Cunningham, Imogen

Cunningham, Imogen, US-amer. Fotografin, *12.4. 1883 Portland/Ore., †23.6.1976 (lt. Dater und Evans: 24.6.) San Francisco. Verh. mit dem Radierer Roi Partridge, Mutter des Fotografen Rondal Partridge.

Stud.: 1903-07 Chemie, Univ. of Washington, Seattle; 1909-10 Fotochemie, TH Dresden (mit Pi Beta Phi-Stip.; Abschlussarbeit publ. in: Photogr. Rundschau und Photogr. Centralblatt 24:1910[9]101-105). Ab ca. 1901 eig. Fotogr.; 1906 erste Akt-Selbst-Porträts. 1907-09 Mitarb. im Porträtstudio von Edward Sheriff Curtis, Seattle, erlernt Platin-Abzüge. 1910 besucht C. Alvin Langdon Coburn in London, Gertrude Käsebier und Alfred Stieglitz in New York. Ab 1910 freie Fotografin, eig. Studio bis 1916 in Seattle, ab 1917 versch. Studios in San Francisco; Porträt- und Auftrags-Fotogr. (u.a. Kinder-Portr.; Dok. von Webarbeiten und Keramik); auch Fotogr.-Unterricht. 1918 Mitarb. bei Francis Bruguière. 1922 Besuch im Studio von Edward Weston, Porträts von ihm und Margarethe Mather; Weston zeigt 1929 acht Bilder von C. in seiner Auswahl amer. Fotogr. bei der Ausst. "Film und Foto" des Dt. Werkbundes in Stuttgart (Städt. Ausst.-Hallen; K). 1931 bis ca. '36 Fotogr. für Vanity Fair, Porträts von Hollywood-Stars; auch für Sunset Mag. tätig. 1932 neben Weston, Ansel Adams, Willard Van Dyke, Sonia Noskowiak, Henry F. Swift und John Paul Edwards Gründungs-Mitgl. der Fotografengruppe "f/64" (bis 1935). 1934 mit Van Dyke und Dorothea Lange Dok.-Fotogr. für Paul Taylor (Univ. of California) über ein Arbeitslosencamp in Oroville/Cal. In den 50er-60er Jahren Porträts von Dichtern der Beat-Generation und von Hippies in Haight-Ashbury, San Francisco. 1960-61 Europareise, Besuch und Porträts von August Sander und Paul Strand. 1975 Gründung des I.C. Trust. Lehrtätigkeit: 1946-47, '50 California School of FA, San Francisco; 1965-67, '73 San Francisco Art Inst. Ausz.: 1968 Ehrendoktorwürde des California College of Arts and Crafts und 1975 des Mills College, beide Oakland; 1970 Guggenheim Fellowship; 1971 D. Lange Award; 1973 Artist of the Year Award, San Francisco Art Comm.; 1974 Alumnus Summa Laude Dignatus Award, Univ. of Washington. Mitgl.: 1923 Pictorial photograpers of America; 1967 Nat. Acad. of Arts and Sciences. - Mit einer über siebzigjährigen fotogr. Tätigkeit und der Kontinuität ihres künstler. Ansatzes zählt C. zu den bed. Fotografen des 20.Jh. sowie zu den Pionierinnen der mod. amer. Fotogr. an der W-Küste und eines emanzipierten künstlerischen Berufsbildes (Publ.: Photogr. as a profession for women, in: The arrow of Pi Beta Phi 29:1913[2]203-209). Wie Edward Weston orientiert sie sich mit Weichzeichnerobjektiven und Inszenierungen zunächst an den Prinzipien des Piktoralismus um die Jh.-Wende, bevor sie diese in den 20er Jahren in eine abbildschärfere "straight photogr." überführt, die in der internat. einflussreichen Gruppe "f/64" programmatisch Ausdruck findet. C. bleibt in deren Sinn immer einem fotograf. Ansatz verpflichtet, der mehr aus einer zeitlosen, streng bildgestalterischen Prävisualisierung von Kompositionen schöpft als aus spontaner Kamera-Beobachtung oder einem Interesse für zeitgen. Fragen. Früh angeregt v.a. durch Käsebier arbeitet C. bei Porträts mit Tageslicht, natürlichen Körperhaltungen und Hintergründen. Zw. 1910 und '15 entstehen auch symbolistische Arbeiten: inspiriert von der Lit., u.a. William Morris ("The wood beyond the world") und der Poesie von Algernon Charles Swinburne lässt C. Freunde kostümiert in nebligen Wäldern posieren, sie arrangiert allegor. Tableaus (Conscience, Eve repentant) und naturmystische Aktszenen (1915 fotografiert sie so ihren Ehemann Roi Partridge am Mount Rainier/Wash., die Ausst. der Bilder wird zum Skandal). Seit den frühen 20er Jahren konzentriert sich C. auf Porträts, auch von ihren Kindern, und botanische Studien. Mit der zeitgen. Tendenz zu einer sachlicheren Fotogr. findet sie zu größerer Bildschärfe und begrenzten, auch abstrahierenden Ausschnitten von Naturformen (z.B. Magnolia blossom, 1925). Sie fotografiert weiter männliche und weibliche Akte, später auch von Schwangeren; häufige Modelle sind befreundete Fotografinnen (Laura Armer, Brigman, Louise Dahl-Wolfe, Lange). C. hebt, wohl unter Einfluss des Kubimus und der europ. Moderne, z.T. geometrische Formen hervor und verwendet viell. schon 1923, v.a. aber ab 1935 auch experimentelle Techniken, z.B. Doppelbelichtungen (Portr. Gertrude Stein, 1935) und Negativabzüge. Lt. Whelan arbeitet C. vor 1929 aber noch nicht so konsequent abbildscharf und designorientiert wie Weston; von den dt. neusachlichen Fotografen wie Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch unterscheidet sie sich durch ihre weichere Behandlung von Licht und Kontrasten sowie ihre häufigen Anspielungen auf menschliche Körperformen und Erotik, z.B. bei Pflanzen (z.B. Two Callas, um 1929). Ab M. der 30er Jahre entstehen hauptsächlich Porträts, später überwiegend von Frauen. C. arbeitet seit den 40er Jahren außer mit Groß- auch mit Mittelformat-Kameras, bezieht bei Porträts zunehmend die Umgebung ein und fotografiert in den 50er/60er Jahren auch im städt. Raum. C. porträtiert u.a. bed. Fotografen (Minor White, A. Adams, Stieglitz), Schriftsteller (Stephen Spender), Maler (Frida Kahlo, Amédé Ozenfant, Lyonel Feiniger), Bildhauer (Robert Howard, Ruth Asawa), Schauspieler und Tänzer (Martha Graham, Merce Cunningham). Ihr letztes, nach dem neunzigsten Geburtstag begonnenes Porträtprojekt mit Gleichaltrigen wird postum publ. (After ninety, Seattle 1977).

Berkeley/Cal., I.C. Trust. New York, MMA. Oakland/Cal., Oakland Mus. Rochester/N.Y., Internat. Mus. of Photogr. San Francisco, MMA. Seattle, AM. Tucson/Ariz., Center for Creative Photogr. Washington/D.C., Smithsonian Institution.

A.Rule (Ed.), I.C., Selected texts and bibliogr., Ox. 1992 (Filmographie, Interviews, Slgn, Arch.).