Boucher, François, frz. Maler, Pastellmaler, Zeichner, Stecher, Entwerfer von Stichen, Tapisserien, Porzellan, Bühnenbildern und Skulpturen, Kunstsammler, *29.9.1703 Paris, †30.5.1770 ebd.
Boucher, François (1703)
Lernte vermutl. bei seinem Vater Nicolas B. Eine Susanna vor den Richtern, die B. 17jährig malte, veranlasste François Lemoine, ihn auszubilden. Betuel empfängt Eliezer (Strasbourg, Mus. des BA; Entwurf im Louvre) zeigt dieses Schülerverhältnis am deutlichsten. Er lernte vielleicht auch bei Louis Galloche und Jean-François de Troy, dessen verschollene Skizze "Armida von der Liebe für Rinaldo entwaffnet" er kopierte. B. gewann am 28.8.1723 mit Evilmerodach befreit Joachim (vermutl. zerst.; nicht zu verwechseln mit dem etwa gleichzeitigen Joseph und seine Brüder beim Pharao, Columbia Mus. of Art, Kress Coll.) den ersten Preis der Académie. Da er wegen der Günstlingswirtschaft des Duc d'Antin kein Rom-Stip. erhielt, verdiente er sich seine Reise dorthin während der nächsten fünf Jahre selbst; v.a. lieferte er für Jean-François Cars und Robert Hecquet Entwürfe für Thesenblätter, malte Bilder (z.B. Tod des Adonis, 1726?), u.a. einige, die er zu Fronleichnam 1725 auf der Place Dauphine ausstellte, stach 119 Zchngn von Watteau für die "Figures" von Jean de Jullienne (1726 und '28 publ.) und schuf 25 Zchngn (Louvre) für die Histoire de France von G. Daniel (1729 publ.). Im Frühjahr 1728 reiste er mit drei Mitgl. der Vanloo-Fam. nach Rom und schuf dort viele Zchngn (v.a. nach barocken Gem. und Skulpturen) und kleine Genrebilder, u.a. vermutl. La vie champêtre (Belton House, Lincs.) und Noah betritt die Arche sowie Noahs Opfer (Fort Worth, Priv.-Slg.). 1731 wieder in Paris, stach er 12 der Diverses Figures Chinoises Peintes par Watteau. Am 24.11.1731 "agréé" der Acad. R. als Historienmaler (30.1.1734 Mitgl., 2.7.1735 "adjoint à prof.", 6.7.1737 Prof., 29.7.1752 "adjoint à Recteur", August 1761 Recteur, 23.8.1765 Dir., Rücktritt im Juli 1768). Danach malte B. für den Anwalt François Derbais eine Ser. großformatiger Gem., u.a. Venus bittet Vulkan um Waffen für Äneas (1732, Louvre), Aurora und Cephalus (1733?, Nancy, Mus. des BA), Geburt der Venus (Paris, Rumän. Botschaft), Der Knabe Merkur wird den Nymphen von Nysa anvertraut und Raub der Europa (beide London, Wallace Coll.) sowie Moses und der brennende Dornbusch (Paris, Priv.-Slg). Die ebenfalls zur Ser. gehörenden Gem. L'Amour oiseleur, Moissonneur (vor Juni 1734 von Bernard Lépicié gestochen), L'Amour vendangeur (Stich von E. Fessard) und L'Amour nageur sind die ersten seiner späteren, überall nachgeahmten Puttenbilder. Als Ill. der Œuvres de Molière (1734-35) schuf B. 33 Zchngn (schwarze Kreide und graue Tusche; Paris, Bibl. nat.). Am 21.4.1733 Heirat mit der Zeichnerin Marie-Jeanne Buseau (Kinder: Jeanne-Elisabeth-Victoire *24.3.1735, †1770/73, verh. mit B.s Schüler Jean-Baptiste Henri Deshayes; Juste-Nathan, Architekt und Zeichner; Marie-Emilie *27.4.1740, †1784, verh. mit B.s Schüler P.-A. Baudouin). Am 10.1.1734 wurde B. mit Rinaldo und Armida (Louvre) in die Acad. aufgenommen. Im Juni 1735 Publ. des Livre d'Etude d'après les Desseins Orig. de Blomart. "Adjoint à prof." der Acad. nach Abgabe von Quatre petits Morceaux, représentants les quatres Saisons, par de petites femmes et des enfants (vermutl. zerst.; wahrsch. durch die im Juni 1737 publ. Stiche von Aveline überliefert). 1735 muß B. die ersten seiner 8 Zchngn für den Frontispiz der Tombeaux des Princes, des Grands Capitaines ... von Owen McSwiny (Paris 1736-37) und die ersten Gem. der Fêtes de village à l'italienne, die als Kartons für Beauvais-Tapisserien dienten (1736 erstmals gewebt), geschaffen haben. Ebenso führte er seinen ersten kgl. Auftrag, 4 monochrome Tugenden für die Decke der Chambre de la Reine in Versailles aus. Dieser Durchbruch bedeutete für ihn die Unabhängigkeit von Verlegern, wie das Ausbleiben von Zchngn B.s für die von Jolly im Mai angekündigte Ed. von Racine zeigt. B. begann nun eine Zusammenarbeit mit Gabriel Huquier, der im Jan. 1735 einen Stich als Berger et bergère en conversation (nach einem Gem. B.s, 1954 im Bes. von L.Koetser) und im April erneut (zus. mit dem Recueil de fontaines) als Pastorale ankündigte. Hier wird auch erstmals B.s einflussreichste Erfindung, die "sentimentale Pastorale", greifbar, deren spätere Versionen wechselseitige Einflüsse mit dem Théâtre de la Foire zeigen (bes. mit den Singspielen der befreundeten Favarts). 1736-43 wurden von Nicolas de Larmessin u.a. vier der "Contes" von La Fontaine angebl. nach Gem. B.s gestochen; die einzig erh. Vorlagen sind La Courtisanne Amoureuse (Zchng, 1736; Waddesdon Manor, Bucks.) und Le Calandrier des Vieillards (monochrome Ölskizze, 1740; Paris, Priv.-Slg). 1737 stellte er in der Acad. Divers sujets champêtres für die Petits Appartements in Fontainebleau und die Chasse au léopard (13.3.1737 Schlusszahlung; wie die am 17.12.1738 bezahlte Chasse au crocodile für die Gal. des Petits Appartements du roi in Versailles bestimmt; beide Amiens, Mus. de Picardie) aus. 1737-39 erste Entwürfe für die Acad. R. de Musique ("l'Opéra"). Um 1737 Auftrag für 4 Supraporten (Venus, Cupido, Merkur, Drei Grazien und Psyche) für das Deuxième Cab. im Hôtel de Mazarin (Zchngn Stockholm, Nat.-Mus.; 2 evtl. zurückgewiesene Gem. in der Slg Prousteau; 2 veränderte Gem. im Los Angeles County Mus., 1738 bzw. 1741; weiteres verändertes Gem. in New York, Priv.-Slg). 1738 stellte B. im Salon 4 von 7 Supraporten mit geschwungenen Rahmen (Mythologien, Pastoralen) sowie eine auf neue Weise (unter dem Einfluss von Jean-Baptiste Oudry) gemalte Paisage für das Hôtel de Soubise (Arch. nat. Paris) aus. Er lieferte 1738 auch zwei von vier Jeux d'Enfans für das Cab. de la Reine in Versailles (alle verloren; nach vermutl. hiervon gemachten Zchngn publ. Huquier im April Stiche von Aveline). 1739 entstand das Genrebild Le déjeuner (Louvre), für das B. seine Fammitglieder als Modelle benutzte. Es ist genausowenig ein Familienporträt wie die früheren Gem. La Peinture (Prégny, Slg Edmond de Rothschild) oder Der junge Landschaftsmaler (Louvre) B. oder sein Atelier darstellen sollen. Im Salon 1739 Ausst. des ersten von fünf Gem. der Geschichte der Psyche (ab 1741 in Beauvais gewebt) und vermutl. des ersten seiner vielen Landschaftscapricci mit der Mühle von Quiquengrogne bei Charenton (engl. Priv.-Slg). 1740: Am 18.5. bezahlte Präs. Crozat de Thugny im voraus für ein kleines Deckengemälde in seiner Bibl. (verloren) und eine Landschaft. Letztere ist vielleicht das seltene Kupfergemälde Frère Luce (1742; Moskau, Puškin-Mus. der bild. Künste) aus der Slg seines Bruders, Crozat de Thiers, der neben seinem Exlibris (Zchng Art Inst. of Chicago) auch andere Zchngn B.s selbst radierte. Im Juli kündigte Huquier Stiche Avelines nach B.s Zchngn der Fünf Sinne an, und Graf Carl Gustaf Tessin (1739-42 schwed. Gesandter am frz. Hof) äußerte sich begeistert über die von ihm bestellte Geburt der Venus (Stockholm, NM). Tessins Slg von B.s Gem. und Zchngn, deren Hauptteil 1749 in den Bes. von Prinzessin (später Königin) Louisa Ulrike kam (heute Stockholm, NM), vereint den besten Bestand von B.s Werken bis zu dieser Periode. 1741: Publ. von Tessins Faunillane, ou l'Infante jaune mit Ill. von Cochin und Duflos nach Zchngn B.s. Voll. der ersten von vier Supraporten für das Cab. des Méd. mit Musen. Vier Supraporten der Poésies (1794 verbrannt; von Duflos gestochen) wurden von Joachim Wasserschlebe mit 130 dekorativen Gem. versch. Künstler für Schloss Christiansborg nach Kopenhagen gesandt. B. voll. für Ludwig XV. die ersten drei von ca. 15 Gem. für Choisy; von den drei Ovalen des Appartement des Bains sind nur Venus entwaffnet ihren Sohn und Amor liebkost seine Mutter (beide 1744; New York, Wildenstein & Co.) sicher identifiziert. 1742 entstanden zwei Versionen von Leda und der Schwan (Slg Resnick bzw. Stockholm, NM, für Tessin), Junge Frau befestigt ihr Strumpfband (Madrid, Slg Thyssen; für Tessin), Un Repos de Diane, sortant du Bain avec une de ses Compagnes (Louvre), der Entwurf zum Bühnenbild von L'Hameau d'Issé (München, Alte Pin.) und acht Entwürfe für La tenture chinoise für Beauvais (Besançon, Mus. des BA). 1743 malte B. u.a. die Hauptversion von L'Odalisque brune (verloren; 1765 Stich von Pierre-Charles Levesque als "Le Réveil"), das vermutl. Porträt von Mme B. (New York, Frick Coll.), drei ovale Pastoralen für Marquis de Beringhen (eine rechteckig beschnittene im Louvre; zwei verloren, Stich von Jean Daullé). Als einer von wenigen schuf B. noch Landschaften, von denen er drei im Salon 1743 neben Geburt, Toilette der Venus (Ovale; Paris, Priv.-Slg) und zwei Musen des Cab. des Méd. (von 1741 und 1742) ausstellte. 1744: Carl Härleman bestellte sechs Supraporten für den kgl. Pal. in Stockholm (bis 1746 geliefert) und für sich selbst später möglicherweise eine rechteckige Version von Pensent-ils au raisin? (Stockholm, NM; ovale Version, 1747, Art Inst. of Chicago) nach "Les Vendanges de Tempé" von Favart (1745). In Beauvais Beginn des Webens von La danse aus der zweiten Ser. der Fêtes italiennes. 1745: Die Ausst. von Zchngn im Salon belegen B.s Einsicht in deren kommerzielle Verwertbarkeit; er soll insgesamt mehr als 10.000 geschaffen haben. Über Tessin bestellte Louisa Ulrike Gem. der Vier Tageszeiten, von denen B. nur Le matin: La marchande de modes (1746; Stockholm, NM; eigenhändig gestochene Replik London, Wallace Coll.) ausführte. 1746: Bestellung von Venus bittet Vulkan um Waffen für Äneas (Louvre) und Apotheose des Äneas (Marly) für die Gemächer des Dauphins in Versailles; von diesem aus Prüderie abgelehnt, nahm sie Ludwig XV. für sein Schlafzimmer in Marly. B. entwarf fünf Bühnenbilder für Persée von Quinault und Lully für die Opéra, und Duflos stach zwölf Vignetten für Mœurs et Usages des Turcs von J.-A. Guer nach Zchngn B.s. 1747: B. schuf die ersten zwei Gem. für die Beauvais-Tapisserien Les amours des dieux. Mit dem Raub der Europa (Louvre; für Beauvais) wurde er inoffizieller Gewinner des Wettb. von Lenormant de Tournehem. 1748: Im Juli löste ihn Perronet als Entwerfer für die Opéra ab. Auftrag für zwei Gem. zu Tapisserien der Ballette Fêtes de Thalie und Fêtes vénitiennes sowie für vier Supraporten für Marly; von diesen offenbar nur Arion (1748; Princeton, Art Mus.) und Vertumnus und Pomona (1749; Columbus, Mus. of Art) voll., aber nie installiert. Vermutl. 1748 lehnte er die Einladung des preuß. Königs ab, ihm als erster Hofmaler zu dienen. 1749 Beginn des Patronats der Mme de Pompadour, die bis zu ihrem Tod 1764 B.s Aufträge und Kunst durch ihre Stellung und ihren Geschmack dominieren sollte, durch die Rechnung für das Gem. Apollo und Isse (1750; Tours, Mus. de. BA) und die Kopie einer Zchng B.s (Sèvres, Mus. Nat. de Céramique), die Pierre Blondeau für sein Modell "Le jeune suppliant" für die von der Pompadour protegierte Porzellanmanufaktur in Vincennes verwendete (B. lieferte von nun an häufig Entwürfe für Vincennes, später für Sèvres, v.a. für Enfants). 1750 wurde ein Porträt der Pompadour (verloren) zu ihrem Bruder nach Italien geschickt, und B. malte La Lumière du Monde (Lyon, Mus. des BA) als Altarblatt ihrer Kap. im Château de Bellevue. 1751: Wasserschlebe verhandelte über Supraporten für den dän. Außenminister Johan Hartvig Graf Bernstorff in Kopenhagen (erst 1755 geliefert). Mit Renaud endormi lieferte B. das erste Gem. für die Tapisserie-Ser. Fragm. d'Opéra und malte die Toilette de Vénus (Washington, Nat. Gall. of Art) und Bain de Vénus (New York, Metrop.Mus.) für das Appartement des Bains in Bellevue. Im Juni 1752 erhielt B. eine Wohnung im Louvre, machte Innenentwürfe für das Theater des Jean Monnet auf der Foire St-Laurent. 1753 malte er Deckengemälde für das Cab. du Conseil in Fontainebleau. Im Juli desselben Jahres wurden Guillaume II Coustou und Louis Claude Vassé beauftragt, die beiden letzten der vier Statuen der Enfants nach Zchngn von B. für die Molkerei der Pompadour in Crécy zu meißeln; im Aug. Ausst. der Entwürfe für ihre Gobelins Le lever und Le coucher du Soleil (London, Wallace Coll.). Im Juni 1754 Bühnenbilder zum Ballett Les Fêtes chinoises von Noverre. Im März 1755 beschuldigte er Claude Augustin Duflos, seinen Ruf zu schädigen, indem er Stiche nach Zchngn schuf, die seine schlechtesten Schüler heimlich von seinen Gem. angefertigt hatten. Hier zeigt sich, welch wichtige Rolle B. Stichen für die Steigerung seines Ruhms (und Profits) zumaß. Um am 27.5.1755 der Nachfolger von Oudry als Inspecteur sur les Ouvrages in den Gobelins werden zu können, willigte er ein, nach der Ser. La Noble Pastorale seine Arbeit für Beauvais einzustellen. 1755-56 malte B. vier Supraporten von Sylvie et Aminte für das Hôtel de Toulouse in Paris (zwei noch dort, heute Banque de France; zwei in Tours, Mus. des BA), erhielt am 22.4.1756 den Auftrag für vier weitere mit Landschaften für das Petit Cab. des Dauphin in Versailles (vielleicht nie ausgef.). Fünf fertigte er 1756-57 für den Pal. von Graf Adam v. Moltke in Kopenhagen sowie zwei Kaminbilder von Kinder als Personifikationen der Künste (heute Amalienborg). Im Salon von 1757: Porträt der Mme de Pompadour (1756, München, AP) und die für sie 1757 gemalte Ruhe auf der Flucht nach Ägypten (St.Petersburg, Ermitage) sowie Venus in der Schmiede Vulkans (Auftrag 15.5.1757), eines der vier Modelle versch. Künstler für die Gobelin-Ser. Les Amours des Dieux. 1757 entstanden auch sechs Entwürfe für Sèvres-Biscuitfiguren und der erste Stich in Crayon- Manier (von Delafosse und Magny) nach B.s Kopf eines alten Orientalen. 1758: Erster Stich in Tusche-Manier von Jean-Charles François nach B.s Cupido, Herr der Welt. Im Aug. Zahlung für das Gem. Jeux de l'Amour für ein Pendant zur Tapisserie von Vulkans Schmiede. 1759: Ausst. des vermutl. für Pompadour gemalten Le Silence (Moskau, Puškin Mus.). Nov.-Dez. voll. B. ein Paar von Pastellen mit Frauenköpfen für Caroline Louise, Markgräfin von Baden, und bot sich an, für sie ein Paar von Pastoralen (L'Ecole de l'Amour und L'Ecole de l'Amitié, 1760; Karlsruhe, Staatl. Kunsthalle) zu malen. 1760: Mme de Pompadour radierte mit uneingestandener Hilfe von B. (und eingestandener direkter Unterstützung von Charles-Nicolas Cochin) dessen Zchng Rodogune Acte V, Scène IV (1759; Paris, BN; zwei Studien in New York, Pierpont Morgan Libr.). 1761: B. malte für Pompadour Les Génies des Arts (Angers, Mus.) als Vorlage für Gobelins. Im Salon u.a.: Repos des Voyageurs (Boston, Mus. of FA) sowie die für Christian IV., Herzog von Zweibrücken, geschaffenen Jupiter und Callisto (Cambridge, Fitzwilliam Mus.) und Schlafende Bacchanten von Satyrn entdeckt (engl. Priv.-Slg; auf Betreiben des Herzogs wurde Johann Christian Mannlich 1765-66 B.s Schüler). Entwurf für zwei spektakuläre Bühnenbilder für Armide et Renaud von Quinault und Lully (3.11.1761; zus. mit seinem Sohn) sowie Castor et Pollux von Bernard und Rameau (24.1.1764) für die Opéra. Im Okt. 1764 war B. einer von vier Künstlern, die "Les généreuses actions des souverains" für die Gal. von Choisy malen sollten, aber das Projekt scheiterte an B.s und des Königs Gleichgültigkeit. Obwohl er die Wahl (1.12.1764) zum Dessinateur du Cab. du Roi aus Gesundheitsgründen ablehnte, wurde er Nachfolger von Carle Vanloo als Premier peintre du Roi (8.8.1765) und Dir. der Acad. (23.8.1765). Im Salon zwei von drei Pastoralen für Marchal de Syncy (Edinburgh, NG of Scotland), eine Ser. von vier Pastoralen für Mme Geoffrin (u.a. Le départ du courrier, Metrop.Mus.) sowie Jupiter und Callisto und Angelica und Medoro (ebd.). Selbst ein Freimaurer, malte B. eine Grisaille (ebd.) für die Loge d'Amitié von Bordeaux. Am 13.12.1765 Aufführung von Thésée von Quinault und Lully an der Opéra mit zwei Bühnenbildern B.s. 1766: Zahlr. Zchngn für die von Mme Geoffrin für König Stanislas August von Polen in Auftrag gegebene Enthaltsamkeit des Scipio. Im Frühjahr reiste B. zus. mit einem wichtigen Sammler seiner Zchngn, Randon de Boisset, kurzzeitig in die Niederlande. Am 18.11. Aufführung des Balletts Sylvie von Laujon mit zwei Bühnenbildern B.s. Bezahlung für Vénus sortant des eaux (Raleigh, North Carolina Mus. of Art) für die "Tenture de B.". Für St-Louis in Versailles malte er Petrus versucht auf dem Wasser zu laufen. 1767 La pêche und La diseuse de bonne aventure (Versailles, Mus.) für die "Tenture de B.". Am 18. und 25.5. Ankündigungen von Stichen von Bonnet und von Demarteau nach Zchngn B.s. Im Aug. 1768 bestellte Prinz Galitzin nicht genauer bez. Gem. für Katharina d.Gr. (nie ausgef.). B. malte ein Paar großformatiger Pastoralen (Metrop.Mus.) für Roslin d'Ivry für Château d'Hénonville, die kleine L'obéissance récompensée (Nîmes, Mus. des BA) für Papillon de la Ferté und ein Paar kleiner Landschaften (Linköping, Östergötlands Läns Mus., bzw. Manchester, City Art Gall.) für Duc de Caylus(?). Im Salon 1769 Ausst. von Une Marche de Bohémiens, ou Caravanne dans le gôut de Benedetto di Castiglione (ein Maler, von dem B. während seiner ganzen Laufbahn sowohl stilistisch wie auch thematisch beeinflusst wurde); das Bild (Boston, Mus. of FA) gehörte Pierre-Jacques-Onésyme Bergeret (de Grancourt), einem wichtigen Sammler von B.s Gem. und Zeichnungen. Für dessen Bruder, Jean-François Bergeret (de Frouville), malte er 1768 6 große mythologische Darst. für dessen Hôtel in der Rue de Vendôme in Paris (vier in Fort Worth, Kimbell AM; zwei schmalere in Malibu, J. Paul Getty Mus.). Im Nov. zum korrespondierenden Mitgl. der AK von St.Petersburg ernannt (Aufnahmestück wohl das frühere Gem. von Pygmalion, Ermitage). Am 10.1.1770 wurde B. vom Prince de Condé für das Ovalbild Jupiter und Callisto (Raleigh, North Carolina Mus. of Art) bezahlt, das in einer "Tenture de B." für sein Schlafgemach im Pal. Bourbon verwendet wurde. 1770 dat. die Grisailleskizze (Öl auf Papier) der Purification (Louvre) und das Bauernmädchen auf dem Weg zum Markt (am 26.11.1986 in Rom bei Christie's). Im Frühjahr Zchngn für die Dekoration des Treppenhauses der Archevêché von Paris; zwei davon, Hoffnung und Religion, wurden als B.s letzte Arbeiten verkauft, obgleich ihnen dieser Rang von zwei anderen mit Stehenden Schäfern streitig gemacht wird. Das Gem. unbek. Themas, an dem er zuletzt gearbeitet hatte, vermachte B. seinem Arzt und Freund, M. Poissonnier l'aîné. - B. war der umstrittenste Künstler seiner Zeit. Kaum ein frz. Künstler der folgenden Generation war von ihm nicht beeinflusst; sein größter Nacheiferer, Jean-Baptiste Huet, war nicht einmal sein Schüler. Einer, sein einstiger Schüler und Mitarbeiter Jean-Honoré Fragonard, ist ohne B. als Vorläufer undenkbar. Obgleich B. die Spitze der akad. Hierarchie erreichte, blieb er doch (getreu seinen Ursprüngen) der Praktiker schlechthin. Als simpler Geist war er den Intellektuellen unverständlich; Diderot kritisierte ihn immer wieder, war von ihm entsetzt und dennoch unfähig, der Bewunderung für seine pure Artistik zu widerstehen. Schöpferisch ohne Ende, "mit dem Pinsel in der Hand geboren", wie Mariette es ausdrückte, war B. doch immer bereit, seine und andere Bildideen zu überarbeiten und erneut zu verwerten, so dass manches, was wie Zchngn nach der Natur anmutet (bes. Tiere) tatsächl. in holl. Gem. seinen Ursprung fand. Als Meister der spontanen Ölskizze und der Pinselführung, die das Auge entzücken will (im Atelierjargon der Zeit als "fouillis" bez.), war er, wie Diderot zugab, der Maler des Malers; er gab seinen Zeitgen. (v.a. Ludwig XV., Mme de Pompadour und den Finanziers), was sie verlangten und nicht, was sie nach Meinung der Theoretiker haben sollten. Lieber als an ruhmträchtigen Aufträgen arbeitete B. für Kunden und den Kunstmarkt, bes. als Zeichner (viele seiner scheinbaren Studien sind tatsächlich nachträglich entstanden). Er war glücklich, modische Interieurs mit Supraporten, Kartons für Tapisserien (er war die Hauptstütze der Manufaktur von Beauvais, die, im Gegensatz zu den Gobelins, aus Verkäufen überleben musste) und Mustern für Porzellanmaler und -modelleure zu versorgen - alles in dem von ihm geprägten pastoralen Idiom. Zu erfolgreich, um sich der Bildnismalerei zuwenden zu müssen, gehören B.s wenige Porträts wie die der Pompadour, Mme Boucher und von Duc de Montpensier als Baby (der zukünftige Philippe-Egalité; 1749; Waddesdon Manor) doch zu den eindrucksvollsten seines Jahrhunderts. Um je ein Selbstbildnis zu schaffen, war er zu wenig selbstbewusst. Obgleich Kopien und Stiche seiner männlichen Aktstudien in den meisten Kunstschulen Europas Verwendung fanden, war B. v.a. der Maler und Zeichner von Frauen. Sinnlich, erotisch, aber (trotz seines späteren Rufs) nie pornographisch; und obgleich sein Name schon zu Lebzeiten zu einem Synonym für Libertinage gemacht wurde, gibt es keinen Beweis, dass er je etwas anderes als ein guter Ehemann und Vater war. Hier wie in so vielen Dingen ist B. der Rubens des 18.Jh., jedoch ohne die gesellschaftlichen Ambitionen, den hohen Ernst um seine Kunst oder den Intellekt jenes Künstlers. Der Mangel an diesen entfremdete ihn den Philosophen wie später den Kunsthistorikern. Bedauerlicherweise gibt es bisher über B. seit dem blendenden Essay der Brüder Goncourt, der die meisten Schlüsselaspekte seiner mannigfaltigen Talente erfasst, weder eine definitive Monografie mit Cat. raisonné noch ein inspirierendes kunsthistorisches Resümee, die ihm das Ansehen gesichert hätten, das er verdient.
Einzelausstellungen:
Paris: 1932 Hôtel de M. Jean Charpentier; 1964 Gal. Cailleux; 1971 Louvre (Stiche der Slg Rothschild) / 1970 Leningrad, Ermitage / 1973-74 Washington, Nat. Gall. of Art (Zchngn) / 1980 New York, Wildenstein & Co. / 1982 Tōkyō, Metrop. Art Mus. / 1984 Manchester, City Art Gall. / 1986 New York, Metrop.Mus., danach Detroit Inst. of Art und 1986-87 Paris, Grand Pal. (überarbeiteter Kat.) / 1987 New York, Stair Sainty Matthiesen / 2015 Cincinnati/Oh., AM (Wander-Ausst., K). -
Gruppenausstellungen:
2015-16 Valenciennes, MBA: Rêveries italiennes. Watteau et les paysagistes français au XVIIIe siècle (K)
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB4, 1910.
Weitere Lexika:
L.-A. de Bonafons de Fontenai, Dict. des artistes, I, P. 1776, 232 ss.; Jal, 1872; Herluison, 1873.
Gedruckte Nachweise:
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Archive:
Paris, Arch. nat., Minutier central: XXXI.163 (Eheverträge von B.s Töchtern, 1758); XXV.775 (Vermögensaufteilung, 1773); LIV.230 (Nachlass-Inv. Derbais, 1743)
Boucher, François, geb. 29. 9 1703 zu Paris (im Kirchspiele St. Jean-en-Greve), † am 30. 5. 1770 ebenda in den Galerien des Louvrepalastes. Den ersten Zeichenunterricht erhielt er als Knabe von seinem Vater Nicolas B., einem bescheidenen Stickmusterzeichner und Kupferstecher. Vielleicht versuchte sich der Knabe in der väterlichen Werkstatt auch bereits in der Kupferstichkunst, die er dann als heranwachsender Jüngling zum Broterwerb betrieb. Die früheste Anregung zu seiner späteren Haupttätigkeit als Maler u. Deckendekorateur verdankte er einer mehrmonatlichen Lehrzeit in der Werkstatt François Le Moyne's, des Schöpfers der prächtigen Deckendekorationen im Schlosse zu Versailles, der schon damals der Pariser Akad. als Mitglied angehörte u. um diese Zeit im Begriffe stand, nach Italien zu gehen, um dort, nachdem er lange Zeit die Überlieferungen der Rubensschen Kunstweise weitergepflegt hatte, die Werke der großen italienischen Deckendekorateure zu studieren. Nun trat Boucher in die Werkstatt des Kupferstechers Jean Franç Cars, des Vaters des Laurent Cars, als Gehilfe ein. Hier war der zukünftige "peintre du roi" zunächst mit nichts besserem beschäftigt, als Kopfleisten für Druckschriften (thèses), Kartuschen mit allegorischen Sinnbildern, in Kupfer zu stechen. Mit 1721 datierte B. seine ersten Originalentwürfe, die von Bacquoy in Kupfer gestochen wurden für die große Quartausgabe von Daniels "Histoire de France". Hierauf arbeitete er mit wirklichem Erfolge für De Juliennes "Livre d'Etudes" eine Anzahl von Radierungen nach Watteau, deren Ausführung ihm, obwohl er sie sicherlich nur des guten Verdienstes wegen übernommen hatte, doch auch für seine geistige und technische Weiterbildung von Bedeutung wurde. Denn von nun an blieb er im Banne Watteaus so stark, daß es ihm später seine Feinde zum Vorwurf machten. Selbst die Goncourts, die sich der Rehabilitation ihres "Anacréon de la peinture" mit Eifer annahmen, mußten der Wahrheit zu Liebe konstatieren, daß Boucher auf einigen seiner "Embarquements" im Studium Watteaus bis zu einer fast allzugetreuen Nachahmung sich verstiegen habe. Als Zwanzigjähriger (1723) erlangte er den Grand prix de peinture und brach 1727 mit C. van Loo nach Italien auf und betrat am 3. 5. 1728 Rom. Die Werke der älteren Meister scheinen auf den nach neuen Sensationen Suchenden weniger Eindruck gemacht zu haben als diejenigen Tiepolos. Für diesen begeisterte er sich, suchte ihn zu verstehen, und es gelang ihm das so gut, daß dessen Einfluß noch lange, wenn auch nicht immer, in seinen Arbeiten bemerkbar blieb. Aber noch gegen Ende seines Lebens nahm er in seine Sammlung von Zeichnungen zeitgenössischer Künstler auch einige ausgezeichnete Tiepolozeichnungen auf. Nach mehrmaligem Studienaufenthalte in Rom und Venedig kehrte er nach Paris zurück und gelangte gar bald zu Ruf und Wohlstand, da er in der Finanzwelt wie unter den Modedamen und den Sternen der Opéra sich alsbald einen freigebigen Kundenkreis erwarb. Von der Pariser Akademie wurde er am 24. 11. 1731 zum "agrée", am 30. 1. 1734 auf Grund seines Gemäldes "Rinaldo und Armida" zum Mitgliede, am 2. 7. 1735 zum "adjoint-professeur", am 7. 7. 1739 zum Professor, 1752 zum "adjoint â recteur", 1761 zum Rektor und 1765 zum Direktor ernannt und erklomm mit Leichtigkeit die ganze Stufenleiter der offiziellen Ehrungen. Dabei rühmte er sich einer Jahreseinnahme bis zu 50 000 Livres, obwöhl er in seinen Preisen stets sehr maßvoll blieb. Seine Produktionskraft war allerdings auch ungewöhnlich. Er versichert selbst, daß er mindestens 10 000 Zeichnungen angefertigt habe; die Zahl seiner Gemälde war unübersehbar und auch seine kunstgewerblichen Entwürfe überschwemmten den Markt. Durch s. Freund Oudry 1734 an die Teppichmanufaktur von Beauvais berufen, brach er ohne weiteres mit den großen allegorischen Kompositionen wie auch mit den Jagdstücken. Nur der letzteren Gattung, die seitdem überhaupt verpönt blieb, machte er noch einige Konzessionen mit seinen Entwürfen zu einer Tigerjagd (1737) und zu einer Krokodiljagd (jetzt in Versailles). Mit weit wärmeren Sympathien wandte er sich der Ausführung von Entürfen zu wie "La bonne aventure" (Junge Modedämchen bei der Wahrsagerin), - "La fontaine d'amour", - "Amynthe et Sylvie", - "Les confidences", - "La petite oiselière", - "Le petit pécheur", - oder auch rein ornamentalen Dessins (mit Umrahmungen von Blumengirlanden) sowie chinesischen Motiven. Sein höchstes Glück war es jedoch, wenn er in reizenden Linien seine "Liebesschaukel" die Lüfte durchschweben oder die Liebesgöttin ins Bad steigen, Amoretten umherflattern und Schäferpärchen ihr verliebtes Spiel treiben lassen konnte. Bei seiner späteren Tätigkeit für die Pariser Gobelins-Manufaktur, wo Entwürfe von seiner Hand noch heute vorhanden sind, gefiel er sich mehr in allgemein gehaltenen figürlichen Kompositionen (zwei Frauengestalten zwischen Blumenvasen, Nymphen in einer Parklandschaft) sowie in der Zusammenstellung mehrerer kleiner Medaillondarstellungen auf blauem Grunde, endlich in rein chinesischen Motiven. Seine Tätigkeit in Beauvais bot ihm noch anderen künstlerischen Gewinn: Auf seinen häufigen Reisen zwischen Paris und Beauvais lernte er die Natur beobachten. Fern von den Boudoirs und den Theatern lernte er die malerischen Werte der Fernsichten auf Gewässer und Wälder, den Reiz der Lichtungen aufs feinste kennen. Seine Kunst gewann durch diese ernsthaftere Beobachtung in freier Natur, wenn er dadurch auch niemals zum Landschaftsmaler geworden ist. Denn sein Auge war viel zu empfänglich für schimmernde Fleischtöne, sein Pinsel hatte zu viel von der Wirkung des Pastellstiftes angenommen, als daß er nunmehr auf die gekünstelte Eleganz zugunsten der natürlichen Schönheit der Dinge hätte verzichten können, die am Hofe der Pompadour keife Stätte fand. Immerhin behandelte er von dieser Zeit an seine Landschaftshintergründe weniger konventionell und wußte seine leichtschaffende Virtuosität besser in Einklang zu bringen mit der wirklichen Formenwelt der Natur. Als Oudry 1755 starb, wurde Boucher zum Inspektor der Pariser Gobelinsmanufaktur ernannt. Dieses Amt verwaltete er dann bis zum J. 1765, wo er als Nachfolger Van Loo's zum "peintre du roi" ernannt wurde. Wie weit zurück lagen für ihn jetzt trockene akademische Darstellungsthemen wie "Evilmérodac, fils et successeur de Nabuchodonosor, délivrant des chaines Joachim que son père tenait prisonnier", mit denen noch 1734 seine heitere Phantasie sich hatte abquälen müssen! Zwar hatte er sich für diesen Zwang noch in demselben Jahre gerächt bei Veröffentlichung einer sechsbändigen Molière-Ausgabe, in deren 33 Zeichnungen er die ganze Unabhängigkeit u. Grazie seiner künstlerischen Erfindungskraft hatte offenbaren können. Obgleich nach seinem eigenen Ausspruch "le mariage ne fut pas dans ses habitudes", hatte er sich am 21. 4. 1733 in der Kirche St. Roch zu Paris mit der damals erst 17jährigen Marie Jeanne Buzeau vermählt, der am 9. 1. 1716 in der Kirche St. Nicolas des Champs zu Paris getauften Tochter des Bürgers Jean Baptiste Buzeau. Von dieser ebenso anmutigen wie liebenswürdigen Frau, die den Künstler mit 3 Kindern beschenkte, sagt Ant. Bret in seinem 1770 erschienenen "Nécrologe des hommes célèbres": - "Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß Boucher gleich Francesco Albani das Glück hatte, eine Lebensgefährtin zu finden, deren Anmut ihn immer von neuem zur Darstellung der graziösesten weiblichen Phantasiegestalten inspirierte, und daß er gleich jenem großen Bolognesen von dieser Gunst des Schicksals den glücklichsten Gebrauch zu machen wußte." - Vier Jahre nach ihrer Verheiratung saß Madame B. dem Pastellisten La Tour zu einem Porträt, und dieses feine, köstliche Bild hatte einen schönen Erfolg im Salon von 1737. Damals als B. zum ersten Male Vaterfreuden erlebte, veröffentlichte er die erste Folge seiner "Types de la rue et des cris de Paris", einer Gattung von aktuellen Genredarstellungen, auf die er auch später noch häufig gern zurückgriff. Am 24. 3. 1735 wurde dem damals in der Rue St. Thomas du Louvre wohnhaften Künstler das erste Töchterchen geboren, das die Namen Jeanne Elisabeth Victoire erhielt und vom Großvater Nicolas B. aus der Taufe gehoben wurde. Ihm folgte als einziges Söhnlein der am 4. 5. 1736 geborene Juste Nathan B., der sich später mit mäßigem Erfolg als Architekt und Kupferstecher betätigte. Das zweite Töchterchen Marie Emilie wurde am 27. 8. 1740 geboren. Auch seine Gattin war künstlerisch veranlagt. Man kennt von ihr einen bezeichneten Kupferstich mit der Darstellung zweier schlafenden Bauern. Sie überlebte ihren Gatten und wurde noch schwer geprüft durch die Mißerfolge ihres Sohnes und durch den Tod ihrer beiden Schwiegersöhne. Der eine war der wenig bedeutende Historienmaler Deshays und der andere der durch erotische Miniatur - Darstellungen bekannt gewordene Gouache-Maler P. A. Baudouin (s. d.). Nach seiner Ernennung zum "peintre du roi" mußte Boucher die Leitung der Gobelinsmanufaktur an Pierre, den Hofmaler des Duc d'Orléans, abtreten. Er starb am 30. 5. 1770 nach längerer Krankheit, erschöpft durch Arbeit und Genuß. Ein asthmatischer Anfall überraschte ihn fast bei der Arbeit an einem Gemälde "Vénus à sa toilette", das er grade vollenden wollte. Nach Grimms Bericht glich er bei seinem Tode einem Gespenste. Sein Leichnam wurde in der Kirche St. Germain l'Auxerrois beigesetzt. Roslin hatte 1761 ein Bildnis Bouchers ausgestellt, das nach dem Berichte des Abbé De La Porte äußerst ähnlich war, und im selben Jahre auch ein Porträt der Gattin Bouchers, das von demselben Autor als gut gemalt und sehr anerkennenswert gerühmt wird. Einige seltene Ausnahmen abgerechnet, signierte Boucher seit 1736 seine Arbeiten unter Weglassung des Vornamens. Ein zieml. ausführliches Verzeichnis s. Werke gibt Bellier-Auvrays "Dictionnaire général". Als Hauptgemälde des Meisters sind hervorzuheben: Aurora und Cephalus (Sopraporten für das Hôtel de Soubise, von der Pariser Gobelinsmanufaktur kürzlich zum ersten Male reproduziert). - Die chinesischen Sujets für die Gobelinsmanufaktur in Beauvais, - Die Astronomie (für das Medaillenkabinett der Bibliothèque du Roi), - Die Schmiede des Vulcan (für das Schlafzimmer des Königs im Schlosse zu Marly), - Anbetung der Könige (für die Kapelle des Schlosses Bellevue), - Sonnenaufgang und Sonnenuntergang (Teppichentwürfe, zur Ausführung durch Cozette und Audran in den "Gobelins" bestimmt), - Die vier Jahreszeiten (Puttenszenen für die Decke der Salle du Conseil im Schlosse zu Fontainebleau), - die Malereien im Familiensalon des Schlosses zu Fontainebleau, - die Grisaillen an der Decke der Chambre de la Reine im Schlosse zu Versailles, - sowie die Gemälde des Louvre-Museums. - Er ist in vielen französischen wie ausländischen Museen vertreten, insbesondere in denen zu Lille, Blois, Montpellier, Bayeux, Besançon, Angers, Bordeaux, Nimes, Chalon-sur-Saône, Toulon, Montauban, Semur, Troyes, Bourg, Caen, Nancy, Tours, Alençon, Niort, Metz (Selbstbildnis B.s), Darmstadt, Stockholm, Petersburg, Florenz, Turin etc. - Von ihn darstell. Porträts sind zu erwähnen: das Lundbergsche Pastellporträt von 1742 im Louvre, - der Kupferstich L. Cars' von 1755 nach Cochina Zeichnung, - derjenige von S. C. Miger nach dem Gemälde von Restout, - derjenige von Carmona nach Roslins Gemälde von 1761 (Kupferplatte im Besitze der Chalcographie du Louvre). - Als Kuriosität sei noch angeführt das Gemälde "Boucher présente à la Pompadour" von Edouard Gérard (Salon 1861). Von den zeitgenössischen Kritikern haben Diderot und Grimm die Werke B.s bald auf das Schärfste verurteilt, bald auf das Wärmste anerkannt. So schrieb Diderot in seinen Briefen an Grimm über die Salonausstellungen von 1761, 1765 und 1767: - "Welcher Farbenzauber, welche Vielseitigkeit, welcher Reichtum der Darstellung und der Erfindung! - Alles hat dieser Mensch, nur nicht die Wahrheit. Er lockt immer wieder, - er is ein süßes Laster." (Brief von 1761.) In einem Briefe von 1765 spricht er vor den Gemälden B.s von Nymphen, deren Grazie geradezu der Favart in "Rose et Colas" und der Deschamps entlehnt sei, während er an anderer Stelle wiederum in die Klage ausbricht: - "Ich kann von diesem Menschen nur sagen: Die Entartung des Farbengeschmackes hält bei ihm gleichen Schritt mit der Entartung der Sitten; er ist ein falscher,bon peintre', wie man ein falscher,bel esprit' sein kann." - Schließlich nach dem Tode B.s: - "Vielleicht habe ich ihm doch allzu viel Schlimmes nachgesagt!" - Nicht minder leidenschaftlich ist Grimm in der Erörterung der Vorzüge und der Fehler des Künstlers. Eines Tages beauftragte König Ludwig XV. die Maler Restout, Van Loo, Dumont, Natoire, Jeaurat, Collin, Le Clerc, Galloche, Boucher, Cazes u. Pierre mit der Lieferung von elf Historienbildern zur Ausschmückung des Schlosses Choisy. über Bouchers Gemälde äußert sich Grimm mit den Worten: - "Das vierte Bild, das von Boucher gemalt ist, stellt Jupiter dar, wie er, in einen Stier verwandelt, die auf seinem Rücken sitzende Europa zu deren Bestürzung davonträgt. Es gibt nichts eleganteres, graziöseres, sinnlich reizvolleres als diese Komposition. Nur das Kolorit ist nicht schön, da die rosa Farbentöne allzu sehr darin vorherrschen." - Ein anderes Mal sagt er bei Besprechung einer Schäferszene B.s: - "Die Schäferin ist vollendet in der Charakteristik, der Schäferknabe dagegen erscheint mir in der Zartheit seiner Züge nicht männlich genug." - Die künstlerische Eigenart B.s charakterisiert Grimm in seinem Briefwechsel mit den Worten: - - "Boucher besitzt Genie und Begabung. Seine Kompositionen wären jedoch noch mehr wert, wenn er sie gehörig studieren und durchdenken wollte. Sein Kolorit ist niemals kraftvoll und nur selten naturwahr, aber fast immer glänzend. Trefflich gelingen ihm seine Landschaftsgründe, sowohl in der reizvollen Abstimmung der Farben wie in der auf das Schöne gerichteten Auswahl der Natureffekte. . . . Er hat alle Talente, die ein Maler haben kann und reüssiert im Großen wie im Kleinen. Man macht ihm den Vorwurf, seine Köpfe seien nicht ausdrucksvoll genug, insbesondere die der Frauen mehr hübsch als schön, mehr kokett als vornehm. An Grazie kommt ihm kein Maler unserer Zeit gleich; aber er malt eben fürs Geld und damit untergräbt er sein Talent." Im Zeitalter Ludwigs XVI. und namentlich während sowie nach der großen Revolution häufig arg verlästert und fast bis zur künstlerischen Null herabgesetzt, fand er doch auch damals noch vereinzelte Bewunderer. So sagte J. L. David, der David der "Sabinerinnen", eines Tages zu einem Verächter Bouchers ironisch: "N'est pas Boucher qui veut!" Nachdem Bouchers Kunst so für lange Zeit der ärgsten Geringschätzung preisgegeben gewesen war, kam sie im Zeitalter Louis Philipps allmählich wieder zu Ehren, und zwar namentlich durch die Engländer, die um diese Zeit anfingen, bei Auktionen die Preise für seine Werke in die Höhe zu treiben. Erst damals wieder entdeckte man in Boucher den wahren Nachfolger Van Loo's und Watteaus. Die widerspruchsvollen Urteile Grimms und Diderots, Watelets und Reynolds' erscheinen dann gewissermaßen vereinigt in der beredten Ehrenrettung, die dem "peintre nourri de roses" von seiten der Gebrüder Goncourt zuteil wurde. Wenn auch Paul Mantz noch den Satz niederschreiben konnte - "Boucher n'est pas un peintre de pensée", fand doch schließlich unter anderen Gustave Kahn die richtigen Worte zu einer gerechten Würdigung des Meisters, wenn er sagt: - "Boucher ist der charakteristische Repräsentant jener glänzenden, liebenswürdigen und feingebildeten Gesellschaft, der auch ein Voltaire, ein Henault, ein Bernis, ein Marmontel als typische Vertreter angehörten: Er ist der Maler der Grazie und eines zarten und leichten, nicht nachdenklichen und nicht träumerischen Genußlebens; er sollte der Dekorationskünstler eines Zeitalters des Luxus und einer der Lieblingsmaler der Madame de Pompadour werden." Die Pompadour hat dem Meister in der Tat verschiedene Male als Modell gedient. Und es ist leicht möglich, daß er ihr bei einigen jener eigenen kleinen Künstlerarbeiten, mit denen sie sich beschäftigte, sobald ihr die Sorgen der Politik und die Pflichten der Liebe Zeit dazu übrig ließen, als Korrektor behilflich gewesen ist. Jedenfalls hat die berühmte Favoritin einige Kupferstiche nach Gemälden Bouchers ausgeführt. Ein von B. gemaltes Porträt der Pompadour, das 1757 in Paris ausgestellt war, bildete lange Zeit eines der Glanzstücke der Sammlung Duclos in Paris. übrigens hat B.s galanter Pinsel die Züge des schönen Weibes in nicht weniger als fünf oder sechs Bildnissen der Nachwelt überliefert. Bekanntlich hat er auch die Boudoirs des Hôtel de l'Arsenal, in denen die Pompadour die Besuche ihres königlichen Verehrers ernpfing, mit erotischen Malereien ausgeschmückt. Diese gingen später in die Sammlung des Marquis of Hertford über. Eine besondere Erwähnung verdient Bouchers radiertes Oeuvre, dessen Bedeutung schon aus Prosper de Baudicours "Peintre-Graveur continué" zu ersehen ist; und dabei ist die dort zusammengestellte Liste von 182 Blättern noch keineswegs vollständig. In seiner leichten, geistreichen, in der Nüancierung so gewandten Technik komponierte er unausgesetzt. Die im Kupferstichkabinett der Pariser Bibliothèque Nationale befindliche Sammlung seiner Blätter gewährt einen vollen Einblick in die erstaunliche Mannigfaltigkeit seiner graphischen Ausdrucksmittel. Man findet dort ein Bildnis Watteaus, Christusbilder, Kreuzabnahmen, Heilige, Illustrationen für das "Bréviaire de Paris", Darstellungen der Elemente, der Jahreszeiten, der Musen, der Grazien, Entführungen der Europa, Venus-Bilder, einen Olymp, Nachahmungen der Niederländer, Schäferszenen, Winzerinnen, Gärtnerinnen, Blumenverkäuferinnen, Bettlerinnen, Chinesen, die Illustrationen zu den Werken Molières, einen Dorfjahrmarkt, die "Cris de Paris", Romanillustrationen, sowie. auch ein von B. in Kupfer graviertes, ohne Jahresangabe in Paris erschienenes Skizzenbuch nach Originalzeichnungen Abraham Bloemaerts. Dazu zeichnete er noch Entwürfe zu Puppen, zu Bronzemontierungen von Vasen, zu Lichtschirmen und Wandschirmen, zu Dekorationen und Kostümen für Theaterstücke wie "La foire de St. Germain", - "Castor et Pollux", - "Titan et Aurore", - "Les Indes galantes" u. "Athys". Mit den Worten "Maler und Dekorateur" läßt sich Bouchers Talent am besten definieren. Sein bestes Können zeigte er als Dekorateur einer Wandfläche, einer Deckenfüllung, eines Türaufsatzes. Diesen hoch entwickelten Sinn für Komposition und Raumfüllung wußte er aber auch in seinen Zeichnungen und Kupferstichen und ebenso in seinen Entwürfen zu Gobelins und Theaterdekorationen aufs glänzendste zu betätigen. Seine Malereien sind nicht dazu geschaffen, in den Gängen eines Museums aufgehängt zu werden und an beliebigen Wänden, die von oben bis unten mit Bildern tapeziert sind. Sie wollen vielmehr in einer Umgebung genossen sein, die zu ihnen paßt: in einem weiträumigen, im Geschmacke ihrer Entstehungszeit ausgestatteten Salon. Erst dann kommen sie zu ihrer vollen künstlerischen Geltung, ihrer inneren Bedeutung. Boucher hatte eben sein Zeitalter richtig verstanden und ihm die entsprechenden Schmuckformen geschaffen. - Als Dekorateur ist er zugleich ein Kolorist. Selbst sein geharnischter Kritiker Diderot hat nicht ableugnen können, daß Boucher gelernt hatte, Licht und Schatten wirksam zu verteilen, freie Lokalfarben und die vermittelnden Nuancen zu einer nur ihm eigenen heiteren Harmonie zu vereinigen. Seine Technik ist sicher und graziös; er hat sie, wie alle Maler seiner Zeit, von Rubens erlernt. "Alle kommen sie von diesem Vater der modernen Malerei" - sagen die Goncourt, - "von diesem großen Pfadfinder Rubens, - Watteau wie Boucher, Boucher wie Chardin. Ein ganzes Jahrhundert lang scheint die Malerei Frankreichs keine andere Ursprungs- und Pflegestätte zu haben als die Galerie des Luxembourg-Palais mit den Bildern aus dem Leben der Maria de' Medici: Dort war ihr Gott, zu dem sie betete!" Nachdem wir die hohen Ruhmestitel der Kunst Bouchers hervorgehoben haben, dürfen wir auch seine Schwächen nicht übergehen - seinen Mangel an Ausdruck und seine Unfähigkeit, das Leben naturwahr zu sehen. Mit immer gleich bleibender Leichtigkeit und Gewandtheit malte er immer wieder dieselben Göttinnen, dieselben Nymphen, dieselben Schäfer und Schäferinnen, dieselben Amoretten u. dieselben Landschaften. Dabei besitzt er weder das melancholische Genie und die zurückhaltende Vornehmheit seines Lehrers Watteau noch die Verve und fieberhafte Leidenschaftlichkeit seines Schülers Fragonard. Auch Watteaus Feinheit der Zeichnung und der Farbenzusammenstimmung und Fragonards pastosen Auftrag hat er nicht. So spielt er zwischen diesen beiden Meistern bisweilen eine etwas vulgäre Figur. Während Boucher als Porträtist eigentlich nicht mehr zählt und in seinen Genrebildern uns nicht mehr als ein feiner und geschickter Maler ist, beginnt er durch seine Anmut zu fesseln in seinen "Fêtes champêtres" mit ihren bunt bebänderten jungen Schäferinnen und ihren Amorettenreigen, in denen der Künstler sich als ein so köstlicher Kindermaler zeigt. Aber so recht ausgeglichen und lebensvoll entfaltet sich seine Grazie in jenen mythologischen Darstellungen, die mit ihren dem Bade entsteigenden Dianen und ihren in die Werkstatt des Vulkan eintretenden Liebesgöttinnen den griechischen Olymp in die Boudoirs und Toilettengemächer des 18. Jahrh. verpflanzten. Archivalien: Arch. de l'art franç. VII (1858-60) 430. - Nouv. Arch. de l'art franç. I (1872) 60; XII (1885) Reg.; XXI (1904) Reg. - Renn. d. Soc. sav. VII 168. - Revue univers, des arts IV 120; XII 193. - Jal, Dict. crit. (1872). - Dussieux, Les art. franç. à l'étranger (1876) p. 625ff. - Eloge de Boucher etc., extr. du nécrologe des hommes célèbres (Paris 1770). - F. Engerand, Les commandes offic. de tableaux du 18eme siècle (Chron. d'art, 1896) P. 2. Monographien: Ed. u. Jules Goncourt, Boucher (Paris 1862, Neuausg. 1851). - Ch. Blanc, Les peintres des fétes galantes (Paris 1854). - I. Mantz, Fr. Boucher, Lemoyne et Natoire (Paris 1880). - E. Wattier, Fr. Boucher (Paris 1885). - A. Michel, Fr. Boucher (Paris 1886, Neuausg. 1907). - H. Jadars, La maison natale de Boucher (1893). - L. Ensuit, D'après Fr. Boucher (1890). - G. Kahn, Fr. Boucher, Coll. d. gr. artistes, Paris 1905 (auch eine deutsche Ausgabe). - Connoisseur (Extra-Nurnber), Fr. Boucher (London 1908). Einzelstudien: J. Guiffrey, Les Boucher des Gobelins in "Revue de l'art anc, et mod." 1899 p. 433ff. - Zahlreiche Notizen in "Les Arts" 1902-1906. - A. Prachoff, Les trésors d'art en Russie VI (1906) No 8.-12 p. 161, 215. - Portalis et Beraldi. Les grav. du 18eme siècle. - P. Marcel, La peint. franç. - Gonse, Les chefs d'oeuvre des musées de France. - Guil mard, Les maîtres ornemanistes. - Gaz. des B.-Arts 1880 I 70 If.; 1896 II 37 ff.; 1897 II 390ff.; 1903 I 281 ff. - R. Portalis, Les Dessinateurs d'Illustr. au 18. s. Paris 1877 p. 27 f. - J. Guiffrey et P. Marcel, Inv. gén. des dessins du Mus. du Louvre et du Mus. de Versailles. Paris 1908 II 55-63. - Musées et Monuments de France. II 1907 p. 131 f. Über Marie Jeanne B. geb. Buzeau s. Bull. des B.-Arts III 96 u. P. de Nolhac in "Le Figaro" V. 16. 11. 1907.