Courbet, Gustave (Jean-Désiré-Gustave), frz. Maler, Zeichner, sporadisch Bildhauer, *10.6.1819 Ornans, †31.12.1877 La-Tour-de-Peilz b. Vevey.
Courbet, Gustave
Einziger Sohn des Landwirts und Pachtherrn Régis C. Von den drei (urspr. vier) jüngeren Schwestern war die mittlere, Zélie, schwermütig; die ältere, Zoë, und die jüngste, Juliette, zeugen von der polit. motivierten Ablehnung bzw. der Akzeptanz seines Werks. - Die erste künstler. Ausb. erfuhr C. während der Schulzeit in Ornans/Jura durch Père Baud [Beau], einen ehem. Schüler von Jean-Antoine Gros, der ihn zu genauer Naturbeobachtung, aber auch zu einer fast kindl.-naiven Darst. der heimatl. Umgebung anhielt. Daneben beeinflußt vom romant.-realist. Dichter Max Buchon, dessen Essais poétiques (Besançon 1839) C. bereits 1838 mit Lithogr. versah; später wirkten George Sand, Charles Baudelaire, Victor Hugo, Hector Berlioz und Frédéric Chopin auf ihn ein. Auch C. selbst versuchte sich in Gedichten und Liedern; lyrische und musikal. Betätigung waren für ihn bedeutsam. Herbst 1837-1839 im Collège zu Besançon, Unterricht bei Charles-Antoine Flageoulot (1774-1840), einem David-Schüler, der an der dortigen KA lehrte. Einige Zchngn und Gem. sind aus dieser Zeit erh. Im Herbst 1839 zum Jurastudium nach Paris geschickt, teilt C. seinen Eltern den Entschluß, Maler zu werden, mit. Neben kurzer Ausb. bei Charles de Steuben und Nicolas-Auguste Hesse Besuch der Privatakademien des Père Suisse (Charles-Alexandre Suisse?) und des Père Lapin (Desprez?); auch Stud. der Alten Meister im Louvre, mit Vorliebe für venez. sowie für holl. und fläm. Kunst; u.a. scheinen Gruppenbildnisse des Bartholomäus van der Helst ihn beeindruckt zu haben (später Kopien nach Tizian, Velázquez, Rembrandt, Frans Hals). Das Problem, sich als Provinzler in Paris durchzusetzen, erzeugt starke Egozentrik, viele Selbstporträts. 1844 erstmals im Salon mit Selbstbildnis mit schwarzem Hund. Sein ansehnliches Äußeres verstand der begehrte Junggeselle in der Malerei werbend einzusetzen. Oft zeigt sich C. verkleidet (Selbstbildnis als Bildhauer; Selbstbildnis mit Ledergürtel) oder in außergewöhnl. psych. Verfassung (Selbstbildnis als Verzweifelter; Selbstbildnis als Verwundeter, jeweils zwei Fassungen; Selbstbildnis mit Pfeife). Auch verkehrte C. in Bohème-Zirkeln, z.B. in der Brasserie Andler, wo er u.a. Champfleury und Baudelaire, Duranty und Castagnary, Proudhon, Vallès und Buchon, Barye und Préault, Decamps und Daumier, Corot und Bonvin traf. 1846-47 Besuch der Niederlande und Belgiens (Reiseskizzen und Bildnis des Kunsthändlers H. J. van Wisselingh erh.); Einfluß auf Maltechnik und Kolorit in späteren Gemälden. Auch von Reisen in die Schweiz und nach Baden-Baden (dort mehrfach in Hotellisten geführt) sind im Louvre und in Priv.-Slgn Skizzen erh. Fraglich hingegen ist eine 1854 von C. selbst erwähnte Reise nach England. Die Rolle C.s während der Revolution von 1848 ist trotz der (für Baudelaires Zs. Le Salut public gestochenen) Zchng eines Fahnenträgers auf Barrikade (Paris, Mus. Carnavalet) nicht eindeutig; in Briefen bestritt C. jede Beteiligung, und anstatt 1849 am Wettb. für eine Allegorie der Republik teilzunehmen, beteiligte er sich an einem für Volkslieder. In den Jahren vor der Revolution verhielt sich C., stets mit Auswirkungen auf seine Malerei, dezidiert antiklerikal, in der Zeit der 2. Republik (1849-51) sozialist., im 2. Kaiserreich (1851-1870) polit. schwankend, zeitweilig gefördert von Innenminister Comte de Morny und vom Surintendant des BA, de Nieuwerkerke, zur Teiln. an der WA 1855 aufgefordert. - Das Gruppenbildnis Nach dem Essen in Ornans erregte 1849, im 1. nicht jurierten Salon, Aufsehen, auch bei Ingres und Delacroix; C. erhielt eine Medaille. Aber die Bilder Die Steinklopfer (ehem. Dresden, GG NM, 1945 verschollen) und Ein Begräbnis in Ornans bewirkten im Salon von 1850/51 einen Skandal. Alltägliches wird hier im Großformat mit dem Anspruch von Historienbildern vorgetragen, in denen zudem sozialkrit. Tendenzen vermutet wurden. Physiognom. Derbheit, Materialismus, Verzicht auf akad. Feinmalerei und leuchtende Farben wurden C. vorgeworfen. Zus. mit der Rückkehr der Bauern vom Markt bilden diese Gem. eine Trilogie des Realismus. Diesen Begriff wandte C. selbst, unter Einfluß der Kunstkritiker Jules-A.-F. Husson, gen. Champfleury und des befreundeten Philosophen Pierre-Joseph Proudhon, auf seine Malerei an, um damit eine neue, antiromant. Auffassung zu kennzeichnen. Alle drei Gem. behandeln die aktuellen demograph. Bewegungen zw. Stadt und Land, die C. als Regionalisten bes. beschäftigten. Durch Abkehr der Gesichter und Darst. der abgerissenen Kleidung konnten die Steinklopfer als Eintreten für die unteren Klassen verstanden werden, während im Begräbnis von Ornans (das C. später als Begräbnis der Romantik bezeichnete) die geballte Ausdruckskraft einer potentiell bedrohl. Landbevölkerung erkannt wurde, die in der Rückkehr der Bauern vom Markt als derbe, düstere Macht erscheint. Als letztes dieser bäuerl. "Historienbilder" kann man die Kornsieberinnen von 1854-55 bezeichnen, ein einfaches Arbeitsbild, das auch feminist. gedeutet wird. Vorher aber, im Salon von 1853, erreichte C. mit den Badenden und den Ringern in den Augen der Zeitgen. einen neuen Höhepunkt in der Kunst des Häßlichen; er avancierte zum meistkarikierten Künstler des 19. Jh. vor Richard Wagner. Hist. gesehen waren diese Bilder die bedeutsamste Attacke gegen die idealist. und naturalist. frz. Malerei der Zeit (Bouguereau, Meissonier, Baudry, Gérôme). Hinsichtl. der Selbstinszenierung, aber auch der Entwicklung mod. Freilichtmalerei, war die Begegnung C.s mit Alfred Bruyas (La Rencontre oder Bonjour, Monsieur Courbet) ein wichtiger Schritt. C. stellt sich hier (1854) in Anlehnung an das Image des Ewigen Juden als einen Verstoßenen, aber zugleich als überlegenen "weisen Mann" dar, der trotz der Abhängigkeit von einem reichen Bankiersohn aus Montpellier seine Unabhängigkeit zu wahren wünscht. In dem für die Pariser WA geplanten, dann mit anderen Werken in einem eigenen Pavillon 1855 gezeigten Atelier des Malers (L'Atelier du peintre, allégorie réelle déterminant une phase de sept années de ma vie artistique) verbinden sich polit. und ästhet. Aggressivität mit träumerischer Hingabe an unterschiedl. Erlebnissphären: Macht und Genuß, Liebe und Arbeit, Natur und Innenraum werden in einer bis ins 20. Jh. weiterwirkenden Form ineinander verwoben. Das Ideal der inspirierenden Muse wird aufgegeben, die Rolle des Künstlers als eines Polarisators, aber auch Vermittlers über Ingres' "Homer" hinaus aktualisiert, die Bedeutung der Lsch. ins Zentrum gerückt: für C. ist die Natur eine Instanz, welche die unterschiedl. gesellschaftl. Positionen versöhnen soll - ein immer noch romant. Gedanke. Eine Art "Wörterbuch der Ideen C.s" (Bénézit), war das Bild vom Maler selbst als Rätsel ("devinera qui pourra") bezeichnet worden. Trotz der Sonder-Ausst., einer von Bruyas finanzierten, aber öff. zugängl. Präsentationsform, die C. selbst und Manet 1867 erneut praktizierten, wurden 1855 elf weitere Werke C.s innerhalb der WA gezeigt, nur drei abgelehnt (auch 1867 waren vier Werke C.s innerhalb der offiziellen Ausst. zu sehen, dazu 137 in der Sonder-Ausst.). Von 1855 bis zum frz.-preuß. Krieg betätigte sich C. (wohl auch aus polit. Vorsicht) - teilweise auch im Ausland, so 1858 in Frankfurt, 1861 in Antwerpen, 1869 in Brüssel - v.a. als Landschaftsmaler; doch brachte er auch hier zugleich Angriffslust und das Bedürfnis nach priv. Selbstverwirklichung zum Ausdruck. In der verdeckt polit. Haltung war er mit Millet, T.Rousseau und Daumier weitgehend einig, ohne daß man den Individualisten C. einer "realistischen Schule" zurechnen kann, zumal er in diesen Jahren geradezu antirealistisch malte, auf großflächige Licht- und Schattenwirkungen, abstrahierende Fleckstrukturen und punktuelle Farbeffekte bedacht. Zu den Malern der "Schule von Barbizon", denen er seit 1841 verbunden war, nahm er gleichwohl erneut Kontakt auf. 1862-63 malte er zus. mit Monet in der Saintonge, zw. 1859 und 1869 traf er mit Boudin und Whistler an der normann. Küste zus., am häufigsten aber schilderte er verborgene Winkel in den Wäldern der Franche-Comté, in vielen Varianten z.B. den Waldbach am Puits-Noir. C.s Lsch. sind häufig als Jagd- und Tierstücke angelegt; dieses Sujet hat zwar hintergründig auch polit.-allegor. Bedeutung, spielt aber v.a. eine Rolle innerhalb der Entlastungsstrategie des Malers. C.s Natur ist selten als beruhigt oder selbstgenügsam, vielmehr oft als aktiv, prozessual, bedrohlich aufgefaßt, als Kampf auf Leben und Tod (Jagdbeute, Boston; Hirsch am Wasser, Marseille; Hirschjagd, Besançon); andererseits wollte C. Bahnhöfe mit Zielen des aufkommenden Tourismus ausmalen und begriff im Tagtraumbild der Mädchen an der Seine die Natur als Ort der Regeneration. Diese konträre vitalist. Naturkonzeption hat bei Manet, Cézanne, Gauguin und van Gogh tiefe Spuren hinterlassen. 1866 erhielt C. für das Bild Rehschlupf bei Plaisir-Fontaine eine Gold-Medaille. 1870 sollte ihm sogar das Kreuz der Ehrenlegion verliehen werden, das ihm trotz Ablehnung republikan. Kritik eintrug. Eine andere Art der träumerischen und offensiven Selbstverwirklichung fand C. in den zahlr. Frauenakten. Manche dieser Bilder stellen die Frage nach dem Ursprung des Lebens, andere mögen die Suche nach Geborgenheit in einer Mutterhöhle ausdrücken (W. Hofmann). Einige Gem. (Die Schläferinnen; Unterleib einer Frau, auch L'Origine du monde gen.), welche, öff. ausgestellt, die bürgerl. Gesellschaft provoziert hätten, fanden bei priv. Liebhabern Absatz (so bei Khalil Bey, dem türk. Gesandten in Paris). Von Mythen, Märchen oder zeitgen. Lit. angeregt, konnten C.s Frauenakte (Venus und Psyche; Jo, die schöne Irin; Drei Frauen an der Quelle; Frau mit Papagei) über den sinnlichen Reiz hinaus den Übergang vom Leben zum Tode thematisieren. Mit zunehmender Liberalisierung in den 1860er Jahren nahm C. in dem Gem. Rückkehr der Priester vom Pfarrkonvent (1863; zerstört, Skizze erh.) und in einer Reihe von Holzstich-Ill. zu den Pamphleten Les curés en goguette und La mort de Jeannot (1868) seine antiklerikalen, in Bildern wie Almosen des Bettlers von Ornans in Glasgow oder dem Obdachlosen mit der Flasche (um 1868-72, Priv.-Slg) seine sozialkrit. Themen wieder auf; auch wurde er 1864 Mitgl. der I. Internat. Arbeiterassoziation. Schon vorher (1850) hatte seine Lith. mit dem anarchist. Freiheitsapostel Jean Journet weite Verbreitung gefunden. Ausdrücklich kündigte C. an, daß weitere "sozialist." Gem. folgen sollten, eine Tendenz, die offenbar durch Wahlerfolge der Opposition verstärkt wurde. U.a. plante er für den Salon von 1868 ein Bildnis des Martin Bidouré, eines rebellischen Bauern, der 1851 hingerichtet worden war. Auch malte C. ein Bildnis des Jules Vallès, eines befreundeten anarchist. Schriftstellers. Offenbar sollte dieses polit. Engagement durch die geplante Ordensverleihung an C. gebrochen werden. 1869 hingegen wurde er in München als Bildnis-, Akt- und Landschaftsmaler gefeiert, erhielt im Glaspalast einen eig. Ausst.-Raum und wurde von Ludwig II. mit einem Orden bedacht; auch wurde die Ausmalung des Schlafzimmers des Königs durch C. in Erwägung gezogen. Während C. 1870 mit der realist. Wucht seiner Wogenbilder einen neuen Höhepunkt erreichte, brachten Bürgerkrieg und Pariser Kommune (18.3.-29.5.1871) trotz seines Engagements keine künstler. Steigerung. C. wurde zwar Président de la Fédération des Artistes und trug im Bürgerkrieg entscheidend zur Rettung des Louvre bei (Arch. du Louvre), doch fand er nicht die Ruhe zum Malen. Allenfalls schuf er Entwürfe zur Ill. von Jean Bruno, Les misères des gueux, P. 1872 (gestochen von Méaulle). Am 14.9.1870 (D.C. 70-27) sprach er sich für die Zerstörung der Vendôme-Säule aus, die als kriegverherrlichendes Mon. am 16.5.1871 gestürzt wurde. Dafür zur Verantwortung gezogen, wurde C. sechs Monate im polit. Gefängnis Sainte-Pélagie festgesetzt, 1872 vom Salon ausgeschlossen und 1873 zur Zahlung der Kosten für die Wiedererrichtung der Säule verurteilt. Hingegen hatte eine Ausst. bei Durand-Ruel 1872 großen Erfolg; eine Dauer-Ausst. wurde ihm jedoch untersagt (Paris, Arch. du préfet de police). Während der Gefangenschaft oder in Erinnerung daran entstanden zw. 1871 und 1873 sehr dichte allegorisierende Stilleben und ein Selbstbildnis im Gefängnis, bevor C. am 23.7.1873 in die Schweiz floh; sein Eigentum in Frankreich wurde konfisziert, und sein Schwager Réverdy (mit Zoë verheiratet) ergriff öff. Partei gegen den Kommunarden. Der letzte Lebensabschnitt im Exil ist durch Krankheit (Wassersucht) und durch dubiose, auch durch Geldnot verursachte, Zuarbeit minderer Malerschüler gekennzeichnet (André Slomczynski, Auguste Baud-Bauvy, François Bocion, Ernest Paul Brigot, Jean-Jean Cornu, Hector Hanoteau, Alfred Morel, Alex. Rapin), deren Bilder C. selbst dann signiert zu haben scheint, wenn er daran kaum beteiligt war; einen eig. Stil entwickelten nur seine Schüler Marcel Ordinaire und Chérubino Pata. Zudem wurden in Belgien bereits zu C.s Lebzeiten seine Bilder nachgeahmt und als Fälschungen gehandelt. Dennoch sind in den letzten Lebensjahren noch einige wichtige Portr. entstanden, v.a. das Bildnis des Vaters, der ihn Ende 1873 besuchte. Auch schuf C. bis ins letzte Lebensjahr hinein großartige Landschaftsbilder, z.B. Alpenlandschaft im Winter: Les Dents du Midi (Hamburg) oder Großes Alpenpanorama (Cleveland) sowie viele Ansichten des Genfer Sees (meist in Schweizer Museen und Priv.-Slgn), die in ihrer Verdichtung und partiell dunklen Palette als Widerspruch zum aufkommenden Impressionismus zu verstehen sind, in ihrer Patchwork-Struktur aber höchst modern wirken. - C. verwendete Erdfarben und grundierte sehr dunkel; er vertrat die von holl. und span. Meistern übernommene Auffassung, alle Farben müßten auf schwarzem Bolus angelegt sein. Dies blieb zeitlebens so, aber die Oberflächenbehandlung änderte sich. Mehr und mehr verwendete C. breite Borstenpinsel, Spachtel und Palettmesser, mit denen er die Farbe "wie ein Maurer" auftrug und wieder abschabte, so daß sie eine materielle Eigenqualität erreichte, von der u.a. van Gogh und Cézanne beeinflußt wurden. C.s Maltechnik ist ferner dadurch charakterisiert, daß in zunehmendem Maße die Figuren sorgfältig, die Umgebung aber freier wiedergegeben sind (vgl. Bildnis Gabrielle Borreau und Bildnis Proudhons im Jahre 1853); doch kommt die Überlagerung grüner, brauner, schwarzer, roter Farbflecken auch im Inkarnat vor (vgl. u.a. Bildnis Adolphe Marlet oder La Mère Grégoire). Als Zeichner war C. Autodidakt. Dennoch sind ihm, in breitflächig aufgetragener Kreide, Blätter von großer Ausdruckskraft gelungen (dazu zählen Selbstbildnisse in Cambridge/Mass. und in Hartford/Conn.), außerdem scharfsichtige Bleistift-Zchngn (z.B. das Bildnis der Juliette Courbet im Louvre). Die großen bildmäßigen Kreide-Zchngn, teilweise wie Gem. signiert, galten C. offenbar als eigenständige Kunstwerke und wurden sogar im Salon ausgestellt (seit 1848 reichte C. auch Zchngn ein). Die Bleistiftskizzen hingegen, ephemere Notizen, blieben lange im Bes. der Fam. verborgen. Drei Skizzenbücher gelangten im 20. Jh. in den Louvre; viele lose Skizzenblätter sind bis heute in Priv.-Bes. (ca. 30 Slgn). Die Zchngn in den drei Skizzenbüchern gelten (bis auf zwei Blätter) als eigenhändig; bei den in ihrer Qualität unterschiedl. Einzelskizzen ist der Anteil der eigenhändigen Zchngn kontrovers. Obwohl die Kreide-Zchngn durch eine maler. Behandlung der Oberfläche mit Wischungen gekennzeichnet sind, die Bleistiftskizzen hingegen durch unterbrochene, oft spröde Linienführung, ist in beiden Gruppen C.s Widerstand gegen ein akad. glattes Lineament deutlich. In den Skizzen zur Schweizer Reise (deren Verlauf H. Toussaint im Ausst.-Kat. Baden-Baden 1984 nachgewiesen hat) tritt die gegenständl. Kohärenz besonders klar zutage; andere Reiseskizzen zeigen, ähnlich wie C.s Landschaftsbilder, die Brüchigkeit der gegenständl. Substanz. - C. hat sich sechsmal als Bildhauer betätigt; u.a. schuf er 1862 das Gipsmodell für die lebensgroße Bronze eines Fischerknaben, im Exil das Bildnis der Marquise de Tallenay sowie die Büste einer Helvetia oder Liberté. C. wurde ungewöhnlich bek. durch sein - nicht immer klares - polit. Engagement. Dazu haben seine Manifeste und Aussprüche sowie seine kurze Autobiographie und seine Briefe beigetragen. Eindringliche, stellenweise satir. Briefe über Alltagszwänge und Geldnot, über Feste und erste Versuche in der Malerei sind aus den Jahren 1837-44 erhalten. In ihnen kommt C.s Streben zu unbeschönigter Wirklichkeitsschilderung zum Ausdruck. In einem Schreiben an Francis Wey (1850) zeichnet C. von sich das Bild eines Bohemiens: "In unserer so gesitteten Gesellschaft muß ich das Leben eines Wilden führen (...). Ich beginne in das (...) unabhängige Leben der Boheme einzutauchen." C. war ein lebensfreudiger, vitaler Mensch, doch schrieb er (1854): "Unter der lachenden Maske (...) verberge ich im Innern Kummer, Bitternis und eine Trauer, die sich wie ein Vampir an mein Herz heftet" (Chu 1996, Nr 54-7). Dies scheint sich in C.s Selbstbildnis L'Homme à la pipe zu spiegeln. Auch die 1866 brieflich verfaßte Autobiographie gibt Aufschluß über C. als Künstler inmitten einer ihm fremden Gesellschaft. Andere Briefe weisen konkret auf die Absichten, die C. mit einigen Hauptwerken verfolgte (u.a. Briefe an Wey über die Steinklopfer v. 26.11.1849 und an Champfleury über das Begräbnis von Ornans v. Febr. 1850; an letzteren über das Atelier des Malers v. Nov. 1854; an Wey über den Hirschkampf v. 20.4.1861; Chu 1996, Nrn 49-8, 50-1, 54-8, 61-6). Die (oft aphorist.) Äußerungen zur Malerei sind, wenn auch von Buchon, Champfleury, Baudelaire, Proudhon oder dem Kunstkritiker Jules-A. Castagnary beeinflußt, von hoher Bedeutung für die seit der Frz. Revolution geführte Debatte über Malerei als Ausdruck einer offensiven, aufdeckenden Darst. der Wirklichkeit, für das Ideal des unabhängigen Künstlers und für ein zugleich sozial und polit. engagiertes Verständnis von Kunst. 1849 sprach C. einen Grundsatz aus, den er später zur Grundlage des Realismus erhob. Sich an den Dir. der EcBA wendend, schrieb er an Wey: "Oui, M. Peisse, il faut encanailler l'art!" ("Ja, man muß die Kunst in die Gosse werfen", d.h. von ihrer idealen Höhe herunterholen und zu einer Sache des Alltags machen; Chu 1996, Nr 49-8). Dieser eine Satz und seine konsequente Umsetzung in die Praxis hat C. jahrzehntelang negative Kritiken eingetragen. Im Brief v. 19.11.1851 an den Herausgeber des Journal des faits (Chu 1996, Nr 51–3) formuliert C. erstmals das Ideal einer Verbindung von Sozialismus, Realismus und Individualismus: "M. Garcin nennt mich den sozialist. Maler; diese Bezeichnung akzeptiere ich gern. Ich bin aber nicht nur Sozialist, sondern auch Demokrat und Republikaner, in einem Wort, Anhänger der gesamten Revolution und überdies Realist (...)". Im Vorw. zur Sonder-Ausst. v. 1855 (untersch. Fassungen erh.) nahm C. für sich ein freies, zukunftsweisendes Verhältnis zur künstler. Trad. in Anspruch: "Ich habe ohne System und ohne Vorurteil alte und neue Kunst verarbeitet. Aus der vollen Kenntnis der Trad. (...) wollte ich das Gefühl meiner eig. Individualit ät gewinnen. Wissen um zu können, war mein Gedanke (...). Lebendige Kunst zu schaffen, das ist mein Ziel." Diese Sätze waren als Provokation gedacht und erreichten dieses Ziel. Grundsätzlicher äußerte sich C. im Précurseur d'Anvers v. 22. 8. 1861 (Riat 191 s.): "Der Kern des Realismus ist die Verneinung des Ideals (...). [Daraus] ergibt sich die volle Selbstbefreiung des Individuums (...). Der Realismus ist seinem Wesen nach demokrat. Kunst." Den Widerspruch zw. dem Glauben an den Sieg einer allg. verbindl. realist. Kunst und dem Beharren auf Unabhängigkeit hat C. nicht aufheben können. Bei der Eröffnung einer eig. Kunstschule lehnte er die Lehre rundweg ab: "da ich die Lehrbarkeit der Kunst bestreite oder behaupte, daß Kunst vollkommen individuell ist und für jeden Künstler nichts als das Ergebnis seiner eig. Eingebung und seiner eig. Verarbeitung der Tradition" (Chu 1996, Nr 61–16). So mußte C. die Schule bald wieder schließen und v.a. jede Art von administrativen Vorgaben ablehnen. 1870 schrieb er anläßl. der Zurückweisung des Ordens der Ehrenlegion: "Der Staat ist in Sachen Kunst nicht kompetent. Sobald er uns frei läßt, hat er seine Pflichten uns gegenüber erfüllt. (...) Nach meinem Tode soll man von mir sagen: Der da hat keiner Schule, keiner Kirche, keiner Institution, keiner Akademie und v.a. keinem Regime angehört als dem der Freiheit allein" (Chu 1996, Nr 70–19). Bedeutsam für C.s pazifist. Einstellung sind ferner seine offenen Briefe an das dt. Heer und an die dt. Künstler (Chu 1996, Nr 70–34; dt. in Ausst.-Kat. C. und Deutschland 1978, 378–80). C. hat im neu definierten "Historienbild", in Bildnis, Akt, Genre, Lsch. und Stilleben durch radikale Vereinfachung, durch die Materialität der Farbe, durch seine Verbindung von Selbstausdruck und Objektivität, durch seine Aufkündigung von Konventionen entscheidende Grundlagen für die weitere Entwicklung der Malerei geschaffen. Nachfolge hat C. v.a. bei Manet, Monet, Renoir und Cézanne, aber auch bei dt. Malern in Frankfurt (Lunteschütz, Scholderer, V. Müller, H. Thoma) und München (Leibl, Schuch, Trübner) gefunden. Außerdem setzte schon bei Lebzeiten eine reiche lit. Rezeption ein, die bis heute andauert. Die dt. Kunstkritik an C. begann 1851 mit den üblichen, von Bewunderung durchmischten Schmähungen, an denen sich früh A. Schopenhauer und K. Fiedler beteiligten (vgl. Ausst.-Kat. C. und Deutschland 1978, 362; Böhm 1991, I, 82 ss.). Bald überwog jedoch die Anerkennung. In Rußland (von Repin bis Soutine) galt C. neben Rembrandt als der große Klassiker der westeurop. Malerei. Apollinaire hingegen bezeichnete ihn als Vater der Moderne und hat damit einen zweiten, bis in die Gegenwart reichenden Rezeptionsstrang eröffnet, der auf die surrealen, aber auch auf die ungegenständl. Qualit äten C.s abhebt. Die Spannweite der C.-Rezeption im 20. Jh. läßt sich mit den Namen de Chirico, Picasso und Guttuso umschreiben. In der Beurteilung von C.s Figurenmalerei rücken immer stärker die nach innen gerichteten psych. Kräfte ans Licht; C.s Rȇveries, seine halbwachen Frauenbilder, aber auch seine fragilen Selbst- und Freundesbildnisse fordern zur Introspektion heraus; selbst viele seiner zw. Chaos und Idylle oszillierenden Landschaftsbilder öffnen sich diesem u.a. durch W. Hofmann, H. Toussaint und A. Sheon bedachten Aspekt. Bis heute halten sich die Beurteilung C.s als eines polit. Künstlers und als "the artists' artist" (Sedgwick) die Waage. Selten wird beides zusammengebracht, und doch besteht in dieser Einheit C.s Größe. Die Anerkennung, die C. zu Lebzeiten (oft stärker als in Frankreich) in Nachbarstaaten und den USA erfuhr (erste Ausst. in Holland 1846, in Belgien 1851, in Deutschland 1852, in England 1859, in USA 1866, in Österreich 1873, in der Schweiz 1874; schon 1859 wollten zwei Russen sämtliche Bilder seines Ateliers aufkaufen) setzte bald auf die eine, bald auf die andere Qualität. Was zudem an C. fasziniert hat, ist die in seinem Schaffen durchgehaltene Spannung zw. Zentrum und Peripherie. Den Regierenden im zentralist. System des Second Empire war C. nicht geheuer, er selbst hatte sein inneres Zentrum nicht in Paris, und doch konnte C. als bekanntester Maler Frankreichs zugleich Provinzler bleiben. Regionalismus und Internationalismus gehören gleichermaßen zum Pathos C.s; aus diesen Kräften versuchte er den Begriff der "nationalen Kunst" umzulenken in allg. verständliche, doch über Gegenständlichkeit hinauswachsende, weltweit akzeptierte Kunst.
Werkverzeichnisse (unvollständig) in: R. Fernier, La vie et l'œuvre de Gustave C.: Cat. raisonné, I/II, Lausanne/P., 1977-78 (Rez. K. Herding, Pantheon 39:1981[3]282-286); P. Courthion, L'Opera completa di C., Mi. 1985. - Gem. und Ölskizzen:
Teile des Nachlasses in Ornans, Mus. Maison Natale de Gustave C.; Paris, BN, Dép. des Estampes, Documents sur Gustave C. réunis par E. Moreau-Nélaton/G. Riat. - Briefe ebd., aber auch in zahlr. Priv.-Slgn (cf. Borel, 1951; De Micheli/Treccani, 1954; Crapo, 1991; ten-Doesschate Chu 1996). - Weitere Äußerungen C.s in: Bull. de la Soc. des Amis G.C., I, 1947 ss.; Courthion, 1948-50 (ebd. II, 25-33: Autobiographie); Herding (Ed.), 1978; id., 1988. - Archivalien über C. am Ende des Lit.-Verz.
Einzelausstellungen:
1850 Besançon, Grande salle de la Halle/Dijon, dans un estaminet / 1852 Besançon / Paris: 1855, av. Montaigne 7 (Mod. art in Paris, XXXVIII [Garland reprint, N.Y. 1981]); 1867 Pont de l'Alma (ibid.); 1882 EcBA (ibid.); 1906 Salon d'Automne: Retr.; 1909 Gal. Bernheim / 1910 Venedig, C., Espos. Internaz. della Città di Venezia / 1919 Paris, Gal. G.Petit / 1919 New York, Metrop. Mus. / 1929 Paris, Petit Pal. / 1930 Berlin, Gal. Wertheim / 1935-36 Zürich, Kunsthaus / 1937 Paris, Gal. P. Rosenberg / 1938 Baltimore, AM / 1948-49 New York, Wildenstein Gall. / 1949 Kopenhagen, Statens Mus. / 1953 London, Marlborough Gall. / 1954 Venedig: Bienn. / 1955 Paris, Petit Pal. / 1956-57 Providence, Rhode Island, School of Design / 1959-60 Philadelphia, Mus. of Art/Boston, Mus. of FA / 1962 Bern, KM / 1966 Paris, Gal. Aubry: C. dans les coll. priv. franç. / 1969-70 Rom, Villa Medici/Mailand, Pal. Reale / 1973 Paris, Louvre: Autoportraits de C. / 1975 Paris, Gal. Daber / 1977 Ornans, Mus. C.: Hommage à C. / 1977-78 Paris, Grand Pal. (Rez. W.Hofmann, Kunstchronik 31:1978, 12-27; L. Nochlin u.a., Hist. et critique des arts 4-5:1978, 123-138) / 1978 London (Rez. T.W. Gaehtgens, Pantheon 36:1978, 172 s.; BurlMag 120:1978, 170-74) / 1978 London, RA / 1978/79 Hamburg, KH/Frankfurt am Main, Städel: C. und Deutschland (K: K.Herding, W.Hofmann, M.Nungesser, S.Pohl, E.Ruhmer, E.Schaar, K.P.Schuster, M.Stuffmann; Rez. Th.W. Gaehtgens, Pantheon 37:1979, 200-203; P.Winter, Kunstwerk 31:1978[6]66, 81) / 1979 Ornans, Mus. C.: Hommage au paysage comtois peint par G.C. et rephotographié par L. Clergue / 1981 ebd.: Ornans à l'Enterrement / 1982 ebd.: Dessins, destins, G.C./G. Courtois / 1982 La Tour-de-Peilz, Château: C. et la Suisse, bearbeitet v. P. Chessex (Rez. W. Hauptman, BurlMag 124:1982, 577) / 1984 Baden-Baden, KH/Zürich, Kunsthaus: Les voyages secrets de Monsieur Courbet. Unbek. Reiseskizzen aus Baden, Spa und Biarritz (Rez. M.Bleyl, Pantheon 42:1984, 161 s.) / 1985 Montpellier, Mus. Fabre: C. à Montpellier / 1988 Ornans, Mus. C.: Chérubino Pata 1827-99. Le vrai Faux-C. / 1988 Mailand, Compagnia del disegno: G.C. nelle raccolte private / 1988-89 Turin: C. e l'informale / 1988-89 New York, Brooklyn Mus./Minneapolis, Inst. of Arts: C. Reconsidered (Rez. K.Herding, BurlMag 131:1989, 244-246; M. Sharp Young, Apollo 1989, 293-285) / 1991 Ornans, Mus. C.: "Les yeux les plus secrets" / 1996 ebd.: C., l'amour. -
Gruppenausstellungen:
1844-46, 1848-53, '57, '61, '63, '65, '66, 1868-70 Paris, Salon du Louvre / 1846 Amsterdam: Levende meesters / 1851 Brüssel: Expos. gén. des BA / 1855 Paris: WA / 1856 London, Crystal Pal. / 1856 Brüssel, Expos. gén. des BA / 1859 London, French Gall. / 1862, '63 Bordeaux, Soc. des BA / 1862 London: WA / 1865 Gent, Salon / 1866 Amsterdam, Arti et Amicitiae / 1866 Boston, Allston Club / 1866 Brüssel, Expos. gén. des BA / 1867 Paris: WA; 1868-71 Boston, Athenaeum / 1868 Gent, Salon / 1869 Brüssel, Expos. gén. des BA / 1869 München, Glaspalast: Internat. Kunst-Ausst. / 1870 Antwerpen, Salon / 1871 London: WA / 1871-72 Boston, French Exhib. / 1873 Wien: Ausst. des Österr. KV / 1874 Lausanne, Expos. du Mus. Arlaud / 1876 Genf, Inst. Nat. / 1877 Brüssel, Cercle artist. / 1878 Paris, Gal. Durand-Ruel: Maîtres mod. / 1889 Paris: Expos. centennale de l'art franç. / 1898 New York, Union League Club: Old masters and mod. paint. / 1911 St. Petersburg: Frz. Kunst / 1912 Düsseldorf, KH: Slg von Nemes / 1914, '28 Kopenhagen: Fransk Malerkunst fra det 19nde aarhundrede / 1917 Barcelona: Arte francès / 1917 Zürich: Frz. Kunst des 19. und 20. Jh. / 1918 Genf: Expos. d'art franç. / 1921 New York, Metrop. Mus.: Impressionist and Post-Impressionist paint. / 1922 London, Burlington FA Club: Pictures, drawings, and sculpt. of the French school etc. / 1928 Oslo: Fransk Malerkunst fra David til C. / 1932 London, RA: Exhib. of French art / 1933 New York, Harriman Gall.: C. and Delacroix / 1935 London, Wildenstein Gall.: 19th c. masterpieces / 1936 Cleveland: Great Lake Exhib. / 1942 New York, Rosenberg Gall.: Corot to Van Gogh / 1946-47 Toledo/Toronto: Spirits of mod. France / 1950 Detroit, Inst. of Arts: David to C. / 1950 Köln, KV: Wilhelm Leibl und Gustave C. / 1954 Buffalo, Albright Art Gall.: Painters' painters / 1957 Annecy, Pal. de l'Isle: La neige et les peintres / 1958 München, NP: Aufbruch zur mod. Kunst / 1962-63 New York, Brooklyn Mus.: The Louis I. Stern coll. / 1966 New York, Wildenstein Gall.: Romantics and realists / 1967-68 New York, Brooklyn Mus. u.a.: Triumph of realism / 1969 Minneapolis, Inst. of Art: French painting 1800-1900 / 1974 Bordeaux: Naissance de l'Impressionnisme / 1976-77 Tokio u.a.: Millet, Corot, C. et l'école de Barbizon / 1979 London, Artemis group: Corot and C. / 1981 Cleveland, Mus. of Art: The realist trad.: French paint. and drawing, 1830-1900 / 1982 Tokio, Gal. Tobu: Millet, Corot, C., école de Barbizon / 1996 München, BSGS: Corot, C. und die Maler von Barbizon (Rez. C.Harrison, BurlMag 138:1996, 275-277; G.Ehret, Weltkunst 66:1996, 526); 1996-97 Paris, Orsay: De l'Impressionnisme à l'Art Nouveau. Acquisitions 1990-1996; 1997-98 ebd.: La Coll. Havemeyer / 2021-22 Hamburg, KH: Futura (K).
Thieme-Becker, Vollmer und AKL:
ThB7, 1912 (Lit.). Kindler, ML I, 1964; Bénézit III, 1976; DA VIII, 1996. - Zu Lebzeiten C.s verfaßte Kritiken: M.Buchon, Le Peuple v. 7.6.1850; P. de Chennevières, Lettres sur l'art franç. en 1850, Argentan 1851; F.Sabatier-Ungher, Salon de 1851, P. 1851; E.J. Delécluze, Expos. des artistes vivants, P. 1851; L.Peisse, Le Constitutionnel v. 8.1. und 20.4.1851; T.de Banville, Le Pouvoir v. 9.1.1851; M.Buchon, L'Impartial de 1849 v. 17.1.1851; T.Gautier, La Presse v. 5., 6., 14. und 15.2., 8.4.1851; P.Mantz, L'Evénement v. 15.2.1851; A.de Montaiglon, Le Théâtre v. 15.2.1851; Champfleury, Messager de l'assemblée v. 24.-26.2.1851; C.de Ris, Artiste v. 1.3.1851; J.Hübner, Dt. Kunstblatt v. 3.1.1852; Nadar (F. Tournachon), Nadar au Salon de 1853; C. de Ris, Artiste v. 1.6.1853; T.Gautier, La Presse v. 21.7.1853; E.About, Voyage à travers l'exp. des BA, P. 1855; C.Baudelaire, Le Portefeuille v. 12.8.1855 (auch in: Œuvres complètes, ed. C. Pichois, P. 1976, II, 585-586; weiteres ibid., 57-59, 737); J.Champfleury, Artiste v. 2.9.1855; C.Perrier, ibid. v. 15.10.1855; M.Buchon, Recueil de dissertations sur le réalisme, Neuchâtel 1856; T.Silvestre, Hist. des artistes vivants, P. 1856; id., Les artistes franç., P. 1861; M.Guichard, Les doctrines de M. G.C., maître peintre, P. 1862; J.-A. Castagnary, Les libres propos, P. 1864, 174-201; E.Chesneau, L'art et les artistes mod., P. 1864; P.-J. Proudhon, Du principe de l'art et de sa destination sociale, P. 1865 (dt. kommentierte Ausg.: ed. K. Herding, B. 1988); E.Zola, Mes haines, P. 1866 (kommentierte Ausg. in: G.Picon/J.-P. Bouillon, Emile Zola: Le bon combat. De C. aux impressionnistes, P. 1974); R.Brunesœur, Mus. contemp.: G.C., P. 1866; T.Duret, Les peintres franç. en 1867, P. 1867; M. Du Camp, Les BA à l'Expos. universelle et aux salons, P. 1867; F.Pecht, Kunst und Kunstindustrie auf der WA von 1867, L. 21867; J.Meyer, Gesch. der mod. frz. Malerei seit 1789 ..., L. 1867; C.Lemonnier, C. et son œuvre, Br. 1868; T.Thoré, Salons de W. Bürger, 1861-68, I-II, P. 1870; J.Champfleury, Souvenirs et portr. de jeunesse, P. 1872 (weiteres in: Champfleury, Le réalisme, ed. G. und J.Lacambre, P. 1973; id./id., Champfleury. Son regard et celui de Baudelaire. Textes [...] accompagnés de 'L'amitié de Baudelaire et de Champfleury' par C.Pichois, P. 1990; Champfleury/G.Sand, Du réalisme. Correspondance, ed. L.Abélès, P. 1991); C.von Lützow, ZBK 1870, 124 s.; E.Bergerat, Sauvons C., P. 1871. - Allgemeine Literatur: P.Mantz, GBA 17:1878, 514-527; 18:1878, 17-29, 371-384; J.-A. Castagnary, G.C. et la colonne Vendôme: Plaidoyer pour un ami mort, P. 1883; id., Salons (1857-1870), I-II, P. 1892; G.Riat, G.C. peintre, P. 1906; J.Castagnary, GBA, 2e sér., 5:1911, 5-20; 6:1912, 488-497; 7:1912, 19-30; J.Meier-Graefe, C., M. 1921; G.de Chirico, C., R. 1928; C.Léger, C., P. 1929; G.Boas, C. and the naturalistic movement, Baltimore 1938; M.Schapiro, JWarburg 4:1941, 164-191 (Reprint of selected papers, N.Y. 1978, 46-85); K.Berger, GBA, 6e sér., 24:1943, 19-40; C. Léger, C. et son temps, P. 1948; G.Mack, G.C., Lo. 1951; P.MacOrlan, C., P. 1951; P.Borel (Ed.), Lettres de G.C. à Alfred Bruyas, Genève 1951; M.De Micheli/E.Treccani (Ed.), Lettere e scritti di G.C., Mi. 1954; J.P. Sedgwick, Art news 58:1960, 40-44, 65-66; L.Nochlin (Ed.), Realism and trad. in art 1848-1900, Englewood Cliffs, N.J. 1966; R.Fernier, G.C., P. 1969; L.Dittmann, C. und die Theorie des Realismus, in: Beitr. zur Theorie der Künste im 19. Jh., I, Ffm. 1971, 215-239; A.Fermigier, C., Genève 1971; L.Nochlin, Realism, Harmondsworth 1971; ead., ArtQu 34:1971(1)31-54; R.Bonniot, G.C. en Saintonge, P. 1973 (2. erweiterte Aufl. Cozes 1986); T.J. Clark, Images of the people. G.C. and the 1848 Revolution, Lo. 1973; Pr. 21982; id., The absolute bourgeois. Artists and politics in France 1848-1851, Lo. 1973 (dt.: Reinbek 1981); J.Lindsay, G.C. His life and art, N.Y. 1973; R.Walter, GBA 81:1973, 173-184; P. ten-Doesschate Chu, Dutch paint. and French realism, Utrecht 1975; K.Herding, Städel-Jb. 5:1975, 159-199; L.Nochlin, G.C., a study of style and society, N.Y. 1976; P. ten-Doesschate Chu (Ed.), C. in perspective, Englewood Cliffs, N.J. 1977; B.Foucart, G.C., P. 1977; J.Adhémar, GBA 90:1977, 200-204; K.Herding, Kunstchronik 30:1977, 438-456, 486-496; R.Jullian, C. et la Hollande, in: Kaleidoskop. Festschr. für Fritz Baumgart, B. 1977, 202-217; M.Brötje, Jb. der Hamburger KS 23:1978, 75-106; E.Schaar, in: C. und Deutschland (Ausst.-Kat.), 1978, 523-557; W.Hofmann, ibid., 589-613; K.Herding, ibid., 477-492; Realismus als Widerspruch, ed. K.Herding, Ffm. 1978 (Rez.: M. Eberle, Krit. Ber. 7:1979[4-5]89-92; 2., verbesserte Aufl., Ffm. 1984); L.Nochlin, ibid., 248-262; J.-L. Mayaud, Les paysans du Doubs au temps de C., P. 1979; K.Gallwitz/K. Herding (Ed.), Malerei und Theorie. Das C.-Colloquium 1979, Ffm. 1980; J.H. Rubin, Realism and social vision in C. and Proudhon, Pr. 1980 (Rez.: K.Herding, ArtB 66:1984[3]533-535); A.Callen, C., Lo. 1980; P. ten-Doesschate Chu, ArtsMag 55:1980, 134-141; S.Z. Levine, ibid., 67-69; G.Boudaille, G.C., P. 1981; H.Toussaint, BSHAF 1981, 233-244; H.Bessis, GBA 98:1981, 115-126; A.M. Wagner, Art hist. 4:1981, 410-431; K.Herding, in: Zeichen und Realität, ed. K.Oehler, Tb. 1984, I, 83-113; N.Aradi, G.C., Bp. 1985; K.Herding, Pantheon 44:1986, 75-86; P.Mainardi, Art and politics of the Second Empire. The universal exhib. of 1855 and 1867, New Haven/Lo. 1987; K.Herding, in: Kunst. Die Geschichte ihrer Funktionen, ed. W. Busch, B. 1987; 21997, 730-764, 805; id., in: Kunst um 1800 und die Folgen. W. Hofmann zu Ehren, M. 1988, 233-243; J.-J. Fernier/J.-L. Mayaud/P. Le Nouëne, C. et Ornans, P. 1989; J.House, AiA 77:1989(5)160-173, 215; M.Fried, C.s realism, Chicago/Lo. 1990 (Rez.: K.Herding, BurlMag 133:1991, 722-724); J.Borrell, L'artiste-roi. Essais sur les représentations, P. 1990; M.Pleynet, Les modernes et la trad., P. 1990; M.Robinson, C.s hunt scenes. The end of a trad., Providence 1990; P.B. Crapo, Proceedings of the annual meeting of the Western Soc. for French Hist. 17:1990, 319-329; id., Art hist. 14:1991, 67-91; P.B. Crapo, GBA 117:1991, 147-160; K.Fiedler, Schriften zur Kunst, ed. G.Boehm, I-II, M. 1991; K.Herding, C., To venture independence, New Haven/Lo. 1991 (vereint zahlr. C.-Beiträge des Autors; Rez.: C.Harrison, ArtB 74:1992[2]341-344; S.Faunce, BurlMag 135:1993, 225 s.); P.Mainardi, GBA 118:1991, 253-266; S.Faunce, G.C., N.Y. 1993; A.Sheon, in: L'âme au corps (K Orsay), P. 1993, 280-299; N. McWilliam, Dreams of happiness. Social art and the French left, 1830-50, Pr. 1993; P. ten-Doesschate Chu, Correspondance de C., P. 1996; J.M. Przyblyski, ArtJ 1996, 28-37; J.H. Rubin, C., Lo. 1997 (Rez. K.Herding, Kunstchronk 52:1998, 539-543); O.Bätschmann, Ausstellungskünstler, Köln 1997; G.Metken, G.C. Der Ursprung der Welt. Ein Lust-Stück, M. 1997; P. ten-Doesschate Chu, The most arrogant man in France. G.C. and the 19th c. media culture, Pr. 1999. - Rezeption in Kunstkritik und Karikatur: C.Léger, C. selon les caricatures et les images, P. 1920; J.-P. Sanchez, Hist. et critique des arts 4-5:1978, 76-83; K.Herding, in: Realismus als Widerspruch, Ffm. 1978, 12-20; L.Nochlin, October 22:1982, 65-77; W.Drost, in: Art social und art industriel, ed. H.Pfeiffer u.a., M. 1987, 344-358; T.Chabanne (Ed.), Les salons caricaturaux (K Orsay), P. 1990. - Beziehungen zu Zeitgen.: Baudelaire: A. Bowness, GBA, 6e sér., 119:1977, 189-199; H.MacPherson, ibid. 127:1996, 95-106. - Corot: J. Meier-Graefe, Corot und C., L. 1905. - Leibl: B.Röhrl, GBA 127:1996, 95-106. - Manet: T.Reff, Arts 54:1980, 98-103. - Marées: W.Hofmann, Rev. de l'art 45:1979, 31-36. - Proudhon: A.Bowness, BurlMag 120:1978, 123-128; K.Herding, in: Malerei und Theorie. Das C.-Kolloquium, Ffm. 1980, 153-173. - G.Sand: M.Haddad, BSHAF 1989, 159-167. - Zu einzelnen Gemälden: Nach dem Essen in Ornans: W.Hauptman, GBA 105:1985, 117-121. - Ein Begräbnis in Ornans: L.Nochlin, in: Essays in honor of W. Friedlaender, N. Y. 1965, 119-126; T.J. Clark, BurlMag 111:1969, 208-212, 286-290; J.C. McCarthy, ArtJ 35:1975/76, 12-16; F.Gaillard, Rev. d'hist. litt. de la France 6:1980, 978-998; J.-L. Ferrier, C. Un enterrement à Ornans, P. 1980; J.-L. Mayaud, in: Ornans à l'Enterrement (K), [Ornans] 1981, 40-76; Y.Korshak, Pantheon 40:1982, 275-281; M.Fried, Crit. inquiry 9:1983, 635-683; N. MacWilliam, BurlMag 125:1983, 155 s.; C.R. Mainzer, in: C. reconsidered (K), Brooklyn 1988, 77-81; F.Zelger, Georges-Bloch-Jb. 5:1998, 5-15. - Die Dorfmädchen: D.Lesko, ArtJ 1978-79, 171-177; P.Mainardi, ArtsMag 53:1979, 95-102. - Die Badenden: B.Farwell, in: T.Hess/L.Nochlin (Ed.), Woman as sex objects. Studies in erotic art, 1730-1970, N.Y. 1972, 65-79. - Die Ringer: K.Herding, Jb. der Hamburger KS 22:1977, 137-174; M.Pointon, GBA 92:1978, 131-140. - Die schlafende Spinnerin: W.Hofmann, in: Realismus als Widerspruch, Ffm. 1978, 212-222. - Die Begegnung: L.Nochlin, ArtB 49:1967, 209-222. - Das Atelier des Malers: R. Huyghe/G.Bazin/H.Adhémar, C. L'atelier du peintre, allégorie réelle, P. 1944; M.Winner, JbBerlMus 4:1962, 151-185; B.Nicolson, C. The studio of the painter, N.Y. 1973; A.Seltzer, Artforum 16:1977, 44-50; K.Herding, in: Realismus als Widerspruch, Ffm. 1978, 223-247; M.Fried, AiA 69:1981(7)127-133, 168-173; id., in: S.J. Greenblatt (Ed.), Allegory and representation, Baltimore/Lo. 1981, 94-127; W.Hofmann, in: Ars auro prior. Stud. Ioanni Bialostocki sexagenario dicata, War. 1981, 655-662; J.F. Moffitt, Artibus et historiae 15:1987, 183-193; H.Toussaint/L.Faillant-Dumas, Le dossier de "L'Atelier" de C., P. 1990; G.Winter, Pantheon 48:1990, 135-143. - La Mère Grégoire: R.L. Herbert, Mus. stud. 13:1987-88, 24-35. - Die Kornsieberinnen: L.Nochlin, in: Malerei und Theorie. Das C.-Kolloquium, Ffm. 1980, 49-73. - Die Jagdbeute: M.Fried, C.s metaphysics. A reading of the quarry, in: T.C. Heller u.a. (Ed.), Reconstructing individualism, Stanford 1986, 75-105. - L'origine du monde: F.Haskell, Oxford Art J. 5:1982(1)40-47; L.Nochlin, October 37:1986, 76-86; B.Teyssèdre, Le roman de l'origine, P. 1996. - Die Schlafenden: D.M. Kosinski, Artibus et historiae 18:1988, 187-199. - Die Dame mit dem Papagei: A.Stoll, Nachwort zu: G.Flaubert, Drei Erzählungen, Ffm. 1982, 324-348; N.Salomon, C.s Woman with a parrot and the problem of realism, in: Tribute to Lotte Brand Philip, N.Y. 1985, 144-154. - Venus und Psyche: P. ten-Doesschate Chu, ArtJ 1992, 38-44. - Zeichnung: L.Aragon, L'exemple de C., P. 1952 (dt.: D. 1956); P. ten-Doesschate-Chu, Master drawings 12:1974, 390-392; 22:1984, 455-461; K.Herding, Les voyages secrets de M. C. (K), Baden-Baden 1984, 11-56, 158-321; H.Toussaint, ibid., 59-74; K.Herding, Pantheon 42:1984(4)369-371; id., Master drawings 23-24:1985/86, 257-263. - Bildhauerei: P.Chessex, Unsere KD 35:1984, 66-73. - Archivalien: Paris, Arch. du Louvre: Procès-verbaux des juries d'admission aux salons, documentation des salons, Commune; Arch. nat.: Justice, BB 18, BB 30; Assemblée nat. C 944-967; Elections F1 C III; Police gén. F 7.12238; Presse F 18.262; Beaux-Arts F 21, cf. Clark, 1973, 193. Besançon: Arch. Dép. du Doubs, sér. M, 1849-51; R.Unruh, Kunstforum Internat. 280:2022(März-April)246-248.
Courbet, Gustave, Maler, geb. 10. 6. 1819 zu Ornans (Doubs) bei Besançon als ältester Sohn eines Großbauern, † am 31. 12. 1877 in La Tour de Peilz bei Vevey, erhielt im Atelier von Flageoulot, einem unbedeutenden David - Schüler, den ersten Zeichenunterricht, kam 1839 nach Paris und studierte dort kurze Zeit unter Steuben und Hesse. Seinen Lehrern, die er später ganz verleugnete, verdankte er nichts. Er nannte sich "éléve de la nature" und bildete sich autodidaktisch. Mit dem natürlichen Pathos einer ungezügelten Wildheit trat er in die Pariser Kunstarena, äußerte von früh auf ein außergewöhnl. Selbstgefühl, ein auffallendes Kraftbewußtsein, gebärdete sich in naivem Idealismus als Kunsttheoretiker, Politiker und Philosoph, wollte die Gesellschaft reformieren, machte sich die Ideen seines um zehn Jahre älteren Landsmannes Proudhon. die seiner vulkanischen Natur den Weg zur Freiheit zu weisen schienen, zu eigen, baute auch auf ihnen seine Kunsttheorien auf. Um 1840 trieb er sozialistische Propaganda. Die Bilder seiner Frühzeit sind Selbstentäußerungen von Erlebnissen und Eindrücken aus dem Leben. 1842 entwarf er eine Apotheose des Sozialismus. Der großstädtische Lorettenbetrieb lieg ihn bacchisch und zynisch zugleich auflachen; das immorale Bild "Loth und seine Tochter" ist ein Dokument dieses Empfindens. "Une odalisque", "L'homme délivré de l'amour par la mort" sind Stationen seines Liebeslebens. Wenn er auch in den folgenden Jahrzehnten noch weiterhin als demokratischer Propagandist sich hervortat, seiner Kunst sozialistische Tendenzen unterlegte und durch unvergleichlichen Freimut, schrankenlose Rücksichtslosigkeit und derbe Offenheit sich mehrfach in Hader mit Gesellschaft und Regierung verwickelte, so darf man darin nichts anderes sehen als Äußerungen eines kraftstrotzenden Idealisten, der die Gesetze seines organischen Lebensgefühls der Welt aufprägen wollte. Aus der intensiven Betrachtung der lebendigen Umwelt wurde er zu einem Menschen, in dem Physis und Psyche ins klarste Gleichgewicht gelangten, der sicher und fest im Diesseits stand, der sich mit Stimme, Ellbogen und seinen Händen den Weg durchs Leben bahnte. Aber seine starke und unbeugsame Persönlichkeit verstörte und erschreckte die Menschen häufiger, als sie sie gewann. Der Wortschwall seiner oft kindlich formulierten Tendenzen, die die Kunstgeschichte im einzelnen übergehen darf, machte ihn häufig lächerlich. Während er immer größer und kräftiger in die realistischen Kunstideen hineinwuchs, suchte er jahrelang vergeblich die Aufnahme im Salon. 1844 wurden "L'homme blessé" sowie einige Landschaften wiederum von der Jury zurückgewiesen, dafür "Courbet au chien noir" (gem. 1842) im gleichen Jahre angenommen. Diesem Debüt folgten 1845 im Salon "Rêve de jeune fille" und "Le Guitarrero". 1847 wurde er wiederum zurückgewiesen. 1849 erzielte er mit "L'après-diner à Ornans", "L'homme à la ceinture de cuir", "Baigneuse endormie", "Portrait de Trapadoux", "Portrait de l'auteur", "Etude des Vénitiens" (gem. 1845) einen Aufsehen erregenden Erfolg und wurde mit der zweiten Medaille ausgezeichnet. Im folgenden Jahre wurden seine sechs Bilder Gegenstand der heftigsten Diskussionen: "L'enterrement à Ornans", "L'homme à la pipe" (1847 refüsiert), "Les Paysans de Flagey", "Les Casseurs de pierres", Bildnisse von Berlioz und Jean Journet. Das Begräbnis von Ornans besonders wirkte durch Wahl und Auffassung des Motivs, durch sein Format und die breite, realistische Derbheit wie die Offenbarung eines ganz neuen Kunstwollens. Während im folgenden Jahre "Les Demoiselles de Village", die drei Schwestern C. (in amerik. Privatbesitz) zurückgewiesen wurden, zeigte er vier Bilder des Vorjahres in einer Privatausstellung in Besançon, zu der er auf Riesenplakaten an den Mauern der Stadt einlud. 1853 entfesselten "Les Lutteurs", "La Fileuse", "Les Baigneuses" im Salon einen neuen Sturm. Nur ein kleiner Teil der Pariser Kunstwelt jubelte ihm damals schon zu. Breitere Wirkung erzielte er in Frankfurt und München, wohin er nach Schluß der Ausstellung mit den besten seiner Bilder reiste. Da die Pariser Sammler sich C. gegenüber ablehnend verhielten, war C. gezwungen, die Unterstützung des Kunstmäzens Brujas aus Montpellier anzunehmen und arbeitete dort. Nach Paris zurückgekehrt, sah er sich wiederum vom Salon ausgeschlossen. Daher erbaute er sich während der Weltausstellung von 1855 an der Avenue de Montaigne einen eigenen Pavillon, der unter dem Giebel die Inschrift trug: "Le Réalisme. G. Courbet. Exhibition de 40 tableaux de son oeuvre". Unter diesen Bildern erregte das Kolossalgemälde "Allégorie réelle, Intérieur de mon atelier, déterminant une phase de sept années de ma vie artistique" (Sig. Desfossés) mit den Porträts mehrerer Freunde das größte Aufsehen. Aber weder dieses Bild noch: "La Rencontre: Bonjour Monsieur Courbet", "La Roche de dix heures", "Le Château d'Ornans", "Le Ruisseau du puits noir", "Dame espagnole", Bildnisse von Baudelaire und Champfleury etc. machten ihm diese Sonderausstellung rentabel, wenn er auch erreicht hatte, daß sein Name in aller Munde war und einige Bilder verkauft wurden. Er lebte in fortgesetztem Kampf, zerriß freundschaftliche Bande, beschimpfte die Regierung, verhöhnte die Jury und propagandierte für die Demokratie. Trotzdem ließ ihn die Jury 1857 wieder zu. Seine Bilder: "Marie Crocq", "Les Demoiselles de la Seine", "La Biche forcée à la neige" (Comte DouvilleMaillefeu), "La curée du Chevreuil" (Boston) mehrten -von neuem seinen Ruhm. Ende 1858 ging er zum zweiten Male nach Deutschland und erlegte am Altjahrstag im Spessart einen zwölfendigen Hirsch, um den ihn ganz Deutschland, besonders auch der Großherzog von Hessen, beneidete. In Darmstadt und Frankfurt wurde C. damals als Jäger und Maler außerordentlich gefeiert. Aus den Jahren 1857-61 stammen die meisten Jagdbilder C.s u. a. auch "Le Combat des Cerfs" (Louvre), das er in Frankfurt malte, und das 1861 im Salon erschien und darauf in Antwerpen ausgestellt wurde. Auf seinen Reisen durch Deutschland kam C. bis Hamburg, wo er wie in anderen Städten im zoologischen Garten Studien machte. Die Jagdbilder, Darstellungen von wilden Enten u. dgl. befestigten seinen künstlerischen Ruf auch im großen Publikum. Gegen 1862 versteifte C. sich in antiklerikale Tendenzen, die ihm neue Schwierigkeiten im mondänen Paris bereiteten. Das große satirische Gemälde dieser Episode "Le Retour de la Conférence" wurde vom Salon 1863 zurückgewiesen, wanderte durch mehrere Kunstausstellungen Europas und ist in den siebziger Jahren verbrannt (eine Replik in der Slg Saint, Paris). 1864 wurde C. mit seiner Allegorie "Venus poursuivant Psyché de sa jalousie" nicht rechtzeitig fertig und sandte daher dieses Bild (Sig. Lepel-Cointet, Paris) auf die Brüsseler Ausstellung. 1865 stellte er im Pariser Salon "Proudhon et sa famille" aus. 1848 war er mit Proudhon persönlich in Berührung gekommen, hatte 1853 dieses Familienbildnis begonnen, aber es infolge seiner Entzweiung mit ihm erst nach dessen Tode beendet. 1866 erzielte er mit "La remise des Chevreuils" und "La Femme au Perroquet" (Lyon: Bordet), die drei Jahre später in München seinen Ruhm verbreiteten, im Salon großen Erfolg. 1867 ließ er sich wiederum ein eigenes Ausstellungsgebäude am Pont de l'Alma errichten, in dem er 120 Werke seiner Hand unterbrachte; darunter "La belle Irlandaise" (New York). In diesem und den folgenden Jahren hielt C. sich mehrfach in der Normandie auf. Aus dieser Zeit stammen mehrere Marinen und die verschiedenen Repliken von "La Vogue". 1868 veranstaltete er eine zweite Sonderausstellung in Besançon. 1869 wurde C. im Münchener Glaspalast ein eigner Saal zugebilligt. Er selbst wurde von der dortigen Künstlerschaft enthusiastisch gefeiert, kopierte in der Pinakothek Hals und Rembrandt, malte "La Femme nue de Munich" (Prince de Wagram, Paris), die er 1870 den Parisern in einer Privatausstellung zeigte. Während des Krieges verleitete ihn sein politisches Draufgängertum als Präsident der zur Wahrung der Museumsschätze eingesetzten Kommission am 14. 9. 1870 zu dem Vorschlag, die Vendôme-Säule als ein künstlerisch wertloses und unwürdiges Denkmal niederzureißen. Am 18. 5. 1871 wurde sein Vorschlag ausgeführt. Nach der Niederlage der Commune wurde C. zu sechsmonatiger Gefängnisstrafe verurteilt. Nach seiner Befreiung reiste er 1872 noch einmal über München nach Wien. Seine Freunde Whistler, Henner, Puvis de Chavannes und andere konnten vor allem gegen Meissonier nicht durchsetzen, daß Bilder von ihm wieder in den Salon aufgenommen wurden. Als er 1875 auch noch zum Ersatz der Kosten für die Wiederaufrichtung der Vendôme-Säule (323 091 Frcs.) verurteilt wurde, floh er in. die Schweiz, malte Schweizer Landschaften und modellierte eine Büste: "La République Helvétique", die er der Schweiz schenkte, u. die sich jetzt in La Tour de Peilz befindet, wo C. 1877 starb. Allmählich beruhigten sich die Wogen der Empörung über C.s Frevel an einem Nationaldenkmal. 1882 veranstaltete Castagnary in der Ecole des Beaux-Arts zu Paris eine Courbet-Gedächtnisausstellung. 1889 nahm C. in der retrospektiven Abteilung der Weltausstellung einen breiten Raum ein, ebenso 1900 auf der Centenale. 1905 veranstaltete der Herbstsalon in Paris eine Courbet-Gedächtnisausstellung. Seit 1900 haben die Pariser Kunstsalons mehrfach C.-Ausstellungen zusammengestellt. In Deutschland fanden C.-Ausstellungen in Berlin (1907), Frankfurt, Wiesbaden, München (1908) etc. statt. Wenige Künstler in der französischen Kunstentwicklung verdienen in dem Maße wie C. durch das Attribut eines Revolutionärs charakterisiert zu werden. Während Delacroix, Géricault und Ingres die große klassische Kunst Frankreichs erneuten und im Geiste ihrer Zeit weiterbildeten, stellt sich C.s Kunst als Selbstbehauptung der eigenen Persönlichkeit ihr entgegen. Die Anstrengung, sich einer drei Jahrhunderte alten Tradition gegenüber zu behaupten, erklärt sein wildes und ungestümes Auftreten im Leben. Er war eine Kampfnatur, die mit jedem Jahre fortschreitend sich durch den Genuß unmittelbar sinnlicher Anschauung das Weltbild zu eigen machte. Sein weltfreudiger Pantheismus war darauf gerichtet, die Natur sachlich und objektiv darzustellen. Es ist bezeichnend, daß er in seinen Anfängen Bilder großer Individualisten wie Hals, Rembrandt kopierte. In seinen ersten Zeichnungen, die seine Schwester Juliette Courbet mit ängstlicher Pietät bewahrt, findet sich nicht der leiseste Versuch, sich den Poussinschen Kompositionsgesetzen zu unterwerfen, sondern nur der Drang, sich mit der Umwelt vertraut zu machen, sie glaubhaft und überzeugend nachzubilden. Seine Bilder sind kompositionell im Gleichgewicht nicht ausbalanciert, sondern nach zufällig gewählten Naturausschnitten geschaffen. Er begann weich und in zartestem Auftrag zu malen. Frühe Bilder von ihm erinnern an van Dyck. Dann zwingt ihn Holbein in seinen Bann. Von hier an geht seine Entwicklung mit derjenigen unseres Leibl parallel. Von Jahr zu Jahr gewinnt er an Kraft, Naturwahrheit, und gleichzeitig wird seine Palette immer reicher, voller und wärmer. Sein. Harmonien in Braun, Grau, Grün und Blau waren in der französischen Kunst etwas absolut Neues, ebenso wie die Leuchtkraft seines samtnen und oft seidigen Schwarz. Seine weiblichen Akte, Waldinterieurs, Felsgrotten, Jagdbilder und Marinen stehen in der französichen Kunstgeschichte einzig da. Vor Manet war er neben Ingres und David einer der größten Porträtisten des 19. Jahrhunderts. Das Bildnis seines Vaters aus dem Jahre 1874 bezeichnet den Höhepunkt seiner Bildniskunst. Wie schon Duret sagte, hat er von 1850 an eine eigentliche Stilentwicklung nicht mehr durchgemacht. Von diesem Zeitpunkt an ist seine Kunst nur noch nach seinen äußeren Lebensschicksalen und nach der Stoffwahl in Abschnitte zu trennen. C. hat einen gewaltigen Einfluß auf seine Zeit und die nachfolgende Generation ausgeübt, die sich bemühte, die Künste seiner Palette und die Farbenharmonien wie auch seine realistische Auffassung des menschlichen Aktes sich zu eigen zu machen und durch sie der großen, französischen Tradition neues Leben zuzuführen. Neben der malerischen Tätigkeit C.s verdienen eine Erwähnung doch auch seine graphischen Versuche, die freilich nicht bedeutend sind. Das Hauptblatt ist eine Lithographie: L'Apôtre Jean Journet. Wettvoller sind dagegen seine faksimilierten oder von anderer Hand geschnittenen oder gestochenen, gezeichneten Illustrationen, z. B. für das "Album autograph." 1867 u. 1868, für die "Essais poétiques" Max Buchon's (Besançon 1839), für die "Chansons d. provinces de France" (1860) u. für die "Misères des gueux" Jean Bruno's (1872). Folgende französ. Galerien bewahren Arbeiten C.s: Besançon (Selbstporträt; erste Skizze zum "Enterrement"). - Caen. - Dieppe (Bildnis M. Ansout's). - Langres. - Lille (L'après-midi à Ornans). - Lyon. - Marseille. - Montpellier (L'homme à la pipe; Les Baigneuses; Bildnis Baudelaire's; La rencontre u. a.). - Nantes (Les Gribleuses de Blé). - Nizza. - Ornans (Le Pêcheur de chalots). - Paris: Louvre (L'enterrement à Ornans; L'homme blessé; Bildnis Champfleury's; Combat de cerfs; La remise des chevreuils; Chevreuil sous bois; Le ruisseau du Puits noir; L'homme à la ceinture de cuir; La vague; Un cerf aux écoutes). Pavillon Marsan (Portrait de mon ami: "Promayet"). Petit Palais (Proudhon et ses enfants; La Sieste; Courbet au chien noir; Les trois baigneuses; Les Demoiselles des bords de la Seine; Bildnis der Juliette Courbet; Les Amants dans la campagne; Le père de l'artiste; Porträt Corbinaud). Mus. Luxembourg (Le ruisseau du puits noir). - Reims. - Roanne. - Rouen. Ferner ist C. in folgenden auswärtigen Galerien mit Gemälden vertreten: Berlin, Nationalgal. - Bremen. - Dresden (Die Steinklopfer). - Frankfurt a. M., Städel'sches Instit. - Hamburg. - Karlsruhe. - Köln (Picknick im Walde). - Mülhausen i. E. - München, Neue Pinak. - Stuttgart. - Wien, Moderne Gal. - Amsterdam, Reichsmuseum. - Brüssel, Kgl. Gem.-Gal. - Haag, Mesdag-Mus. - Lüttich. - Genf, Mus. Rath. - Kopenhagen. - Brooklyn. - Chicago, Art Instit. - New York, Metropol. Mus. - In Privatsammlungen: in Paris: Juliette Courbet (Schwester des Künstlers), Mad. Desfossés, Henri Rouart, Mme Esnault-Pelterie, Henri Rochefort, Prince de Wagram, Théodore Duret. - Berlin: Wilhelm Trübner, Paul Cassirer, v. Schwabach, Gurlitt. - Dresden - Blasewitz: Rothermundt. - München: Wilhelm Weigand. - Breslau: Frau Prof. Muther. - Budapest: von Nemes u. Baron Herzog. - Philadelphia: Widener u. Johnson. - Boston: Alston-Club. Quellenwerke u. zusammenfassende Monographien: Théoph. Silvestre, Hist. des art. vivants, études d'après nature, Paris 1856; ders., Les Artistes franç., Paris 1861. - Guichard, Les doctrines de M. Courbet, maitre peintre, 1862. - E. Chesneau, L'art et les artistes mod., 1864. - P. J. Proudhon, Du Principe de l'art et de sa destin. soc., 1865. - Emile Zola, Mes haines, 1866. - René Brunesoeur, Mus. contemp.: G. Courbet, Paris 1866. - Théodore Duret, Les Peintres franç en 1867, 1867. - Camille Lemonnier, Courbet et son oeuvre, Brüssel 1868. - Lettres de Courbet à l'armée allemande, Octobre 1870, Paris 1870. - Bergerat, Sauvons Courbet, 1870. - Max Claudet, Courbet, Souvenirs, 1878. - Comte d' Ideville, Courbet. Notes et documents, 1878. - Gros - Rost, Courbet, Souvenirs intimes, 1880. - Castagnary, G. C. et la Colonne Vendome, Plaidoyer pour son ami mort, 1883. - Victor Fournel, Les art. franç. contemp., 1884. - Al. Estignard, Portraits Francs-Comtois, Besançon 1885. Jeann Gigoux, Causeries sur les art. de mon temps, 1885. - J. Barbey d'Aurevilly, Les oeuvres et les hommes, 1887. - C. Lemonnier, Les peintres de la vie, 1888. - A. Estignard, Courbet, sa vie et ses oeuvres, Besançon 1897. - E. Delacroix, Journal, Paris 1898 - A. Bayersdorfer, Schriften, München 1904. - J. Meier -Graefe, Corot und Courbet, Leipzig 1905. - Georges Cazier, G. Courbet, 1906. - G. Riat, Gustave Courbet 1906. - Rieh. Muther, Courbet, Berlin 1906. - A. Robin, G. Courbet, 1909. - Léonce Bénédite, G. Courbet, 1911. - Jules Coulin, Die sozialist. Weltansch. in der französ. Malerei, Leipzig 1910. - Làzàr Béla, C. et son influence à l'étranger, Paris 1911. (Bespr. von G. Pauli in Kunstchronik 1012, Sp. 344/5.) Zeitschriftenartikel: Gaz. d. B.-Arts 1878, I 514-527; II 17-30; 371-384 (Paul Mantz); 1908, I 421-432 (Théod. Duret: C. graveur et illustrateur); 1911, I 5-20; II 488-497; 1912, I 19-30 (Castagnary, Fragments d'un livre sur C. [noch nicht abgeschlossen]). - Rev. de l'art anc. et mod. XX (1906), p. 349-360 (Ed. Sarradin: G. C. à propos de l'expos. du Grand Palais). - L'Art et les Artistes IV (1906/7), p. 257-262 (Gust. Geffroy). - Les Arts 1902, No 3 p. 21 (Abb.); 1906, No 54, p. 20 (Abb.), No 59, p. 17-24 (Louis V auxcelle s). - Chron. d. arts 1863, p. 253; 1878, p. 3 (Nekrol.); 1890, p. 173, 228; 1891, p. 141. - Kst u. Kstler IV (1906), p. 20-28 u. 71-83 (Emil Hannover); VIII (1910), p. 846, 370/1; IX (1911), p.617-626 (Théod. Duret). - Dresdner Jahrbuch I (1905), p. 51 ff. (W. v. Seidlitz: C.s Steinklopfer). - Der Cicerone III (1911), p. 161 ff. (P. Korb: Corot, Delacroix und Courbet); IV (1912), p. 433. - Le Figaro vom 23. 2. 1909 (Arsene Alexandre, Les Courbets du Petit Palais). - L'Echo de Paris v. 22. 2. 1909 (A. Boschot). - La Grande Revue vom 10. 9. 1910 (O. Grautoff). - Corriere della Sera vom 3. 4. 1910 (Ugo Ojetti). Sonstige Literatur: H. Béraldi, Les Grav. du 19e s., V, 1886. - H. Marcel, La Peint. franç. au 19e s., o. J., p. 204 ff. - R. Muther, Ein Jahrh. französ. Malerei, Berlin 1901. - J. Meier-Graefe, Entwicklungsgesch. d. mod. Kunst, 1904. - K. E. Schmidt, Französ. Malerei d. 19. Jahrh., 1903 p. 85 ff. - Guilirey-Marcel, Inv. gén. ill. d. dessins du Musée du Louvre, IV, 1909. - Dict. d. art. etc. de la France. Franche-Comté, Paris 1912 (Paul Brune). O. Grautoff.