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Dahl, Johan Christian Clausen

Geboren
Bergen (Norwegen), 24. Februar 1788
Gestorben
Dresden, 14. Oktober 1857
Land
Norwegen, Deutschland, Dänemark, Italien
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Dahl, Johan Christian Clausen; Dahl, J.C.; Dahl, Johann Christian Clausen; Claussen-Dahl, Johan Christian; Clausen Dahl, Johan Christian; Dahl, J. C.
Berufe
Landschaftsmaler*in; Zeichner*in; Grafiker*in
Wirkungsorte
Dresden, Bergen (Norwegen), Kopenhagen
Zur Karte
Von
Bang, Marie Lødrup
Zuletzt geändert
16.11.2024
Veröffentlicht in
AKL XXIII, 1999, 410; ThB VIII, 1913, 270 ss

VITAZEILE

Dahl, Johan Christian Clausen (J.C.), norweg. Maler, Zeichner, *24.2.1788 Bergen, †14.10.1857 Dresden. Vater von Siegwald D.

LEBEN UND WIRKEN

1803-09 Lehre beim Dekorationsmaler Johan Georg Müller in Bergen. 1811-17 Stud. ABK Kopenhagen bei Georg Haas und C.A. Lorentzen. Geht 1818 auf einer beabsichtigten Italienreise über Berlin nach Dresden, wo er sich bald niederläßt. 1819 Stud.-Reise durch Böhmen und die Sächs. Schweiz. Im Juni 1820 Einladung durch Kronprinz Christian Frederik (den späteren Christian VIII) zu einem Italienaufenthalt; 12.6.∞ Freiin Dorothea Franzisca Emilie von Block, Tochter des ehem. Kustos des Grünen Gewölbes, danach Abreise nach Italien (ab Aug. in Castellammare di Stabia bei Christian Frederik, ab Okt. mit diesem in Neapel [wohnt ab Nov. allein], Febr.-Juni 1821 Rom), E.Juli 1821 zurück in Dresden. Zieht 1823 zu Caspar David Friedrich in dessen Haus An der Elbe 33. 1824 außerordentl. Prof. der KA Dresden. 1825 Aufenthalt im Erzgebirge. Apr.-Okt. 1826 erste Norwegenreise (über Kopenhagen und S-Schweden). 1827 Tod seiner Frau Emilie bei der Geburt des Sohnes Siegwald. Heiratet im Jan. 1830 in Schlesien seine Schülerin Amalie von Bassewitz, die jedoch am 11.12. bei der Geburt eines weiteren Kindes stirbt. 1834 zweite Norwegenreise. 1837 in Kopenhagen, 1838 Aufenthalt in Wörlitz. 1839 dritte Norwegenreise, '44 vierte. 1847 mit Siegwald in Paris und Brüssel. 1850 letzte Reise nach Norwegen. Mitgl. der KA: 1820 Dresden, '27 Kopenhagen, '32 Stockholm, '35 Berlin (Ehren-Mitgl.). Ritter des Vasa-Ordens (1839), des Dannebrog-Ordens (1840) und des St.Olav-Ordens (1847). - Als Sohn eines verarmten Fischers erhält D. nur eine geringe Schulbildung, seine künstler. Neigung wird jedoch früh entdeckt. Sein Lehrherr J.G.Müller läßt ihn feinere dekorative Arbeiten ausführen, z.B. Bemalung von Fensterläden, Theaterdekorationen, Prospekte und Panneaus mit Motiven von Bergen und Umgebung. An der Kopenhagener Akad. rufen die nüchternen und altmod. Norwegen-Lsch. der Lehrer Haas und Lorentzen in D. den nachdrückl. Wunsch hervor, ein besseres Bild seiner Heimat zu schaffen. Inspiriert wird er dagegen von den Lsch. eines Erik Pauelsen oder Jens Juel, v.a. jedoch von niederl. Meistern wie Jacob Ruisdael, Meindert Hobbema und Allart van Everdingen, von denen er die Komp. seiner imaginären Waldszenen und nord. Berg-Lsch. mit Wasserfällen entlehnt. Die dän. Ansichten und imaginären südl. Szenen zeigen die Manier von Claude Lorrain, die D. über das Kopieren von Lsch. des Jan Both kennenlernt; seine dän. Lsch. und Hafenszenen in Mondschein sind von Aert van der Neer inspiriert. Diese frühen Lsch. sind noch naiv und nicht überzeugend. Seine maler. Behandlung gewinnt jedoch bald an Flüssigkeit und Kompetenz, sogar im mon. Format, wie in den überraschend überzeugenden großformatigen Ansichten vom Sommerhaus des Kaufmanns Tutein (1813, z.B. Utsikt fra Rosendal mot Sudet, Hillerød, Schloß Fredriksborg). 1815 wird eine große imaginäre Berg-Lsch. für die kgl. Slg angekauft; Kronprinz Christian Frederik wird D.s früher Förderer und lebenslanger Freund. Ebenfalls 1815 gelingt auf den jährl. stattfindenden Akad.-Ausst. in Kopenhagen der Durchbruch mit 13 Gem. (imaginäre Szenen, Lsch. von Sjælland), der zu D.s Entschluß führt, sich als freier Künstler der Lsch.-Malerei zu widmen, die seiner Meinung nach genauso ausdrucksvoll sein kann wie Historienmalerei. D. steht noch unter dem Einfluß der Genrehierarchie und bemüht sich daher, seine Lsch.-Gem. über den kunsthandwerkl. Prospekt zu erheben, indem er seine imaginären Szenen als ideale oder heroische Lsch. anlegt und die dän. Ansichten durch interessante atmosphär. Effekte bereichert, z.B. in den Darst. des romant. Liselund Parks auf Møn (1815, dän. Priv.Slg; Aukt. Bruun Rasmussen, Kph. 6.10.1998, Nr 222), des Sees in Esrom bei Mondschein oder der Festung Frederiksborg unter drohenden Wolken (1814, Oslo, NG). 1815 zeigt D. auch zwei Gem. mit Bäumen im Sommer (1814, Kopenhagen, Statens Mus. for Kunst) bzw. Herbst, die sein Interesse für das Naturstudium und die wechselnden Lichtverhältnisse und Farben bezeugen; die erste bed. Stimulanz zum Naturstudium erfolgt jedoch durch C.W. Eckersberg nach dessen Rückkehr aus Rom 1816 (röm. Ansichten, z.T. direkt nach der Natur gemalt). 1817 malt D. die Ansicht des großen Wirtshauses in Fredensborg aus seinem Fenster gesehen (Oslo, NG). Obwohl ein eigenständiges, sorgfältig komponiertes und detailliert ausgef. Gem. mit noch konventioneller Vordergrundstaffage, bildet es den Auftakt für eine lebenslange Produktion von Ölstudien nach der Natur, oft Blicke aus seinem Fenster an der Elbe. Die nicht formvollendeten, "dafür aber aus der Natur entlehnten und für die Region typ." (D.) Bäume im Vordergrund eines großen, ambitionierten Gem. der Gegend um Kallehave/Sjælland (1816, Bergen, BG) zeugen von D.s künstler. Aufrichtigkeit: selbst eine idealisierte Lsch. sollte die Charakteristika der gewählten Region in einer adäquaten Ausdrucksweise übermitteln. In Dresden, wo D. bald auf Gleichgesinnte trifft, wie den Nestor Johann Christian Klengel und v.a. Caspar David Friedrich, seinen späteren engen Freund, setzt er das Naturstudium in der näheren und weiteren Umgebung fort, meistens in Zchngn, malt aber auch Ölstudien in den dunkeltonigen Farben der alten Meister (detailliert ausgef. Stud. von Felsen und Vegetation als Grundlage für Vordergrundstaffage größerer Atelier-Komp.). Zu D.s frühen Dresdner Arbeiten zählen sorgfältig durchgearbeitete Ansichten vom Plauenschen Grund und den Ruinen in Tharandt, der Bastei in der Sächs. Schweiz und der Elbe sowie imaginäre nord. und südl. Lsch. Eine Schiffbruchszene von 1819 (München, NP) wird wegen ihrer gewaltsamen Stimmung kritisiert, während ein imaginärer mon. Wasserfall von 1820 (ehem. Kassel, SKS; jetzt verstreut, cf. Bang, II, 191) im Stil von Ruisdael aufgrund seiner Naturwahrheit gepriesen wird. Von bes. Bedeutung für D.s Naturstudium ist der Italienaufenthalt 1820/21. Das helle südl. Licht zwingt ihn zur unmittelbaren Beobachtung der Natur und der Effekte von Licht auf Formen und Farben. Studie um Studie von der Neapler Umgebung spürt man D.s Verzückung angesichts des mediterranen Lichts und der feuchten Atmosphäre über der Bucht in den raschen, fließenden Pinselstrichen und einer summar. Behandlung des Motivs. In Neapel begegnet er Künstlern wie Anton Sminck Pitloo und Franz Catel, mit letzterem geht er oft skizzieren. Im Dez. 1820 bricht der Vesuv aus, und D. besteigt den Berg, um die fließende Lava zu beobachten. In einigen späteren großen Gem. zeigt er die kontrastierenden Effekte der glühenden Lava und des wogenden Rauchs gegen das sanfte Abendlicht über der Bucht von Neapel in der Ferne (1824, New York, Metrop. Mus.; 1826, Frankfurt am Main, Städel). In Rom widmet er sich v.a. dem Besuch von Kunst-Slgn, Ateliers und der Malerei zum Verkauf. Er trifft die in Rom lebenden frz. und dt. Künstler, u.a. Joseph Anton Koch, für den er den Vordergrund einer Lsch. vom Lauterbrunnental für Bertel Thorvaldsen malt. D. bewundert die Werke von Pierre Athanase Chauvin und Achille Michallon, Künstler mit einem Gespür für Licht und Atmosphäre. Zurück in Dresden (E. Juli 1821) widmet er sich dem Fam.-Leben, malt zum Verkauf und hat viele Schüler, v.a. dt. und skandinav., bildet jedoch keine Schule, weil Einmischung gegen seine Prinzipien ist und außerdem viele Schüler jung sterben. Unter den dt., von D. beeinflußten Künstlern kann man August Heinrich, Karl Blechen, Christian Morgenstern, Franz Wilhelm Schiertz und Christian Friedrich Gille nennen. Trotz der engen Freundschaft zu C.D. Friedrich kommt es zu keiner langandauernden Beeinflussung zw. beiden. D. malt einige Mondscheinszenen mit Silhouetteneffekt, Friedrich arbeitet in den 1820er Jahren an Arktismotiven bis hin zu einigen Ölstudien, doch ihre Charaktere, das künstler. Temperament und die Konzeption von Kunst und Natur sind zu unterschiedlich. Friedrichs zutiefst persönl., transzendentale Sehnsucht bleibt dem mehr bodenständigen D. fremd, der nur dessen Liebe zur Natur und Wahrhaftigkeit in der Behandlung wahrnimmt. Daneben verbindet sie ein tiefverwurzelter Haß auf die Künstlichkeit des Akademismus und Klischees. D. malt weiterhin Ansichten von Dresden und Umgebung sowie imaginäre Berg-Lsch., bereichert von Motiven seiner Reise durch Tirol, und Schiffbruchszenen, jetzt mit Felsen und Kliffs, die er auf Capri gezeichnet hat, daneben einige Ansichten der Bucht von Neapel. Doch sein Herz hängt an den "norweg." Berg-Lsch., die zus. mit den Schiffbruchszenen gerade sehr populär sind, weil sie dem Hang der Romantik zur wilden, ungezähmten Natur entgegenkommen. Da D.s Erinnerung an die 1811 verlassene Heimat jedoch zu verblassen beginnt, unternimmt er 1826 seine erste Norwegenreise, die ihn über Christiania und die zentralen Gebirge nach Bergen und zu den westl. Fjorden führt. Zwar kann er aufgrund der primitiven Reisebedingungen und des oft regnerischen Wetters kaum Ölskizzen machen, doch die vielen Zchngn nach der Natur (auch der folgenden Reisen) sind eine solide Grundlage für die spätere Dresdner Atelierproduktion von norweg. Berg-Lsch. und Küstenszenen. Manchmal inspiriert ihn eine bloße Umrißzeichnung Jahre später zu mon. Gem. mit einer Vielzahl von Details und Staffagefiguren (Bauern in Tracht, z.B. Fortundalen, 1836; Stalheim, 1842, beide Oslo, NG); die Zchng eines auf einem Riff vor Bergen gestrandeten Schiffswracks gibt den Anstoß zu einer Ser. von Wracks vor der norweg. Küste, die so gefragt ist, daß D. in den 1830er Jahren mehr als dreißig davon malt (u.a. Schiffbruch an der norweg. Küste, 1831, Hamburg, KH), die and. Küstenszenen mit Segelschiffen nicht eingerechnet. Obwohl seine nord. Lsch. nun auf den Eindrücken aus dem wiederbesuchten Norwegen und den zahllosen Naturstudien basieren, folgt D. weiterhin der grundlegenden Konzeption und Komp. von Berg-Lsch., wie er sie von Everdingen und Ruisdael übernommen hat (diagonale Raumstruktur und Tiefenbewegung für die weiten Täler, eine mehr frontale Nahsicht auf einen großen Wasserfall). Gleichzeitig arrangiert er die Elemente der Lsch.-Zchngn neu, um den angestrebten maler. Ausdruck zu steigern. Wie in den dän. Szenen und später den ital. Lsch. sucht er einen bestimmten atmosphär. Effekt, wozu ihm die zahllosen Ölstudien des wechselnden Lichts und der Wolken über der Elbe dienen. Wie Constable ist D. der Überzeugung, daß Himmel und Wolken einen wichtigen Teil einer Lsch. bilden. Er malt Ansichten von Dresden über die Elbe oder norweg. Fjordszenen in sanftem Mondlicht mit subtil abgestuften Farben der Schatten und der silbernen Linie auf den Wolken als seiner Spezialität (z.B. Blick auf Dresden bei Mondschein, 1839, Dresden, GG NM; Larvik i måneskinn, 1839, Oslo, NG); andere Szenen aus Norwegen oder Dänemark, die hist. Zeugnisse enthalten, können als Winter-Lsch. gestaltet sein, wie der einsame Menhir am Sognefjord, gezeichnet im Sommer, aber gemalt als Winterbild 1827 (Oslo, NG), oder die Ansicht dän. Dolmen, gemalt als Mondschein-Lsch. 1816 (Bergen, BG) und wiederauftauchend in Winter-Lsch. der 1820er und 30er Jahre (Hünengrab im Winter, 1825, Leipzig, MBK). Dabei dient der Schnee als Symbol des Todes und der Vergangenheit und nicht zur künstler. Darst. der Reflexion von Farben und Licht wie später bei den Naturalisten. Die Freiheiten, die sich D. zur Steigerung der Botschaft seiner Gem. nimmt, widerlegen die Tendenz der mod. Forsch., den naturalist. Aspekt seiner Kunst zu betonen und die Ölstudien als wichtigsten Teil seines Œuvre zu betrachten. Diese Ansicht ist ahistorisch. D.s frische und unmittelbare Ölstudien können moderner erscheinen als seine sorgfältig ausgearbeiteten Atelierbilder, aber er selbst betrachtet sie nie anders als Ateliermaterial zum Auffrischen seines Gedächtnisses und Übungen, "um die Natur auswendig zu lernen" (D.). Er malt Stud. nach der Natur, wann immer er Gelegenheit dazu hat, meist in der Umgebung von Dresden, wandelt deren Gegenstand jedoch selten in ein größeres Gem. um, denn "das eigentlich Große und Wahre fehlt immer" (D.), das kann er nur in der mächtigen Lsch. der nördl. Gegenden finden. Trotz der naturalist. Tendenz in seiner Kunst ist D. völlig im Gedankengut der Romantiker verwurzelt. Die Lsch.-Malerei soll nicht nur die Beschr. einer gegebenen Region sein, sondern auch etwas aus der vergangenen Gesch. und vom gegenwärtigen Lebensstil der Bewohner einschließen. Seine Ölstudien geben uns einen unmittelbaren Eindruck einer Lsch.-Szene, die Atelierbilder jedoch stehen für D.s künstler. Hauptziel nach tiefgründigerer, meditativer Charakterisierung seiner geliebten nord. Landschaft. Die herbe Bergnatur und die stürm. Küsten seiner Gem. konstituieren ein nord. Äquivalent zur heroischen Lsch. und zeigen den nicht weniger heroischen Kampf ihrer Bewohner in einer unwirtl. Natur. Die Bedeutung von D.s Œuvre liegt also nicht in den brillanten Ölstudien nach der Natur, die einer langen Trad. zugehören, sondern in der Tatsache, daß er die Vorstellungen der historischen Lsch. auf die Darst. einer realen Gegend überträgt. - D.s Interesse an der Vergangenheit seines Vaterlandes läßt ihn seine Landsleute mahnen, die hist. Zeugnisse mit Sorgfalt zu behandeln, v.a. die alten Stabkirchen, die man abzureißen begann, um größeren Kirchen Platz zu machen. 1837 publ. er auf eig. Kosten eine Lith.-Ser. nach Zchngn seines Schülers Schiertz ("Denkmale einer sehr ausgebildeten Holzbaukunst aus den frühesten Jahrhunderten in den Landschaften Norwegens") und kauft das Holz der alten Kirche in Vang, um wenigstens die geschnitzten Türpfosten zu retten (später in Brückenberg/Schlesien wiederaufgebaut). Er ist maßgebl. an der Gründung der Norweg. Ges. für die Bewahrung des nat. Erbes beteiligt, ebenso des KM in Christiania und der Kunst-Ver. ebd., in Bergen und Trondheim. D. versucht sich auch in der Graphik, doch die Belastung für seine Augen ist zu groß; es gibt vier Rad. (je eine von 1817 und '19, zwei von 1828). E. 1830er Jahre beginnt sich das Publikum von D.s strengen und herben nord. Lsch. ab- und den gefälligeren Szenen der neuen Düsseldorfer Schule zuzuwenden, sogar in seinem Heimatland. 1855 sendet er zwei große Lsch. zur WA in Paris ein, die Med. gewinnen jedoch die jungen "Düsseldorfer". 1857 stirbt D. einsam und verbittert und wird auf dem Kirchhof der Eliaskirche beerdigt. Erst 1880 wird ihm (in seiner Heimatstadt) die erste Einzel-Ausst. ausgerichtet; 1902 wird er durch eine Statue an der Fassade des ersten Gebäudes der Bergen Billedgalleri geehrt, 1934 werden seine sterbl. Überreste auf den dortigen Jakobsfriedhof überführt.

WERKE

WV bei Bang, 1987, II-III. - Wichtigste Slgn: Bergen, BG. Dresden, GG NM. Kopenhagen, Statens Mus. for Kunst. - Thorvaldsens Mus. Oslo, NG.

SELBSTZEUGNISSE

Vgl. NKL I, 1982, 446. - Not. und Briefe u.a. in den Univ.-Bibl. Oslo und Bergen sowie in der Sächs. Landes-Bibl. Dresden.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

/

 

Gruppenausstellungen:

Vgl. NKL I, 1982, 445; Bang, 1987, II, 16 ss. / 1987 Kopenhagen, Thorvaldsens Mus.: J.C.D. i Italien / 1988 Oslo, Bergen, Dresden: Ausst. zum 200. Geburtstag / 1988-89 München, NP: J.C.D., ein Malerfreund Caspar David Friedrichs / 1993 Manchester, Whitworth Gall. und Cambridge, Fitzwilliam Mus.: "Nature's way". Romantic Landscapes from Norway. Oil studies, watercolours and drawings by J.C.D. and Thomas Fearnley / 1995 Rosendal, Baroniet: J.C.D. Hans danske landskap / 1996 ebd.: J.C.D. og det norske landskap / 2018 Alkersum, Mus. Kunst der Westküste: Faszination Norwegen (alle K).

 

QUELLEN

Thieme-Becker, Vollmer und AKL:

ThB8, 1913 (Lit.)

 

Weitere Lexika:

Bibliogr. in: NKL I, 1982; M.L.Bang, J.C. D. 1788-1857. Life and works, Oslo 1987, I, 270 ss. - Dict. de la peint., P. 1991; Weilbach II, 1994 (Lit.); DA VIII, 1996 (Lit.)

 

Gedruckte Nachweise:

M.L. Bang, D., der nordische Bildner, in: Zeichnungen der Romantik aus der NG Oslo (K), Z. 1985, 19-25; ead., J.A. Kochs "Lauterbrunnental" og J.C.D., in: På Klassisk Grund. Meddelelser fra Thorvaldsens Mus. 1988. The Thorvaldsen Mus. Bull., Kph. 1989, 237-246; T.Gunnarsson, J.C.D., in: Friluftsmåleri före friluftsmåleriet, Uppsala 1989, 159-206; M.L. Bang, J.C.D. og de danske mestre, in: Kunstmuseets Årsskrift 1993, Kph. 1993, 50-75; H.E. Nørregård-Nielsen, Dansk kunst, Kph. 2003; M.-L. Monrad Møller, D.s Norwegen. Die künstlerische Erfindung einer norwegischen Nationalkultur, B. 2020.

 


THIEME-BECKER

Dahl, Johan Christian Clausen, norweg. Landschaftsmaler, geb. am 24. 2. 1788 als Sohn eines armen Fischers in Bergen, † in Dresden am 14. 10. 1857. Seine Freude am Zeichnen führte ihn 1803 in die Werkstatt eines "Amts- und Dekorationsmalers", der die Kopenhagener Kunstakademie besucht hatte. Kunstfreundliche Menschen wurden auf die Dekorationsarbeiten, die naiven Porträts u. Stadtansichten des begabten Malerburschen aufmerksam und verhalfen ihm 1811 (kurz vor Norwegens u. Dänemarks Trennung) zum Studium an der Akademie in Kopenhagen. Der Dreiundzwanzigjährige, dessen erste künstlerische Versuche von erstaunlicher Naivetät sind, machte bald so außerordentliche Fortschritte, daß bereits 1814 in einer Waldlandschaft (jetzt in der Nationalgal. zu Christiania) seine Eigenart in voller Entwickelung zu erkennen ist: er zeigt sich als Autodidakt und Schüler eher der alten Holländer und der Natur, als der Akademie. Eine Naturstudie aus demselben Jahre, die sich ebenfalls in Christiania befindet, stellt, durch die harmonische Verschmelzung von Tradition u. persönlichem Naturempfinden, D. mit in die erste Reihe der Erneuerer der Landschaftsmalerei des 19. Jahrh. Von den alten Holländern hatte Everdingen mit seinen romantischen Schilderungen der "norwegischen" oder richtiger der nordischen Natur den größten Einfluß auf ihn, u. D. wurde von seinen Zeitgenossen "der neue Everdingen" genannt. - Die Kopenhagener Akademie hatte eben ihre flaue Zeit, nach Abildgaards Tod (1809) und bevor Eckersberg (Juels u. Davids Schüler) ihr neue Kraft zuführte. D. sagt selbst mit Recht von seinem Lehrer in der Landschaftsmalerei, Prof. Lorentzen, daß dieser für seine künstlerische Entwickelung fast bedeutungslos gewesen sei. Ein Gegengewicht gegen die akademische Unnatur u. Routine u. den "braunen u. Abildgaard'schen" Ton des damals herrschenden Kolorits fand er in der volkstümlichen Illustrationskunst des Schweizers Senn u. des Hamburgers Voss, die ihn davor bewahrten, "den von ihm in Norwegen einmal betretenen Naturweg zu verlassen". Eine neue Stütze für ihn wurde Eckersberg, der 1816 aus Rom seine nüchternen, objektiven, primitiv farbenreinen Prospekte mitbrachte. In D.s Produktion aus dieser Zeit wechseln "heroische" Landschaften, oft großen Formats u. bald norwegischen, bald "deutschen" (d. i. mehr südlichen) Charakters, mit Wirklichkeitsschilderungen ab, die er der dänischen Landschaft entnahm. Um seine Ausbildung zu vollenden, begab er sich 1818 auf Reisen, unterstützt von dem dänischen König durch Kauf und Bestellung u. von dem Wohlwollen des Kronprinzen Christian Frederik. Er gedachte, "sich zwei Jahre in Deutschland, eins in der Schweiz, drei bis vier in Italien und eins auf der Rückreise (über London) aufzuhalten". Doch wurde er an Dresden gebunden durch seine Ehe (1820) mit Freiin Emilie von Block, der Tochter des Sammlers P. L. Heinrich von Block, ehem. Direktors des Grünen Gewölbes. Durch Freundschaft und gemeinsames Streben mit Kaspar D. Friedrich (seinem Hausgenossen während 20 Jahren) eng verbunden, mit Begeisterung von den jüngeren Landschaftern begrüßt, die sich um diese beiden Bannerführer einer neuen Zeit scharten, erregte er bald die Aufmerksamkeit der sächs. Regierung, u. wurde 1820 Mitglied der Dresdener Kunstakademie (später, 1827, 1832 u. 1835 auch der Akademien von Kopenhagen, Stockholm u. Berlin). Die Unterhandlungen mit der sächsischen Regierung wegen Übernahme einer Professur wurden gekreuzt von einem gleichzeitigen Anerbieten aus Dänemark (das ihm auch 1828 nach Prof. Lorentzens Tode dessen Stellung vergeblich anbot), u. erst 1824 wurde er zum außerordentl. Professor an der Dresdener Akad. ernannt, mit einem jährlichen Gehalt von 200 T. (1828 auf 300 T. erhöht). - Für D.s koloristische Entwickelung wurde seine Reise nach Italien (1820-21) und besonders der Aufenthalt in und um Neapel, als des dänischen Kronprinzen Gast, von entscheidender Bedeutung. In seinen Naturstudien erreicht er jetzt die volle Freiheit eines ursprünglichen u. selbständigen Naturempfindens u. löst sich los aus der Abhängigkeit von den alten Holländern. Mit seinen Landschaftsstudien nimmt er nunmehr die erste Stellung auf dem Kontinent ein, der Vorläufer Corots, ein norwegischer Constable, ohne daß doch irgendeine Verbindung zwischen ihnen bestanden hätte. - 1826 sah D. Norwegen wieder, im Alter von 39 Jahren. Aus Jugenderinnerungen an Bergens Gebirgsnatur, aus Anleihen bei den alten Holländern, aus den Sandsteinklippen der sächsischen Schweiz u. den wilden Felsentälern Tirols hatte er sich in diesen langen Jahren ein Norwegen der Erinnerung u. der Sehnsucht aufgebaut. Von der Stunde an, als er Norwegen wiedersah, tauschte der große Romantiker diese norwegischen Traumlandschaften für immer gegen eine charaktervolle Wirklichkeitsschilderung seines Vaterlandes ein, als der erste u. bis heute größte Landschaftsmaler Norwegens. D.s "Norwegen", das ist die Krone seines Lebenswerkes, während die Naturstudien die Wurzeln seiner Kunst sind, wie sie auch kolorist. den größten Fortschritt bedeuten. - Auch für die künstlerische Kultur Norwegens hat "Professor Dahl" (wie er von seinen Landsleuten genannt wurde) durch seine einzigartige Autorität mehr als irgendein anderer gewirkt: bei der Gründung der ersten Kunstvereine, der Nationalgalerie, der Altertumsgesellschaft, wie bei der Wiederherstellung von Trondhjems Dom u. Bergens Königshalle. Und durch seine "Denkmale einer sehr ausgebildeten Holzbaukunst aus den früheren Jahrhunderten in den inneren Landschaften Norwegens" (Dresden 1836/37) hat er das Studium der mittelalterlichen norwegischen Kunstdenkmäler eingeleitet. - In D.s Leben bezeichnet das Jahr 1826 einen Höhepunkt des Glücks. Im folgenden Jahr verlor er seine Frau, nachdem sie ihr viertes Kind, den späteren Maler Siegwald J. D., geboren hatte. 1830 verheiratete er sich wieder mit Amalie von Bassewitz, die im Kindbett starb, noch ehe das Jahr zu Ende war. Von nun an suchte er Befriedigung in ruheloser Arbeit für allgemeine Zwecke. Der beste Teil dieser Arbeit kam Norwegen zugute. Aber auch sein neues Vaterland umfaßte er mit warmer Gesinnung, wie seine originale u. anziehende Persönlichkeit auch von den Deutschen hochgeachtet wurde. Für seinen aufgeweckten Geist war das Leben in Dresden allgemein bildend, förderte aber auf die Dauer seine künstlerische Entwickelung nicht. Er hat zwar Einflug auf eine Reihe von Schülern u. anderen Künstlern, die mit ihm in Berührung kamen, geübt u. auch indirekt weitergewirkt durch Maler wie Morgenstern, Blechen, den Norweger Fearnley usw., aber seine hervorragende koloristische Begabung, die wir in seinen Studien bewundern, finden wir so vollkommen weder in seinen eigenen ausgeführten Bildern, noch vermochte sie einen entscheidenden Einfluß auf den Hauptstrom der allgemeinen Kunst entwickelung auszuüben. Die künstlerischen Verhältnisse während der Lebenszeit D.s waren einer reicheren koloristischen Entwickelung nicht günstig. Für D. selbst wurde sein Ausländertum eine Hemmung. In der Fremde konnten die Keime zu einer "paysage intime", die man in seinen Studien erkennt, sich nicht entfalten. Und die Natur, in der er täglich lebte (die milde, sächsische Natur, wie sie Kaspar D. Friedrich schilderte), blieb ihm im Innersten fremd. - Seine künstler. Kraft erhielt sich bis zu den letzten Lebensjahren frisch, obwohl infolge einer Augenschwächung (die ihn schon früh dazu zwang, seine geistvollen Versuche als Radierer aufzugeben) zuzeiten seine Bilder einen übertrieben dunkelvioletten Ton annahmen. Für den Ruhm D.s, wie für den Absatz seiner reichen Produktion war "Elbflorenz" mit seinem kunstliebenden Fremdenstrom ein günstiger Platz, u. seine Bilder wurden über den größten Teil der zivilisierten Welt zerstreut. Am besten ist er in der Nationalgalerie zu Christiania und in Bergen, in der städt. Galerie und in der Sammlung des Herrn Rasmus Meyer, vertreten. Reich an Bildern aus der Zeit vor 1830 ist die Nationalgalerie und das Thorwaldsen - Museum zu Kopenhagen. Eines seiner vortrefflichsten Gemälde, "Kronborg am Sunde im Mondschein", füllt eine große Wand bei dem Baron von Seebach auf dem Schieferschloß bei Gotha. - Von den Porträts nach D. sind hervorzuheben: ein Jugendbildnis, von Eckersberg gemalt, im Kunstverein zu Trondhjem, die Marmorbüste Thorwaldsens (1821 in Rom modelliert) im Museum zu Bergen und in der Nationalgalerie zu Christiania eine Handzeichnung von Delaroche, eine Erinnerung an D.s Reise nach Paris im Jahre 1847, um seinen Sohn Siegwald "in die Künstlerwelt einzuführen". Endlich im Museum zu Bergen sein Bildnis in ganzer Figur von Siegwald D. 1850, der ihn auch 1854 radierte. Biogr. D.s in allen Kstlerlex. - Nekrol. mit Porträt (nach Photogr.) in d. Leipz. Illustr. Zeit. 1858 No 785 von A. Ziegler (auch in dessen "Reisen im Norden" I 125 f. aufgenommen. - Bibliogr. Notizen in J. B. Halvorsens Norsk Forfatterlex. u. in Weilbachs Nyt Dansk Kunstnerlex. - Monogr. von Andreas Aubert: I. Prof. Dahl (1893), II. Den nordiske Naturfölelse og Prof. Dahl (1894). - Starye Gody 1912 Juni p. 27. Andreas Aubert.