Frei zugänglich

Lichtenstein, Roy

Geboren
New York, 27. Oktober 1923
Gestorben
New York, 29. September 1997
Land
Vereinigte Staaten
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Lichtenstein, Roy
Berufe
Maler*in; Grafiker*in; Bildhauer*in; Dekorateur*in; Zeichner*in; Designer*in; Schmuckgestalter*in; Filmemacher*in
Wirkungsorte
New York, Southampton (New York)
Zur Karte
Von
Häußler-Bastian, Harriet
Zuletzt geändert
30.04.2025
Veröffentlicht in
AKL LXXXIV, 2015, 379

VITAZEILE

Lichtenstein, Roy (Roy Fox), US-amer. Maler, Grafiker, Zeichner, Bildhauer, Designer, Schmuckdesigner, Filmregisseur, *27.10.1923 New York, †29.9.1997 ebd. Sohn einer Mittelstands-Fam., Vater Milton war Immobilienmakler, Mutter Beatrice Hausfrau. Aus seiner ersten Ehe mit Isabel Wilson 1949-65 stammen die beiden Söhne David Hoyt L. und Mitchell Wilson L. Seine zweite Ehefrau, 1968 bis zu seinem Tod, ist Dorothy Herzka. Sie lebt heute in Southampton/N.Y. und ist Präs. der R.L. Found., New York.

LEBEN UND WIRKEN

1940-46 Stud. der Bild. Künste an der Ohio State Univ., Columbus, unterbrochen vom Militärdienst 1943-45. Nach seinem Abschluss 1946 (Bachelor of FA) unterrichtet L. dort Design und Zeichnen. Ab 1947 weiterführendes Stud. der Bild. Künste und der Kunstgeschichte. 1950 Master of FA. 1951 Umzug nach Cleveland. Tätigkeit u.a. als Kunstlehrer, Designer und Dekorateur. 1957 Umzug nach Oswego/N.Y., Doz. an der State Univ. of New York. 1960 Umzug nach New Jersey, Doz. am Douglass College der Rutgers Univ. in New Brunswick. L. trifft Allan Kaprow, Claes Oldenburg, George Segal, George Brecht, George Maciunas. 1961 lernt er Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Jasper Johns kennen und beginnt die Zusammenarbeit mit Leo Castelli. 1963 Rückkehr nach New York. 1967 zum Regents Prof. an die Univ. of Calif., Irvine, berufen. 1969 erwirbt L. ein Haus in Southampton/N.Y., 1970 Umzug dorthin. 1977 Skowhegan Med. for Paint. und Doktortitel des Calif. Inst. of the Arts, Valencia/California. 1979 wird L. in die Amer. Acad. of Arts and Sc., New York, gewählt. 1980 Ehrendoktor des Southampton College. 1984 teilweiser Umzug zurück nach New York. 1988 richtet er sich in New York ein Atelier ein und pendelt zw. Southampton und Manhattan; Ehrendoktor der Ohio State Univ., Columbus. 1989 Artist in Residence an der Amer. Acad. in Rom. 1992 Ausz. mit dem Commandeur de L'Ordre des Arts et des Lettres, Paris. 1993 Ehrendoktor R. Coll. of Art, London; Amici de Barcelona; 1995 Nat. Med. of Arts, Washington sowie Kyoto Prize der Inamori Foundation. 1996 Ehrendoktor der George Washington Univ., Washington/D.C. - L. zählt zu den Hauptvertretern der US-amer. Pop-Art der zweiten H. des 20. Jahrhunderts. Seine Gem. M-Maybe (1965) oder Drowning Girl (1963) zählen zu den Ikonen der Pop-Art. Drei Charakteristika sind für seinen Stil prägend: die Verbindung von Kunst und Alltags- und Konsumgütern, die Einführung von Sprechblasen und Spruchbändern in die Bild. Kunst sowie die künstlerische Verwendung der sog. Benday Dots. Sein Stil ist untrennbar mit dem amer. Comic verbunden, er gilt als "der industrielle Stil des gedruckten Comics" (J.Hendrickson, 1988, 20). Der Beginn seiner künstlerischen Entwicklung liegt in den 1950er Jahren. Frühe Gem. wie The Assiniboins Attacking a Blackfoot Village (1951) zeigen, dass L. typisch amer. Motive - insbesondere aus dem 19. Jh. - aufnimmt. In diesem Bild kennzeichnet L. den Einfluss des schweiz.-frz. Malers Karl Bodmer durch den Schriftzug "study after Charles Bodmer". Neben K.Bodmer zählen Frederic Remington und Charles Willson Peale zu den Malern des Wilden Westens, deren Motive (Indianer, Kavallerie, weite Lsch.) L. in den 1950er Jahren in eine kubistische Malweise umsetzt. L. lässt sich in dieser Zeit auch von Pablo Picasso, Georges Braque und Paul Klee inspirieren und schafft Gem. wie The Cattle Rustler (1953) im expressionistisch-kubistischen Stil. Bereits 1956 entsteht mit Ten Dollar Bill ein Werk, mit dem sowohl in den Maßen (14 x 28,6 cm) als auch in der Technik (Lith.) eine unmittelbare physische Übertragung eines typisch amer. Gegenstandes aus dem Alltag in die Bild. Kunst stattfindet. Neben einigen abstrakten und expressionistischen Werken entstehen 1958 die ersten Zchngn zu den Disney-Figuren Donald Duck und Mickey Mouse, die in dieser Zeit bereits bek. Motive der US-amer. Alltagsmythologie sind. Aber erst 1961 findet L. in dem Großformat Look Mickey zu dem seinen weiteren künstlerischen Weg bestimmenden Malstil. Die Figuren sind stark in schwarz konturiert, die Farbgebung ist auf die drei Primärfarben vor weißem Hintergrund reduziert, und es tritt eine Rasterung auf der Fläche auf, wie sie bei industriellen Druckverfahren verwendet wird. Auch integriert L. erstmals die Sprechblase mit geschriebenem Text in das Bild, wie sie für Comics der Zeit typisch ist. Weitere Arbeiten aus diesem Jahr zählen heute zu Hw. der Pop-Art: The Kiss, Girl With Ball, Mr. Bellamy. Im selben Jahr beginnt L. auch, mit der von Ben[jamin] Day um 1878 entwickelten Punkte-Drucktechnik zu experimentieren, um den individuell erkennbaren Strich des Künstlers weiter zu minimieren. Der Drucker Ben Day hat Punkte so neben- und übereinander gedruckt, dass größere Flächen entstehen. Figurative Bildinhalte können dank dieser punktierten Rasterungen stark abstrahiert dargestellt werden. The Kiss ist noch in der von Hand ausgef. Frottage-Technik entstanden, während L. in Femme au Chapeau oder Eddie Diptych (beide 1962) mittels der Pochoir- oder Schablonentechnik eine deutlich regelmäßigere Struktur der Benday Dots erreicht. L. wird weiterhin seine Bilder - auch die darin enthaltenen Buchstaben - von Hand malen. Er erreicht jedoch durch die Verwendung der Benday Dots und durch die strenge Linienführung, dass seine Bilder mit ihren starken Kontrasten und in ihrem Ausdruck an kommerzielle Druckerzeugnisse erinnern. Zudem sind die kommerziellen Vorlagen häufig direkt erkennbar wie in Washing Machine (1961), Tire (1962) oder Xmas Ornament (1963). L. erklärt: "Die kommerzielle Kunst ist praktisch und direkt, sie hat eine starke und lebendige Wirkung" (J.Hendrickson, 1988, 15). Lebendigkeit und Dynamik sind grundsätzliche Charakteristika seiner Kunst. Aufgrund dieser Eigenschaften verwenden Kritiker für die neue Kunstrichtung die Begriffe "Neo-Dada" und "New Realism", bis 1963 auf einem Symposium im Mod. Mus. of Art, New York, der Terminus "Pop-Art" bevorzugt wird, der bis heute für diese Stilrichtung verwendet wird. L.s humorvoller Umgang mit diesem Begriff zeigt sich z.B. in seinem Gem. Pop (1965), in dem der Begriff im Bildzentrum zu explodieren scheint. Ab 1968 integriert L. neben den Benday Dots diagonale Schraffuren in seine Werke wie in Modular Painting with Nine Panels, um die Farbigkeit und Plastizität der Bildflächen weiter zu verstärken. L. bekennt sich mit seiner Malweise zu den verwendeten gedruckten Vorlagen wie Comics oder Anzeigen aus dem Branchenbuch. Seine Arbeiten aus den 1960er Jahren variieren häufig die großen menschlichen Themen wie Liebe, Verlust, Krieg. Grundsätzlich unterscheidet L. die Geschlechterrollen auf trad. Weise, wobei die Frauen zw. extremer Emotionalität und Rationalität hin- und hergerissen zu sein scheinen: Seine Frauenfiguren wirken von ihren Gefühlen überwältigt (Drowning Girl, 1963; The Melody haunts My Reverie, 1965) oder dienen als nahezu materialisiertes, verlängertes Instrument von Haushaltsgegenständen wie in Step-on Can with Leg (1961). Männer wiederum sind wie in Torpedo…los! oder Mad Scientist (beide 1963) von Gewalt und brutaler Energie geradezu besessen. Es entstehen zudem Werke, die reine Energie und Dynamik nicht nur in kriegerischen Zusammenhängen symbolisieren, sondern diese auch an sich repräsentieren: Takka Takka, Viip, Ziing (alle 1962), Whaam! und Varoom! (1963) oder Explosion und Sunrise (beide Ser. 1965) sind dafür prägnante Beispiele. Im selben Jahrzehnt beginnt sich L. - parallel zu den Werken, die von Comic und Werbung inspiriert sind - mit kunsthist. Grundfragen, Werten und bestimmten mythischen Figuren sowie Bildern aus der Kunstwelt auseinanderzusetzen. Das Gem. Art (1962) ist viell. das eindringlichste aus diesem Themenkomplex, da es in seiner Einfachheit und Direktheit deutlich zeigt, dass Kunst zu einer Ware geworden ist, die mit großen Lettern angekündigt und dementsprechend vermarktet werden kann. In seiner umfangreichen Ser. Modern Painting (1967) spielt L. mit einigen Grundformen und Farben, die immer wieder neu zusammengesetzt werden. Seine Ser. Brushstrokes, die seit 1965 entsteht, ist sicherlich die bekannteste aus dieser Zeit, da sie - wie von L. beabsichtigt - eine Art Erkennungszeichen für ihn geworden ist: "Ich entwickelte eine Form [] eine standardisierte Sache, [] einen Stempel oder ein Zeichen. Der Pinselstrich war besonders schwierig" (J. Hendrickson, 1988, 62). L. thematisiert in dieser Werk-R. auch das Prinzip der Serialität, wie es bereits im 19. Jh. - u.a. bei Claude Monet - auftritt. Zu einigen von C.Monets seriellen Werken schafft L. konsequenterweise auch Neuinterpretationen wie Haystack und Rouen Cathedral (1968/69). In den 1970er Jahren findet sich eine größere Themen- und Formenvielfalt in L.s Œuvre. Es entstehen zwei fest umrissene Ser., in denen der Künstler formale Fragen der Bildgestaltung stellt: Sowohl in der Werk-R. Mirrors als auch in Entablatures variiert L. einfache geometrische Grundmuster wie Punkte und Striche sowie Farben und deren Abstufungen teils nur minimal, um formale Konzepte der Wahrnehmung zu erproben. Die Objekte "Spiegel" und "Architekturfries" dienen ihm dazu, grundsätzliche formale Fragen des Kunstschaffens durchzuspielen. Mit Mirror No. 6 (1971) oder Oval Mirror (1978) entstehen nahezu monochrome Abstraktionen. Dass diese Verarbeitung humorvolle Züge aufweist und eine Auseinandersetzung mit der zeitgleich in der Kunst stattfindenden Farbfeldmalerei bedeutet, zeigt das Werk Unfurled (after Morris Louis) (1973). L. nennt - wie in den 1950er Jahren - im Titel seine Bildquelle - den bek. US-amer. Farbfeldmaler Morris Louis - sowie den scheinbar banalen Bildinhalt - das "entfaltete" Bild. Die Entablatures erscheinen in ihrer Plastizität dabei noch mehr als die Mirrors wie ein Versuch L.s, das Gem. selbst als Objekt erscheinen zu lassen. In dem überlebensgroßen Self-Portrait (1978) ersetzt L. den Kopf durch einen Spiegel, auf dem mittels abgestufter Benday Dots nur mehr Lichtreflexe und Schatten zu sehen sind. Das individuelle Gesicht des Künstlers wird hier zum abstrakten und scheinbar leeren Objekt. Die Formen seines Gesichtes sind damit vollkommen verschwunden. Der Auflösungsprozess, der bereits in den beiden Selbstportraits von 1976 zu sehen ist, in denen L. seinen Kopf in kubistisch-expressionistische Formen zerlegt, scheint damit seinen Höhepunkt gefunden zu haben. In den 1970er Jahren beschäftigt sich L. bes. mit Fragen nach dem künstlerischen Schaffen und Dasein als Bild. Künstler. Die Rezeption kunsthist. Vorbilder wird in dieser Periode für ihn essentiell. Neben bek. Assoziationen zu Gem. von Fernand Léger wie in Trompe-l'oeil with Léger Head and Paint-brush (1973), von Paul Cézanne, z.B. in Still-Life with Lemons (1975), und von Pablo Picasso wie in Female Figure on Beach (1977) im Vergleich zu P.Picassos "Baigneuse au bord de la mer" (1932) zeigen sich auch surrealistische Einflüsse wie in Woman with Flower (1978) als Auseinandersetzung mit René Magrittes "La Race Blanche" (1967) oder immer wieder die Referenz zu den Futuristen und deren Versuch der Darst. von Geschwindigkeit und Dynamik: L.s The Violin (1976) nimmt deutlich Bezug auf Giacomo Ballas "I Ritmi dell'Archetto" (La Mano del violinista) (1912) und L.s Horse and Rider (1976) auf Umberto Boccionis "Cavallo + cavaliere + casa" (1914). In den 1970er Jahren findet in diesen "kunsthist." Werken auch ein erster intensiver Rückbezug auf die eig. Arbeiten statt. Zitate z.B. aus Look Mickey (1961) lassen sich in versch. Werken nachweisen. Insbesondere in der Artist's Studio-Ser. setzt L. aktuelle mit älteren Werken und noch nicht voll. Arbeiten in einem imaginären Raum simultan nebeneinander. Diese "intellektuelle Spielwiese" (J.Hendrickson, 1988, 87) ermöglicht es L., Distanz zum eig. Œuvre zu schaffen. Seine Werke erscheinen dabei nicht mehr nur als künstlerische Gebilde im Raum, sondern werden zu objekthaften, Möbeln ähnelnden Gegenständen. So werden Entablature-Gem. zu scheinbar echten archit. Elementen im Raum wie in Artist's Studio - with Model (1974) oder ein großformatiges Mirror-Bild zu einer Art realer Wand wie in Artist's Studio, Look Mickey (1973). Rückbezug auf eig. Werke ist damit wie die Selbstporträts Ausdruck einer künstlerischen Selbstreflexion. Auch tritt in den 1970er Jahren kurz wieder die Sprechblase auf: In La, La, La (1977) "spricht" eine an Bilder P.Picassos erinnernde weibliche Figur am Meer. 1979/80 finden sich in den Werken L.s zudem wieder indianische Motive - eine Reminiszenz an seine frühen Arbeiten aus den 1950er Jahren. Jedoch werden wie in Pow Wow (1979) oder in der American Indian Theme-Ser. (1980) keine realen Reiter- oder Western-Szenen bzw. Lsch. gezeigt, sondern die indianischen Muster wirken wie Versatzstücke, die immer wieder neu kombiniert werden. L.s Technik der Assemblage aus der Artist's Studio-Ser. wird hier auf ein uramerikanisches Thema übertragen. So ist das Jahrzehnt der 1980er Jahre bei L. von einem freien Umgang mit älteren oder zeitgen. Werken gekennzeichnet. 1980 findet auch auf formaler Ebene ein Rückbezug auf sein Frühwerk, insbesondere auf seine Abstraction-Ser. (1959) statt: In Forest Scene werden einzelne Elemente eines Bildes nicht mehr mit präzisen, schwarz konturierten Strichen oder Punkten gemalt, sondern mit geradezu expressionistischen, den Pinselduktus deutlich erkennbar machenden Farbflächen. Dieses Bild mit seinem Bezug zu Franz Marcs "Pferde und Adler" (1912) ist auch eine Reminiszenz an den dt. Expressionismus. In den 1980er Jahren entstehen zahlr. Ser., die in Form und Inhalt von starken Gegensätzen geprägt sind. In den beiden figurativen Ser. Still Life (z.B. Still Life with Expressionist Painting, 1982) und Landscape (z.B. Landscape with Red Roof, 1985) dominieren kontrastreiche Primärfarben, die in gestisch-expressionistischer Manier aufgetragen sind, während in den beiden abstrakten Ser. Imperfect Paintings (1986-88) und Plus and Minus (1988) rein abstrakte Formen mit Benday Dots und diagonalen Schraffuren streng geometrisch angeordnet sind. In der Reflections-Ser. (1988), die bis 1993 fortgeführt wird, wird offensichtlich, dass die Abstände der selbstreflexiven Bezugspunkte immer kürzer werden: L. nimmt nicht nur eig. Werke aus seiner Frühzeit wieder auf und übermalt diese wie in Reflections: Whaaam! (1990) mit Bezug zu Whaaam! (1963), sondern Bilder, die nur wenige Jahre zuvor entstanden sind wie z. B. Reflections on Blonde (1989) mit Referenz zu Blonde (1986). In seinen letzten Lebensjahren bis 1997 schafft L. zwei weitere umfangreiche Werk-R.: die Ser. der Interiors seit 1991, die mit kurzer Unterbrechung bis zum Tod weitergeführt wird, und die R. der Nudes seit 1994, in der die weibliche Figur wieder wie in den 1960er Jahren eine hervorgehobene Rolle spielt. In Nude with Beach Ball (1995) wird dem Mädchen sogar der gleiche Ball als Attribut in die Hände gegeben wie in dem frühen ikonenhaften Bild Girl with Ball (1961). Auch in seiner Neuinterpretation der Brushstrokes (1996-97) und der Rezeption weiterer Werke von C.Monet in den Water Lilies (1991-93) wird deutlich, dass sich L. am E. seines Lebens mit ähnlichen künstlerischen Fragen beschäftigt wie zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn: "Das Thema meiner Arbeit betrifft eher unsere amerikanische Definition von Bildern und visueller Kommunikation" (J. Hendrickson, 1988, 29). - Bereits 1963 entsteht das erste große Wand-Gem. L.s: Es ist eine Auftragsarbeit von Philip Johnson für den New York State Pavilion der Expo 1964 in New York. Bis zu seinem Tod entstehen weltweit mehrere große Wand-Gem. und Außenskulpturen für den öff. Raum, u.a. in New York, Los Angeles, Düsseldorf, Tel Aviv, Barcelona und Singapur. L. ist damit unter den Künstlern der Pop-Art derjenige, der eine sehr große Breitenwirkung erzielt. Insbesondere in den mon. Werken der Spätzeit, wie z.B. Mural with Blue Brushstroke (1986) vor dem Equitable Tower, New York, oder das Times Square Mural (1994), U-Bahnhof ebd., werden für L. typische Formen - Ball, Explosion, Benday Dots, diagonale Schraffuren - wie Versatzstücke scheinbar beliebig nebeneinander gesetzt. L. ironisiert hier nicht nur die mon. Kunstgattung an sich, sondern auch sich selbst. - L. bleibt in erster Linie ein Maler, obwohl die Skulptur ihn seit den 1940er Jahren begleitet hat wie der frühe Head (1946) zeigt. 1955 entsteht eine erste kleine R. von Reliefskulpturen aus Holz, die wie vergrößerte dreidimensionale Abstraktionen aus seinen Bildern wirken. Erst das Jahr 1965 markiert eine Wende in seinem skulpturalen Œuvre, als mehrere bemalte Keramiken und Porzellanreliefs wie der Frauenkopf Blonde oder die R. der Explosions entstehen, die wie radikale, farbintensive Versionen der gleichnamigen Bilder erscheinen. 1967 entsteht eine kleine Ser. an Modern Sculptures, die reduzierte Abstraktionen seiner Gem. aus Aluminium und Marmor sind. Einen zweiten Wendepunkt erfährt L.s plastisches Œuvre 1976, als er mit dem Bemalen von Bronzeskulpturen beginnt: Die bek. Werk-R. Cup and Saucer, Mirror und Glass sind erneut in Formensprache und Farbvielfalt im Vergleich zu seinen Bildern reduziert. Sie sind jedoch eigenständige Werke, die v.a. aus der Spannung ihrer realen Dreidimensionalität im Verhältnis zu ihrer Erscheinung als Relief an Dynamik gewinnen. 1977/78 entstehen auch die kleinen Ser. Lamp und Goldfish Bowl, in denen L. Darst.-Möglichkeiten von Licht im skulpturalen Œuvre erprobt, analog zu seinen zweidimensionalen Werken wie in der Werk-R. Sunrise (1964-66) oder Mirror (insbesondere von 1970-72). In den 1980er Jahren entsteht L.s plastisches Werk parallel zu seinen Gem.: Expressionist und Surrealist Heads, Brushstrokes und Sleeping Muse führt er in beiden Gattungen aus, wobei die Skulptur durchweg kräftigere schwarze Konturierung, eine kleinere Farbauswahl und die für sein plastisches Œuvre typische Reduktion der Formen aufweist. Seine Skulpturen bilden weiterhin nur einen kleinen T. seines Gesamtwerkes. Hervorzuheben ist das Großformat Salute to Painting (1986), in dem seine Auseinandersetzung mit der dritten Dimension z.T. erklärt wird: Die Skulptur ist für L. eine alternative künstlerische Darstellungsform, die in seinem Sinne der Malerei dient. Die letzte skulpturale Ser. Houses (1997) zeigt, genauso wie die späten mon. Wand-Gem., L.s kontinuierliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen formalen Möglichkeiten in der dritten Dimension, wobei die Darst. von Licht und Schatten besondere Relevanz behält. - Für L.s graf. Werk bleibt festzuhalten, dass es ebenfalls einen kleineren T. seines Gesamtœuvres ausmacht, wenngleich er seit den 1960er Jahren wiederholt Sieb- und Holzdrucke sowie gedruckte Collagen geschaffen hat. Eine Eigenständigkeit erfährt die Grafik bes. in den 1990er Jahren, als L. in der Auseinandersetzung mit C.Monets Ser. "Wasserlilien" beginnt, Emaildrucke auf Stahl anzufertigen: Es entstehen die Water Lily-Werke auf Stahl mit bemaltem Aluminiumrahmen. Eine zweite späte graf. Ser. sind die Reliefdrucke auf Papier, die neben der Gem.-Ser. der Nudes 1994 geschaffen werden. - Zu erwähnen ist noch sein filmisches Werk, das 1969 entsteht, als er Filme über Seelandschaften dreht. Dieser Ausflug in das bewegte Bild bleibt jedoch einmalig. - Für sein Gesamtœuvre gilt, dass L. in seinem Umgang mit typisch amer. Bildern, Gegenständen des alltäglichen Lebens und bed. kunsthist. Werken ein zutiefst US-amer. Künstler bleibt, der die Kunstrichtung der Pop-Art zus. mit J.Johns und A.Warhol entscheidend mitbegründet hat. Ebenso wie für A.Warhol ist das Prinzip der Serialität und Wiederholung für ihn prägend. Besonders in seinen mon. zwei- und dreidimensionalen Werken der Spätzeit wird dieses Stilmittel zur Ironisierung des Bildinhaltes verwendet.

WERKE

Aachen, Ludwig Forum. Basel, Fond. Beyeler. Berlin, Slg Marx. Boston/Mass., MFA. Cambridge/Mass., Fogg AM. Chicago, Art Inst. Dallas/Tex., Nasher Sculpt. Center. Denver/Colo., AM. Fort Worth/Tex., MAM. Frankfurt am Main, MMK. Humlebæk, Louisiana. Köln, Mus. Ludwig. London, Tate. Los Angeles, MCA. Minneapolis/Minn., Univ. AM. Montréal, MAC. New York, Guggenheim. - Metrop. Mus. - MMA. - Whitney. Osaka, Maritime Mus. Philadelphia/Pa., Mus. of Art. Pittsburgh/Pa., Carnegie Mus. of Art. Rotterdam, BvB. San Francisco/Calif., MMA. St. Louis/Mo., AM. Stockholm, Mod. Mus. Tel Aviv, Mus. of Art. Trient, MART. Ulm, KH Weishaupt. Washington/D.C., Hirshhorn Mus. and Sculpt. Garden. - NG of Art. Wien, Albertina. - MUMOK. Zürich, KH.

SELBSTZEUGNISSE

Interview mit D.Sylvester in New York, 1996 (BBC3) und 1997 (s. lichtensteinfoundation.com).

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

Columbus (Ohio): 1946 Ohio State Univ. (zus. mit Joseph B. O'Sickey); 1955, '83 Ohio State Univ.; 1985 Mus. of Art (K; Wander-Ausst.) / New York: 1951 Carlebach Gall.; 1951, '57 John Heller Gall.; 1962, '71 Leo Castelli Gall.; 1969, '93 Guggenheim Mus. (beide K; Wander-Ausst.); 1976 School of Visual Arts; 1981 (K); 1987 MMA (Wander-Ausst.); 1988, '89, 2001, '08, '12 Gagosian Gall. (alle K außer 2012); 1989 Mary Boone Gall. (K); 2002 (Wander-Ausst.), '05 Mitchell-Innes & Nash (beide K); 2006 James Goodman Gall. (K); 2008 Morgan Libr. and Mus. (K); 2012 Whitney; 2014 FLAG Art Found. / Cleveland (Ohio): 1949 Ten-Thirty Gall. (zus. mit Harry Schulke, Charles Lakofsky); 1952 Art Colony Gall.; 1966 Mus. of Art; 1974 New Gall. of Contemp. Art / 1961 New Jersey (N.J.), Rutgers Univ. / Los Angeles (Calif.): 1963 Ferus Gall.; 1971 Irving Blum Gall. / Paris: 1963 Sonnabend Gall.; 1975 Centre Pompidou (K; Wander-Ausst.); 2007 Pin. de Paris / 1963 Turin, Gall. Il Punto Arte Mod. / 1967 Pasadena (Calif.), AM; Minneapolis (Minn.), Walker AC (K); Amsterdam, Sted. Mus. (K; Wander-Ausst.) / 1971, 2004 San Francisco (Calif.), John Berggruen Gall. / 1972 Houston (Tex.), CAMH (K) / 1973 Basel, Gal. Beyeler (K) / London: 1974 Mayor Gall.; 2005 Gagosian Gall. (K; Wander-Ausst.) / 1976, 2000 Seattle (Wash.), AM (beide K) / Miami (Fla.): 1976 Metrop. Mus.; 2001 MCA (K) / 1977 Mannheim, KV (K) / Köln: 1978 Gal. Der Spiegel; 1982 Josef-Haubrich-KH / Boston (Mass.): 1978 Inst. of Contemp. Art (K); 1997 MFA (K; Wander-Ausst.) / 1979 Cardiff, NM and Gall. of Wales (K) / Portland (Ore.): 1980 Center for the visual arts; 2005 AM (K) / 1981 Saint-Louis (Mo), AM (K; Wander-Ausst.) / 1987 Düsseldorf, Gal. Hans Mayer / 1988 Stockholm, Wetterling Gall. (K); Berlin, Amerika-Haus (K; Wander-Ausst.) / 1989 Zürich, Thomas Amman Fine Art (K) / 1991 Padua, MCiv. / 1992 Pully, MAC (K; Wander-Ausst.) / Washington (D.C.): 1994 NG of Art (K; Wander-Ausst.); 2003 Hirshhorn Mus. and Sculpt. Garden (K) / 1997 Cincinnati (Ohio), Contemp. AC (K; Wander-Ausst.) / 1998 Riehen, Fond. Beyeler (K); Mexiko-Stadt, Pal. de BA (K; Wander-Ausst.) / Chicago (Ill.): 1999 MCA (K); 2012-13 Art Inst. (K; Wander-Ausst.) / 1999 Rom, Chiostro del Bramante (K; Wander-Ausst.) / 2003 Humlebæk, Louisiana (K; Wander-Ausst.) / Wien: 2003 Kunstforum (K); 2011 Albertina (K) / 2004 Nagoya, City AM (K) / 2005 Bregenz, KH (K); São Paulo, Inst. Tomie Ohtake (K; Wander-Ausst.); Atlanta (Ga.), Trinity Gall.; Montclair (N.J.), AM (K; Wander-Ausst.); Cuenca, Mus. de Arte Abstracto Esp. (K; Wander-Ausst.) / 2006 Eugene (Ore.), Jordan Schnitzer Mus. of Art (K; Wander-Ausst.) / 2007 Coral Gables (Fla.), Fairchild Tropical Botanic Garden (K ) / 2008 Puerto Rico, Mus. de Arte de Ponce (K) / 2010 Mailand, Mus. Trienn. (K; Wander-Ausst.) / 2011 Malibu (Calif.), Frederick R. Weisman Mus. of Art. (K) / Venedig: 2012 Fond. Prada; 2013 Fond. Emilio e Annabianca Vedova (beide K) / 2013 Canberra (A.C.T.), NG of Australia / 2024 Wien, Albertina. -

 

Gruppenausstellungen:

Cleveland (Ohio): 1954 MoA: Cleveland Drawings / New York: 1949 Chin. Gal.; 1951 Brooklyn Mus.: Nat. Print Annual Exh.; 1952-53 Metrop. Mus.: Amer. Water Colors, Drawings and Prints (K); 1961 Leo Castelli Gall.: An Exhib. in Progress; 1962 Sidney Janis Gall.: The New Realists; 1963 Guggenheim: Six Painters and the Object (Wander-Ausst.); Whitney: 1972 Annual Exhib.; 1991 Bienn. (K); MMA: 1973 Mod. Prints 1947-72; 1978 Art About Art (K; Wander-Ausst.); 1990 High and Low; 2005 Contemp. Voices (K); 2008 Pipe, Glass, Bottle of Rub (K); 2011 Gagosian Gall.: The Priv. Coll. of Robert Rauschenberg (K) / 1962 Philadelphia (Pa.), Arts Council of the Young Men's and Young Women's Hebrew Assoc.: A New Vocabulary (Wander-Ausst.) / 1963 Houston (Tex.), Contemp. AM: Pop! (K); Buffalo (N.Y.), Albright-Knox AG: Mixed Media and Pop Art (K) / Washington (D.C.): 1963 Gall. of Mod. Art: The Popular Image (Wander-Ausst.); 2009 NG of Art: Jane and Robert Meyerhoff Coll. (K) / 1967 Montréal: Expo / 1968, '77 Kassel: documenta (beide K) / 1970 Osaka: Expo (K) / Los Angeles (Calif.): 1971 LACMA: Art and Technology; 1992 MCA: Hand-Painted Pop (K; Wander-Ausst.) / London: 1974 Tate: Picasso to L. (K); 1991 RA: Pop Art (K) / Paris: 1976 Louvre: Technique de la Peint. (K); 2001 Centre Pompidou: Les Années Pop (K) / Berlin: 1976 Neue NG: New York in Europa (K); Martin-Gropius-Bau: 1993 Amer. Art in the 20th C. (K; Wander-Ausst.); 2021-22 The Cool and the Cold. Malerei aus den USA und der UdSSR 1960-1990 (K) / Köln: 1981 Rheinhallen: Westkunst (K); 1992 Mus. Ludwig: Die Pop Art Show (K) / München, Haus der Kunst: 1981 Amer. Painting; 2016-17 Postwar - Kunst zw. Pazifik und Atlantik 1945-1965 (K). 1982 Hannover, KV: Spiegelbilder (K; Wander-Ausst.) / Venedig: 1966 (mit Helen Frankenthaler), '84, '86, '97 Bienn.; 1980 Pal. Grassi: Pop Art (alle K) / 1987 Madrid, CARS: Col. Sonnabend (K; Wander-Ausst.) / 1988 Seoul, Ho-Am Gall.: Contemp. Art from New York (K; Wander-Ausst.) / 1995 Rotterdam, KH: Pop Art (K) / 1999 Shanghai, AM: Peter und Irene Ludwig schenken China Kunstwerke (K; Wander-Ausst.) / 2002 Frankfurt am Main, Schirn: Shopping (K; Wander-Ausst.) / 2004 Bilbao, Mus. Guggenheim: Pop Art (K); Wien, Albertina: Pop Art & Minimalism (K) / 2007 Baden-Baden, Mus. Frieder Burda: Warhol, L., Rauschenberg, Twombly, Kiefer (K) / 2010 Düsseldorf: Quadrienn. (K) / 2012 Mailand: Trienn. (K).

 

QUELLEN

Weitere Lexika:

DA XIX, 1996

 

Gedruckte Nachweise:

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