Frei zugänglich

Penck, A. R.

Geboren
Dresden, 5. Oktober 1939
Gestorben
Zürich, 3. Mai 2017
Land
Deutschland, Irland
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Penck, A. R.; Winkler, Ralf (Eigentlicher Name); Hammer, Mike (Pseudonym); Mitchell, Tancred (Pseudonym); T. M. (Pseudonym)
Berufe
Maler*in; Grafiker*in; Bildhauer*in; Zeichner*in; Filmemacher*in; Lyriker; Musiker
Wirkungsorte
Köln, London, Düsseldorf, Dublin, Berlin, New York
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Mitglied von
Gruppenedserd, Lücke
Von
Mailbeck, Franziska
Zuletzt geändert
05.06.2024
Veröffentlicht in
AKL XCV, 2017, 35

VITAZEILE

Penck, A.R. (eigtl. Ralf Winkler; Pseud.: Mike Hammer, T.M., TM, Tancred Mitchell, Theodor Marx, α.Y., α.Y. [a.r. penck], Y), dt. Maler, Zeichner, Bildhauer, Lyriker, Musiker, Filmemacher, *5.10.1939 Dresden, †3.5.2017 Zürich.

LEBEN UND WIRKEN

P. wächst im Arbeiterviertel Naußlitz in Dresden auf. Nach dem Abschluss der Volksschule nimmt er 1953-54 an der Dresdner Volkshochschule Mal- und Zeichenunterricht bei Strawalde. Zw. den beiden entwickelt sich eine Freundschaft. P. setzt sich mit den Werken von Lucas Cranach, Giotto, Rembrandt, Paul Cézanne, Henri Matisse und Pablo Picasso auseinander. Er malt vornehmlich Stadtansichten und Lsch. sowie Porträts von Freunden und Nachbarn, die als Hschn. entstehen und bereits erste Verkäufe erzielen. Zus. mit Winfried Dierske, Peter Graf, Peter Herrmann, Peter Makolies und Strawalde gründet er die Dresdner Künstlergruppe Erste Phalanx Nedserd. Aufgrund von deren kompromissloser künstlerischer Arbeit bleibt den Mitgl. das Kunst-Stud. an einer Akad. verwehrt, weshalb P. autodidaktisch arbeitet. Er bricht die neunte Kl. der Mittelschule 1955 ab, um zu versuchen, Steinbildhauer zu werden. Nachdem dies scheitert, beginnt er eine Lehre als Zeichner bei der VEB DEWAG (Volkseigener Betrieb Dt. Werbeagentur), bricht diese aber 1956 ab. P. gewinnt den ersten Preis für Hschn. bei der Bezirks-Ausst. Wettb. der Lehrlinge und Berufsschüler des graph. Gewerbes. Die Ausst. wird auch in Berlin gezeigt; dort werden jedoch P.s Arbeiten aufgrund ihrer angeblichen "bürgerlichen Dekadenz" zurückgewiesen. Es folgen vier erfolglose Bewerbungen an der HBK Dresden und der HS für bild. und angew. Künste Ost-Berlin. P. lernt Georg Baselitz kennen. Im Wintersemester 1956/57 nimmt er am Abendkurs Aktzeichnen an der KA Dresden teil. Seinen Lebensunterhalt verdient er u.a. als Nachtwächter, Briefträger und Heizer. Im Herbst 1957 bezieht P. mit Makolies ein gemeinsames Atelier. Es folgen intensive Auseinandersetzungen mit Rembrandt und Picasso neben einer autodidaktischen Beschäftigung mit Musik. P. malt Ölbilder mit Lsch.-Darst., Selbstbildnissen und Porträts. 1961 ist er mit einem Selbstbildnis und einem Frauenbildnis auf der Jahres-Ausst. Junge Künstler. Malerei der AK der DDR beteiligt. Seine und weitere Arbeiten von Künstlerfreunden werden in zeitgen. Besprechungen und Rezensionen stark kritisiert und angegriffen. Ihnen wird "bürgerlicher Dilettantismus" vorgeworfen, mangelnde Begabung und zu wenig Skepsis. P. sagt dazu im Interview mit Grasskamp mit Bezug auf sein Selbstbildnis (1961, Öl, 61 x 44 cm): "Man hätte damals ja eher einen Staatsführer malen sollen, also einen Stalin oder Lenin, Anstoß war die Geste des Selbstbewußtseins..." (Interview Grasskamp, in: Ursprung und Vision, 1984, S. 153). Diese Arbeiten werden von der nachfolgenden Ausst. ausgeschlossen. E. des Jahres entsteht das erste Werk der Ser. Weltbild. P., der bisher eine figurativ expressive Malweise verfolgte, malt nun u.a. aus ökonomischen Gründen nur mit einer Farbe, während der Malgrund weiß bleibt. In Weltbild Nr. 1 (Öl/Masonit, Zürich, Kunsthaus) verwendet er erstmals vereinfachte graf. Symbole und Formen. Durch Reduktion gelangt P. zu einer abstrakten gestischen Malerei, ohne die Figuration aufzugeben. Bildthema sind die angespannten Beziehungen zw. Ost und West. Er verwendet hier erstmals Strichfiguren. Nachdem das gemeinsame Atelier mit Makolies im Jahr zuvor aufgelöst worden ist, bezieht P. 1964 eig. Räume. Es folgen mehrere Jahre intensiver Beschäftigung mit Signalen, Zeichen, Symbolen, Gebärden und Körperhaltungen (Ohne Titel [Gruppe], 1961, Öl/Lw., Gal. Michael Werner). Es entstehen die ersten Arbeiten der Systembilder. P. verdichtet seine subjektive Symbolsprache und hinterfragt den logischen Bildaufbau. Er versteht das Bild als System und das System als Bild. Im selben Jahr lernt er Wolf Biermann kennen. Über Baselitz kommt er 1965 in Kontakt mit dem Galeristen Michael Werner, der ihn fortan vertritt. P. arbeitet weiter an den Standart-Modellen und beendet die Ser. der Systembilder. Erstmals signiert er mit A.R. Penck; das Pseud. wählt er in Anlehnung an den Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck. 1968 findet die erste Einzel-Ausst. dt. avantgarde 3. a.r. penck, bilder in der Gal. Hake, Köln, statt. Die drei Jahre zuvor beantragte Kandidatur zur Vollmitgliedschaft im VBK (Verband Bild. Künstler) wird 1969 abgelehnt; die offizielle Anerkennung als Künstler bleibt ihm verwehrt. 1971 ist er Gründungs-Mitgl. der Künstlergruppe Lücke. Er beendet die Standart-Arbeiten (Standard und Art): großformatige Bilder mit monumentalisierten Strichfiguren (Standart, 1970-72, Frankfurt am Main, Schirn). P. sieht die Werke als Konzept-Arbeiten, entsprechend ist auf der einfachen Bildstruktur eine zentrale Strichfigur mit erhobenen Händen zu sehen. Wie z.B. bei Warenzeichen oder Verkehrsschildern dient die Reduktion des Figürlichen einer einfachen und allgemeinverständlichen Kommunikation. P. bezieht ein Atelier in Lindenau. 1973 verwendet P. erstmals die Pseud. Mike Hammer und T.M. und publiziert die Europäischen Sonette. Im Nov. wird er für ein halbes Jahr als Reservist in die Nat. Volksarmee (NVA) einberufen. Er erhält den Will-Grohmann-Preis der AK West-Berlin. Dies führt zu einer verstärkten Kontrolle durch die Staatssicherheit. Auf die Mike-Hammer-Ser. entstehen erste TM-Bilder; nachdem P. zuvor hauptsächlich in S/W-Werten gearbeitet hat, sind diese Serien deutlich expressiver und farbiger. Es folgen Filzplastiken sowie Übermalungen von Ztgn, Büchern, eig. Arbeiten und von Werken and. Künstler. 1975 wird ihm der Internat. Preis der Trienn. Grenchen verliehen. 1976 findet sein erstes öff. Jazzkonzert statt; die Malergruppe Lücke wird aufgelöst. P. bezieht in Dresden das ehem. Atelier von Eberhard Göschel. Nach der Ausbürgerung Biermanns wird P. vom Rat des Stadtbezirks vorgeladen und verwarnt. Ihm werden u.a. west-dt. und west-europ. Kontakte vorgeworfen. Er signiert seine Arbeiten fortan mit dem Pseud. Y. Zus. mit Jörg Immendorff gründet er in Ost-Berlin ein Künstlerkollektiv. Mit dem Ziel, über die innerdeutsche Grenze hinweg zu agieren, setzen sich P. und Immendorff für die Abschaffung der Grenze und für Dissidenten in der DDR ein. Er nimmt mit Bildern aus der TM-Ser. und Zchngn der Jahre 1965-66 an der documenta, Kassel, teil. In dieser Zeit fertigt er erste Holzplastiken. 1978 veröffentlicht P. seine erste Schallplatte Gostritzer 92. Es entstehen Siebdruckmappen und die Chamäleon-Ser.; die Arbeiten haben einen lockeren, expressiven und intensiv farbigen Stil. Am 3.8.1980 erfolgt die Ausbürgerung in die BRD, wo er zunächst in Lörsfeld/Kerpen lebt. Die Grafik-Ser. Ende im Osten entsteht, und er arbeitet unter dem Pseud. αY oder αY(a.r. penck). P. gehört zu den Leitfiguren der sog. Neuen Wilden (als Neoexpressionist 1980 in der Ausst. Les nouveaux Fauves - die neuen Wilden, Aachen, Neue Gal. Slg Ludwig vertreten). Er besucht Joseph Beuys mehrmals in seinem Atelier. 1981 erhält P. den Rembrandt-Preis der Goethe-Stiftung in Basel. Eine enge Freundschaft mit Markus Lüpertz und Per Kirkeby entsteht. 1982 erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit den Mat. Eisen und Bronze. In West-Berlin entstehen die großformatigen Werke DIS und CHI TONG. Nach einem Aufenthalt in Israel 1983 entsteht die Grafik-Mappe Reise ins gelobte Land. Es folgt der Umzug nach London; ein Jahr später erhält P. den Kunstpreis der Stadt Aachen. Er arbeitet vermehrt mit Bronze; Kleinplastiken entstehen. 1986 Reise nach Carrara, wo P. erstmals Marmor-Skulpturen herstellt. 1987 erhält er den Kunstpreis der Nordrhein-Westfälischen Kulturstiftung. Er kauft sich ein Haus in Westirland (Kilalla). 1988 Berufung zum Prof. an der KA Düsseldorf. Es folgen große Retr. in Berlin, Zürich, Den Haag und Hannover. Nach dem Fall der Mauer entsteht bis 1991 die Werkgruppe Menschen und Tiere nach der Öffnung. Er bezieht ein Atelier in Berlin. Die große, 9 m hohe, Bronzeskulptur Delphi heliothroph, in Form eines Dreifußes, wird 1993 am Sitz der Dt. Bank Luxemburg aufgestellt. Zwei Jahre später wird die 6,4 m hohe Bronzeskulptur Standart T (x), in Form eines mon. Strichmännchens, in Dresden enthüllt. 2003, nach seiner Emeritierung, zieht er nach Dublin. - P.s Arbeit zeichnet sich durch eine analytische und grundlegende Auseinandersetzung mit und Reflexion von Mathematik, Kybernetik und Informationstheorie aus. Analyse und Erkenntnis von menschlichem Verhalten, politischen Umständen, Gesch. und Wiss. münden in eine pointierte Arbeitsweise, die sich in den Werken durch eine reduzierte, schematische Bildsprache ausdrückt. Zugunsten der diagrammhaften Darst. von Situationen und Zusammenhängen wird der Bildraum aufgegeben. Sowohl die graf. Arbeiten, großformatigen Bildflächen als auch die Skulpturen bedienen sich eines Zeichenrepertoires aus Strichmännchen, prähistorischer Malerei, piktogrammhafter Höhlenmalerei, Runen, Hieroglyphen, Graffiti und ostasiatischer Kalligrafie (Standart-Ser.). Die Bronze- und Holzplastiken ermöglichen die Darst. dieses subjektiven Zeichensystems im Raum.

WERKE

Aachen, Ludwig Forum. Augsburg, KM Walter. Amsterdam, Sted. Mus. Baden-Baden, Mus. Frieder Burda. Basel, KM. Berlin, Neue NG. Bonn, KM. Den Haag, Gemeente-Mus. dresden, GG NM. Dublin, Hugh Lane Gall. Eindhoven, Van Abbe-Mus. Essen, Mus. Folkwang. Frankfurt am Main, Städel. Hamburg, KH. Hannover, Sprengel Mus.Humlebaek, Louisiana. Köln, Mus. Ludwig. London, Tate. Melbourne, NG of Victoria. Mönchengladbach, StM Abteiberg. München, PM. New York, Metrop. Mus. - MoMA. Nürnberg, Neues Mus. Paris, Centre Pompidou. Rotterdam, BvB. Stuttgart, SG. Vaduz, KM Liechtenstein. Wien, MMK. Zürich, Kunsthaus. - Migros Mus.

SELBSTZEUGNISSE

Kunstforum 86:1986, 242-246 (Gespräch).

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

Köln: 1970, '72, '77 (mit Immendorff), '80 Gal. Michael Werner / 1971 Krefeld, Mus. Haus Lange / 1975 (Retr.), '81 Bern, KH / 1975 Berlin-Ost, EP Gal. Jürgen Schweinebraden / 1972 Antwerpen, Wide White Space Gall. / 1975, '87 Eindhoven, Van Abbe-Mus. / Basel: 1975, '81 KM; 2015 Neue & Alte Kunst (K) / 1979, '91 Rotterdam, BvB / 1982 Bonn, KM / 1985 Mönchengladbach, StM Abteiberg / 1988 Zürich, Kunsthaus; Den Haag, Gemeente-Mus.; Hannover, Kestner-Ges. / Dresden: 1992 GG NM (K); 2008 StG / 1995 Mülheim an der Ruhr, StM in der alten Post / 1997-98 Tokio, Setagaya AM (Wander-Ausst.; K) / 1999-2000 Bremen, Gerhard-Marcks-Haus (Wander-Ausst.; K) / 2006 Seoul, NM of Contemp. Art / 2007, '16 Nürnberg, Neues Mus. / 2010 Rostock, KH / 2014, '15 New York, Michael Werner Gall. / 2024 München, Gal. Daniel Blau (mit Alfred Jensen)-

 

Gruppenausstellungen:

1972, '92 Kassel: documenta / 1978 Rotterdam, BvB: Concept/Conceptruimte (K) / 1979 Dresden, Leonhardi-Mus.: Dezennien II / Köln: 1979 Westkunst; 1988 DuMont KH: Made in Cologne / 1983 São Paulo: Bien. / 1984 Venedig: Bienn. (K) / 2016 Berlin, Martin-Gropius-Bau: Gegenstimmen (K) / 2016-17 München, Haus der Kunst: Postwar - Kunst zw. Pazifik und Atlantik 1945-1965 (K).

 

QUELLEN

Weitere Lexika:

ContempArtists, 1983; J. Schweinebraden Frhr. von Wichmann-Eichhorn, in: Künstler. Kritisches Lex. der Gegenwartskunst, Ausg. 9, M. 1990; DA XXIV, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; Delarge, 2001; D.Eisold, Lex. Künstler in der DDR, B. 2010

 

Gedruckte Nachweise:

A.R. P., Y - Zchngn bis 1975 (K Wander-Ausst.), Basel 1978; A.R. P. - Zchngn und Aqu. (K Mus. Morsbroich), Leverkusen 1980; A.R. P. - Gem., Hand-Zchngn (Retr.; K Josef-Haubrich-KH), Köln 1981; Ursprung und Vision (K Madrid), Berlin 1984; Raumbilder in Bronze (K KH), Bielefeld 1986; J.Gachnang (Ed.), A.R. P. - Zchngn 1958-85, Bern/B. 1986; A.R. P. (K Wander-Ausst.), M. 1988; A.R. P. (Kat. Magasin III), Sth. 1989; K.Gallwitz/S.Gohr, Delphi Heliothroph, Bern/B. 1993; A.R. P. - Standart ist hart (K KH), D. 1995; A.R. P. pint. y escultura (K Mus. Rufino Tamayo), Méx. 1996; Wilhelmi, 1996; A.R. P. - Erinnerung, Modell, Denkmal (K Wander-Ausst.), Heilbronn 1999; H.Offner/K.Schroeder (Ed.), Eingegrenzt - ausgegrenzt, B. 2000; H.Raum, Bild. Kunst in der DDR, B. 2000; L.Lang, Malerei und Graphik in Ostdeutschland, L. 2002; Poetry intermedia. Künstlerbücher nach 1960 (K Kunst-Bibl.), B. 2002; Kunst in der DDR (K), B. 2003; A.R. P. Menschen und Tiere nach der Öffnung (K Gal. Frank Hänel), Köln 2003; KölnSkulptur 4 (K Skulpt.-Park), Köln 2007; U.Fleckner (Ed.), Kunst in der Stadt Hamburg, B. 2007; A.R. P., Retr. (K Wander-Ausst.), Dd. 2007 (Retr.); Sein und Wesen - der unbek. A.R. P. (K Dresden), M. u.a. 2008; A.R. P. - Deutschland (K Weserburg), Bremen 2009; Welt und System (K Dresden), Nü. 2010; A.R. P. Filzarbeiten und Zchngn 1972-1995 (K Mus. Ludwig), Köln 2011; A.R. P. - eine Retr. (K Akad.-Gal.), Dd. 2013