrstuhl für Archit. am Inst. Univ. di Archit. in Venedig; weitere Lehrtätigkeiten am Cooper Union in New York und an der Cornell Univ. in Ithaca; ab 1983 Dir. der Archit.-Abt. der Bienn. Venedig, Lehrtätigkeit in den USA, Prof. an der Harvard Univ., Cambridge/Mass. 1986 Bürogründung in New York mit Morris Adjmi, in Den Haag mit Umberto Barbieri; 1988 Bürogründung in Tokio mit Toyota Horiguchi. Ausz. und Mitgl.: ab 1979 Mitgl. der Accad. di S. Luca; seit 1988 Ehren-Mitgl. des Amer. Inst. of Architects; 1990 Pritzker Prize; 1991: Honor Award des Amer. Inst. of Architects; Stadtauszeichnung von Fukuoka; Thomas Jefferson Med. in Archit.; Campione d'Italia nel mondo; seit 1996 Ehren-Mitgl. der Amer. Acad. of Arts and Letters, New York; 1996 Kultursonderpreis für Archit. und Design; 1999 Preis Torre Guinigi, Lucca; Ehren-Mitgl. des BDA. Zu R.s engen Vertrauten zählen Rogers, Luca Meda, Tarragó, Aymonino, Paolo Portoghesi, Franco Stella, Adjmi, Alberto Alessi; R.s prominenteste Schüler sind Jacques Herzog und Pierre de Meuron. - R. entstammt einer während des Krieges um 1940 an den Comer See geflohenen mailändischen Fam. und besucht ebd. zunächst die Schule bei den Patres von Somasca, später folgt der Wechsel an das erzbischöfliche Kolleg Alessandro Volta in Lecco. Schon während seines Stud. am Polytechnikum in Mailand ab 1949 engagiert sich R. politisch und zählt zur Gruppe Neoliberty, einer Bewegung gegen den Internat. Style. R. graduiert 1959 bei Piero Portaluppi mit einer Abschlussarbeit über ein Kulturzentrum und ein Theater in Mailand. Schon 1955 bot ihm sein Prof. Rogers eine Stelle bei der Architekturzeitschrift Casabella Continuità an, zunächst schrieb R. redaktionelle Beiträge, 1959-54 arbeitet er als Chefredakteur; 1961-64 ist er Herausgeber. Bereits die frühen Entwürfe zeugen von R.s char. Architektursprache, die zunächst auf geometrische Grundformen reduziert ist und gleichermaßen den Einfluss des Rationalismus wie jenen des Novecento Italiano zeigen; zu seinen frühesten Projekten gehören der Entwurf für die Sanierung des Stadtviertels um die Via Farini in Mailand mit Gian Ugo Polesello und Franceso Tentori (1960); der Entwurf für das Peugeot-Hochhaus in Buenos Aires mit Vico Magistretti und Polesello (1961); das Resistenza-Denkmal in Cuneo mit Polesello und Meda (1962); die Gestaltung des Rathausplatzes und des Partisanen-Denkmals in Segrate (1965, teilw. realisiert) und dessen mon. Brunnen aus elementaren geometrischen Körpern, der an die zweiteilige Zugangsbrücke aus Eisen mit dreieckigem Querschnitt, im Zuge seiner Planungstätigkeiten für die Mailand-Trienn. 1964 in Zusammenarbeit mit Meda errichtet, erinnert. Sämtliche Entwurfsprinzipien in R.s Archit. sind in diesen ersten Entwürfen formuliert. Zu den frühen Entwürfen gehören u.a. ein Wettbewerbsprojekt zum Wiederaufbau des Paganini-Theaters und zur Umgestaltung der Piazza della Pilotta in Parma, zu dem R. 1964 eingeladen wird. R.s grundlegende Entwurfshaltung ist schon hier spürbar: "Beim Theater von Parma habe ich mir die Frage nach dem Monumentalcharakter gestellt. Archit. schien mir immer ein Monument zu sein, ohne Rücksicht auf die Funktionen, die sie in zweiter Linie zu erfüllen hat." Der 1966 gemeinsam mit Giorgio Grassi entwickelte Wettbewerbsentwurf für eine Wohnsiedlung im Viertel S.Rocco in Monza (Mailand) ist ein Komplex, der um einen zentralen Hof gruppiert wird, wodurch R. bautypologisch an Vorbilder der Antike wie der Moderne anknüpft. In ihrer Anlage lehnt sich der Entwurf eng an lokale Bautradition der großen Kreuzgänge der Kartäuserklöster bis zu den großen, begrünten Wohnsiedlungen der Moderne in Berlin oder Wien an. Die Idee des Bautypus, die Klarheit der Module aus stereometrischen Grundkörpern, das Spiel mit Licht und Schatten sowie die Rückbindung in die lokale Gesch. sind grundlegende Elemente in R.s Entwürfen und Zchngn. R. erreicht internat. Bekanntheit als praktizierender Architekt, Designer, Künstler und Autor archit. und städtebaulicher Theorien. Überlegungen zur Verknüpfung von Stadt und Archit., in denen er die Bedeutungen des Einzelobjektes als städtebauliches Phänomen betrachtet und den Stadtbegriff auf die Archit. ausweitet sowie die Beziehung von Standanalyse und Planung, hält er in L'Architettura della città (1966) fest, ein Schlüsselwerk seines theoretischen Schaffens. R. sieht Archit. als kulturelles und kollektives Instrument und analysiert die Entwicklung des Städtebaus im Umgang mit hist. gewachsenen Strukturen. Die urbanistische Auffassung des Funktionalismus, derzufolge die Form von der Funktion beeinflusst wird und somit nicht nur die Archit., sondern auch den Städtebau bestimmt, lehnt er entschieden ab. In dieser Zeit ist R. neben seinen Entwürfen auch zunehmend architekturtheoretisch tätig: 1967 verfasst er die erste ital. Übers. von Louis-Etienne Boullées "Archit. saggio sull'Arte" samt Einleitung sowie die Einleitung zur ital. Fassung von Quaronis "La Torre di Babele". 1969-73 wird der Entwurf eines vierstöckigen Wohnblocks im Viertel Gallaratese unter der Ltg von Aymonino in der Mailänder Siedlung Monte Amiata realisiert, bei dem R. eines der fünf Wohngebäude entwirft. Die aus Beton gefertigte, elfenbeinfarben verputzte Wohnhausanlage Gallaratese ist ein schmaler, an einer Stelle durchschnittener Gebäuderiegel, der in seiner Formensprache radikal auf wenige Elemente reduziert wird. Ebenerdig wird der gesamte Bau von einer Kolonnadenreihe abgeschlossen, die sich auf der einen Seite des Riegels sogar auf die Höhe von zwei Geschossen erstreckt. Die Kolonnaden bestehen aus 3 x 1 Meter tiefen, in regelmäßigen Abständen aneinandergereihten Mauerscheiben; nur an der Dehnungsfuge der Zeile, die mit einem Terrainsprung zusammenfällt, ist der Rhythmus durch vier massive Pfeiler von 1,80 Metern Durchmesser unterbrochen. Die Erschließung des Baus erfolgt durch Treppen, im Inneren durch helle Laubengänge. Die Wohnungen bestehen im Wesentlichen jeweils aus zwei Räumen mit Bad; jede Wohnung hat zur Hauptfassade hin eine oder zwei Loggien. 1969-70 projektiert R. die Rest. der De-Amicis-Schule in Broni b. Pavia, seine Erweiterung beinhaltet neue Klassenzimmer, einen Laubengang und das Treppenhaus. Wie in Gallaratese ist auch hier die für R. typische, reduzierte und auf Klarheit getrimmte Formensprache tonangebend: "In dieser Archit. haben das Licht und die Einfachheit der Konstruktion eine große Bedeutung." Durch den Materialeinsatz macht er hier alte und neue Teile des Baus sichtbar. 1970 gewinnt R. den Wettb. um den Lehrstuhl für Denkmalschutz in Palermo. 1971 wird R. wegen politisch-kultureller Aktivitäten zus. mit den Mitgl. des Direktoriums der Architekturfakultät in Mailand von der Lehre suspendiert; nach den Erfahrungen am Polytechnikum in Italien geht er mit Gianni Braghieri nach Griechenland und in die Türkei. Im gleichen Jahr gewinnt er den nat. Wettb. für den Friedhof von S. Cataldo in Modena (1971-84, ab 1980 erb.), bei dem er erstmals mit Braghieri zusammenarbeitet. Der neue Friedhof, eine Vergrößerung des 1876 voll. neoklassizistischen Friedhofs von Cesare Costa (1801), fügt sich an den bereits vorhandenen durch Erweiterung der Außenmauern an; Teile werden nach Originalzeichnungen restauriert. Der axial angelegte, mon. Komplex besteht aus stereometrischen Grundkörpern: geradlinige Säulengänge sowie ein überhöhter Kubus (enthält die Gedächtnisstätte für die Kriegsgefallenen und das Beinhaus) bzw. Konus (darunter befindet sich das Massengrab). Der Friedhof ist eines der Hw. R.s und macht ihn internat. berühmt. 1972 wird R. an die Eidgenössische TH in Zürich berufen. Er unterrichtete dort als Gastdozent bis 1974 und ab 1976 für weitere zwei Jahre als Lehrbeauftragter. Ab 1973 gelingt es R. sich v.a. auf nat. Ebene zu positionieren; oftmals gemeinsam mit Braghieri entstehen mehrere herausragende Arbeiten, wie etwa die Konzeption der Internat. Architekturabteilung der 15. Trienn. in Mailand (1973) gemeinsam mit Franco Raggi und der Wettbewerbsentwurf für den Sitz der Regionalverwaltung in Triest (1974). Für die Grundschule in Fagnano Olona b. Mailand (1972-76 erb.) entwickelt R. die Idee eine kleine Stadt zu bauen, die auf zwei Ebenen um einen zentralen Platz, einem aus Stufen gebildeten Theater, liegt; auch der an die Fabriken in der umliegenden Industrielandschaft angelehnte Schornstein aus Ziegelstein hat symbolischen Charakter. 1975, wieder im ital. Universitätswesen rehabilitiert, wird R. auf den Lehrstuhl für Entwerfen am Ist. Univ. di Archit. in Venedig berufen; 1976 wird R. Dir. des Internat. Seminars von Santiago de Compostella. Im gleichen Jahr beginnt seine Lehrtätigkeit in den USA. Zunächst an die Cornell Univ. von Ithaca berufen, geht er später an das Cooper Union, New York. Von da an hält R. regelmäßig Vorlesungen an renommierten amer. Univ.; 1978 folgt ein Studienseminar in Buenos Aires, danach eine Reise nach Brasilien sowie der Beginn der Zusammenarbeit mit dem Inst. for Archit. and Urban Studies in New York und mehrere Ausst. seiner Archit. in versch. Teilen der USA. Zus. mit R. Freno und Braghieri entwickelte R. 1978 den Entwurf für ein kleines wiss. Theater, einer Maschine für archit. Versuche, die in ihrer Benennung auf das wiss. Theater von Mantua, das anatomische Theater von Padua und and. kleine Theater Bezug nimmt. 1979-82 realisierte R. mit Braghieri eine Mittelschule in einem neuen Schulzentrum in der Gemeinde Broni. Klassenräume, Lehrerzimmer und Bibliothek der eingeschossigen Schule gruppieren sich um einen zentralen Garten, wo sich auch das Theater-Auditorium, der Raum für gemeinschaftliche Veranstaltungen, befindet. Der Bau ist eine Mischkonstruktion aus vorgefertigten Platten und Beton mit farbig verputzten Fassaden; das Dach besteht aus lackierten Blechplatten, die mit isolierendem und geräuschdämpfendem Mat. bestückt sind. Für die erste, von Paolo Portoghesi kuratierte Architekturbiennale 1979 und die Theaterbiennale 1979/80 in Venedig entwickelt er das Teatro del Mondo, einen kleinen schwimmenden Zentralbau, der sich aus stereometrischen Grundformen zusammensetzt: einem Kubus mit einem oktogonalen Turm. Für seinen Entwurf orientiert sich R. an den Vorbildern des Wassertheaters im venez. Karneval des 18. Jh, dessen mit Holz verkleidete Eisenrohrkonstruktion mit einem Floß verschweißt worden ist. Das 250 Personen fassende Theater wird nicht zuletzt durch seine ephemere und kulissenhafte Erscheinung zu einer Ikone mod. Architektur. 1980 beginnt R.s Zusammenarbeit mit der in Omegna ansässigen Fa. Alessi, für die er zahlr., archit. inspirierte Objekte entwirft, u.a. die Espressokanne La Conica (1984), den Wasserkessel Il Conico (1986) und die Espressomaschine La Cupola (1988). Als Designer auf dem Feld der Mikro-Archit. erweitert er sein künstlerisches Repert. im Bereich der Inneneinrichtung auf unzählige Möbel- und Alltagsgegenstände, wie z.B. die Kredenz Credenza (1983, für Longoni), der Marmortisch Rilievo (1985, für Up+UP) sowie das Stehpult Categgio (1987, für Molteni & Co). Die anfänglich von Strenge, Reduktion und Klarheit bestimmte Haltung in den frühen Entwürfen R.s lässt bis ca. E. der 1980er Jahre deutlich nach. R. wird nun stärker mit den Architekten der Postmoderne in Verbindung gebracht. Die für R. zu Beginn sehr wichtige theoretische Auseinandersetzung mit Archit. tritt aufgrund zahlr. Bauaufträge in den Hintergrund. M. der 1980er Jahre beteiligt sich R. mit Mauro Lena und Meda mit einem Entwurf für das Eingangstor an der 3. Archit.-Bienn. in Venedig (1985), der Organisation der Ausst. zu Hendrik Petrus Berlage in der Villa Farsetti für die Venedig-Bienn. (1986) sowie mit Massimo Scheurer und dem Teatro domestico für die 17. Trienn. (1986) erneut mit archit. Beiträgen an internat. Ausstellungen. Zugleich verwirklichte er in Parma mit Braghieri, Mauro Baracco, Paolo Digiuni und Scheurer das vorstädtische Einkaufszentrum Centro Torri (1985-88 erb.) im Stadtteil S. Leonardo, ein Projekt mit städtebaulichem Charakter. Das strategisch gut gelegene Einkaufszentrum besteht aus drei ebenerdigen Baukörpern, die durch eine soukartig anmutende Gal. miteinander verbunden sind und dessen Hauptachse von 10 Backsteintürmen gesäumt wird. Neben den 20-24 Meter hohen Türmen erhöht sich die Geschosszahl des Komplexes lediglich im Bereich des Haupteingangs an der Via S. Leonardo um eine weitere Etage. Parallel setzt R. zus. mit Claude Zuber und Bernhard Huet (1932) das Wohn- und Geschäftshaus am Parc de la Villette in Paris (1986-92) um. Im Entwurf werden städtebauliche Parameter der Umgebung aufgenommen: Das Gebäude wird nicht als Solitär, sondern als Quartier-Erweiterung betrachtet, weshalb sich die einzelnen Fassaden des Gebäudes in Ausformulierung und Materialität wesentlich voneinander unterscheiden. Internat. Anerkennung erhält R. für das Hotel Il Palazzo in Fukuoka (1987-89), welches er gemeinsam mit Adjmi, Horiguchi und Shigeru Uchida umsetzt und für welches er von der Stadt Fukuoka ausgezeichnet wird. Erneut operiert R. mit mon. überhöhtem Formenvokabular: Massive Säulen und grün gestrichene Gesimse gliedern die zur Piazza hin orientierte Schauseite einer reduzierten Interpretation klassischer ital. Architektur. Weiterhin beteiligt sich R. intensiv an internat. Wettbewerben. 1987 erzielt er den 1. Preis für La Villette in Paris, zugleich wird in einer internat. Kooperation der ital. und brit. Reg. in der City AG in York und im RIBA in London R.s Werk ausgestellt. Für den Entwurf eines Dt. Hist. Mus. in Berlin erhält R. 1988 gemeinsam mit Giovanni Da Pozzo, S. Fera, I. Invernizzi, D. Nava und Scheurer den 1. Preis (nicht ausgef.). Auf dem E. der Piazzetta Manzoni in Mailand errichtet R. mit S. Fera ein Denkmal in Form eines Kubus (1988-90). In dessen Rückwand ist der bronzene dreieckige Hohlkörper, aus dem Wasser fließt, ein bei R. wiederkehrendes Motiv, eingefügt. Der Kubus besteht aus dem gleichen rötlichen und grauen Candoglia-Marmor wie der Mailänder Dom. 1988 wird R. zur Teiln. am internat. Projekt Napoli Sotterranea eingeladen. Im gleichen Jahr wird er Leiter des Projekts zur Neugestaltung von Arealen der ital. Staatsbahnen in Triest und Udine. 1989 erhält R. den Auftrag für das Teatro de las Indias von der Junta de Andalucía in Sevilla. Zudem werden die Arbeiten im Bereich Industriedesign für Unifor und Alessi fortgesetzt. 1990-94 realisiert R. das Bonnefanten-Mus. am Vorstadtufer der Maas in Maastricht (mit Barbieri, Da Pozzo und Michael Kocher). Archit. entspricht das Mus. einem aus drei Bauteilen bestehenden Kammtypen; an die Verlängerung des markanten mittleren Riegels schließt ein separater, 28 Meter hoher, zylindrischer Grundkörper mit Zinkkuppel an. Neben diesem Turm stellt die Treppenstraße, die zu den Ausstellungsräumen führt, ein Charakteristikum des Mus. dar, welches durch die Bauweise und die Lage an der Maas an trad. holländische Seestädte erinnert. Die bis E. der 1980er Jahre realisierten Projekte sind noch klar R.s Konzept der Archit. Razionale verpflichtet. Großprojekte, die in den 1990ern errichtet werden, zeigen jedoch, allein schon aufgrund ihres Bauvolumens, einen Wandel auf. R.s spätere Bauten passten sich zunehmend dem vorherrschenden Stil an. Das UNY Shopping Center in Nagoya (1989-93), das Walt-Disney-Verwaltungsgebäude in Orlando (1991-96, u.a. mit Adjmi), der Entwurf für die Erweiterung des Flughafens Linate in Mailand, soll, so R., "das komplexe Erscheinungsbild einer Stadt widerspiegeln und somit den Typus der kleinen Flughafen-Stadt mit demjenigen der Stadt Mailand in Einklang bringen" (1991-93, u.a. mit Da Pozzo, Kocher und Meda); oder der Wohn- und Bürokomplex in der Berliner Schützenstraße, 1992-98, nehmen ganze städtische Blöcke ein und wirken wie Collagen aus reproduzierten Versatzstücken R.s bisheriger Architektur. Hier w zugleich R.s einsetzende Wandlung hin zu einem internationalistischen Strukturalismus und die Leistungsfähigkeit seiner aus Archetypen entwickelten Entwürfe offensichtlich. Seine Gebäude funktionieren konzeptionell als Hülle für die verschiedensten Nutzungen und sind, nun in einer lockeren Interpretation der urspr. "Analogien des Ortes" nicht mehr streng der Archit. Razionale untergeordnet, unabhängig vom Ort einsetzbar. Nach wie vor spielen jedoch das Konzept und die Vielschichtigkeit der Stadt zentrale Rollen in R.s Entwürfen. M. der 1990er Jahre entstehen außerdem der Technopark am Lago Maggiore in Fondo Toce (1993-97), das Feriendorf von Castellaneta Mare in Taranto (1993), ein Bürohochhaus in Mexiko Stadt (1994) sowie die Erweiterung des Messegeländes in Verona (1996-98). Zudem wird R. 1994 zu den Wettb. für die Neugestaltung des Souk (Beirut) und für den Bau eines neuen Kontrollturms in Stockholm eingeladen. R. stirbt am 4. Sept. 1997 in Mailand an den Folgen eines Verkehrsunfalles am Lago Maggiore. Das archit. Erbe wird von den zahlr. Mitarb. fortgesetzt. So geschehen im Wiederaufbau des am 29. Jan. 1996 abgebrannten Gran Teatro La Fenice in Venedig (1997-2004), der von R.s Büromitarbeitern zuende geführt wird und sich bes. durch die behutsamen, räumlichen und techn. Ergänzungen auszeichnet, die von einer umsichtigen Verwendung des originalen Planmaterials und einer Sensibilität für das gebaute Erbe und die Identität des Ortes zeugen. Ebenfalls postum wird 2001 der Bau des Scholastic Headquarters in New York City, wiederum mittels massiver, jeweils zwei Stockwerke überspannender Pfeiler bzw. verklammernder Gesimse gegliedert und von seinem langjährigen Kollegen Adjmi fertig gestellt. - Mit einem Œuvre, das Archit., Architekturzeichnung, Möbel- und Produktdesign sowie ein großes theoretisches Werk umfasst, ist R. einer der wichtigsten Architekten und Architekturtheoretiker des 20. Jahrhunderts. Unter seinen zahlr. Würdigungen erweist v.a. die Ausz. mit dem Pritzker-Preis (1990), die er als erster ital. Architekt bekommt, seine nat. wie internat. Bedeutung. In der Theorie seiner Archit. Razionale entwickelt er eine archit. und städtebauliche Position, die sich inhaltlich und formal klar von den Überzeugungen der Archit. der Moderne abhebt und stärker die hist., gewachsene Stadt in den Mittelpunkt rückt. Obwohl er darin der Postmoderne nahe steht, unterscheidet er sich v.a. durch seine stets an den Ort rückgebundenen Entwürfe, die in Mat., Form und Typologie lokale Bautraditionen mit neuen Ideen verbinden.

WERKE

Berlin: Quartier Schützenstraße, 1997. Fukuoka, Hotel Il Palazzo, 1989. mailand: Wohnblock Gallaratese, 1968-73.

SELBSTZEUGNISSE

L'Archit. della Cittá, Pd. 1966; Archit. Razionale (XV Trienn. di Milano. Sezione Internat. di Archit.), Mi. 1973; Scritti scelti sull'archit. e la città 1956-1972, Mi. 1975; La città analoga, 1976; Autobiografia scientifica (A Scientific Autobiogr.), C./Mass. 1981.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

1967 Triest, Centro Arte Viva / Zürich: 1973 ETH; 1983, '84 Gal. Jamileh Weber / 1973 Lausanne, EPUL / 1974 Stuttgart, TH (zus. mit Louis Kahn und John Hejduk) / 1976 Mailand, Gall. Solferino / New York: 1978 Inst. for Archit. and Urban Studies; 1989 Max Protetch Gall. / 1979 Toronto, Ballenford Books / 1983 London, Inst. of Contemp. Arts / 1985 Amsterdam, Gal. Van Rooy; Kopenhagen, Arkitektur Mus. (Wander-Ausst.) / 1986 Antwerpen, Cultureel Centrum de Singel (Wander-Ausst.); Turin, Gall. Albertina / 1987 York, City AG (Wander-Ausst.) / 1988 Los Angeles, Gall. for Archit.; Moskau, Archit.-Mus. / 1989 Toronto, Ballenford Books / Berlin: 1989 Gal. für Archit.; 1993 Berlinische Gal. (Wander-Ausst.); 2023 Tchoban Found. / 1990 Houston (Tex.), Rice Univ., Parish Gall.; Den Haag, Antiquariat Voltmans / 1991 Paris, Centre Pompidou; Venedig, Fond. Mairieri / 2003 Frankfurt am Main, Dt. Archit.-Mus. -

 

Gruppenausstellungen:

Mailand: 1960 Trienn.; 1972 Mus. Poldi-Pezzoli: Milano 70/70; 1976 Disegni per un'archit.; 1977 Gall. Solferino: Assenza/Presenza / 1963 L'Aquila: Aspetti dell'arte contemp. / 1975 Barcelona: Palau de la Virreina: Arquit. y Rationalismo. A.R. + 21 Arquitectos Españoles / 1976 Dortmund, Mus. am Ostwall: Dortmunder Archit.-Ausst. / 1976, '80 Venedig: Bienn. / New York: 1977 Leo Castelli Gall.: Architecture I; Cooper Union: Abraham, Eisenman, Hejduk, R.; 1980 Max Protech Gall.: A.R., Projects: Monuments of Venice / 1978 Florenz: Mostra Progetti per l'area direzionale di Firenze; Ravenna, Pin. Comunale: I nodi della rappresentazione; Rom: Roma interrotta / 1980 Cambridge (Mass.), Harvard Univ., Fogg AM: Autonomous Archit.: The Work of Eight Contemp. Architects / 1981 Berlin: Internat. Bau-Ausst. (IBA) / 1983 Modena, Palazzina dei Giardini: Opere recenti / 1989 Fukuoka, Artium AG: Frammenti; Frankfurt am Main, Dt. Archit. Mus: Tessiture Sarde; Coral Gables/Flor., Univ. of Miami: New School of Archit. Exhib. / 1990 Dallas/Tex., N. No. O Gall.: The Analogous Landscape / 1991 Chicago, Rhona Hoffman Gall.: A.R./Tim Rollins + K.O.S. / 2007 Wien, Hofmobiliendepot: Ital. Design 1945-2000.

 

QUELLEN

Weitere Lexika:

Kjellberg, 1994; M.Emanuel (Ed.), Contemp. architects, N.Y. u.a. 31994; DA XXVII, 1996; Dict. de l'archit. du XXe s., P. 1996; Dict. internat. des arts appliqués et du design, P. 1996; V.M. Lampugnani (Ed.), Hatje-Lex. der Archit. des 20. Jh., Ostfildern-Ruit 1998

 

Gedruckte Nachweise:

P.Arnell/T.Bickford, A.R. Buildings and Projects, N.Y. 1985; M.Adjmi (Ed.), A.R. Bauten und Projekte 1981-1991, Z./M. 1991 (Lit., WV, Ausst.); G.Braghieri, A.R., Z. u.a. 1993 (WV); A.Ferlenga (Ed.), A.R. Das Gesamtwerk, Köln 2001 (Lit., WV); A.Becker/I.Flagge (Ed.), A.R. Die Suche nach dem Glück - Frühe Zchngn und Entwürfe, M. 2003; A.Moravánsky/J.Hopfgärtner (Ed.), A.R. und die Schweiz. Archit. Wechselwirkungen, Z. 2011; C.Ruhl, Magisches Denken-Monumentale Form. A.R. und die Archit. des Bildes, Tb./B. 2013; W.Nerdinger, Archit. in Deutschland im 20.Jh., M. 2023

 

Archive:

Nachlass: Fond. A.R.; Studio di Archit., Viale Ungheria 24, 20138 Mailand, Italien.