Limburg (Limbourg), Gebrüder, niederl.-frz. Buch-, Miniaturmaler, Hermann (Herman; Hermant), *um 1385 Nimwegen (Nijmegen), †Sept. 1416; Paul (Pol), *um 1387 ebd., †Sept. 1416, und Jan (Jean; Johan), *1388 ebd., †vor 9.3.1416, alle drei wahrsch. in Bourges (Cher) durch die Pest; in Paris und Bourges tätig.
Limburg, Gebrüder
Nicht den älteren Hermann, sondern Paul heben die Quellen am Hof des Herzogs Jean de Berry hervor: "Pol et ses frères" waren so jung, dass sie oft Polleke oder Polequin, Johanneke oder Jehanequin gen. wurden. Der Großvater, Johannes de Lymbourgh, wohl aus dem belg. Limbourg-sur-Vesdre, ist ab 1366 in Nimwegen nachw.; dessen Sohn Arnold (†um 1395) arbeitete dort als Bildschnitzer für die Herzöge von Geldern. Er war verheiratet mit Mechteld Maelwael, der Schwester von drei in Geldern und Dijon tätigen Malern, darunter Jean Malouel (Jan Maelwael). Ihre Söhne Hermann und Jan, die sich ab 1398 in Paris aufhielten, brachen ihre Lehre bei dem Goldschmied Alebret de Bolure (Albrecht van Woluwe?) wegen der Pest ab und gerieten im Herbst 1399 in Brüsseler Geiselhaft. Während die Goldschmiede und Maler dort "aus Respekt für J.Maelwael" Lösegeld sammelten, löste Philipp der Kühne von Burgund die jungen Männer am 2. Mai 1400 mit 55 écus d'or aus. Da der vermeintliche Jan als "Jacquemin ou Gillequin" bez. wird und es heißt, die später wohlhabende Mutter habe als Witwe das Geld nicht aufbringen können, verneint Cazelles (Cazelles/Rathofer, 1984) die Identität mit den L. 1402 erhielten "Polequin et Jehannequin Manuel" von Philipp dem Kühnen einen Vertrag für eine Bibel. Nach Philipps Tod im April 1404 traten Paul und Jan in J.de Berrys Dienste, arbeiteten zunächst in dessen Hôtel de Nesles in Paris, dann im Schloß Bicêtre südlich der Hauptstadt, wo sie vor 1408/09 die Belles Heures ausmalten. Spätestens 1411 verfügten sie über ein Stadtpalais in Bourges. Gelegentlich, so z.B. 1415, hielten sie sich in Paris auf, wo J.de Berry residierte. Offenbar verwöhnte der Herzog die L. mit wertvollen Geschenken; sie verblüfften ihn ihrerseits mit einem täuschend echt wirkenden Holzbuch zu Neujahr 1411, das er als Buch inventarisieren ließ; das Diptychon der Van Eycks mit dem "grinsenden Johannes" (Paris, Louvre) steht in dieser Tradition. Die L. arbeiteten im Gegensatz zu and. Buchmalern ihrer Zeit fast ausschl. für die gen. fürstlichen Auftraggeber (bis 1404 für Burgund, danach für J.de Berry). Nimweger Quellen zufolge starben sie in J.de Berrys Todesjahr 1416, wohl wie er an der Pest. Ihr Hab und Gut befand sich in Bourges, wo ihr Bruder Lutger Kanoniker war. Der jüngste Bruder Arnold war Goldschmied und viell. auch Buchmaler (Meiss, 1974). - Seit Durrieu hält man "plusieurs cayers d'une tres Riches Heures qui faisoit Pol et ses freres" in J.de Berrys Nachlass-Inv. für Ms. 65 des Mus. Condé in Chantilly; dieses Dok. bildet die Grundlage für die Bestimmung des Werks der L. Weltberühmt wurden die sog. Très Riches Heures (im Folgenden TRH) aufgrund der nicht voll. ganzseitigen Kalenderbilder. Wie Bellosi (1975) zeigt, ist u.a. der Okt., in dem Meiss (1974) "Paul's New Vision" erkennt, erst um 1450 entstanden; das Bild wird heute fast einhellig Barthélemy d'Eyck und dem Umfeld von König René von Anjou zugeschr. (König, 1996). Den Nov. malte Jean Colombe um 1485 aus. Frühe Zuschr. an ital. Künstler (Waagen, 1839) treffen sich mit dem rezenten Ansatz von Colenbrander, der in den TRH und verwandten Hss. Italiener am Werk sieht. Die hist. L. erkennt er in einer geldrisch wirkenden Stilgruppe im Turin-Mailänder Stundenbuch (einem Teil von J.de Berrys Très Belles Heures de Notre-Dame, im Folgenden TBH). Für Durrieus Identifizierung spricht, dass die Quellen keine eng mit J.de Berry vertrauten ital. Buchmaler nennen. Während Colenbranders Brüder L. ältere Künstler zu sein scheinen, passt in den Buchmalereien, die seit Durrieu den L. zugeschr. werden, der Mangel an professioneller Vertrautheit, der von genialer künstlerischer Leistung und großer Fantasie ausgeglichen wird, zum Lebenslauf der noch sehr jungen L. Zudem stimmt die Kennzeichnung der bei J.de Berrys Tod ungebundenen TRH mit der in Chantilly erh. Hs. überein. - Das Œuvre der L. ist überschaubar: Es beginnt mit den ersten drei Lagen sowie Vor-Zchngn für die 4. Lage einer Bible moralisée (Paris, BN, fr. 166, im Folgenden Bm). In der Forsch. wird darin ein Auftrag Philipps des Kühnen von 1402 erkannt, doch die hohe Entlohnung spricht ebenso dagegen wie die lange Laufzeit des Vertrags, zumal weitere Pariser Künstler hinzugezogen wurden. Trotzdem wird das Ms. für Philipp bestimmt gewesen und wegen seines Todes 1404 unvoll. geblieben sein. Für J.de Berry gestalteten sie bis 1408/09 die Belles Heures (im Folgenden BH). Strittig ist die Dat. der zwei Min. im Pariser Bd der TBH (Paris, BN, NAL 3093) auf 1413 (Meiss, 1974). Trotz des erst nach den BH denkbaren Umgangs mit dem älteren Layout hält ein Tl der Lit. (seit Van Buren, 1996) diese Malereien für J.de Berrys ersten Auftrag an die L. Auch die TRH sind unvoll. geblieben; sie stammen aus den letzten Lebensjahren (viell. 1411-16). Zur Chronologie tragen drei Bilder zu einem nur in fünf Hss. enthaltenen Reise-Offizium bei, das den Schock der Ermordung Ludwigs von Orléans 1407 reflektiert: Text und Bild wurden an die BH und an die schon um 1375 beg. PH (Paris, BN, lat. 18014, im Folgenden PH) angefügt: Während J.de Berry in den BH nicht erkennbar ist, liefern die L. in den PH ein eindrucksvolles Porträt des greisen Herzogs, das bereits auf das Bildnis beim Gastmahl im Jan. der TRH vorausweist. Ein drittes Bild mit einer Hauptperson, die nicht die Züge des Herzogs trägt, bildet Bastard d'Estang (1834) ab; Physiognomie und Gest. stehen der oft behaupteten Zugehörigkeit der Buchseite zu den TBH entgegen. Die Frage nach der von Cazelles in Zweifel gezogenen Ausb. von Hermann und Jan bei einem Pariser Goldschmied ist von großer Bedeutung: Im Paris der Zeit um 1400 verkörperten Goldschmiedearbeiten das ästhetische Ideal, wie das zu Neujahr 1405 voll. Goldene Rössl in Altötting veranschaulicht (Kóvacs, 2004; Taburet, 2004). Die L. bildeten Goldschmiedearbeiten, wie bei der Kreuzesverehrung in den BH und den TRH, mit Sorgfalt ab. Manche Archit., bes. der Paradiesbrunnen in den TRH, wirken wie Entwürfe für Monstranzen. Im Umgang mit Gold und Silber zeigen die L. große Virtuosität: Während sich Gold in der Bm auf Randleisten und Nimben beschränkt, gehören die dichten Bordüren in den BH zum frühesten, ausschl. in Blattgold ausgef., Dornblatt-Dekor. Diese Entwicklung ist jedoch einem and. Illuminator zu verdanken, der auch für versch. Ateliers arbeitete (Farber, 1993). In den Bildern der BH verzichteten die L., anders als ihre Zeitgen., auf größere Partien mit punziertem Blattgold; sie verwendeten zwar auf Blattgold aufgebaute Karogründe, gingen aber zu farbigen Fonds, z.T. mit gemalter Goldranke, über. Danach ist in den TBH wie in den TRH ein atmosphärisches Himmelblau bestimmend. Im Hw. TRH in Chantilly wurde auf mit Blattgold gefülltes Dornblatt ebenso verzichtet wie auf Goldfolie in Bildern; doch schwelgten die L. nun in gemaltem Gold, das wie Pigment mit Bindemittel der Darst. diente, z.B. zur Zierde von Gebäuden oder Rüstungen sowie als künstliches Licht im Nachtbild. Erst in den TRH setzten sie Silber für Wasser und Wolken sowie für Rüstungen und metallene Gegenstände ein; dabei kam es nicht zur Oxidation des Metalls, was ihre Meisterschaft im Umgang mit dem Mat. bezeugt. Anders als ihre Zeitgen. gestalteten sie den Himmel nur im Februar in den TRH mit Silber. Metalle als Malmittel mit darstellerischem Wert traten in einen Konflikt zur Buchmaler-Trad., die die Verwendung von Gold auf Ornamente beschränkte. Die L. hingegen ersetzten die Dornblattbordüre zur Marienverkündigung der BH in einer späten Arbeitsphase durch die früheste vollfarbig gemalte Bordüre Frankreichs, in die sie Blattgoldflächen einschlossen. Während ihre Zeitgen. mit Doppelstäben aus Blattgold und farbiger Innenleiste unregelmäßige Malkanten verdeckten, reduzierten die L. ihre Ränder in den TRH auf goldene Leisten. - Den L. fehlten Grundkenntnisse als professionelle Buchmaler und in der Ikonogr.; Sie verstießen z.B. gegen Regeln der Leserichtung, so dass in zweiszenigen Bildern der BH die Zeitfolge umgekehrt ist. Während die Pariser Buchmalerei um neue Standards rang, standen die Bildmotive der L. isoliert da, wenngleich einzelne Motive bei Malern wie dem Rohan-Meister oder dem Meister der Marguerite d'Orléans um 1420/30 wiederkehrten. Diese Unbefangenheit verschaffte den L. zus. mit der Förderung durch J.de Berry zunehmende Freiheit. Während sie sich in ihrem bilderreichsten Werk, der Bm, ikonogr. und kompositionell an der 50 Jahre älteren Bibel Johanns des Guten (Paris, BN, fr. 167) orientieren mußten, entwickelten sie eigenwillige neue Konzepte für die eigentliche Hauptaufgabe, das Stundenbuch. In den frühen BH gingen sie in dieser Hinsicht anders vor als bei den unvoll. TRH: Zunächst hatten sie sich in vom Schreiber vorgesehenen und vom Randdekor eingegrenzten Bildfeldern einzurichten. Der erstaunliche Reichtum der schließlich mit 173 Bildern ausgestatteten BH (eines fehlt) ist Ergebnis mehrerer Etappen: Der Kernbestand folgte Pariser Standards; diesem wurden Texte wie das Passions-Offizium angefügt, und es wurde veranlasst, dass der Schreiber doppelt so viel Raum für Bilder freiließ. Gegen frz. Buchkultur, die Min. dem Incipit zuordnete, verstießen Buchseiten mit Bildfeldern im laufenden Text oder Bildern nach Textende. Außergewöhnlich sind weiterhin Bildfolgen, die vor zugehörige Standardtexte geschaltet und mit farbigen Zitaten aus der Legenda aurea beschriftet wurden. Bei der Inventarisierung 1413 wurde aus dem ersten dieser Zyklen, einer Katharinenvita, das Erkennungsmerkmal für das ganze Manuskript. In beiden Min. am E. des Pariser Teils der TBH revolutionierten die L., obwohl Schreiber und Bordürenmaler deren Buchseiten bereits gestaltet hatten, die Bildform von Haupt-Min. und Bas-de-Page. Was mit unorthodoxen Bildfeldern in den BH zaghaft begann, wurde in den TRH zur Freiheit für die Malerei, der sich der Text zunehmend unterordnete: Im Kalender wurden die Verso-Seiten ganz freigehalten; Beschriftungen konnten erst nach der Malerei vorgenommen werden und blieben teilw. aus. Ganzseitige Bilder - einige auf gegenüber gestellten Doppelseiten, wie sie in der frz. Buchmalerei bis dahin kaum zu finden waren - verdrängten Incipits auf folgenden Verso-Seiten. Bei der Ausmalung wurde in den TRH mit gewohnten Arbeitsabläufen gebrochen: Da ohnehin kein Konzept für Ornamentik bestand, begann man mit den Min., bevor der Randschmuck angelegt wurde. Das Dekor sowie die Initialen überließen die L. zahlr. Gehilfen (Stirnemann, 2005); zuweilen griffen sie auch selbst ein, so bei den Weinbergschnecken mit Akelei für die Speisung der Fünftausend. Während der Rang von Ornament und Blattgold in den BH die Herkunft der L. aus der Goldschmiedekunst verraten könnte, mag der Triumph der Malerei über das Ornament darauf hindeuten, dass die künstlerischen Wurzeln der L. nicht im Kunstgewerbe, sondern in J.Malouels Malerei lagen. Diese Sicht würde aber verkennen, dass Pariser Goldschmiede um 1400 mit ihren vollplastischen Emails große Lebensnähe in erstaunlicher Farbigkeit anstrebten. Von Buchmalern ihrer Zeit setzten sich die L. so entschieden ab, dass die Stilgenese im Dunkeln bleibt: Sie gehörten zur ersten Generation in Frankreich, die den Blick - der Art Jacquemart de Hesdins in den 1380er Jahren folgend - in schlicht mit Leisten gerahmte Bildfelder leitete. Neben dem Boucicaut-Meister, dem Mazarine-Meister und dem Bedford-Meister zählen sie zu den Pionieren eines neuen Kolorits, das die Ars nova der Van Eyck-Brüder vorbereitete. Farbe trugen sie - vermutlich individuell unterschieden (Lawson in Dückers/Roelofs, 2009) - mit sichtbar bleibender feiner Strichelung auf. Unabhängigkeit betonten sie schon bei der Bm, obwohl dabei eine Kopie nach fr. 167 verlangt war: Um 1350 brachte man biblische Szenen, weil sie als kostbarer galten, in Vierpässen unter, während die Kommentarbilder schlichte Rahmungen aufwiesen. Nun kehrten die L. die Verhältnisse um, da gotischer Zierrat altertümlicher wirkte, den Hauptbildern aber die modernere schlichte Form gebührte. Ältere Bildmuster wurden ersetzt durch neue, z.T. aus Italien entlehnte Formeln; so kam das erste aus Birgitta-Visionen gespeiste Weihnachtsbild nach Frankreich. Auch eig. Entwürfe, die die Lektüre von auf Frz. vorliegenden Texten verraten, verdrängten ältere Motive. Bei der Arbeit an den BH griffen die L. einerseits auf die niederl. begründete, aber nun burgundische Taf.-Malerei ihres Onkels J.Malouel in Dijon zurück, die durch großzügige Plastizität beeindruckt. Motivisch orientierten sie sich stärker an Italien. Als aktuellste Anleihe variierten sie in der erst spät ersetzten Bordüre zur Marienverkündigung schon vor 1408/09 die Gliederung und Blattmotive von der Porta della Mandorla des Doms von Florenz (Winkler, 1930). Zeitgen. frz. Kunst spielte beim Kolorit eine Rolle, übte sonst aber geringen Einfluss aus. Die Med. von Konstantin und Heraklius, die als fiktive spätgotische Antiken für J.de Berry geschaffen wurden, stehen den L. stilistisch so nahe, dass sie die Frage nach dem Verhältnis zur Metallkunst erneut aufwerfen. Der Heraklius auf dem Triumphwagen konnte für die Kreuzlegende in den BH ebenso wie für den Sonnenwagen im Kalender der TRH genutzt werden. In diesem späten Werk ist die ohnehin schwache niederl. Prägung kaum noch zu spüren. Florenz wirkte hingegen am deutlichsten bei der Darbringung im Tempel in den TRH; die Min. basiert auf Taddeo Gaddis "Tempelgang Mariä", den eine Zchng desselben (Paris, Louvre) ebenso dokumentiert wie ein Fresko in der Baroncelli-Kap. von S.Croce. Da der ital. Einfluss in den späten Min. zunimmt, kann er nicht auf frühe Reisen zurückgehen, deren Eindrücke zu diesem Zeitpunkt verblasst wären; ein dauerhafter Kontakt zur Kunst südlich der Alpen liegt nahe. Sensationelle Bildgedanken in den Très Riches Heures, so die Sauhatz im Dez., weisen Parallelen zu Giovannino de Grassis "Tacuinum" in Bergamo auf. Die Monatsbilder stehen in Verbindung zu den nur wenig früheren Fresken der Torre dell'Aquila in Trient, die eine weitgehend verlorene Gattung ital. Wandmalerei vertreten; Archit.-Porträts bekrönen auch dort Landschaften. Das eindrucksvollste Beispiel aus diesem Werk, Michael über dem Mont-Saint-Michel, eröffnete die Trad., den Drachenkampf im Himmel über dem vom Meer umflossenen Klosterberg zu zeigen. - Die Zusammenarbeit der drei Brüder befeuerte Versuche der Händescheidung. Meiss setzte sich mit seiner Künstler-Ästhetik nicht durch, die ihn die drei Namen einzelnen Händen zuordnen ließ. Infrarot-Reflektografien und Photomikrografien der BH ermunterten Margaret Lawson (in K New York 2008; Dückers/Roelofs, 2009; K Paris, 2012), drei versch. Hände als zeichnerisch, malerisch und elegant zu unterscheiden. Das Frontispiz der Bm mit Hieronymus im Gehäus löst Meiss (1974) aus dem Œuvre der L. und ordnet es dem jüngsten Bruder Arnold zu (mit Avrils Zustimmung, siehe K Paris, 2004), während Lorentz (ibid.) bei der Dat. 1402-04 bleibt. Um 1421 datiert Meiss die später von Pisanello variierte Zchng, weil er deren Stil zeitgleich im Psalter Heinrichs VI. (London, Brit. Libr., Cotton Domitian A.XVII) ausmacht. Doch ist der Psalter für den Dauphin Louis de Guyenne angelegt, dessen Bild man zum engl. König umarbeitete. Die vermeintlichen Min. des "Hieronymus-Meisters" wiederholen eine authentische Arbeit der in fr. 166 tätigen Hand, die zu einem sensationellen neuen Fund gehört und den urspr. Entwurf - Obsequien für einen frz. König - bietet. Nur als Zchng belassen, findet sich diese Darst. in einem Pariser Stundenbuch, das 2014 im Kunsthandel auftauchte und 30 Zchngn, vorwiegend im Stil der L., enthält. Die besten davon lassen den "Hieronymus-Meister" als einen der drei L. identifizieren (König, 2014); den Auftrag erhielt er zus. mit dem an den TRH beteiligten Meister des Breviers für Johann Ohnefurcht. Der Buchblock, dem das Reise-Offizium aus den Jahren nach 1407 angefügt ist, enthält wie die BH einige Doppelbilder und Vollbilder. Kühner konzipiert und dichter gestaltet sind Szenen, die in den BH vereinfacht wurden. Die Schwierigkeiten der L. bei der Bebilderung gängiger Stundenbuchtexte treten noch deutlicher zutage. Ital. Erfahrungen, darunter auch Anleihen beim Meister der Brüsseler Initialen, der um 1400 in Paris wirkte, wurden frisch verarbeitet. Während das Spitz-Stundenbuch (Los Angeles, J.Paul Getty Mus.; vgl. Clark, 2003) oder das Seilern-Stundenbuch (Priv.-Besitz) nur Bilder der BH variieren, wird im neu entdeckten Ms. kreativ auf erst später gültige Formeln hingearbeitet. Da Meiss übersah, dass u.a. Doppelblätter in der zweiten Lage der Bm (so fol. 9/16) von ders. Hand wie das Hieronymus-Werk stammen, erhält die Frühdatierung des Stils Gewicht; der Schöpfer war also ein L., viell. Lawsons "elegant hand". Zum Œuvre der L. kommt somit ein neues Werk hinzu, das wie die Bm beim Tod Philipps des Kühnen von Burgund 1404 unvoll. blieb und die künstlerische Fantasie der L. wie auch ihre Probleme mit Standards der Buchmalerei illustriert. - Mit der Eleganz ihrer Formgebung bildet die Kunst der L. den Höhepunkt des Weichen Stils in Frankreich; durch ihre internat. Vernetzung repräsentieren sie als Hofkünstler den Internationalen Stil um 1400. Den Eindruck, ihre Kunst sei ital. geprägt, erwecken J.de Berrys Profilporträts in PH und TRH oder auch die Aktfiguren des Zodiakmanns. Die Wagnisse aber, auf die sich die L. einließen, sind in Italien ebenso beispiellos wie im Norden: Dazu zählen sowohl die neu entdeckten Zchngn als auch die Kreuzigungsbilder mit Sonnenfinsternis, die schwarze Nacht bei der Gefangennahme in den TRH, die erschütternde Februarkälte und die selbst Gentile da Fabrianos "Pala Strozzi" (1423, Florenz, Uffizien) übertreffende Pracht der Hl. Drei Könige ebenda. In Bourges bildeten die L. Maler wie den Spitz-Meister und den Seilern-Meister aus; der Meister der Marguerite d'Orléans stand ebenso mit ihnen in Kontakt wie der Meister des Harvard Hannibal. Der Bedford-Meister wie auch der Dunois-Meister waren mit Komp. aus den TRH vertraut (Reynolds, 2005), wohl weil die Pariser Wkst. kurz nach J.de Berrys Tod die Arbeit vollenden sollte. B.d'Eyck lernte die Maltechnik der L. um 1450 bei der Arbeit am Kalender kennen; J.Colombe gewann Eindrücke bei der Fertigstellung der TRH um 1485. Nachdem Margarete von Österreich die TRH ihrem Hofmaler Gerard Horenbout und Simon Bening zugänglich gemacht hatte, wurden die Kalenderbilder aus der Zeit vor 1416 Vorbild u.a. für das "Breviarium Grimani" (Venedig, Bibl. Marciana).
Einzelausstellungen:
2005 Nijmegen, Mus. Het Valkhof (K; Lit.) / 2008-10 Los Angeles, J. Paul Getty Mus. (K; Wander-Ausst.) / 2012 Paris, Louvre. -
Gruppenausstellungen:
Paris: 1993-94 BN: Quand la peint. était dans les livres (K); 2004 Louvre: Paris 1400 (K).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB23, 1929 (im Art. Limburg, Paul "von"); DA XIX, 1998
Gedruckte Nachweise:
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