LeWitt (Lewitt), Sol, US-amer. Konzeptkünstler, Grafiker, Zeichner, Bildhauer, *9.9.1928 Hartford/Conn., †8.4.2007 New York.
LeWitt, Sol
Kind jüdischer Emigranten aus Russland. 1949 Bachelor of FA, Syracuse Univ., N.Y., zunächst Malerei, später Wechsel zur Drucktechnik. Ein Stip. der Louis Comfort Tiffany Found. für Lith. ermöglichte eine Europareise. Zurück in den USA Einzug zum Koreakrieg 1951-52. Nach der Rückkehr 1953 Cartoonists and Illustrators School, New York, anschl. tätig u.a. für das Mag. Seventeen und das Archit.-Büro I.M. Pei & Associates. Die Anstellung am MMA 1960-65 (Information, Buchverkauf, Nachtportier) erwies sich als entscheidend für seine weitere Entwicklung. Er befreundete sich mit Kollegen, die wie er zentrale Figuren in der New Yorker Kunstwelt werden sollten, darunter Kritikerin Lucy Lippard und die Künstler Robert Mangold, Robert Ryman, Dan Flavin. 1960 zog L. in die Lower East Side und schloss sich einer Gruppe Künstler an, zu denen u.a. Dan Graham, Eva Hesse und Tom Doyle gehörten. Beeinflusst durch Eadweard Muybridges Fotogr. und Hans Rudolf Zellers Schrift "Mallarmé und das serielle Denken" (engl. Übersetzung 1964), begann er A. bis M. der 1960er Jahre mit seriellen Methoden zu experimentieren. Zunächst schuf L. Komp., welche die Struktur der Malerei als solche herausstellten, z.B. Run IV (1962): Das Wort "run" und die Figur eines laufenden Mannes (basierend auf einer Fotogr. von E.Muybridge) wurden wiederholt als eine Ser. von Farbflächen, die auf den Träger gemalt waren, aus ihm hervor- und in ihn zurücktraten. Das Wechselspiel von Sprache und Bild, Teil und Ganzem, Sichtbarem und weniger Sichtbarem oder gar Unsichtbarem sollten bed. Themen bleiben. Sie können als eine Ablehnung des Abstrakten Expressionismus und seiner Unterstützer verstanden werden, v.a. der Auslegung, dass die Fläche eines Gem. das optische Medium par excellence sei, und der Überinterpretation der psychischen Bedeutung des Pinselstrichs eines Künstlers. 1965 entwickelte L. Strukturen ("structures", L.s Bezeichnung für dreidimensionale Arbeiten) von modularen Kuben. Er beschränkte seine Komp. zunehmend auf ein einfaches, strukturelles Rahmenwerk unter der Benutzung von Rastern, einer Form, in der alle Teile gleich sind. Aus Gründen der Farbneutralität malte L. diese Werke ab E. 1965 weiß an. Zudem bezog er sich auf das Verhältnis von 8,5:1 zw. dem Holz (später Metall) und den Intervallen leeren Raumes: L. räumte ein, dass die Proportion willkürlich gewählt war, dennoch behielt er sie in vielen seiner modularen Strukturen bei. Jede Struktur war offen und erlaubte es, die ihr innewohnende Logik zu verstehen und ihre Beziehung zum Umfeld zu sehen. Die Matrix der Kuben erzeugte trotz der Einfachheit ihrer Komponenten die Erfahrung einer komplexen Wahrnehmung. Die Auffassung, dass der Akt des Sehens situationsbedingt und subjektiv ist - selbst wenn alle Informationen zum Verständnis des Werks gegeben sind - war ein zentraler Punkt in L.s Schaffen und zeigte sich erstmals explizit in Serial Project I, (ABCD) (1966). Die Struktur besteht aus vier Sets von neun Paaren offener und geschlossener Vierecke und Kuben in drei versch. Höhen, die in einem neunteiligen Gitter angeordnet sind. Begleitend veröffentlichte L. Serial Project #1, 1966 im Aspen Mag. (1967): Text, Diagramme und Fotogr. boten and. Möglichkeiten des Erschließens des strukturellen Systems an. Diese Themen weitete L. in dem Essay Paragraphs on Conceptual Art (Artforum 5:1967) aus, der seine Definition von Konzeptkunst aufzeigte und in dem er betonte, dass in der Konzeptkunst (ein Begriff, den L. der Bezeichnung Minimal Art vorzog) die Idee die Kunst sei und weniger das Objekt. L. folgte diesem Grundsatz, indem er vor der Produktion eines Werks Regeln aufstellte, die dazu dienten, methodisch Variationen erzeugen zu können. Dabei hielt er sich streng an die Pläne, die er dann in versch. Medien sondierte (Strukturen, Zchngn, Modelle). 1968 nutzte L. die Zchng, um die Bezüge zu seinen Strukturen aufzulösen, erstmals in Drawing Series, entwickelt für Seth Siegelaubs Xerox Book. Auf 25 Seiten entwarf L. ein System von Linien (vertikal, horizontal, links- und rechts-diagonal), von denen jede Linienart ihr eig. Feld in einem in vier Quadrate unterteilten Rechteck besitzt, welches wiederum ein Viertel eines größeren Quadrats bildet. Die Positionierung der Linien wechselt innerhalb des Rasters entsprechend einer vorgegebenen Sequenz. L. erweiterte die Ser. durch drei weitere Sequenzen und fügte eine Variation übereinanderliegender Linien hinzu, woraus 192 Kombinationen entstanden. Dieses war die Basis für seine erste Wand-Zchng (Drawing Series II 14 (A&B), schwarzer Bleistift, Okt. 1968, nach E. der Ausst. übermalt), die auf einer Wand in der Paula Cooper Gall. und zugunsten des Student Mobilization Committee to End the War in Vietnam entstand. Kurz darauf erschien Sentences on Conceptual Art (0-9 Jan.: 1969), in dem L. beschrieb, wie ein konzeptueller Schaffensprozess mit den Beziehungen zw. logisch und unlogisch, rational und irrational, Wahrnehmung und Sinnestäuschung sowie Konzept und Idee spielen kann. Weiterhin untersuchte L. aus einem regelbasierten System entstehende Variationsmöglichkeiten und verfeinerte das Konzept der Wandzeichnungen. Für Bleistift-Arbeiten schrieb er etwa den Gebrauch von hartem (6H) Grafit vor. Als L. 1969 Farbe in seine Wand- und Papierarbeiten einführte, beschränkte er sich auf Schwarz, Gelb, Rot und Blau, d.h. jene im Vierfarbdruck verwendeten Farben, und bezog sich damit auf Farbtheorie und Reproduktionsprozesse gleichermaßen. Bei der Ausf. seiner Wand-Zchngn nutzte L. in der Regel die Hilfe von technischen Zeichnern, eine Entscheidung zunächst praktischer Natur, die aber auch darauf verwies, dass die Hand des Künstlers allein nicht Zeichen von Autorschaft ist. Die Pläne für die Wand-Zchngn waren so formuliert, dass praktisch jeder ihnen folgen konnte. L. betonte dabei die Rolle der Interpretation seiner Anweisungen durch den Konstrukteur. Für jede Wand-Zchng entwarf L. ein Zertifikat, das als Sign. des Künstlers dienen sollte, und das Diagramm einer schematischen Darstellung. Zw. 1969-72 wuchs die Vielfalt der Formen und ihrer Beziehungen zur Archit.; z.B. führt Wall Drawing #46 (1970) mit vertikalen, ungeraden, sich nicht berührenden, die ganze Wand gleichmäßig bedeckenden Linien die ungerade Linie in L.s Werk ein, eine Hommage an die jüngst verstorbene enge Freundin E.Hesse. Es folgten Kombinationen von Bögen, Kreisen und Rastern; 1972 bearbeitete L. alle vier Wände eines Raumes in der KH Bern (Wall Drawing 146). L. schrieb zunehmend komplizierte Instruktionen und Pläne, die mit dem Verhältnis zwischen einfach und komplex spielten. Incomplete Open Cubes (1974) etwa thematisierte das Konzept eines Würfels in 122 Konfigurationen eines Kubus mit entfernten Seiten, die als Strukturen, isometrische und schematische Zchng wie Fotogr. gezeigt werden. 1976 war L. Mitbegr. von Printed Matter, einer non-profit-Organisation, die sich auf Künstlerbücher spezialisierte. L. selbst produzierte 68 Künstlerbücher, von denen viele gleiche oder ähnliche Ser. zeigen wie seine Strukturen, Wand-Zchngn, Zchngn oder Drucke. Doch bestehen z.B. Brick Wall (1977), Photogrids (1978) und Autobiography (1980) aus Ser.-Fotogr., die mit der gebauten Umwelt in Zusammenhang stehen. Bei seinen Europareisen der 1960er und 70er Jahre etablierte er Beziehungen zu Händlern, Sammlern, Künstlern und Kulturinstitutionen in Italien, Deutschland und den Niederlanden. L. zog 1980 nach Spoleto. Während dieser Zeit erschienen neue Formen, Medien und Techniken in seinem Werk, bes. unter dem Einfluss von Fresken Giottos oder des 15. Jahrhunderts. L. nutzte nun Farbbänder, Sterne und isometrische Figuren und setzte Tuschemalerei in seinen Wand-Zchngn ein, zunächst Schwarz und Grau, dann Primärfarben. Durch Anzahl und Abfolge der einzelnen Schichten erreichte er komplexere Tönungen, die Variationen wurden nun durch Farbsequenzen erreicht. Weiterhin fuhr L. mit seiner Untersuchung der Beziehung zw. Werk und Standort in Mat. wie Beton fort (erstmals Cube, 1984). Die vorgefertigten Blöcke sind ökonomisch, modulare Einheiten können von lokalen Händlern nach L.s Plänen aufgeschichtet werden, sowohl für Kuben und ihre Variationen als auch für and. geometrische Anordnungen. 1986 kehrte L. in die USA zurück, kurz darauf entwickelte er Continuous Forms und Complex Forms: Mit multiplen Oberflächen, unregelmäßigen Spitzen und Kanten untergraben die kristallinen Formen die reglementierten Vierecke und Raster, aus denen sie entstehen. In den 1990er Jahren wurde L.s Werk offener in der Form und wagemutiger in der Farbe. Unregelmäßige Formen, wirbelnde Linien und sich überlagernde Muster sind char. für späte Arbeiten, denen L. verschmitzte Titel gab wie Squiggly Brushstrokes oder Loopy Doopy und die nun in Guache, Acryl oder Fiberglas entstanden. Gegen E. seiner Karriere kehrte L. zu Grafit zurück: In Scribbles (2005-07), seiner letzten Ser., bezieht er Kritzeleien in seine Papierarbeiten ein wie schon in den 1970er Jahren, doch wird dies nun rigoros, gar mon. ausgef. mit Streifen heller und dunkler Töne abgestufter Dichte. - L. gilt als Schlüsselfigur der Minimal Art in den 1960er Jahren und war ein Wegbereiter der Konzeptkunst. Seine Kunst und Schriften erörtern die Beziehung zw. Autorschaft und Können wie auch den Status des Kunstwerks als Objekt. Mit Wiederholung, Variation und seriellen Systemen drückte er dies in seinem Werk aus. Sehen und Wissen, Blicken und Lesen, Verstehen und Handeln sind voneinander abhängig und in seinem Werk zuweilen sich widersprechende Operationen. L.s Nutzung der Wand und des Zertifikats sind bed. Entwicklungen in der Kunst des späten 20.Jh. in Bezug auf die Vergegenwärtigung des Verhältnisses des Kunstwerks zu Zeit und Ort.
I find it difficult to write a statement, in: Art in Process (K Finch Coll. Mus. of Art), New York 1966; Art Workers Coalition. Open Hearing, New York 1969; Doing Wall Drawings, Art Now 3:1971(2); Wall Drawings, Arts Mag. 44:1972(6)45; Comments on an Advertisement Published in Flash Art, April 1973, Flash Art: Juni:1973(41)2.
Einzelausstellungen:
New York: 1963 St. Mark's Church (mit Tony Candido, Harvey Becker); 1965 John Daniels Gall.; 1966 Park Place Gall. (mit Leo Valledor, Robert Smithson); 1966 Dwan Gall.; 1978 MMA (K); 2005 Metrop. Mus.; 2011 Public Art Fund, City Hall Park (K); / 1967 Los Angeles, Dwan Gall. / 1969 Krefeld, Mus. Haus Lange (K) / 1970, '92 Den Haag, Gemeente-Mus. (K) / 1984 Amsterdam, Sted. Mus. / 1984 Eindhoven, Van Abbe-Mus. / 1989 Bern, KH / 1990 Spoleto, Pal. Rosari-Spada (K) / 1993 Oxford, MMA (K) / 1998 Perugia, Rocca Paolina (K) / 2000 San Francisco, MMA (K) / 2001 Hartford (Conn.), Wadsworth Atheneum (K) / 2005 Pulheim, Synagoge Stommeln (K) / 2006 Beacon, Dia:Beacon / 2006 Madison (Wis.), MCA (K) / 2008 North Adams (Mass.), MCA (K) / 2012 Metz, Centre Pompidou-Metz (K) / 2012 Neapel, MAC Donna Regina (MADRE) / 2014 Austin (Tex.), Blanton Museum of Art (mit Eva Hesse; K) / 2014 Sydney, AG of New South Wales. -
Gruppenausstellungen:
New York: 1964 Kaymar Gall.: Eleven Artists; 1966 Finch College Mus. of Art: Art in Process (K); 1966 Jewish Mus.: Primary Structures (K); MMA: 1970 Information (K), 1976 Drawing Now (K), 2009 In & Out of Amsterdam (K) / 1968 Den Haag, Gemeente-Mus.: Minimal Art (K) / 1968, '72 Kassel: documenta (K) / 1969 Bern, KH: Live in Your Head. (K) / 1969 Seattle, AM: 557,087 (K) / 1969 Leverkusen, StM: Konzeption (K) / 1970 Turin, GAM: Conceptual Art, Arte Povera, Land Art (K) / 1988, 2007 Venedig: Bienn; 2013 Fond. Prada: When Attitudes Become Form (K) / 1989 Paris, MAMVP: L'Art conceptuel (K) / Los Angeles, MCA: 1995 1965-1975. Reconsidering the Object of Art (K), 2004 A Minimal Future (K).
Weitere Lexika:
ContempArtists, 1983; Opitz, 1984; EAPD, 1989; DA XIX, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; R.Kostelanetz, A dict. of the Avant-Gardes, N. Y. 22000; S.Baskind, Enc. of
Gedruckte Nachweise:
L.R. Lippard, Artforum 5:1967(8)42-46; B.Reise, Studio Internat. 178:1969, 222-225; J.N. Chandler (Ed.), S.L., D.H. 1970; A.Legg (Ed.), S.L., N.Y. 1978; R.E. Krauss, October 6:1978, 46-60; S.Singer (Ed.), S.L. Wall Drawings 1968-1984, Am. u.a. 1984 (WV); J.Lewison, S.L. Prints: 1970-1986, Lo. 1986; S.Singer (Ed.), S.L. Wall Drawings, 2 Bde, Bern 1989/1992 (WV); ead. (Ed.), S.L. Drawings 1958-1992, D.H. 1992; C.Iles (Ed.), S.L.: Structures 1962-1993, Ox. 1993; A.Zevi (Ed.), S.L.: Critical Texts, R. 1995; K.Bußmann u.a., Zeitgen. Skulpt. - Projekte in Münster 1997, Ostfildern-Ruit 1997; G.Ofrat, One hundred years of art in Israel, Boulder, Colo. 1998; G.Garrels (Ed.), S.L.: A Retr., S.F. u.a. 2000; N.Baume (Ed.), S.L.: Incomplete Open Cubes, Hartford, Conn. 2001; M.Brenson/S.Singer, S.L.: Concrete Block Structures, Mi. 2002 (WV); G.Stolz, S.L.: Fotografia, Ma. 2003; Printed matter (K), B. 2005; S.Buchmann, Denken gegen das Denken, B. 2007; U.Fleckner (Ed.), Kunst in der Stadt Hamburg, B. 2007; Fluxus, Happening, Konzeptkunst (K), Graz 2007; H.Dickel, Künstlerbücher mit Photogr. seit 1960, Ha. 2008; G.Harper/T.Moyer (Ed.), Landscapes for art. Contemp sculpt. parks, Hamilton, N.J. 2008; S.Röckelein, Identität und Weltbild, Taunusstein 2008; N.Baume (Ed.), S.L. Structures, 1965-2005, N.Y./New Haven 2011; A.Lovatt, Word and Image 28:2012, 374-383; C.W. Haxthausen (Ed.), S.L.: The Well-Tempered Grid, Williamstown 2012; A.Zevi, L'Italia nei wall drawings di S.L., Mi. 2012; B.Gross (Ed.), S.L., Metz 2012 (Interviews, Schriften, Ausst., Lit.); V.Roberts (Ed.), Converging Lines, New Haven 2014; J.Davis u.a., Kunst der Vereinigten Staaten 1750-2000, B. 2024
Onlinequellen:
sollewittprints.org (WV der Drucke 1947–2006)