Bibiena (Bibbiena; Galli B.), Ferdinando, ital. Szenograph, Architekt, Dekorationsmaler, *18.8.1657 Bologna, †3.1.1743 ebd.
Bibiena, Ferdinando
Bekanntestes Mitgl. der Familie B., Vater von Alessandro, Antonio, Giovanni Maria (d.J.) und Giuseppe B. Neben zahlr. graph. Belegen und Libretti gibt es die Biogr. von Oretti (Bologna, Bibl. dell'Archiginnasio, z.T. publ.) und die zu B.s Lebzeiten entstandene seines Freundes Giovan Pietro Zanotti (in: Storia dell'Accad. Clementina) sowie eine Autobiographie, die der alte und fast blinde B. seiner Tochter Maria Esther diktierte. Zweiter Sohn von Giovanni Maria Galli B., als fast Achtjähriger Waise. Stud. in Bologna: Malerei bei Giovanni Maria Viani; Perspektivmalerei bei Gustafo Troili; Quadraturmalerei bei Mauro Aldrovandini und Giacomo Antonio Mannini. Mit Empfehlung von Carlo Cignani, der die Vaterrolle übernahm, trat B. in die Werkstatt von Ercole Rivani ein, der ein guter Theatermechaniker war. Nach glücklosem Aufenthalt 1670 in Rom kam B. nach Bologna zurück. Von dort aus ging er 1672 kurzzeitig nach Parma zu Andrea Seghizzi, der damals Hofarchitekt von Ranuccio II Farnese war. In diese Zeit in Bologna fallen Arbeiten als Szenograph und etwas später (1674/75) weitere zus. mit Mauro Aldovrandini bei dem mit triumphalen Erfolg aus Paris zurückgekehrten Giuseppe Torelli am Teatro della Fortuna in Fano. 1676 trat B. in Bologna in die Werkstatt des damals bek. Architekten Giovanni Giacomo Monti ein. Dieser betraute B. und den jüngeren Bruder Francesco B. mit den heute verlorenen Freskodekorationen in den Pal. Mirandola und Novellara. Ebenfalls nicht erh. sind die zeitgleichen Dekorationen der Casa Campori in Modena und die 1680-84 zus. mit Carlo Cignani gemalten Fresken des Refektoriums, der Kap. und des Theaters im Collegio dei Nobili in Parma. 1684 dekorierte B. das Innere der Pfarrk. Stagno und führte das erh. Hochaltarbild aus. In Parma ansässig geworden, trat er mit dem Tod von Seghizzi 1684 bei Ranuccio II das Amt des techn. Dir. des Teatro Farnese an. Lt. Dok. des Arch. Farnese bezog er ein festes Gehalt, als Maler mindestens ab 1687, ab 1697 als erster herzogl. Architekt. 1685 heiratete er in Parma Corona Stradella. Von den zahlr. in Parma geb. Kindern erreichten nur acht das Jugendalter: drei Mädchen und fünf Jungen, von denen vier dem Beruf des Vaters folgten. In Parma blieb B. 28 Jahre. Zu seinen wichtigsten zw. 1685 und 1687 ausgef. Werken gehören der Hauptaltar der Chiesa di S.Maria del Rosario in Cento sowie die Innendekorationen (zus. mit Sebastiano Ricci) des Oratorio S.Cristoforo in Piacenza und der Chiesa della Madonna del Serraglio in San Secondo di Parma, die denen von Hoftheatern ähneln. Zw. 1687 und 1690 entstanden die Fresken im Oratorio della Morte in Piacenza, die Zchng zum Buratti-Altar von S.Maria degli Alemanni, die Dekoration der Capp. di S.Antonio da Padova in S.Maria di Campagna zu Bologna, der Bau des Pal. Rangoni in Parma und 1695 das danach von Schülern realisierte Projekt zur Erweiterung des Pal. Ranuzzi in Bologna. Seine Berufung war jedoch die des Szenographen. 1687 wurde das renovierte Teatro Ducale in Piacenza mit Il Didio Giuliano von Lotti und Sabatini eingeweiht. Davon sind Stiche von zehn Szenen erh., die lt. Lotti zu den bekanntesten in Italien gehörten. Hierbei arbeitete B. nicht mehr mit einer zentralperspektiv. Front auf der Bühnenmitte, sondern experimentierte mit der Winkelperspektive, mit der er optisch den Raum nach zwei Seiten hin verlängerte (cf. Müller). Inzwischen hatte B. den jüngeren Bruder Francesco zu sich geholt, mit dem er lange zusammenarbeitete. Wenn auch dessen Name nicht auftaucht, erweiterten wahrsch. beide Brüder zus. 1686 die Bühnenrückseite des Theaters in Reggio Emilia mit hölzernen Arbeitskörben und dekorierten das Nuovo Teatro Ducale in Modena, wo beide 1691 nochmals tätig wurden. 1688 arbeiteten die Brüder als Szenographen im rest. Theater in Carpi, inszenierten in Piacenza und danach in Reggio Emilia Hierone tiranno di Siracusa von Sabatini, weihten mit dem Schauspiel Teseo in Atene von Zannettini das Nuovo Teatro Ducale in Parma ein und entwarfen die Residenz Colorno b. Parma (1699-1708 voll. von Giulio Mozzani). Darin einbezogen war ein kleines Hoftheater (zerst. 1887) mit einer herzogl. und 16 weiteren Logen, worauf lt. Pellegri eine Aqu.-Zchng der Bibl. Palatina in Parma zu beziehen ist. Anläßl. der Feiern 1690 zur Hochzeit des Odoardo Farnese mit Dorothea von der Pfalz-Neuburg arbeiteten die Brüder B. mit den Venezianern Mauro. Trotz der den B.zugewiesenen bescheideneren Rolle erzielten diese mit ihren Szenen den größeren Erfolg als die Mauro, die im trad. Geschmack arbeiteten. Außer einer Szene zu Il Favore degli Dei von Sabatini wurden den B. auch die Bühnenbilder zu L'età dell'oro von Lotti und Tosi übertragen, präsentiert in einem kleinen hölzernen Theater, das für diesen Anlaß am herzogl. Pal. von Stefano Lolli errichtet wurde. Die Bühne mit ihren bescheidenen Ausmaßen war scheinbar den Anforderungen des vorgesehenen Melodrams nicht gewachsen. Durch die Anwendung der Perspektive erzielten die B. jedoch die Illusion einer unerhörten Weite. Die B. behandelten "La Reggia di Giove" als eine Konstruktion, die aus einer dichten Wolkenschicht herausragte: es war ein riesiger Hof, dessen mit Karyatiden geschmückte Säulen allmählich ihre Körperhaftigkeit verloren, sich von der Bühne lösten und schließlich im Nebel verschwanden. Mit diesem Kunstgriff wurde die Illusion einer großen Tiefe erreicht. Den gleichen Kunstgriff verwendeten sie bei Delitiosa di Cibele, hier als ein eleganter Pal. in diagonaler Sicht mit der sich dahinter erstreckenden Stadt Parma entlang des Flusses. Im gleichen Theater wurde das Ballett L'idea di tutte le perfezioni aufgeführt, dessen "Inventori" lt. Libretto B. und Francesco B. waren. Das bezeugt die enge und gleichrangige Zusammenarbeit beider Brüder, bei der gewöhnlich B. den techn., Francesco B. den maler. Teil übernahm. Ihre Szenen bereiteten dem Publikum echte Überraschungen, so daß die Aufträge und Angebote immer zahlreicher wurden. Diesen nachzukommen, ohne aus dem Hofdienst auszuscheiden, war nur möglich, indem sie eine große Zahl von Gehilfen beschäftigten. Nach ihrer Zusammenarbeit am neuen Teatro Ducale in Piacenza (Circe abbandonata da Ulisse von Sabatini, 1692) ging Francesco B. in Begleitung einiger Schülern für ca. drei Jahre nach Rom. Unterdessen arbeitete B. als Szenograph in Carpi (1688), in Lodi (1692), am Teatro S.Salvador in Venedig (La finta pazzia di Ulisse von Ziani) und am Teatro S.Agostino in Genua. 1693-97 war er in Piacenza und freskierte zus. mit Giovanni Battista Draghi den Saal im Pal. Trettenero. In dieser Zeit nahmen die Brüder ihre Zusammenarbeit wieder auf: 1696 unterzeichneten sie den Kontrakt zur Freskierung der Burg Soragna, wo sie auch ein Theater (1697; nicht erh.) errichteten, und renovierten den Saal der Komödie in Reggio, 1696 eingeweiht mit den Aufsehen erregenden Szenen zu L'Almansorre in Alimena von Pollarolo (Fantuzzi/Curti, Cronachetta, Ms., Reggio Emilia, Bibl. Panizzi, Racc. drammatica Curti 7). In Bologna erweiterten sie das Theater und den Fundus des Teatro Malvezzi, eingeweiht 1697 mit Il Perseo von Martelli. 1697 ist B. in Parma zus. mit Stefano Lolli am Teatro Ducale (Il Ruggiero von Tamagni) und am Teatro Capranica (L'Eusonia; L'Aiace) in Rom nachweisbar, wo er 1700 Ehren-Mitgl. der Accad. di S.Luca wurde. 1698 dekorierte er in Parma zus. mit Ilario Spolverini die Sommerresidenz der Herzogin mit nicht erh. Malereien. 1696 und 1698 waren die Brüder in Reggio, 1698 und 1700 in Genua. Beide wurden auch nach Turin geholt, wo es Notizen (1694, 1698/99) zu später von Pietro Giovanni Abbati ausgef. Bühnenbilder von B. gibt. Nachdem sie in Bologna im Sommer 1699 am Teatro Malvezzi zwei Opern von Albergati Capacelli (Le due Auguste; Gli amici) inszeniert hatten, trennten sich die Brüder erneut. B. ging auf Einladung des Vizekönigs, Herzog von Medinaceli, nach Neapel zwecks Renovierung des Teatro S.Bartolomeo. Dort arbeitete er u.a. die Bühne so um, daß sie die für seine neuartigen Bühnenbilder erforderl. Maschinerien aufnehmen konnte. Seine Arbeit hatte jedoch wenig Erfolg beim Publikum. Allg. Beifall fanden dagegen die Szenen zu Gli inganni felici von Polarolo, zu Il Cesare in Alessandria von Aldrovandini und L'Eraclea von A.Scarlatti, 1699 zunächst im kleinen Theater des kgl. Pal. vor einem geladenen Kreis aufgeführt, 1700 im Teatro S.Bartolomeo vor zahlendem Publikum. Die Arbeiten in der Residenz Colorno, die den Aufenthalt B.s in Neapel zunächst vorübergehend unterbrachen, führten schließlich zu seinem Weggang aus Neapel, wohin 1702 Francesco B. zur Organisation der Festlichkeiten beim Besuch Philipps V. von Spanien berufen wurde. Inzwischen rest. B. 1700 in Genua das Teatro S.Agostino und arbeitete 1701 zus. mit Francesco B. am Theater zu Pratolino für den Herzog von Florenz. Danach ist er als Szenograph 1702-08 in Mailand und 1703 in Casal Monferrato nachgewiesen. Außerdem war er in Mantua (1696, 1701-06), wo er mit Francesco B. zehn Szenen zu L'oracolo in Sogno malte und 1706 mit der Errichtung des neuen herzogl. Theaters beauftragt wurde. Das durch den Tod des Herzogs nicht ausgef. Projekt nahm später B.s Schüler Andrea Galluzzi wieder auf und voll. 1732 den Bau (1781 durch Brand zerst.). 1707 inszenierte B. in Mailand mit La Svanvita das letzte Schauspiel am Teatro Regio Ducale, ehe es im Jan. 1708 abbrannte. Danach wurde ein kleines Theater am Bischofssitz benutzt, das B. umbaute und noch 1708 mit Enghelberta einweihte. 1708 erhielt er von Francesco Farnese, dessen Architekt er immer noch war, die Erlaubnis, zu Erzherzog Karl von Habsburg nach Barcelona zu gehen, um dort die Ausstattung der Hochzeit des Fürsten mit Maria Christina von Braunschweig-Wolfenbüttel vorzunehmen. Anschließend blieb er dort im Dienst des Habsburgers. Er war zus. mit seinem Sohn Giuseppe B. für zahlr. Hoffeste verantwortlich, wofür u.a. eine schwimmende Bühne in der Residenz Lonja entstand. Auf den span. Aufenthalt B.s beziehen sich eine Reihe von Zchngn in der Graph. Slg München. Mit der Wahl des Karl von Habsburg zum Kaiser gelangte B. 1712 in dessen Gefolge als Verantwortlicher für Bühnenapparate nach Wien. Zum ersten Theaterarchitekten, Fest- und Theatermaler ernannt, wurde er hier ansässig zus. mit den Söhnen Alessandro, Giovanni Maria und Giuseppe, der in jenen Jahren häufig die väterl. Arbeiten unterstützte, und wahrsch. auch mit Antonio B. In Zusammenarbeit mit Giuseppe B. organisierte er 1716 die Festlichkeiten zur Geburt von Erzherzog Leopold. Auf einer schwimmenden Bühne auf dem Teich von Schloß Favorita wurden Theaterfeste Angelica vincitrice di Alcina inszeniert. Vom Kaiser geachtet und familiär behandelt, hätte B. lange in Wien bleiben können, wäre er nicht an einer Augenkrankheit (grauer Star?) fast erblindet. 1717 ließ er in Wien Giuseppe B. als Vertretung im Amt zurück und ließ sich in Bologna operieren, ohne jedoch danach richtig sehen zu können. So mußte er seine Tätigkeit zunehmend einstellen, behielt lediglich das Lehramt an der Accad. Clementina, deren Principe bzw. Viceprincipe er von 1718 bis zu seinem Tod fast ohne Unterbrechung war. Das wahrsch. letzte Dok. vom 29.10.1742 in den Akten der Accad. Clementina protokolliert die Zusammenkunft der Akademiker im Haus des alten B., "der im hohen Alter und indisponiert war, das Haus zu verlassen" (Bologna, Bibl. dell'ABA, carta 108). In die letzten Jahrzehnte gehören die Innendekorationen für S.Antonio Abate in Parma, die die Apsis zu einem kleinen Hofthater verwandeln, und eine Kuppel mit doppelter Kalotte, deren Durchbrüche jedoch im Verlauf der Bauarbeiten durch Schüler modifiziert wurden (1712-14). Es folgen die Errichtung des kleinen Theaters S.Agata in Bologna (1718; mit baul. Veränderungen erh.), die verlorenen Dekorationen versch. Pal. in Bologna und im Pal. Guicciardi in Reggio (1718). 1718/19 rest. er in Fano zus. mit dem Sohn Antonio B. das Teatro della Fortuna (Fano, Bibl. Federiciana, Ms. Armani, n.19) und erhielt dafür mit der Familie das Bürgerrecht. Das Theater bekam einen neuen Vorhang, der wahrsch. den neuen Saal darstellte (als Stich erh.), und neue Kulissen, von denen einige Tempera-Skizzen zus. mit einem Temperabild des 18.Jh. von Giuseppe Albertini im Mus. Malatestiano in Fano erh. sind. Zur gleichen Zeit arbeitete B. in Bologna: von 1720 stammen die Treppen-Projekte des Pal. Malvezzi und im Pal. Ranuzzi, hier auch die Dekoration des Ballsaals (heute durch die Nutzung als Gerichtsssal verändert; eigenhändige Zchng im Gab. dei Disegni e delle Stampe in Rom). 1721 entstanden die Dekorationen im Pal. Monti (in schlechtem Zustand erh.) und in den Räumen des Gonfaloniere im Pal. Pubbl., 1723 der Campanile von S.Cristina della Fonderia und die Projekte der Sternwarte. Aus denselben Jahren stammen in Rimini der Umbau von S.Giovanni Evangelista (1719-22; erh., jedoch ohne die unter Mitarb. von Vittorio Maria Bigari ausgef. Innendekorationen) und die Arbeiten in der Chiesa dei Teatini; in Cento der Altar der Chiesa del Rosario (1726); in Reggio vier Lünettenfresken in S.Giorgio (1739; Fragm. erh.); das Projekt zur Modernisierung der Villa Paveri Fontana in Caramello b. Piacenza. Unterstützt durch die langjähr. Lehrtätigkeit, war der Einfluß von Ferdinando und Francesco B. außerordentlich groß und bewirkte eine Veränderung des Bühnenbildes. B., schon zu seiner Zeit bekanntestes Familien-Mitgl., verdankt seinen Ruhm auch seiner Tätigkeit als Theoretiker und der weiten Verbreitung, die seine Arbeiten mit der Zeit fanden. Um 1708 sammelte und publ. P.Abbati in Parma in eigenen Stichen Arbeiten B.s (zu einem nicht geklärten Anteil auch von Francesco B.) und von Carlo Antonio Buffagnotti als Varie opere di prospettiva. 1711 publ. B. als Kammer- und Theatermaler von Karl III. in Bologna mit Considerazioni pratiche di archit. civile preparata sù la geometria, e ridotta alle prospettive ein Werk, das mit geringen Änderungen 1731 in Bologna als Direzioni a'giovani studenti del disegno dell'archit. civile neu verlegt wurde (D.M. Kelder, Ed., L'archit. civile, Faks., N.Y. 1971). Darin vereinte und erläuterte B. seine Erfahrungen als Szenograph und Theaterarchitekt. Zurecht mit Stolz resümiert B., er habe eine "nie zuvor gelehrte und praktizierte andere Art des Bühnenbildes entwickelt, die eine Manier der Betrachtung im Winkel" ist, deren Methoden der prakt. Umsetzung er mit Zchngn perspektiv. Fluchten und gekurvter Bauwerke veranschaulichte. Dieser Typus der Bühnenbild-Formulierung wurde zwar schon vorher entwickelt, jedoch erst von B. mit allen Möglichkeiten voll ausgeschöpft, indem er im Gegensatz zu früheren Szenographen den Fluchtpunkt statt außerhalb der Szene in diese hinein verlegte.
Zchngn und Skizzen, u.a. in:
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB3, 1909.
Weitere Lexika:
DEB V, 1974 (s.v. Galli Bibiena, F.).
Gedruckte Nachweise:
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Bibiena, Ferdinando Galli, Sohn des Giovanni Maria, geb. am 18. 8. 1657 in Bologna, † am 3. 1. 1743 daselbst. Als er 7 Jahre alt war, starb sein Vater; kurz darauf wurde er zu Carlo Cignani (einst Mitschüler seines Vaters bei Albani) in die Lehre getan. Dieser entdeckte bald seine architektonische Begabung und schickte ihn zum Architekten Giulio Troili (genannt Paradosso). Hierauf studierte er noch bei Mauro Aldrovandini u. bei Giac. Antonio Mannini. Bei einer öffentlichen Theatervorstellung in Bologna erntete er schon in sehr jungen Jahren großen Erfolg durch seine Szenarien. Cignani empfahl ihn dem Herzog Ranuccio Farnese nach Parma, der ihn zu seinem "ersten Maler und Architekten" ernannte; F. blieb auch noch unter Ranuccios Nachfolger Francesco an diesem Hofe und soll sich im ganzen 28 Jahre in Parma resp. Piacenza aufgehalten haben. Wenn die Nachrichten Zanottis richtig sind, muß dieser Aufenthalt in die Jahre 1683-1711 fallen. Sein Hauptwerk dieser Zeit waren die Villa und die Gärten in Colorno, die er für den Herzog schuf, und die als besonders reizvoll gerühmt wurden. Von seinen sonstigen Arbeiten während dieser Jahre werden genannt: die dekorativen Malereien für das Kasino "la Motta" des Herzogs von Mirandola, die er mit seinem Bruder Francesco gemeinsam fertigte, Arbeiten im Palaste des Marchese Campori in Modena, zwei Kapellen in der Jesuitenkirche in Reggio; in Parma selbst malte er die Kapelle aus, sowie einen Saal und die Fassade des Collegio Ducale, die Loggia des großen Theaters, eine Galerie im Palazzo del Giardino, eine Kapelle im Palazzo maggiore, die Kirche der Kapuzinernonnen, die Cappella maggiore in der Chiesa di S. Sepolcro u. a. m. In Piacenza endlich werden ihm die gemalte Decke des Oratoriums S. Vincenzo, mehrere Perspektiven in den Höfen des Klosters S. Sisto, die Kuppelmalerei der Chiesa della morte, eine Kapelle in der Madonna della Campagna u. a. zugeschrieben. Den höchsten Ruhm aber sollte ihm die Theaterdekorationsmalerei bringen, der er sich schon früh zuwandte. Schon 1690 entwarf er Dekorationen zur Oper "Il Favore degli Dei" von Aurelio Aurelii, die gelegentlich der Hochzeit des Prinzen Odoardo mit der Prinzessin Dorothea Sofia von Neuburg in Parma aufgeführt wurde. Und in dem Werke "Varie opere di Prospettiva, inventate da Ferdinando Galli Bibiena, Ißolognese, Fittore ed Architetto dell' A. S. del Duca di Parma, racc. da Pietro Abbati, intagl. da Carlo Buffagnotti" (Bologna, Mercati) findet sich unter zahlreichen Dekorationsentwürfen auch einer mit der Aufschrift: "Disegno del nuovo Teatro aperto nell' Anno 1703 nell' Accadernia degli Ardenti al Porto". 1708 wurde B. von König Karl III. nach Barcelona berufen, um die Feste anläßlich der Vermählung Karls mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Lüneburg zu leiten. Der König ernannte ihn in diesem Jahre zum "Capo mastro maggiore e pittore di Camera e feste di Teatro". Unter diesem Titel publizierte B. sein Hauptwerk "L'architettura Civile, preparata su la Geometria e ridotta alla Prospettiva", Parma, Monti 1711. Aus dem Datum der Widmung an Karl III.: "Parma, li 2. maggio 1711" sowie aus einer Bemerkung Zanottis geht hervor, daß er nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, sich bis 1712 in Barcelona aufgehalten hat, sondern offenbar nach Vollendung der Feste nach Parma zurückgekehrt war, und erst, als Karl III. nach dem Tode Josephs I. als Karl VI. zum Kaiser gekrönt wurde, endgiltig die Dienste der Farnese verließ und nach Wien übersiedelte. Hier errichtete er am 24. 4. 1714 einen Trauerkatafalk für Herzog Anton Ulrich (in der Kapuzinerkirche) u. 1715 den Katafalk für Karl Joseph Ignaz Anton, Herzog von Lothringen, Erzbischof von Trier. Im selben J. inszenierte er die Oper "Teseo in Creta". Im selben Jahre beteiligte er sich mit J. B. Fischer von Erlach und mit Lukas Hildebrandt an der Konkurrenz für den Entwurf zur Karl-Borromäuskirche, unterlag aber gegen Fischer. Am 13. 4. 1716 entfaltete er anläßlich der Geburt des ersten Erzherzogs Leopold Johann seine eminente Begabung zu glanzvollen Festveranstaltungen. Die Beschreibung des feenhaften Nachtfestes auf dem Teiche der Favorita (heute Theresianum) findet sich bei Zanotti. Am 4. Aug. dess. Jahres errichtete er in der Augustinerkirche den Trauerkatafalk für Johann Wilhelm, Pfalzgrafen bei Rhein. Kurz darauf begann ihn ein Augenleiden zu quälen, und er ging heilungsuchend nach Bologna. Eine Operation besserte das Leiden, doch als er, nach Wien zurückgekehrt, zu größeren Arbeiten dienstuntauglich wurde, nahm er Urlaub, sich ständig in Italien aufhalten zu dürfen. In der Tat wird er am 17. 10. 1717, "nachdem er einige Monate vorher zurückgekehrt war", zum Mitgliede der Accademia Clementina zu Bologna gewählt, wird 1718 Vizepräsident, leitet 1719 den Vorsitz der neuen Wahlversammlung und ist von diesem Jahre ab als "Direttore" (Professor für Architektur) an dem Institute tätig. Diese Angaben der "Storia dell' Accademia" des Zanotti, eines Werkes, das zu Lebzeiten des Bibiena und nach einer u. a. auch von Ferd. B. vorgenommenen Revision erschien, lassen die Angabe Ilgs u. a., er hätte sich bis 1726 in Wien aufgehalten, hinfällig erscheinen. Wenn B. 1721 um Gehaltserhöhung bittet und 1723 darum einkommt, man möge seinem Sohne Giuseppe seine Stelle eines 1. Theatralingenieurs, dem jüngeren Sohne Antonio dagegen Giuseppes Stelle eines 2. Theatralingenieurs geben, so kann er doch schon damals beurlaubt gewesen sein. Seine definitive Entlassung erhält er am 1. 10. 1726, nachdem sein Sohn Giuseppe am 23. Sept. dieses Jahres zum ersten Theatralingenieur ernannt worden war. Ein weiterer Beweis ist der, daß B. in den Jahren 1718-19 mit seinem Sohne Antonio die Theaterdekoration in Fano (bei Bologna) erneuert hat, wofür ihm am 9. 8. 1719 in Anerkennung seiner Verdienste das Bürgerrecht verliehen wird. 1721 veröffentlichte er eine Antwort auf die Angriffe eines Kartäusermönchs Brunelli ("Encomio delle fabbriche contro i pittori architetti"). In Bologna selbst soll er nur noch die Perspektive im Palazzo Monti gemalt haben. Um so eifriger widmete er sich der Lehrtätigkeit, zu welchem Zwecke er ein zweibändiges Werk: "Direzione a' giovani studenti nel Disegno dell' Architettura civile" resp. "della Prospettiva Teorica" (Bologna, 1731-32, 2. Aufl. 1745-53) verfaßte. Auch als praktischer Architekt war B. tätig: so baute er das Teatro reale in Mantua, das 1731 von Andrea Gallucci vollendet wurde, 1781 aber verbrannte. Die ihm zugeschriebenen Deckenmalereien in der großen Synagoge in Mantua u. a. dürften Schülerarbeiten nach seinen Entwürfen sein; auch ein Entwurf, den er für die Deckenmalerei der Kuppel von S. Andrea in Mantua (gebaut 1732-82) gemacht haben soll, ist unsicher. Die Kirche S. Antonio Abate in Parma mit der äußerst merkwürdigen durchbrochenen Decke wird ihm zugeschrieben. Außer den oben genannten Schriften erschienen, ebenfalls in Stichen von C. Buffagnotti, "Disegni delle Scene che ser vano alle due opere che si rappr. nel Reggio Teatro di Torino" (23 Bl.). Zeichnungen besitzen u. a. die Wiener Albertina und die Bibl. Sarti in Rom. Seine Schüler waren Gius. Civoli, G. B. Alberoni, P. Scandelari, Giov. Ant. Landi (sämtlich Bologneser Akademiker), Ant. Ospel, Rob. Cherici (beide Wien) u. a. m. (s. Ilg!). B. hatte mit 29 Jahren eine Parmesanerin Corona Stradella geheiratet. Er wurde in Bologna in der Kirche S. Domenico begraben. Orlandi, Abeced. pittor., Bologna, 1704 p. 149; id. 1719 p.151/2. - Ders., Not. degli scritt. Bolognesi (1714), p. 112. - (Zanotti), Storia dell' Accad. Clement. in Bologna (1739), I 62ff., 334; II 201ff. - (M alvasia), Le pitture di Bologna, 45 ed. (1755), p. 379. - Cadi oli, Descriz. delle pitt., scult. ed archit. di Mantova (1763), p. 19ff. - (Cree p i), Felsina pittrice, T. III (1769), p. 86 ff. - Carasi, Le pubbl. pitture di Piacenza (1780) P. 108, 124. - Pitt., scult. ed arch. di Bologna (1782), p. 153, 218, 264, 388. - (Heinecken), Dict. d. Artist. (1788), II 683. - Comolli, Bibliogr. dell' Arehit., III (1791), 36ff., 40ff. - Freddy. Deser. di Vienna (1800), I 276. - Lanzi, Storia pittor., ed. 3a (Bassano 1809), V 212. - Susani, Pitture di Mantova (1818), p. 17, 33, 111, 114. - Tomani-Amiani, Teatro antico in Fano (1867), p. 28, 102. - Guilmard, Maitres ornemanistes (1881), 329. - Gurlitt, Barockstil in Italien (1887), 489. - I Igin Ber. u. Mitt. d. 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