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Delacroix, Eugène

Geboren
Charenton-St-Maurice (Seine), 26. April 1798
Gestorben
Paris, 13. August 1863
Land
Frankreich
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Delacroix, Ferdinand Victor Eugène; Delacroix, Eugène; Delacroix, Eugène Ferdinand Victor; Delacroix, Ferdinand Victor; Delacroix, Ferdinand Victor Eugene; De le Croix, Eugene
Berufe
Maler*in; Zeichner*in; Stecher*in; Lithograf*in; Kunstschriftsteller
Wirkungsorte
Paris
Zur Karte
Von
Jobert, Barthélémy
Zuletzt geändert
01.03.2019
Veröffentlicht in
AKL XXV, 2000, 321; ThB VIII, 1913, 571 ss

VITAZEILE

Delacroix, Eugène (Ferdinand Victor Eugène), frz. Maler, Zeichner, Stecher, Lithograph, Kunstschriftsteller, *26.4.1798 Charenton-Saint-Maurice b. Paris, †13.8.1863 Paris.

LEBEN UND WIRKEN

D.s (mutmaßl.) Vater Charles D. (*1741, †1805) ist während des Direktoriums Minister für Auswärtige Angelegenheiten, dann Gesandter in Holland, 1800-03 Präfekt von Marseille, 1803-05 von Bordeaux (in diesen Städten verbringt D. die ersten Lebensjahre). Durch seine Mutter Victoire Œben (*1758, †1814) stammt D. von der Ebenisten-Fam. Vandercruse-Delacroix und von Jean-François Œben ab und ist verwandt mit Jean Henry Riesener und dessen Sohn, dem Maler Henry François Riesener, einem angeheirateten Onkel. Schulzeit am Pariser Lycée Louis-le-Grand (Pierre Bouillon als Zeichenlehrer). Ab Herbst 1815 Ausb. im Atelier von Pierre Narcisse Guérin, ab 1816 an der EcBA im Zeichnen, in Malerei und graph. Techniken (erste nachw. Rad. von 1814, 1819 die ersten Lith., um 1820/24 die ersten Stiche im Aquatintaverfahren). Um 1816/20 oder A.der 1820er Jahre erste Künstlerfreundschaften mit dem von D. hochgeschätzten Théodore Géricault, der ihm den Auftrag zu einem seiner frühesten Bilder für ein Kloster in Nantes vermittelt (Altarbild der Vierge du Sacré Cœur, 1821, Ajaccio, Kathedrale), auch Richard Bonington, mit dem er 1824 ein Atelier teilt, und durch den er sich wohl bereits mit engl. Kunst vertraut macht. Weitere Freunde sind Paul Huet, François-Edouard Bertin, Charles-Emile Champmartin, Léon Cogniet, Alexandre-Marie Colin, Louis Pierre Henriquel-Dupont, Eugène Louis Lami, Hippolyte Poterlet, Joseph Ferdinand Régnier (bei dem D. Skizzen von John Constable sieht), Ary und Henry Scheffer sowie Louis Auguste de Schwiter, den er nach engl. Art als Ganzfigur porträtiert (1826?-30, 1827 im Salon abgelehnt, heute in London, NG). In diesem romant. Umfeld werden später auch Paul-Marc-Joseph Chenavard und D. enge Freunde, die sich durch ihre dekorativen Arbeiten einander näherkommen. Bemerkenswert ist auch der Einfluß von mehr oder weniger als Amateurmaler tätigen Freunden, u.a. Charles Soulier, der D. die Aqu.-Malerei beibringt (Soulier lernte sie vermutl. bei Copley Fielding). D. findet in Paris zu intellektuellen Kreisen Zugang (z.B. befreundet mit Stendhal und Prosper Mérimée), verkehrt in den angesehensten Salons, wie z.B. von Georges Cuvier und bes. von François Gérard, seinem anfängl. Mäzen. Stud. der alten Meister, bes. im Louvre (v.a. Raffael, Rubens, Van Dyck, Rembrandt, Tizian, Veronese, venez. Malerei sowie die klass. frz. Maler, wie z.B. Nicolas Poussin). Auch von zeitgen. Künstlern geprägt, bes. von Antoine Jean Gros, zudem von Gérard, Anne Louis Girodet-Trioson und Pierre Paul Prud'hon. Durch ein Exemplar der "Caprichos" und Gem. im Bes. der befreundeten Fam. Guillemardet wahrsch. um 1820 als einer der ersten Franzosen auf Francisco de Goya aufmerksam geworden. Zur gleichen Zeit begeistert sich D. für Werke engl. Künstler, die er bereits vor seiner Reise nach England (1825) indirekt durch Reprod.-Stiche oder direkt in Pariser Ateliers und im Kunsthandel kennenlernt; mit dort tätigen brit. Künstlern freundet er sich an, bes. mit den Brüdern Copley, Newton Smith, Theodore Henry Adolphus und Thales Fielding, mit dem er E.1824 ein gemeinsames Atelier nutzt. D. nimmt auch Kenntnis von in Paris befindl. engl. Orig.-Werken (bes. von zeitgen. Aquarellisten und von Constable) und sieht im Salon 1824 Arbeiten von engl. Künstlern, u.a. Thomas Lawrence und Constable. Erste Bekundungen seiner Vorliebe für den Orient mit Studien nach Gegenständen, die der Maler Jules Robert Auguste, bei dem er sie um 1824 kopiert, aus dem Orient mitbrachte. Um 1820 erste Aufträge (dekorative Malereien für Monsieur Lottin de Saint Germain in Paris, 1819/20, verschollen, und für den Speisesaal im Pariser Haus des Schauspielers Talma, 1821, zum Thema der Jahreszeiten, heute Priv.-Slg); Madonna im Ährenkleid für die Kirche von Orcemont/Yvelines, 1819 (in situ); die heute in Ajaccio befindl. Vierge du Sacré Cœur. Zw. 1815 und 1822 (v.a. 1821/22) Veröff. von polit. Karikaturen (Stiche und Lith.). Im ersten, 1822-24 regelmäßig geführten Tagebuch (Journal) gibt D. Auskunft zur eig. Person, Beziehungen, lit. und künstler. Vorlieben sowie seiner Arbeit. 1822 Salondebüt mit dem Gem. Die Dantebarke (Paris, Louvre), das die kgl. Verwaltung zu D.s Ermutigung ankauft. 1824 zeigt er im Salon u.a. Das Massaker von Chios (Louvre), ein erfolgreiches, aber auch kritisiertes, dennoch vom Staat erworbenes Werk (ein weiteres Bild, mit dem D. für den Unabhängigkeitskrieg der Griechen gegen die Türken eintritt, und das auf seine liberale Haltung in polit. Fragen hindeutet, ist Griechenland stirbt auf den Ruinen von Missolonghi, 1826, Bordeaux, MBA). Diesen Erfolg nutzt D. für eine Reise nach Großbritannien, v.a. nach London, im Frühjahr/Sommer 1825. Er besucht frz. (Eugène Isabey) und brit. Künstler (Charles Robert Cockerell, Lawrence, wahrsch. Constable) und sieht u.a. Werke von Benjamin West, Benjamin Robert Haydon, David Wilkie und Lawrence. Wieder in Frankreich, schließt er sich dem Cénacle romantique um Victor Hugo und Charles Nodier an, dem neben bed. Literaten (Alfred de Vigny, Afred de Musset, Charles Augustin de Sainte-Beuve, Théophile Gautier und Alexandre Dumas) die Brüder Achille und Eugène Devéria, Louis Candide Boulanger, Célestin François Nanteuil und Pierre-Jean David d'Angers angehören. Im Salon 1827/28 mit mehreren Gem. vertreten, die teils wohlwollend (Christus am Ölberg, Paris, Kirche St-Paul-St-Louis), teils krit. aufgenommen werden (Kaiser Justinian als Gesetzgeber, 1871 beim Brand des Pariser Rechnungshofes zerst.; Die Hinrichtung des Dogen Marino Faliero, London, Wallace Coll., 1828 erneut ebd., BI, gezeigt). Das 1828 präsentierte Gem. Tod des Sardanapal (Louvre) verursacht einen riesigen Skandal. Erfolglos sind auch die 1828 publ. Lith. zum Faust (ab 1819 Publ. mehrerer Einzel-Bll., 1825 Lith.-Folge Feuilles de méd. antiques). Dennoch erhält D. einige offizielle Aufträge: vom frz. Staat zur Schlacht von Nancy für diese Stadt (1831, Salon 1834, Nancy, MBA); Richelieu liest seine Messe im Pal.-Royal für den Duc d'Orléans, den späteren Louis-Philippe (Salon 1831, im Febr. 1848 bei der Plünderung des Pal.-Royal verschwunden); Die Schlacht von Poitiers (1829/30, Louvre) für die Duchesse de Berry. Gest. zahlr. "romant." Arbeiten nach lit. Vorlagen von W.Shakespeare, Lord Byron, W.Scott und J.W. v.Goethe. 1828-30 Ausf. von Stichen und Lith. nach lit. Werken und mit Darst. von Tieren. 1828/29 zus. mit Antoine-Louis Barye Arbeit nach der Natur im Jardin des Plantes. Unter dem Eindruck der Revolution von 1830 entsteht Die Freiheit führt das Volk auf die Barrikaden (Louvre), das im Salon 1831 Aufsehen erregt und vom frz. Staat sofort erworben wird. Erfolglose Teiln. am Wettb. um mehrere Gem. für die Chambre des Députés (Aufträge an Amable-Paul Coutan, Nicolas Auguste Hesse und Auguste Jean-Baptiste Vinchon), worauf D. einen langen Brief zum Thema Wettb. im Frühjahr 1831 in der kurz zuvor gegr. Zs. L'Artiste veröffentlicht, die sich sofort zur jungen romant. Schule bekennt. D.s Reise nach Marokko (1.Halbjahr 1832), die mit dem Abschluß seiner "période romantique" einhergeht, ist nicht geplant, sondern Ergebnis einer günstigen Gelegenheit: Comte Charles de Mornay, der im Auftrag von Louis-Philippe beim Sultan von Marokko einige heikle Probleme zur kurz davor erfolgten Eroberung Algeriens durch Frankreich klären soll, möchte zur Dokumentation des Unternehmens einen Künstler mitnehmen. Seine Mätresse, die Schauspielerin Mademoiselle Mars, empfiehlt ihm D. nach inständigen Bitten von Félix Duponchet und den Brüdern Edouard und Armand Bertin. Am 1.1.1832 Abreise mit Mornay nach Toulon, Einschiffung am 11.1. nach Afrika mit Zwischenaufenthalt in Algeciras am 21.1., den D. zu einem kurzen Kontakt mit Spanien nutzt. Am 24.1. Ankunft vor Tanger, bis zum 5.3. Aufenthalt dort. D. zeichnet viel von der ihn stark beeindruckenden marokkan. Wirklichkeit: Lsch., Archit., Gewänder, Bräuche. V.a. stattet er mit Hilfe des "drogman" vom frz. Konsulat, Abraham Benchimol, den Juden Besuche ab, bes. dessen zahlr. Bekannten und v.a. der eig. Familie. So wohnt D. einer jüd. Hochzeit bei, die Gegenstand mehrerer Aqu., eines erfolgreichen Stichs (Jüd. Braut aus Tanger, urspr. auch Jüdin aus Algier gen., 1833) und eines seiner bekanntesten oriental. Gem. ist (Jüd. Hochzeit in Marokko, 1837?-41, Salon 1841, Louvre). Die als Karawane reisende Gesandtschaft trifft am 15.3. in Meknès ein; die feierl. Audienz des Sultans am 22.3. bietet das Motiv zu Mulay Abd-err-Rhaman, Sultan von Marokko, umgeben von seinen Leibwächtern und wichtigsten Offizieren (1845 gemalt und im Salon, Toulouse, Mus. des Augustins). In Meknès sammelt D. wieder neue Eindrücke, genießt bis zum 5.4. mit den anderen Gesandten die große Gastfreundschaft des Sultans. Rückkehr nach Tanger (5.-12.4.), wo die Ratifizierung des Abkommen mit der marokkan. Reg. erwartet wird. D. nutzt die Gelegenheit zu einem Besuch in Andalusien, zunächst in Cádiz, dann Sevilla (2.H. Mai). Von Tanger am 10.6. Abreise nach Frankreich mit Zwischenaufenthalt in Oran (13.-19.6.) und Algier (26.-28.6.). Dort sieht D. einen priv. Harem, das Motiv zu Alger. Frauen in ihrem Gemach (Salon 1834, Paris, Louvre). A.Juli 1832 Rückkehr nach Toulon. Die Zeit in Marokko ist der am detailliertesten dok. Abschn. aus D.s Leben, auch dank der Korr. an Freunde in Frankreich und die ca. zehn Jahre später von ihm veröff. Erinnerungen (Souvenirs); kürzl. wieder aufgetaucht, wurden sie 1999 publ. und ermöglichen die Präzisierung des Einflusses der Reise auf D. Sie bedingt tatsächl. eine grundlegende Wende in seiner ästhet., stilist. und geistigen Entwicklung. Die intensive Tätigkeit als Zeichner in Afrika (mindestens sieben Skizzenbücher mit handschriftl. Not., vier davon in Paris, Louvre, und Chantilly, Mus. Condé; mindestens 1000 [Nachlaßverkauf], schätzungsweise viell. 3000-4000 Einzelblätter, von denen ein bed. Teil im Louvre ist) liefert ihm das Grundlagenmaterial für sein gesamtes weiteres Schaffen. Auf "l'Orient rêvé" (den vor dem geistigen Auge erscheinenden Orient) der Gem. mit griech. Themen oder nach Vorlagen von Byron in den 1820er Jahren folgt "l'Orient réel" (in Wirklichkeit Nordafrika). D. entfaltet von da an eine Vorliebe zu oriental. Darst. ausgehend von präzisen Beschr. beobachteter Episoden (Album mit Aqu. für den Comte de Mornay, wahrsch. während der Quarantäne in Toulon im Juli 1832 ausgef., heute verstreut; neben bereits zit. Gem. die Bilder Le Caïd, chef marocain, 1837, Nantes, MBA; Die Konvulsionäre von Tanger, Salon 1838, Minneapolis/Minn., Inst. of Arts; zahlr. Fassungen von Fantasia, die ersten von 1832 in Frankfurt am Main, Städel; Montpellier, Mus. Fabre; Die jüd. Musikanten in Mogador, 1843-46[?], Salon 1847, Paris, Louvre). Mitunter verleiht D. seinen Episoden einen pittoresken Anschein (Ansicht von Tanger, 1858, Minneapolis/Minn., Inst. of Arts; Chevaux arabes se battant dans une écurie, 1860, Paris, Orsay; Combat d'Arabes dans la montagne, auch La Perception de l'impôt arabe gen., D.s letztes Gem., 1863, Washington/D.C., NG of Art). Zum anderen sind die "marokkan." Themen, obwohl sie mehr oder weniger auf genauen Beobachtungen basieren, auch zeitlos, wobei D.s Aufmerksamkeit mehr den Figuren als dem narrativen Aspekt gilt (bereits 1833 bei einer Folge mit Rad. und Lith. mit der Feder spürbar). Durch sein Gesamtwerk (von dem nur die Gem. und einige Stiche zu seinen Lebzeiten bek. sind) wird D. zu einem Hauptvertreter der oriental. Richtung. Aber die Tragweite des Marokko-Aufenthalts geht darüber hinaus: hier entdeckt D. ein Licht und eine Farbpalette, die für ihn völlig neu sind, und die er in Zchngn wie auch Aqu. meisterhaft erfaßt (nur einige untergeordnete Öl-Gem. soll er vor Ort ausgef. haben). Seine weitere stilist. Entwicklung wird in hohem Maß davon beeinflußt: die bereits prachtvolle Farbgebung wird nicht nur noch vielfältiger, sondern zugleich auch realistischer; als Maler berücksichtigt D. fortan stärker die Wiedergabe der wahrgenommenen Farbe wie auch die natürl. Verbindung der Farben und die Auswirkungen des natürl. und kontrastreichen Lichts auf sie. Schließlich findet er in Afrika zu einer Synthese seiner an klass. Vorbildern orientierten Auffassungen. Stark von der antiken Zivilisation und Kultur beeinflußt, nicht nur durch die Ausb. bei Guérin, sondern auch durch die umfassende Lektüre von griech. und lat. Autoren seit der Jugendzeit, gewinnt er den Eindruck, in Marokko keine fremde oder exot. Zivilisation, sondern die "lebendige Antike" vorzufinden. So schreibt er "Rome n'est plus dans Rome" (Rom ist nicht mehr in Rom). Damit erübrigt sich für immer die seit mehreren Jahren geplante Reise nach Italien, da er dort, wie er sagt, ohnehin nur eine "tote" Antike der Denkmäler und Werke entdeckt hätte, die er schon durch Stiche und Abgüsse kannte. Diese Paradoxie des Aufenthalts in Nordafrika erklärt die Wende zu einer von der Klassik inspirierten Richtung der weiteren Arbeit nach der Rückkehr, denn er befaßt sich nun mit zuvor von ihm nie eingehend behandelten Themen: trad. Allegorie, mytholog. Darst., klass. Akt (Rasende Medea, Salon 1838, Lille, MBA). Kurz nach der Ankunft in Frankreich erhält D. mit Unterstützung von Adolphe Thiers, inzwischen Minister von Louis-Philippe und bereits über D.s frühe kunstkrit. Aufsätze von 1822 und 1824 informiert, Aufträge zu dekorativen Malereien in der Pariser Assemblée nat. (Pal.-Bourbon): Ausgestaltung des Salon du Roi (1833-37, in situ, Öl und Wachs/Mauerputz, Öl/Lw.): Kassettendecke (Grisaillen) mit personifizierten Darst. der Flüsse und Meere Frankreichs; vier Friese zu Landwirtschaft; Justitia; Frieden und Krieg; allegor. Figuren an der Decke zu den gleichen Themen; Girlanden und Trophäen, zus. mit Eugène Cicéri. Der Erfolg zieht zwei weitere Aufträge nach sich; die Ausgestaltung der Bibl. in der Assemblée nat. (1838-47, in situ) zus. mit Gustave Lassalle-Bordes, bis 1846 Gehilfe (massier) in D.s Atelier, Louis de Planet, Louis-Jean-Baptiste Boulangé (durch Cicéri bei D. vorgestellt) ausschl. für dekorative Elemente, 1841, und am Ende des Vorhabens, 1845, Pierre Andrieu (fortan D.s bevorzugter Mitarb., der 1847 mit Planet, 1853 auch mit Lassalle-Bordes bricht); fünf Kuppel-Gem. mit jeweils vier Motiven (Öl/Lw., aufgezogen) aus der Mythologie, der hl. Gesch. und der griech.-röm. Antike zu den Themen Wiss.; Gesch. und Philosophie; Gesetzgebung und Beredtsamkeit; Theologie; Dichtkunst; zwei Halbkuppeln (Öl und Wachs/Putz); Attila, von seinen Horden gefolgt, vernichtet Italien und die Künste; Orphée vient policer les Grecs encore sauvages et leur enseigner les arts de la paix. Weiterhin dekoriert D. die Bibl. im Pal. du Luxembourg (1841-46, in situ): Kuppel (1841-45, Öl/Lw., aufgezogen): Dante et les esprits des grands hommes, auch Apothéose de Dante gen.; vier Hängezwickel (Grisaille); Halbkuppel (1846, Öl/Lw., aufgezogen); Alexandre, après la bataille d'Arbèles, fait enfermer les poèmes d'Homère dans une cassette d'or. Im Zusammenhang mit der Ausf. der beiden letztgenannten Dekorationen eröffnet D. 1838 ein Atelier zur Ausb. von Ass.; zu den bereits gen. kommen Emile Knœpfler (1848 Mitarb. in der Pariser Kirche St-Sulpice) und Léger Chérelle (1840 von Lassalle-Bordes vorgestellt). Weitere angesehene Maler in D.s Atelier: Maurice Sand (Sohn von George Sand), Edme Saint-Marcel, Evariste Bernardi de Valernes (Freund von Degas), Alexandre Bida, Joseph-Ferdinand Boissard de Boisdenier und Joseph Guichard. Trotz diverser Kritiken und Schwierigkeiten bei der Realisierung erringt er mit diesen Arbeiten ein gewisses Ansehen unter den zeitgen. Dekorationsmalern, wobei er im Rückblick selbst als Wegbereiter bei der Erneuerung der frz. Dekorationsmalerei im zweiten Drittel des 19.Jh. erscheint. Mit diesen Werken übertrifft er tatsächlich, sowohl bezügl. der Inspiration als auch der Ausf. und des Verständnisses für die dieser Art von Arbeit inhärenten Widersprüche die Künstler, die zur gleichen Zeit im Pal.-Bourbon (Alexandre Denis Abel de Pujol, Horace Vernet und François Joseph Heim) und im Pal. du Luxembourg (D.s Cousin Léon Riesener und Camille Roqueplan) tätig sind. Daneben verfolgt er seine Salonkarriere weiter (vollst. Verz. der ausgestellten Werke cf. Johnson, III, 1986, XXI-XXIV) und interpretiert lit. Themen im romant. Geschmack (Die Natchez nach F.R. de Chateaubriand, 1823?-35, New York, Metrop. Mus.; Le Prisonnier de Chillon, 1834, Louvre, beide Salon 1835; Letzte Szene des Don Juan, 1824, Salon 1838, Priv.-Slg; Schiffbruch des Don Juan, 1840, Salon 1841, Louvre; Raub der Rebekka, Salon 1846; Tod des Valentin, 1847, Salon 1848, Bremen, KH). D. interessiert sich bes. für Shakespeare (Kleopatra und der Bauer, 1838, Salon 1839, Chapel Hill/N.C., Ackland AM) und speziell für Hamlet (mehrere Gem. zu Hamlet und Horatio auf dem Friedhof, zw. 1835 und 1859, v.a. 1835, im Salon 1836 abgelehnt, Frankfurt am Main, Städel; 1839 ausgef. und im Salon; 1859, auch im Salon, beide im Louvre). Zw. 1834 und 1843 entsteht eine Lith.-Folge zur Ill. von Hamlet (1843 völlig erfolglose Veröff.). Zur gleichen Zeit Arbeit an einer weiteren Folge von Ill. zu Goethes Götz von Berlichingen, die er nach der Publ. einiger Bll. schließl. aufgibt; zu nennen ist des weiteren eine 1833 zus. mit dem Freund Frédéric Villot gefertigte Folge von Rad. und Kpst., deren urspr. ebenfalls vorgesehene Publ. D. nun aufgibt. Neben der Weiterentwicklung der oriental. und der Vertiefung der "romant." Richtung sowie der Ausf. großer dekorativer Arbeiten steht in den 1830er/40er Jahren bei D. die Rückbesinnung auf das sog. "grand genre", die Historienmalerei, im Vordergrund. Solche Gem. sind häufig Aufträge des Staates oder werden nach der Präsentation im Salon angekauft: Die Schlacht von Taillebourg (Salon 1837, für das Mus. hist. von Louis-Philippe in Versailles, in situ); Rasende Medea (Salon 1838, Lille, MBA); Gerechtigkeit des Trajan (Salon 1840, Rouen, MBA et de la Céramique); Einzug der Kreuzfahrer in Konstantinopel (1840, ebenfalls für Versailles, heute im Louvre, in Versailles durch eine Kopie von Henri Charles de Serre ersetzt); Tod des Marc Aurel (1843/44, Lyon, MBA); La Sybille de Cumes (1838?, New York, Wildenstein Gall.). Schließl. wendet sich D. trad. relig. Themen zu, interpretiert sie jedoch recht originell, bes. im Hinblick auf die Farbgestaltung und den Duktus; die so entstehenden dramat. Effekte verweisen eindeutig auf den Einfluß von Rubens (Der hl. Sebastian, Salon 1836, Nantua/Ain, Kirche St-Michel; Maria Magdalena in der Wüste, um 1843/45, Salon 1845, Paris, MN E.D.; Pièta, Öl und Wachs/Putz, Paris, Kirche St-Denys du St-Sacrement, 1844; Grablegung Christi, Salon 1848, Boston/Mass., MFA). Die Kritik ist häufig geteilter Meinung und lobt einige dieser Gem., während andere (Gerechtigkeit des Trajan) umstritten sind. Dennoch setzt sich D. endgültig als ein Hauptmeister der Ec. franç. durch, als Vertreter des Kolorismus analog zu J.A.D. Ingres auf dem Gebiet der Zchng und gilt als Anführer der frz. Romantik (gegen D.s eigtl. Willen, denn er verhielt und verstand sich selbst zutiefst als Klassiker); siehe dazu v.a. die Art. von Théophile Thoré (in: Le Siècle 1837, der ersten Gesamtstudie zu D.) und die Ausführungen von Charles Baudelaire in "Salon de 1845" (beide große Bewunderer D.s, die ihn zu seinen Lebzeiten am treffendsten charakterisierten; beide Quellen cf. Tourneux, 1886). Zunächst verkehrt D. weiter in der Pariser Ges. und in Salons, zieht sich jedoch ab 1842 aus gesundheitl. Gründen etwas zurück. Ab 1844 häufig zur Erholung in Champrosay südöstl. von Paris in einem nahe der befreundeten Fam. Villot gemieteten Landhaus (später in einem 1858 erworbenen Haus dieses Dorfes). Er verläßt Paris nur zu Kurzreisen in die frz. Prov., zu Verwandten (bes. in der Normandie) und Freunden (George Sand in Nohant, siehe weiter unten) oder aus gesundheitl. Gründen (Pyrenäen, 1845, Vogesen, Plombières, 1857 und 1858). Seine Auslandsreisen beschränken sich auf einen Abstecher nach Holland (1839), Belgien und eine mehrwöchige Kur in Ems (1850). Darin könnte eine Ursache dafür liegen, daß D. von 1847 bis zum Tod wieder an seinem Tagebuch arbeitet; viel ausgereifter als im ersten Band von 1822-24 schreibt er nun theoret. fundiert und durchdacht. In diesen Jahren schreibt er auch für versch. Ztgn theoret. und ästhet. Studien sowie Art. zu berühmten Künstlern (Raffael, Michelangelo, Poussin, Pierre Puget, Prud'hon, Lawrence, Gros, Charlet); zum Zeitpunkt seiner Wahl ins Institut de France 1857 ordnet er seine Überlegungen mit dem Ziel der Hrsg. eines Kunst-Lex. (Dict. des BA, nicht zu Ende geführt). Zu D.s Lebzeiten sind nur die Aufsätze bek., alle anderen Schr. werden erst nach seinem Tod allmähl. veröff., einschl. der sehr bedeutsamen Korr., die die Mängel der Tagebücher kompensiert. Die Bekanntschaften dieses Lebensabschnitts betreffen v.a. Frauen; die Gesellschaft der Cousine Joséphine de Forget und von Elisabeth Boulanger (verh. mit dem Maler Clément Boulanger, später mit François Morellon La Cave, Dir. der BA in der Julimonarchie) verdrängt die Erinnerung an Madame Dalton, eine seiner ersten Liebesbeziehungen. Ein bes. Verhältnis entsteht zu George Sand, die er im Zusammenhang mit der Ausf. ihres Portr. (1834, Paris, Priv.-Slg) im Auftrag des Hrsg. der Rev. des Deux-Mondes, François Buloz, kennenlernt; er verkehrt nun häufig in deren Ges. und schließt eine innige Freundschaft zu ihrem Lebensgefährten Frédéric Chopin. 1842, 1843 und 1846 besucht D. beide im mittel-frz. Nohant (Doppelbildnis von Chopin und Sand 1838 beg., aufgegeben, heute in zwei Teile zerschnitten: George Sand, Ordrup b. Kopenhagen, Ordrupgård Mus.; Frédéric Chopin, Paris, Louvre). Dort trifft er auf weitere Künstler (Franz Liszt), auch Schriftsteller (Honoré de Balzac). Nach ihrem Bruch mit Chopin (die Ansichten zur Revolution von 1848 gehen weit auseinander, da sich D. zunehmend an konservativen Positionen orientiert) distanziert sich D. allmähl. von Sand, ohne sich endgültig von ihr zu trennen. Die letzten 15 Lebensjahre bringen eine erneute Änderung in seinem Schaffen, allerdings in den Grenzen des bereits eingeschlagenen Weges. Mit gleichbleibendem Erfolg gestaltet er weitere große Dekorationen für öff. Gebäude in Paris: das Mittelfeld der Decke in der Gal. d'Apollon im Louvre (Apollo als Besieger der Pythonschlange, Öl/Lw., aufgezogen, 1850/51, in situ) als Teil eines größeren, 1848 von der republikan Reg. erteilten Auftrages im Rahmen der Rest. des Louvre durch den Architekten Jacques Félix Duban; dieser schlägt D., Guichard und Charles Louis Lucien Müller für weitere fehlende Elemente in der Dekoration vor. Anschl. dekoriert er im Pariser Rathaus den Salon de la Paix (1851-54, zus. mit Andrieu und Boulangé, beim Brand des Gebäudes während der Pariser Commune 1871 zerst.): Plafond mit kreisförmigem Mittelfeld (La Paix descendant sur la terre) und acht Feldern mit Darst. von wohltätigen Göttinnen, Freundinnen des Friedens; 11 Lunetten an den oberen Abschn. der Wände (Die Taten des Herkules, versch. Skizzen erh., bes. in Paris, Mus. Carnavalet und Petit Pal.; Ordrup, Ordrupgård Mus.; Priv.-Slgn; Stiche von versch. Elementen der Dekoration cf. Calliat, 1844, und Vachon, 1882; Ingres gestaltet als Gegenstück den Salon de l'Empereur, Heinrich Lehmann die Gal. des Fêtes als Verbindung dieser beiden Arbeiten). Anschl. Ausgestaltung der Chap. des St-Anges in der Pariser Kirche St-Sulpice, die häufig als sein künstler. Vermächtnis und Fazit lebenslanger Erkenntnisse angesehen wird; die Kap. wird bes. von den neo- und postimpressionist. Malern, u.a. Georges Seurat und Paul Signac (cf. Signac, 1899, ed. Cachin, 1978) als Vorbild erachtet. Den Auftrag dazu erteilt die republikan. Reg. durch Vermittlung des nach der Februarrevolution 1848 zum Dir. der BA berufenen Kunstkritikers Charles Blanc (Bruder des Politikers Louis Blanc; Skizzen 1850 beg., Werk in situ, Öl und Wachs/Putz; 1852-64, 1855/56 und 1858-61 in unregelmäßigen Abständen mit Andrieu und Boulangé ausgef.): Plafond als abgeflachte Kuppel mit dem Hl. Michael; vier Hängezwickel (Grisaillen) mit Darst. von Engeln mit in der Apokalypse beschr. symbol. Attributen (Engel durch Wassereinbrüche stark beschädigt, alles andere in zufriedenstellendem Zustand); zwei gegenüber befindl. mon. Wandmalereien (Vertreibung Heliodors aus dem Tempel; Kampf Jakobs mit dem Engel). Weitere Einsendungen zum Salon mit unterschiedl. Erfolg; nach heftiger Kritik an mehreren Bildern im Salon 1859 (bes. Die Ufer des Flusses Sebu, 1858, London, Artemis Group, während Ovid en exil chez les Scythes, ebd., NG, einhellig anerkannt wird) wendet er sich vom Salon ab. 1855 umfassende Retr. in der Abt. Bild. Kunst der Pariser WA (zus. mit Ingres, Alexandre-Gabriel Decamps und H. Vernet); erstmalige Präsentation der wichtigsten Bilder seiner gesamten Laufbahn (außer Sardanapal) neben einigen neuen Werken, u.a. Blumenbildern von 1848– 50 (Montauban, Mus. Ingres; New York, Metrop. Mus.; Phildadelphia/Pa., Mus. of Art), und einem für den Staat speziell zu dieser Ausst. ausgef. Auftragswerk ( Löwenjagd, beim Rathausbrand in Bordeaux 1870 beschädigt, Bordeaux, MBA, Skizze in Paris, Orsay, Replik von 1855/56 in Stockholm, NM). Dieser Erfolg bringt D. die endgültige Anerkennung; als Konsequenz 1857 Wahl ins Institut de France (nach sieben Mißerfolgen seit 1838). D. behandelt derzeit fast alle in der Vergangenheit von ihm praktizierten Genres, zu denen nun auch Lsch. und Stilleben kommen. Er erweitert seine lit. Themen auf bereits in der Jugendzeit bewunderte, bisher allerdings kaum von ihm interpretierte Texte ( Jérusalem délivré, Roland furieux). Außerdem bringt er relig. Themen großes Interesse entgegen und wiederholt über mehrere Jahre dieselben Sujets (z.B. Christus auf dem See von Genezareth, zw. 1841 und 1854 sechs Versionen; Pietà, zw. 1843 und 1844–57 sieben Fassungen). Diese Wiederholungen, bisweilen fast ident. Repliken (Rasende Medea, 1862, Louvre), mitunter auch stark veränderte Komp. ( Alger. Frauen in ihrem Gemach, 1847–49, im Salon 1849, Gem. von Alfred Bruyas angekauft, heute in Montpellier, Mus. Fabre; Einzug der Kreuzfahrer in Konstantinopel, 1852, Louvre; Die Konvulsionäre von Tanger, 1857, Toronto, AG of Ontario), sind im übrigen char. für D.s letzte Schaffenszeit infolge der großen Nachfrage bei Sammlern wie Kunsthändlern, die nun viel häufiger Werke in Auftrag geben. D.s Tod hat bed. Auswirkungen auf den Kenntnisstand und die Rezeption seines Œuvres: im Febr. 1864 Nachlaßversteigerung des Atelierbestandes unter Ltg des Kunstkritikers Philippe Burty, von Constant Dutilleux, mit dem D. in den letzten Lebensjahren verkehrte, von Adrien Dauzats und Schwiter. Neben diesem Bestand, wenigen in D.s Bes. verbliebenen Bildern und seinen unvoll. Werken umfaßt der Nachlaß v.a. die von ihm zeitlebens aufbewahrten Zchngn, die ihn für die Öffentlichkeit erst jetzt als einen der ganz großen Meister der Zchng ausweisen. Die Aukt. ist überaus erfolgreich, ebenso die Retr., die 1864 von der Soc. nat. des BA organisiert wird. Bis dahin unveröff. Schr. werden rasch publ. und tragen auch zur Konsolidierung eines korrigierten Bildes von D. bei (1878 erste Ausg. der Korr. durch Burty, 1893 erweiterte erstmalige Hrsg. [Journal] durch René Piot, einen Schüler von Andrieu, der sich Paul Flat heranzog). 1885 Benefiz-Ausst. in Paris zur Finanzierung des Jules Dalou übertragenen Denkmals von D.; gleichzeitig veröffentlicht Alfred Robaut (Schwiegersohn von Dutilleux) den vollst. Kat. mit WV, die Grundlage für alle späteren Unters. (erst in den 1980er Jahren von Johnson und nur für die Malerei vollst. überarbeitet); der Kunstkritiker Ernest Chesneau verfaßt den Kommentar. Zwei Hauptrichtungen der Analyse werden nun verfolgt: D. als Anführer der Romantik einerseits und zum anderen als Künstler, dessen Genialität nicht auf eine einzige Formel reduziert werden kann, und dessen Œuvre in seiner Gesamtheit wie auch Widersprüchlichkeit betrachtet werden muß. Die erste Tendenz manifestiert sich v.a. in der Retr. 1930 im Louvre, die zweite in der Retr. 1963 ebd. In den vergangenen 20 Jahren erfolgten wesentl. mehr Studien zu D.s Themenkreis, den örtl. Gegebenheiten, Techniken und den Schaffensperioden. Der heutige Erkenntnisstand ist recht weit fortgeschritten, aber weitere Forsch.-Arbeiten sind noch zu bewältigen (aktualisierte Ausg. der Korr. und der Tagebücher, worüber nur Arbeiten von André Joubin vorliegen, die aufgegriffen werden müssen; Verz. der Zchngn). Die gegenwärtige Sichtweise auf D. ist auf jeden Fall erhebl. differenzierter und anläßl. seines 200. Geburtstages erweitert worden (zahlr. Ausst., Monogr. und Synthesen, cf. Bibliogr.). Obwohl der Romantiker D. weiter besteht, wird er doch heute auch als einer der letzten Vertreter der klass. Trad. angesehen.

WERKE

Das vollst. WV von Robaut (1885) ist nach wie vor ein Grundlagenwerk, um so mehr, da auch (in chronolog. Reihenfolge) Zchngn und Druckgraphik enthalten sind. Seither gilt es als Standardwerk für D.s Malerei, die Johnson ordnet (1981-93, chronolog. und zugleich themat. Klassifizierung). Für die Zchngn gibt es kein vollst. Verz.; cf. partielle Publ. über die in der Bibliogr. angegebenen Slgn, bes. zum von M.Sérullaz (1984) ed. Bestand im Louvre, der weltweit der vollständigste und aussagekräftigste ist. Zur Druckgraphik ist von Moreau auszugehen (1873, Verz. der Reprod.-Stiche; auch cf. Verz. von Bobet-Mezzasalma, 1998); das wichtigste Referenzwerk diesbezügl. ist jedoch der Kat. von Delteil (1908) in der von Strauber (1997) überarbeiteten und ins Engl. übersetzten Fassung.

SELBSTZEUGNISSE

Journal: A.Joubin (Ed.), Journal, 1822-63, I-III, P. 1931/32; überarbeitete Neuausgabe, ed. R.Labourdette, P. 1980; 21996. - Korr.: A.Joubin (Ed.), Correspondance gén. d'E.D., I-V, P. 1936-38; A.Dupont (Ed.), Lettres intimes, P. 1954; 21995; L.Johnson (Ed.), Further correspondence. 1817-1863, Ox. 1991. - Notizbücher und Schr. aus Marokko: A.Joubin, E.D. Voyage au Maroc. 1832. Lettres, aqu. et dessins, P. 1930; M.Arama u.a. (Ed.), E.D. Le voyage au Maroc (Faks. der Notizbücher im Louvre und im Mus. Condé, Chantilly, ergänzt durch 2 Bde mit Not. und Dok.), I-VI, P. 1992; L.Beaumont-Maillet/B.Jobert/S.Join-Lambert (Ed.), Souvenirs d'un voyage dans le Maroc, P. 1999. - Art. und Schr. zur Kunst: E.Faure (Ed.), Œuvres litt., I: Et. esthétiques; II: Essais sur les artistes célèbres, P. 1923; A.Larue (Ed.), Dict. des BA, P. 1996.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

Paris: 1864 Soc. nat. des BA: Expos. des œuvres d'E.D.; 1885 ENSBA: Expos. E.D. au profit de la souscription destinée à élever à Paris un mon. à sa mém.; Louvre: 1930: Centenaire du romantisme. Expos. E.D.; 1963: E.D. 1798-1963; D. Dessins; 1982: La Liberté guidant le peuple de D.; 1933 Mus. de l'Orangerie: Voyage de D. au Maroc, 1832, und Expos. retr. du peintre orientaliste Mr. Auguste; 1963 BN: D. et la gravure romantique; 1993/94 MN E.D.: D. en Normandie; 1995 Assemblée nat.: E.D. à l'Assemblée nat., peint. murales, esquisses, dessins; Inst. du Monde arabe: D. Le voyage au Maroc; 1998 BN: D. Le trait romantique; 1998/99 Grand Pal., und Philadelphia (Pa.), Mus. of Art: D. Les dernières années / 1962/63 Toronto, AG of Ontario, und Ottawa, NG of Canada / 1963 Bordeaux, MBA: D., ses maîtres, ses amis, ses élèves / 1963/64 Edinburgh, RSA, und London, RA / 1964 Bremen, KH: E.D. (1798-1863) / 1986 Nizza, MN Message biblique Marc Chagall: D. Peint. et dessins d'inspiration relig.; Tübingen, KH, und Brüssel, Pal. des BA: Ingres et D. Aqu. et dessins / 1987/88 Zürich, Kunsthaus, und Frankfurt am Main, Städel: E.D.; ebd., Städel: E.D. Themen und Variationen. Arbeiten auf Papier / 1991 New York, Metrop. Mus.: E.D. (1798-1863). Paint., drawings and prints from the North-Amer. coll. / 1997 Nancy, MBA: La Mort du Téméraire / 1998 Rouen, MBA et de la Céramique: D. La naissance d'un nouv. romantisme; Tours, MBA: D. en Touraine / 1998/99 Versailles, Château: D. à Versailles.

 

QUELLEN

Thieme-Becker, Vollmer und AKL:

ThB8, 1913

 

Weitere Lexika:

Bellier/Auvray I, 1882; DA VIII, 1996

 

Gedruckte Nachweise:

WV: A.Moreau, E.D. et son œuvre, P. 1873; A.Robaut (unter Mitwirkung von E.Chesneau/F.Calmettes), L'œuvre complet d'E.D. Peint., dessins, gravures, lith., P. 1885 (von Robaut kommentiertes Exemplar in Paris, BN, Dép. des Estampes et de la Photogr., ed. N.Y. 1969); P.Georgel (Einf.)/L.Rossi Bortolatto, Tout l'œuvre peint de D., P. 1975; überarbeitete und korrigierte Ausg., ed. H.Bessis, P. 1984; L.Johnson, The paint. of E.D. A crit. cat. 1816-1831, I-II, Ox. 1981; III-IV, Ox. 1986 (überarbeitete und korrigierte Ausg., Ox. 1993); V-VI, Ox. 1989. - Zchngn: M.Sérullaz u.a., Mus. du Louvre. Cab. des dessins. Inv. gén. des dessins. Ec. franç. Dessins d'E.D., I-II, P. 1984. - Druckgraphik: L.Delteil, Le peintre-graveur ill., III: Ingres-D., P. 1908; überarbeitete und ins Engl. übersetzte Ausg., ed. S.Strauber, San Francisco 1997. - Zeugnisse von Zeitgen. D.s: M.Tourneux, E.D. devant ses contemp. Ses écrits, ses biographes, ses critiques, P. 1886 (zur Zeit der Veröff. sehr umfassendes Verz., mit Textauszügen); G.Sand, Hist. de ma vie, IX, P. 1856, 165-185; ead., Impressions et souvenirs, P. 1873, 72-90; T.Silvestre, Hist. des artistes vivants. Les artistes franç. Et. d'après nature, Br. u.a. 1861, 5-37; E.Chesneau, La peint. franç. au XIXe s. Les chefs d'ec. L.David, Gros, Géricault, Decamps, Ingres, E.D., P. 1862, 313-392; A.Dumas, Causerie sur E.D. et ses œuvres, faite par Alexandre Dumas le 10 décembre 1864 dans la salle d'expos. des œuvres d'E.D., P. 1865; Neuausgabe u.d.T.: D., ed. J.Thibaudeau, P. 1996; E.A. Piron, E.D. Sa vie et ses œuvres, P. 1865; L.de Planet, Souvenirs de travaux de peint. avec monsieur E.D., ed. A.Joubin, P. 1929. - Weitere Lit.: V.Calliat (Ed.), L'Hôtel de Ville de Paris, P. 1844; M.Vachon, L'Ancien Hôtel de Ville de Paris, 1533-1871, P. 1882; P.Signac, D'E.D. au néo-impressionnisme, P. 1899; ed. F.Cachin, P. 1978; M.Tourneux, E.D., biogr. crit., P. 1902; J.Meier-Graefe, E.D. Beitr. zu einer Analyse, M. 1913; E.Moreau-Nélaton, D. raconté par lui-même, I-II, P. 1916; H.Graber, D., Basel 1919; R.Escholier, D. peintre, graveur, écrivain, I-III, P. 1926-29; H.Gillot, E.D. L'homme, ses idées, son œuvre, P. 1928; F.Gysin, E.D. Stud. zu seiner künstler. Entwicklung, Strasbourg 1929; J.Alazard, L'Orient et la peint. franç. au XIXe s., d'E.D. à Auguste Renoir, P. 1930; L.Hourticq, D. L'œuvre du maître, P. 1930; R.Piot, Les palettes de D., P. 1931; E.Lambert, D. et les Femmes d'Alger, P. 1937; M.Florisoone, E.D., P. 1938; H.Graber (Ed.), Der junge D., Basel 1938; L.Rudrauf, E.D. et le problème du romantisme artist., P. 1942; P.Courthion, D., Genève 1943; J.Cassou, D., P. 1947; F.Fosca, D., Bern 1947; G.Bideau, E.D., Lyon 1957; P.Deix, D. le libérateur, P. 1963; Y.Deslandres, D., P. 1963; U.Fischer, Das lit. Bild im Werk E.D., Bonn 1963; Y.Florenne, D., P. 1963; M.Gauthier, D., P. 1963; R.Huyghue u.a., D., P. 1963; L.Johnson, D., Lo. 1963; id., BurlMag 1963(Juli)297-305 (200.Geburtstag); 1964(Juni)259-267; P.Jullian, D., P. 1963; E.Lambert, Hist. d'un tableau, l'Abd-er-Rahman, Sultan du Maroc, de D., P. 1963; M.Sérullaz, Les peint. murales d'E.D., P. 1963; Y.Sjöberg, Pour comprendre D., P. 1963; D.Wildenstein, GBA 1963(Sept., Suppl.)1 ss.; A.Chastel, Art de France 4:1964, 332 s.; R.Huyghe, D.ou le combat solitaire, P. 1964; 21990; K.Badt, E.D. Werk und Ideale, Köln 1965; C.Maltese, D., Mi. 1965; G.P. Mras, E.D.'s theory of art, Pr. 1966; T.Prideaux, D. et son temps, 1798-1863, N.Y. 1966; G.Diehl, D., P. 1967; J.J. Spector, The murals of D. at St-Sulpice, N.Y. 1967; L.Johnson, Recent D. lit., BurlMag 1968(Febr.)102-105; G.Marchiori, D., Fi. 1969; M.Sérullaz, E.D., N.Y. 1969; C.Roger-Marx, L'univers de D., P. 1970; F.Anderson Trapp, The attainment of D., Baltimore u.a. 1970; G.Busch, E.D. Der Tod des Valentin, Ffm. 1973; G.Dumur, D. romantique franç., P. 1973; J.J. Spector, D. The Death of Sardanapalus, Lo. 1974; S.Lichtenstein, D. and Raphaël, N.Y. 1979; K.Schawelka, E.D. Sieben Stud. zu seiner Kunsttheorie, Diss. München, Mittenwald 1979; B.-L. Derr, The landscapes of E.D., Diss. Minneapolis, Ann Arbor 1982; J.Sagne, D. et la photogr., P. 1982; I.Goffitzer, Der Orient in der Kunst und den Schr. von E.D., W. 1983; N.A. Finlay, Animal themes in the paint. of E.D., Diss. Princeton, Ann Arbor 1984; M.Arama, Le Maroc de D., P. 1987; J.H. Rubin, E.D. Die Dantebarke. Idealismus und Modernität, Ffm. 1987; G.Dumur, D. et le Maroc, P. 1988; M.Sérullaz, D., P. 1989; J.-P. Guillerm, Couleurs du noir. Le journal de D., Lille 1990; N.M. Athanassoglou-Kallmyer, E.D. Prints, politics and satire 1814-1822, New Haven/Lo. 1991; T.Wilson-Smith, D. A life, Lo. 1992; A.Daguerre de Hureaux, D., P. 1993; M.Hannosh, Paint. and the "Journal" of E.D., Pr. 1995; L.Johnson, D. Pastels, N.Y. 1995; B.Jobert, D., P. 1997 (überarbeitete engl. Ausg. Pr. 1998); P.Rautmann, D., P. 1997; E.D. Oriental. Impressionen (K KH), Bremen 1998; I.Bergerol/A.Sérullaz, E.D., aqu. et lavis au pinceau, P. 1998; S.Bobet-Mezzasalma, D. et l'estampe d'interprétation, Nouv. de l'estampe 1998(157)23-32, 77-88; R.Floetemeyer, D.s Bild des Menschen. Erkundungen vor dem Hintergrund der Kunst des Rubens, Mainz 1998; S.Guégan, D. L'Enfer et l'atelier, P. 1998; A.Larue, Romantisme et mélancolie. Le Journal de D., P. 1998; V.Pomarède, E.D., "La Mort de Sardanapale", P. 1998; A.Sérullaz, D., P. 1998 (Le Cab. des Dessins); B.Jobert, D. et l'estampe. Chronologie, techniques, collaborations, Rev. de l'art 2000/01(127)43-61; S.Aubenas, Les photogr. d'E.D., ibid., 62-69

 

Archive:

Mss.: Paris, Bibl. d'Art et d'Archéologie, Fond. Jacques Doucet (bes. die Notizbücher zum Journal); BN; Louvre, Bibl. und Dép. des Arts graph. (Hinweise in den versch. Ausg. von D.s Schr.). - Ein Ensemble von durch D.s Test.-Vollstrecker Achille Piron aufbewahrten Unterlagen wurde am 6.12.1997 im Hôtel des Ventes durch Tancrède und Lô Dumont veräußert (K); ein großer Teil dieses Bestandes wurde von den oben gen. Institutionen erworben und wird derzeit ausgewertet. - Paris, BN, Dép. des Estampes et de la Photogr.: von A.Robaut zusammengestellte Dokumentation (ein Teil davon im Louvre, Documentation des peint.)

 


THIEME-BECKER

Artikel von: oreau-Nélaton). Inventare u. Katal.: Guiffrey u. Marcel, Inv. gén. ill. d. dessins du Louvre IV (1909) 119-135. - Inv. gén. d. Rich. d'Art, Paris, Mon. relig. I u. III; Mon. civ. I u. III; Prov., Mon. civ. I, II, III, V, VI u. VIII. - Mireur, Dict. d. Ventes d'art, II (1902). - H. A. Müller, Museen etc. Deutschlands I (1857). - Kat. d. im Text aufgef. Mus.; dazu: Arras, Grenoble, Reims und Tours. Autobiographisches: G. Dargenty, Eng. D. par lui-mime, 1885. - P h. Burty, Lettres de Eug. D. (1815-1863), 1878 (2., von G. Charpentiererw. Aufl. 1880) x - Journal de Eug. D. (herausg. von P. Flat u. R. Piot) 3 Bde, 1893-95 (stark gekürzte deutsche Ausgabe unter d. Titel: "Mein Tagebuch" bei Cassirer, Berlin 1909). -. Kunst u. Kstler VII (1909) 456 ff. u. 511 ff. (Briefe an Soulier, Thoré u. Silvestre); IX (1911) 350 ff. (Brief an Villot). - Réun. d. Soc. d. B.-Arts XV (1891) 618 ff. Eine Reihe der eigenen Aufsätze D.s sind in der Übersetzung von Meier-Graefe unter d. Titel: "Eug. D.: Literarische Werke" 1912 vom Insel-Verlag herausgeg. worden. Eine Abhandlung über Poussin in Kunst u. Kstler IX (1911) 278 ff. Hans Vollmer

Delacroix, Eugène (Ferdinand Victor Eug.), Maler, Lithograph u. Radierer, geb. in Charenton-Saint-Maurice am 26. 4. 1798, † in Paris am 13. 8. 1863. Sein Vater, Charles Constant D., war unter dem Direktorium Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dann französ. Gesandter in Holland gewesen, später lebte er als Präfekt in Marseille, darauf in Bordeaux, wo D. seine Kindheit verlebte. D.s Mutter, Victoire Oeben, war eine Tochter des Ebenisten Oeben, eines der tüchtigsten Schüler Boulle's. 1805 starb der Vater u. hinterließ seine Familie in den kümmerlichsten Verhältnissen. Mit 9 Jahren wurde D. in Paris Schüler des kaiserl. Lyceums, ohne daß sich damals schon eine besondere künstler. Neigung bei dem lernbegierigen Knaben gezeigt hätte, die erst allmählich durch den Anblick der Schätze des zu jener Zeit die Meisterwerke fast aller Museen Europas vereinigenden Musée Napoléon geweckt wurde. Gegen Ende des Jahres 1815 trat der damals 17jährige auf Empfehlung seines Oheims, des Malers Henri Riesener, in das Atelier Guérin's ein, obgleich zu dieser Zeit noch keineswegs entschlossen, den Malerberuf zu wählen, sondern einstweilen nur in der Absicht "un petit talent d'amateur" auszubilden. Die Offizierslaufbahn, die die meisten männlichen Mitglieder seiner Familie ergriffen hatten, wurde erwogen; auch musikalische Interessen nahmen ihn stark in Anspruch. Der Unterricht bei Guérin, einem erklärten Anhänger der Davidschule, mußte durchaus fruchtlos für ihn bleiben; daß er trotzdem aushielt, ist ein Beweis dafür, daß sich das Bewußtsein seiner künstler. Berufung in diesen Jahren in ihm durchrang. Einige tastende Versuche aus dieser Zeit wie die Nemesis von 1817, die "Opferwilligkeit der römischen Damen" von 1818 lassen bereits etwas von dem künftigen D. ahnen. Seine wahren Erzieher waren nicht Guérin, sondern die alten Meister, in erster Linie Rubens und Veronese, die er eifrig kopierte. Äußerte er doch später einmal: Alles was ich kann, verdanke ich Veronese! Förderlich wurde für ihn auch der Verkehr mit Cogniet, Champmartin, Ary Scheffer und vor allem Géricault, mit denen er im Atelier Guérin's zusammentraf. Die Technik der in Frankreich damals wenig gehandhabten Aquarellmalerei brachte ihm der eng mit ihm befreundete Thalès Fielding bei. - Ein äußerer Umstand drängte D. in seiner Entwicklung vorwärts: Oktober 1819 starb seine Mutter und lieg ihn fast mittellos zurück, da ihm seine kleine Erbschaft durch den Verlust eines Prozesses entrissen war. In dieser Zwangslage, sich durch seine Malerei sein Brot verdienen zu müssen, kam ihm der von D. lebhaft bewunderte Géricault hilfreich entgegen, indem er den ihm erteilten Auftrag, ein Altarbild für das Kloster der Dames du Sacré-Coeur in Nantes zu malen, an D. abtrat. Die Ausführung dieses noch an Ort und Stelle befindlichen Bildes, eine thronende Madonna, zog sich bis in den Sommer 1822 hin, als D. durch sein erstes im Salon ausgestelltes Werk, die "Barke des Dante", bereits das gesamte künstlerisch interessierte Paris in einen Sturm des Aufruhrs versetzt hatte. Das Motiv zu dieser Komposition hatte D. dem 1. Gesange von Dante's Hölle entnommen; der Kommentar, den er selbst seinem Gemälde mitgab, lautete: "Dante und Virgil, von Phlegyas geführt, fahren über den See, welchen die Mauer der Höllenstadt Dis umgibt. Verdammte klammern sich an die Barke und quälen sich ab, in dieselbe hineinzusteigen. Dante erkennt unter ihnen Florentiner." Die offizielle Kritik, an ihrer Spitze Delécluze, der angesehene Kunstreferent des Moniteur und Journal des Débats, war sich in der Verurteilung des Werkes einig, das durch seine kühne koloristische Haltung, vor allem aber durch seine leidenschaftliche Dramatik sich zu allem Hergebrachten in schärfsten Gegensdtz stellte; man brandmarkte diesen ersten erstaunlichen Wurf des 24jährigen als eine "tartouillade", die durch ihre "exagérations de sentiments" die Würde der Kunst bedrohe! Den richtiger. Instinkt für die Genialität des jungen Stürmers bewiesen allein die Künstler, vor allen Gros, der D. als einen "Rubens châtié" feierte, einen kostbaren Rahmen für das von D. in rohe Latten geschlagene Bild stiftete und seine Ausstellung im Salon carré durchsetzte. Auch Gérard und, angeregt durch diesen, Adolphe Thiers traten lebhaft für das heiß umstrittene Erstlingswerk D.s ein, das für den allerdings lächerlich niedrigen Preis von 1200 fr. in den Besitz des Staates überging. Trotz aller Bewunderung für Gros, lehnte D. dessen Vorschlag, in sein Atelier einzutreten, ab, in der festen inneren Überzeugung, seinen eigenen Weg gehen zu müssen, wie er denn auch 1822 sich zum letztenmal - mit dem Erfolg, den letzten Platz zu erhalten! - an dem Akademie-Wettbewerb beteiligte. Seine äußere Lage war eine klägliche, und seine angeborene zarte Gesundheit wurde schon damals durch ein schleichendes Fieber, das ihn zeitlebens begleiten sollte, schwer bedroht. Gezwungen, seine Zuflucht zu schlecht bezahlter Brotarbeit zu nehmen, lieferte er Lithographien für Karikaturzeitschriften; daneben malte er die Porträts seiner Freunde und machte eifrig Vorstudien zu einem zweiten großen Werk, dem "Massaker von Chios', das ihn schon seit 1821, noch während der Arbeit an der Barke des Dante, beschäftigte. 1824 trat er mit diesem schon durch die Aktualität des Stoffes das Interesse des Tages stark herausfordernden Bilde an die Öffentlichkeit, das das Signal gab zu einer erbitterten Fehde zwischen den Anhängern der Davidschule und dem jungen Romantismus. Hatten die Akademiker den Schöpfer der immerhin streng komponierten Dante-Barke noch als schließlich zu ihnen gehörig anerkennen können, so war mit dem "Massacre" der Bruch endgültig besiegelt. Eine Flut von Schmähungen brach über diesen Ketzer, diesen "aus Charenton Entsprungenen" herein. An die starre Präzision der kalligraphischen Umriff zeichnung der Davidschule gewöhnt, schalt man seine Zeichnung, weil sie das Lineament zugunsten der farbigen Wirkung versteckte, als fehlerhaft. ("In der Natur gibt es keinen Kontur" heißt es einmal im Tagebuch.) Die Auflösung aller durch die Tradition geheiligten Kompositionsgesetze dieser ersten, nicht auf eine Rhythmik der Massen, sondern auf eine Harmonie der Farben abgestellten Komposition des 19. Jahrh. stieß sogar viele ab. die bis dahin zu D. gehalten hatten. "C'est le massacre de la peinture" rief Gros erschrocken aus, und selbst ein so feiner Geist wie Henri Beyle fühlte sich durch diese "déraison" verletzt, in der er eine Verachtung der Gesetze der Schönheit erblickte. Trotz dieser Ablehnung von fast allen Seiten, setzte es Graf Forbin, der Direktor der kgl. Mus., durch, daß D.s Schöpfung zum Preise von 6000 fr. für den Luxembourg angekauft wurde. Die koloristische Haltung des Bildes, namentlich dessen landschaftlichen Teil, hatte D. noch in letzter Stunde, als das Gemälde bereits ausgestellt war, von Grund aus umgeformt, angeregt durch einige Arbeiten John Constable's, die ihm im Salon dieses Jahres zu Gesichte gekommen waren und ihn mit solcher Bewunderung erfüllt hatten, daß er durch den Ankauf seines "Massacre" dazu instandgesetzt, die bereits seit längerem gehegte Absicht einer Reise nach England nunmehr auszuführen beschloß. (Eine Skizze zu dem "Massacre", deren Entstehung vor dem Zeitpunkt liegt, da D. Constable's koloristisches Fleckensystem kennen lernte, befindet sich in der Smlg des Dr. Herrn. Eissler in Wien u. war das. 1911 in der Gal. Miethke ausgestellt.) Dieser in das Frühjahr und den Sommer 1825 fallende Londoner Aufenthalt machte ihn mit Turner, Gainsborough und zeitgenöss. Künstlern wie Wilkie und Lawrence bekannt und führte ihn durch die Beschäftigung mit der engl. Literatur, namentlich den von D. jeher bewunderten Shakespeare, Byron und Walter Scott, in den romantischen Stoffkreis ein, dem er zunächst von der Seite der Illustrationslithographie nähertrat. Das Pariser Cabinet des Estampes gibt Gelegenheit, diese meist sehr selten gewordenen frühen Lithographien D.s zu studieren, darunter auch die Folge von 17 Bl. zu dem Goethe'schen Faust aus d. Jahr 1827, über die der Dichter zu Eckermann diplomatisch äußerte, daß D. hier seine eigene Vorstellung übertroffen habe. Die Schätzung der Illustrationen D.s, inbegriffen selbst die 1834 bis 1843 entstandenen 16 Illustrationen zum Shakespeare'schen Hamlet, wird uns erschwert durch Übertreibungen des Gestenausdrucks, die in der Schwarz-Weiß-Reduktion der Lithographie durch das Fehlen der Farbe, des eigentlichen Lebenselementes der D.schen Kunst, doppelt fühlbar werden. Neben dieser graphischen Tätigkeit entwickelte D. nach seiner Rückkehr nach Paris eine erstaunlich reiche malerische Produktivität, so daß er im Salon 1827 mit nicht weniger als 12 ausgeführten Gemälden vor die Öffentlichkeit treten konnte, darunter die beiden Hauptbilder "Die Hinrichtung des Dogen Marino Faliero", dasjenige Bild, das D. selbst von allen seinen Werken am höchsten schätzte (London, Wallace Coll.), und "Der Tod Sardanapals", von denen besonders das letztere, ein "Chaos von Linien und Farben", wie Delécluze urteilte, aufs heftigste von der Kritik angegriffen wurde und seinen Schöpfer zu einer "pierre de scandale des expositions" machte. Ferner befanden sich darunter: Christus in Gethsemane (in der Kirche St. Paul-St. Louis in Paris), Der blinde Milton, seinen Töchtern diktierend, ein Porträt des Grafen Palatiano, ein "Türke, sein Pferd streichelnd", also eine Fülle der verschiedensten Themen. - 1826 hatte D. seinen ersten Staatsauftrag: "Kaiser Justinian, seine Gesetze abfassend" für den Sitzungssaal des Staatsrats im Louvre (1871 verbrannt) ausgeführt. Im Oktober 1828 trat das Ministerium des Innern mit einem zweiten Auftrag an ihn heran, wie denn überhaupt kein anderer Künstler seiner Zeit, trotz aller Schmähungen der Kritik, so vom Staat begünstigt worden ist wie D. Diesmal lautete der Auftrag auf einen "Tod Karls des Kühnen"; das erst 1834 vollendete Gemälde befindet sich jetzt im Mus. zu Nancy (cf. G. Save: La Mort du Téméraire, tableau de D. au musée de Nancy, 1900 [S.-A. a. d. Bull. d. Soc. artist. de l'Est]). Andere Aufgaben nahmen ihn inzwischen in Anspruch: Die "Ermordung des Bischofs von Lüttich", die eine Szene aus W. Scotts 1823 erschienenem Roman "Quentin Durward" darstellt, entstand 1830, eines der Meisterwerke seiner Hand, von dem man mit Recht gesagt hat, daß es in reinster, konzentriertester Form das Programm der romantischen Schule enthält (Skizze im Mus. zu Lyon; cf. Musées et Monum. de France I 116 ff.; über das bis 1912 i. d. Smlg Carcano befindliche Bild vgl. Rev. de l'Art anc. et mod. XXXI [1912] 309 u. 315). An dramatischem Gehalt wurde dieses zweite "Massacre" D.s erreicht von dem "28. Juli 1830", dem anderen Hauptbild des Salons von 1831, zu welchem ihn die Julitage begeistert hatten, das einzige Bild D.s, das ein politisches Tagesereignis feiert und Figuren in modernem Kostüm darstellt. Von der Regierung angekauft, gelangte "Die Barrikade" erst nach D.s Tode in den Luxembourg, von da in den Louvre. Die Verve, die D. hier, namentlich in der prachtvollen Gestalt der vorstürmenden Freiheitsheroine, entwickelte, fand die Anerkennung selbst einiger seiner strengsten Richter; auch die offizielle Ehrung des Malers in der Form der Verleihung des Kreuzes der Ehrenlegion blieb nicht aus. - Das Jahr 1831 war eins der fruchtbarsten innerhalb des bis zuletzt von einer unerhörten Produktivität erfüllten Schaffens D.s. In diesem Jahre entstanden: Karl V. im Kloster San Yuste (mehrere Varianten); Mirabeau und der Marquis Dreux-Brézé, der von Corot so unendlich bewunderte Melmoth (auch "Amende honorable" gen.), schließlich der "Boissy-d'Anglas", mit dem er im Wettbewerb gegen Jos. Désiré Court unterlag (Mus. in Bordeaux). Außerdem arbeitete er an mehreren Aufträgen Louis Philippes, der, obgleich ohne jedes Verständnis für das Genie D.s, hauptsächlich auf Anregung Thiers' hin den Künstler ziemlich stark beschäftigte, ihm die größte Gunst aber erwies, indem er D. an einer unter Führung des Grafen von Mornay an den Kaiser von Marokko abgeschickten Gesandtschaft mit teilnehmen ließ. Diese die Gleichförmigkeit des an äußeren Ereignissen sonst so armen Lebens D.s unterbrechende Reise nach dem Orient, deren Antritt in den ersten Tagen des Januar 1832 vor sich ging, sollte entscheidend für die Entwicklung seilies Kolorismus werden. Nachdem Decamps das farbenreiche Leben der morgenländischen Welt zuerst künstlerisch fruchtbar gemacht hatte, folgte ihm D. mit seinen freilich ganz anderen Fähigkeiten dramatischer Gestaltungskraft auf diesem Wege nach. Die Fülle und Gewalt seiner Orient-Eindrücke geben die Aufzeichnungen des Tagebuchs wieder, das nach mehrjährigem Schweigen zu Beginn dieses Jahres 1832 wieder einsetzt. Vor allem fesselte ihn das Leben der Juden in Tanger, dieser "perles d'Eden", wie er sie einmal nennt. Ein zehntägiger Marsch durch die Wüste bis Mekinez und mehrwöchiger Aufenthalt hier boten seinem an allen Eindrücken sich förmlich festsaugenden Auge eine Fülle pittoresker Schauspiele, die sich in seiner Vorstellung so festnisteten, daß sie noch nach Jahrzehnten lebendig vor seinem Geiste standen. Mit der Empfindung, Berge von Arbeit vor sich zu haben, kehrte er im Juli 1832, nachdem er noch Spanien einen Besuch abgestattet hatte, über Oran und Algier in die Heimat zurück. Eine wahrhaft fieberhafte Tätigkeit beinächtigte sich seiner jetzt; eine Welt in ihm rang nach Gestaltung. Der Salon 1834 bot die ersten köstlichen Erträgnisse dieser 7monatigen Aussaat, darunter als edelste Frucht die "Frauen von Algier", dessen strahlendes Farbenbouquet man mit dem Gefunkel eines geöffneten Juwelenkästchens verglichen hat. (Für 3000 fr. von der Regierung angekauft, jetzt im Louvre.) Als einen Meister in der Darstellung der flüchtigen Bewegung zeigten ihn einige marokkanische Reiterbilder wie die Fantasia des Musée Fabre zu Montpellier, malerischphantastische Beduinengestalten auf jenen rassigen, temperamentvollen Pferden, deren wundervoll geschmeidige Bewegungen seit Rubens kein Maler so wiederzugeben gewußt hat wie D. Die Erinnerungen an die Orientreise von 1832 sollten D. sein ganzes Leben hindurch begleiten und mit ungeschwächter Kraft bis zuletzt in ihm wach bleiben, wie er es selbst vorausgesehen hatte, als er unter dem unmittelbaren Eindruck derselben äußerte: "Die Physiognomie dieses Landes wird immer vor meinen Augen schweben; die Typen dieses kräftigen Volksstammes werden, solange ich lebe,. meinem Gedächtnis gegenwärtig bleiben; in ihnen habe ich wahrhaft die antike Schönheit wiedergefunden." Die Fanatiker von Tanger im Salon 1838, die Judenhochzeit von 1841, die Musikanten von Mogador und die Ruhende Odaliske im Salon 1847, die Arabischen Komödianten von 1848, der Araber mit seinem Pferde von 1849, Die Ufer des Flusses Sebu in Marokko von 1859. - um nur einige seiner Hauptbilder aus dem oriental. Leben zu nennen - sind Zeugnis dafür. Der Erfolg seiner Ausstellung von 1834 verschaffte D. im darauffolgenden Jahr durch Vermittelung Thiers' einen bedeutenden Staatsauftrag: die Ausmalung des Salon du Roi im Palais Bourbon (Chambre d. Députés), die erste dekorative Aufgabe, vor die D. gestellt wurde. Die Darstellungen der Decke (in Wachsfarben ausgeführt) zeigen in 4 oblongen Feldern die Allegorien der Gerechtigkeit, des Krieges, des Ackerbaues und der Industrie, Gestalten von Michelangelesker Wucht und Größe der Anschauung; die in Arkaden aufgelösten Wände 8 Personifikationen der Flüsse und Meere Frankreichs (Grisaille); darüber, zwischen Decke und Archivolten, lebhaft bewegte, inhaltlich auf die Plafonddekoration bezugnehmende Szenen. Diese erste glänzende Monumentalleistung brachte die Stimmen selbst seiner erbittertsten Gegner zum Schweigen. Ablehnend gegen ihn verhielt sich nur die Akademie, die ihm viermal, 1837, 1838 und 1849, die Aufnahme verweigerte und ihm erst 1857 den durch Delaroche's Tod erledigten Sitz' gewährte. Seit dieser Zeit begannen die Aufträge sich so schnell hintereinander zu folgen, daß D. häufig genötigt war, den Beistand von Schülern und Gehilfen in Anspruch zu nehmen: 1836 entstand ein hl. Sebastian für die Kirche in Nantua, 1837 die große Darstellung der Schlacht bei Taillebourg für die hist. Galerie in Versailles, die ihm die höhnische Bezeichnung eines "Rubens manqué" seitens der Kritik eintrug. Sept. 1838 übergab man ihm die Ausschmückung der Bibliothek im Palais Bourbon, sein umfangreichstes Werk, das ihn bis 1847 beschäftigte (cf. G. Geffroy: Les Peint. d'Eug. D. à la bibl, de la Chambre d. députés, 1902; S.-A. a. d. Rev, de l'Art anc. et mod. XIII [19031 65-78 u. 139-152). In 5 Kuppelgemälden und 2 großen Hemicyklen an beiden Enden rollte D. hier die Geistesgeschichte der antiken Welt auf, von den mythischen Anfängen ihrer Kultur (Orpheus bringt die Zivilisation nach Griechenland) bis zu ihrer Zerstörung durch den Einbruch Attilas. Beginn und Ende dieser anderthalbtausendjährigen Entwicklung gaben die Themen für die beiden seitlichen Hemicyklenflächen ab. Die höchst geistreiche Scheidung des Stoffes in 5 Zonen, die er in je 4 Bildern auf die Pendentifs der 5 Kuppeln verteilte, so daß sich insgesamt 22 Kompositionen ergaben, kann hier nur angedeutet werden. Bewunderungswürdig bleibt vor allem, wie D. diesen an sich so spröden Stoff zu meistern und die abstrakte Idee überall in greifbar sinnliche Anschauung umzusetzen gewußt hat. Neben dieser gewaltigen Arbeit ging zeitlich nebenher die Ausmalung der Kuppel in der Bibliothek des Luxembourgpalastes, die er 1846 vollendete. Wegen der ungünstigen Beleuchtungsverhältnisse des Kuppelraumes im Atelier auf Leinwand gemalt, entlehnt das Gemälde sein Motiv dem 4. Gesange von Dantes Hölle, wo Virgil seinem Schützling die Versammlung der berühmten Männer des klassischen Altertums zeigt. Um diese 3 Monumentalwerke seiner mittleren Mannesjahre gruppiert sich eine imponierende Reihe von Staffeleigemälden, von denen nur die hervorragendsten hier genannt werden können: 1838 die jetzt im Mus. zu Lille bewahrte "Medea", eine der kolossalsten Erfindungen seines Pinsels; 1839 der Hamlet des Louvre (Legs Cottier); 1840 die Gerechtigkeit des Trajan im Mus. zu Rouen, der Th. Gautier die Palme unter allen Werken D.s reichte; 1841 der den Rubens'schen Einfluß - D. hatte im Herbst 1838 Belgien und Holland bereist - koloristisch wie kompositionell besonders deutlich offenbarende Einzug der Kreuzfahrer, der von wunderbar heroisch-tragischer Naturstimmung erfüllte "Schiffbruch des Don Juan" und die "Judenhochzeit in Marokko", sämtlich heute im Louvre; 1843 die Braut von Abydos (Louvre); 1844 die Pietà für die Kirche Saint-Denis du Saint Sacrement und der Tod des Mark Aurel, im Mus. zu Lyon; 1845 Die beiden Foscari im Musée Conde in Chantilly; 1846 Ràub der Rebekka im Metropolitan Mus. in New York und Abschied Romeos und Julias; 1847 die jüdischen Musikanten in Mogador; 1848 Valentins Tod, endlich 1849 Othello und Desdemona. In diesem Jahre empfing D. einen doppelten Monumental-Auftrag: die Ausmalung des Plafonds in der Apollogalerie des Louvre und die Ausschmückung der Chapelle des Saint-Anges in der Kirche St.-Sulpice. Für den Plafond der Apollogal. wählte er als Thema eine Verherrlichung Apollos als Besieger der Pythonschlange in Anlehnung an einen bereits von Lebrun für diesen Platz aufgestellten Entwurf, der damals nicht zur Ausführung gelangt war. Am 15. 10. 1851 lud der Künstler zu einer Besichtigung des Werkes ein, dessen Pracht der Farbe auch seine Gegner zur Bewunderung hinriß. Zu den Malereien in St.-Sulpice kam D. erst 1853; ihre Ausführung zog sich bis 1861 hin. Das Deckengemälde schildert den Kampf zwischen Luzifer und dem Erzengel Michael, die Gemälde der beiden Seitenwände Jakobs Ringen mit dem Engel und die Vertreibung des Heliodor, letztere eine der durchdachtesten und großartigsten Kompositionen des Meisters, die den gar nicht zu umgehenden Vergleich mit Raffaels Fresko sehr wohl aushält. In diese beiden Monumentalleistungen seiner Spätzeit schieben sich zeitlich noch die nicht erhaltenen Malereien der Salle de la paix des alten, 1871 abgebrannten Pariser Stadthauses ein, deren Vollendung in das Jahr 1854 fiel. Die Weltausstellung von 1855, wo D. mit 35 Gemälden vor die Öffentlichkeit trat, brachte ihm die volle Entschädigung für die Anfeindung und Verkennung langer Jahre; Kritik wie Publikum bezeigten eine rückhaltlose Huldigung, der sich auch die Regierung durch Verleihung einer Ehrenmedaille an den Künstler anschloß. Nur ganz vereinzelt mischten sich Stimmen der Kritik in diesen Jubel, darunter allerdings solche vom Gewichte der Brüder Goncourt, die D.s Kolorit Mangel an Harmonie vorwarfen und Decamps gegen ihn ausspielten! Der allgemeinen Stimmung nach durfte sich D. damals mit einem Siege auf der ganzen Linie schmeicheln. Um so unerwarteter kam ihm die tiefe Demütigung, die er im Salon 1859 erfuhr, wo seine Ausstellung von 8 Bildern, darunter ein Hamlet (Breitformat) und ein Raub der Rebekka (beide aus der ehem. Smlg Thomy Thiéry 1903 in den Louvre gelangt) auf boshafteste Verspottung stieß. Der Erfolg seiner Gemälde in Saint-Sulpice sollte ihm zwar einigen Trost für diese Niederlage bieten, aber die ungeheuren Anstrengungen, den mühselig Schritt für Schritt eroberten Boden zu behaupten, mußten die Kräfte selbst dieses Titanen langsam aufreiben. Seine letzten Arbeiten griffen auf Lieblingsthemen seiner Jugendzeit zurück: von 1861 datiert ein Christus in Gethsemane im Reichsmus. zu Amsterdam, von 1862 eine Medea, die mit der Smlg Thomy Thiéry in den Louvre gelangt ist. Ein Kehlkopfleiden setzte seinem Leben in der Frühe des 13. 8. 1863 ein Ende. Er liegt begraben auf dem Pére-Lachaise. Dalou hat ihm ein Denkmal errichtet aus den Mitteln einer 1885 in der Ecole Nat. d. B.-Arts veranstalteten Ausst. seiner Werke. Um keinen Künstler hat erbitterter der Kampf der Meinungen getobt als um D. Von seinem ersten Auftreten 1822 bis zu seinem Tode sind ihm Verachtung und Bewunderung in gleichem Maße zuteil geworden. Merkwürdigerweise fand er gerade von der Seite, wo man es zuerst erwarten sollte, nämlich bei Victor Hugo und seinem Anhang, keine oder doch nur geringe Unterstützung: Der größte Dichter des Romantismus und sein größter Maler konnten sich keinen Respekt gegenseitig abgewinnen. Das tiefste Verständnis hat ihm unter seinen Zeitgenossen wohl Baudelaire entgegengebracht, der übrigens gegen die von Mercey in einem Artikel der Revue d. Deux-Mondes 1838 zuerst aufgestellte Parallele zwischen Hugo und D. heftig protestiert hat. - Äußerlich verlief das Leben D.s absolut regelmäßig; alle Entladungen dieses vulkanischen Geistes spielten sich innerhalb der vier Wände seines Ateliers vor der Staffelei ab. Er blieb unverheiratet, 28 Jahre lang bis zu seinem Tode mit aufopfernder Hingebung von der treuen Jenny Léguillon gepflegt. Ein vollendeter Weltmann, und wahrhaft vornehme Natur, hat er die Invektiven seiner Gegner, vor allem die wütenden Insulten seines Todfeindes Ingres, niemals mit gleicher Münze heimgezahlt. Still und zurückgezogen lebte er seiner Kunst, die seine einzige Leidenschaft war. Nur diese straffe Konzentrierung, die alle Energie seines Wesens in das Bett der Arbeit ableitete, erklärt den beispiellosen Umfang seiner künstler. Hinterlassenschaft. Der Oeuvre-Katalog Robaut's führt nicht weniger als 9140 Nummern auf, darunter 853 Ölgemälde und 1525 Pastelle und Aquarelle. Wenn man zu dieser Leistung den sehr umfangreichen literarischen Nachlaß D.s rechnet - 3 Bände des berühmten Journal, eine stattliche sich über fast 4 Jahrzehnte ausdehnende Korrespondenz und eine Reihe von Kunst-Essay für den Moniteur, die Revue d. Deux-Mondes u. die Revue de Paris - so muß man die ungeheure Vitalität dieses dazu fast ständig kränkelnden, rastlos tätigen Mannes aufs höchste bewundern. - Schon bald nach seinem Tode stieg D. beträchtlich in der allgemeinen Wertung; das Ergebnis der Nachlaßversteigerung 1864 betrug die unerwartet hohe Summe von 360 000 Frcs, ein allerdings bescheidenes Resultat gemessen an der heutigen Schätzung des Meisters, für die als charakteristischer Beleg nur die 205 100 Frcs genannt seien, auf die es 1912 bei der Versteigerung der Smlg Landolfo Carcano die seinerzeit von dem Herzog von Orleans mit 1500 Frcs bezahlte "Ermordung des Bischofs von Lüttich" brachte. Die Bestände des Louvre sind erst seit Einverleibung der Sammlgn Thomy Thiery (1903), Maur. Cottier (1903), Moreau-Nélaton (1906) und Chauchard (1910) in der Lage, ein geschlossenes Bild von der Universalität des Schaffens D.s zu geben; namentlich den Tiermaler D. konnten erst die 4 prächtigen Löwendarstellungen der Sig Thomy Thiery recht würdigen lehren. Den Porträtisten D. repräsentieren im Louvre das Selbstbildnis von 1837 u. das Porträt Chopin's (Legs Marmontel, cf. Rev, de l'Art anc. et mod. XXXII [1912] 393 ff.). Besonders reich an Arbeiten D.s sind ferner das Musée Fabre in Montpellier. das Musée Condé in Chantilly, das Musée Bonnat in Bayonne und die Mus. zu Bordeaux, Lille, Lyon u. Nizza. Im Auslande ist D. vertreten im Mus. zu Mülhausen (Blumenstück, Pastell), im Städel-Institut in Frankfurt a. M. (Araber zu Pferd, cf. Cicerone III [1911] 64/5), in der Ksthalle zu Mannheim (Türk. Frauenraub), in Genf (Skizze zu dem Massaker), in Brüssel (Skizze zu d. Deckengem. d. Apollogal.), im Mesdagmus. im Haag (Prachtvolles Selbstporträt, cf. Kunst u. Kstler IX [1911] 493), im Reichsmus. in Amsterdam, im Victoria and Albert Mus. und in der Wallace Coll. in London, in der National Gall. zu Melbourne (Beichte des Giaur), endlich im Art Institute und im Metropol. Mus. in New York. Von Pariser Privatsammlgn kommt, nach Auflösung der Smign Chéramy (cf. Les Arts 1907, No 64, p. 18 ff., Kunst u. Kstler VI 200 ff. u. Monatsh. f. Kstw. 1908, I 488), Landolfo Carcano und Henri Rouart (12 Bilder, 1912 versteigert), jetzt in erster Linie für D. die Smlg. der Mme Esnault-Pelterie (cf. Les Arts 1906, No 54, p. 2 ff.) in Betracht, die 5 Bilder besitzt; ferner in Wien die Smlg des. Dr. Herrn. Eißler (cf. Katalog 1908, I No 25-27). Eine umfangreiche Handzeichnungensammlung D.s bewahrt der Louvre, darunter ein Album aus der Zeit seines Marokkoaufenthaltes 1832. D. hat zwar Schule gemacht, aber selbst nur wenige Schüler herangebildet, deren tüchtigster Pierre Andrieu war, bis zuletzt sein treuer Gehilfe und Freund, den D. auch testamentarisch bedacht hat. Die umfangreiche Literatur über D. (bis 1880) hat zuerst Ern. Chesneau (Peintres et statuaires romant. 1880, p. 199-257) zusammengestellt. Weit überholt wurde dieser ziemlich summarische bibliographische Versuch durch die ausgezeichnet gearbeitete 13-Bibliographie, die Maur. Tourneux 1886 unter dem Titel: "Eug. D. devant ses contemporains; ses écrits, ses biographes et ses critiques" herausgab. Für die gesamte zeitgenoss. u. die spätere Literatur bis 1885 verweisen wir auf dieses Werk, das gleichzeitig im Courrier de l'Art erschien: IV (1884) 452 ff. u. 551 ff.; V (1885) 88 ff., 144 ff., 178 ff., 306 ff., 328 ff., 352, 425 ff., 436 ff., 450 ff., 471 ff. - Grundlegend für das Studium D.s ist der von Robant aufgestellte, 9140 Nummern beschreibende Katalog seines gesamten malerischen und graphischen Werkes: L'Oeuvre complet d'Eug. D., dessins, gravures, lithographies. Catalogué et reproduit par A. Robant, commenté par E. Chesneau. Paris 1885. - Die wichtigste Vorarbeit dazu: Ad. Moreau, Eug. D. et son oeuvre, avec des grav, en fac-similé d. planches origin. les plus rares, 1873. - Einen vollständigen, Robaut und Moreau in mehreren Punkten berichtigenden und ergänzenden illustr. Katalog der Radierungen, Aquatintablätter u. Lithogr. D.s ha,t Loys Delteil im 3. Bde seines "Peintre-graveur illustré (19e et 20 Siècles"), Paris 1908, gegeben. - An neuerer Literatur (seit 1886) kommt, außer der im Text erwähnten, hinzu: Monographien: Eug. V éron, Eug. D., o. J. (um 1886) (Coll.: Les Art. célèbres). - A d. Rosenberg in Kunst u. Künstler, herausg. v.Rob.Dohme, II (1886). - Maur.Tourne u x, Eug. D., 1907 (Coll.: Les grands Art.). Jul. Meier-Graefe, Eug. D., Berlin 1907. - Ca m. Mauclair, Eug. D., Paris 1909; auch in deutscher Obers. ersch. als Bd VI in der Folge: "Kunst der Gegenwart" (Berlin, Verlagsanst. f. Liter. u. Kst). Zeitschriften-Aufsätze: Rev. de l'Art ane. et mod. XIII (1903) 223/4 (Zeichnung d. Bibl. Nat.); XVI (1904) 179-182 (Neuerw. d. Louvre); XX (1906) 457 ff. (Bildnis Paul de Musset's); XXVI (1909) 215-228 (L. Hourticq, Rubens et D.). - Gaz. d. B.-Arts 1905 II 326 ff.; 1912 I 89 ff. (L. R osen tha I, La Peint. romant.). Les Arts 1902 No 1. p. 24 ff.; No 4, p. 31; 1903 No 14, p. 11 ff.; No 20, p. 17; 1904 No 25, p. 2/3. - Bull. d. Mus de France 1908 p. 6 f. (Zeichn. d. Louvre). - Der Cicerone III (1911) 161 ff. (Ausst. i. d. Gal. Miethke in Wien); IV (1912) 761/2. - Die Kunst (München) XXIII (1910-11) 337 ff. - Kunst u. Künstler VI (1908) 200 ff. (E. K los sow ski); VII (1909) 430, 447 ff.; VIII (1910) 18, 135 ff. (Erich Hancke über die Faustillustr.), 560 ff. (Max. du Camp: D. u. Ingres); X (1912) 253 if. (E. Hancke, D. in s. Tagebuch). Allgemeine Literatur: Bellier-Auvray, Dict. gén. I (1882). - V. Fourne 1, Les' Art. franç. contemp., Tours 1884. - Jul. Meyer, Gesch. d. mod. französ. Mal., 1867. - H. Béraldi, Les Grav. du 19." s., V (1886). - Alb. Wolff, La capitale de l'art, 1886 p. 77-95. - R. Muther, Ein Jahrh. französ. Mal., 1901. - Malpe 1, Not s. l'Art etc., 1910. Reproduktionswerke: Le Voyage de Eug. D. au Maroc. Faksimiles der Albums des Louvre (1909, 2 Bde, 109 Bl.) u. d. Musée Condé in Chantilly (1913, 70 Bl.); cf. Gaz. d. B.-Arts 1909 1204 ff. (E t.