Frei zugänglich

Export, Valie

Geboren
Linz, 17. Mai 1940
Land
Österreich
Geschlecht
weiblich
GND-ID
Weitere Namen
Export, Valie (Pseudonym); Höllinger, Waltraud (Eigentlicher Name); Lehner, Waltraud (Geburtsname); Valie Export (Pseudonym)
Berufe
Mixed-Media-Künstler*in
Wirkungsorte
Wien, Köln
Zur Karte
Mitglied von
Von
Albrecht, Silke
Zuletzt geändert
17.01.2025
Veröffentlicht in
AKL XXXV, 2003, 495

VITAZEILE

Export, Valie (eigtl. Höllinger, Waltraud, geb. Lehner), österr. Mixed-media-Künstlerin, *17.5.1940 Linz, lebt in Köln und Wien.

LEBEN UND WIRKEN

Stud.: 1956-59 KGS Linz; 1960-64 Höhere Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie Wien (Design). 2000 Oskar-Kokoschka-Preis. Gast-Prof. u.a.: 1983-92 an der ABK München; San Francisco Art Inst. und Inst. of Media Arts der San Francisco State Univ.; Internat. Sommer-Akad. Salzburg; HS für angew. Künste in Wien. Prof.: 1989-92 Univ. of Wisconsin-Milwaukee, School of FA; 1991-95 Prof. (1994/95 Vize-Präs.) der HdK, Fachbereich Visuelle Kommunikation, Berlin; seit 1995 Prof. für Multimedia-Performance an der KHS für Medien in Köln. Seit 2000 Mitgl. im Wiss. Beirat der Stiftung Bauhaus Dessau. - E.s Arbeit umfasst u.a. Body Art, Expanded Cinema, Installationen, Film und Video, Fotogr. sowie Publ. zur zeitgen. Kunstgeschichte. Als Medienkünstlerin, wie sie sich selbst bezeichnet, erforscht E. die Funktions- und Wirkungsweise der neuen Medien in Bezug zum Körper und damit übergreifend zu sozialen und symbol. Repräsentationssystemen. Zentraler Bestandteil ihrer Arbeiten ist der Körper - oft der weibliche, meist der eigene. Ihre ersten Body Performances in den späten 60er/frühen 70er Jahren sind von den Wiener Aktionisten geprägt, wobei E. gezielt den voyeuristischen, männlichen Blick auf den weiblichen Körper entlarvt und damit gleichzeitig die prekäre Rolle der Frau innerhalb der Ges. offen legt. Die Grenze zw. dem realen Körper und den medialen Hilfsmitteln ihrer Aktionen sind fließend, Privates wird öff. gemacht. E. inszeniert den Körper somit nicht nur als Teil ihrer Kunst, sondern als funktionellen Bestandteil der techn. Apparatur, wie z.B. bei der Aktion Tapp- und Tastkino (1968 München, Stachus), als sie sich selbst mit einem einfachen Kasten vor der nackten Brust als ein "Körper-Kino" präsentierte, das zwar dem Sehsinn entzogen, dafür aber um den Tastsinn erweitert war. In dieser Aktion zeigt sich E.s Interesse an der Enthüllung des Verbotenen: der Voyeur/die Voyeurin kann nicht mehr in den Schutz des dunklen Kinosaals abtauchen, und der Filmapparat als Ganzes wird als materialisierte bürgerliche Ideologie bloßgestellt. Das Tapp- und Tastkino stellt demnach ein medientheoret. Konzept des "Expanded Cinema" dar, das hier in erster Linie der Befragung der film. Illusion dient. Arbeiten wie Hyperbulie (Körperaktion, Video, schwarzweiß, Ton, 6:39 min, Kamera: Hermann Hendrich, 1973) oder ...Remote...Remote (Film, 16mm, Farbe, Ton, 9:50 min, Kamera: Didi, 1973) beinhalten eine weitere Komponente, die des Schmerzes. Durch die Darst. des realen Schmerzes wird der weibliche Körper entsexualisiert, entmystifiziert und seiner Funktion als Fetisch beraubt. Der vormals voyeuristische Blick wird zu einem Blick auf "das Drama der menschlichen Selbstdarstellung" (V.E.). E.s Werke sind somit immer politisch, der weibliche Körper als Träger ges. konnotierter Implikationen ist bei ihr immer auch ein sozialer Körper. E.s feministische Kritik steht in einem gesamtgesellschaftlichen medialen Kontext und ist dadurch immer auch Medienkritik. In den 70/80er Jahren weichen die provokanten Aktionen immer mehr einem distanzierteren Medium: der Fotogr. und dem Film. Mit ihren Fotografischen Körperkonfigurationen (1972-76) entstehen Symbiosen zw. Körper und Natur/Archit., "sichtbare externalisierungen innerer zustände durch konfigurationen des körpers mit seiner umgebung" (V.E.). Die titelgebenden Begriffe wie "Entität", "Starre Identität" oder "Verletzungen" geben dabei (scheinbare) Seelenzustände vor. In den 80er Jahren hat E. gleichsam den Kunstkontext durchbrochen und mit ihren Filmen für das Fernsehen, z.B. als "Kleines Fernsehspiel", nicht nur ein reines Kunstpublikum gefunden. In den 90er Jahren kehrt sie zur Thematik der Körperkonfigurationen zurück, die sich allerdings technisch grundlegend von den frühen Arbeiten unterscheiden. Der Prozess der digitalen Fotogr., der sich oftmals der Montage von hist. und/oder selbstproduzierten Motiven bedient, steht in Kontrast zu der Bildhaftigkeit des archit. und urbanen Raumes. Körper verschmelzen mit Archit., ausgewählte Frauenporträts und Fassaden erscheinen verformt und fragmentiert. Auch hier wird deutlich, dass sich die frühen feministischen Aussagen zugunsten von medientheoretischen Konzepten verschoben haben, die eine "Veränderung des Realen" (V.E.) thematisieren. - Werkauswahl: Aus der Mappe der Hundigkeit, 1968 (mit Peter Weibel); Ping Pong. Ein Film zum Spielen - ein Spielfilm, 1968/92/96, Videoinstallation, Video, schwarzweiß, Tischtennisschläger und Bälle; Menschenfrauen, 1979, Spielfilm, 16mm, Farbe/schwarzweiß, Ton, 110 min, Regie: V.E., Drehbuch: P.Weibel unter Mitarb. von V.E., Kamera: Wolfgang Dickmann; Die Praxis der Liebe, 1984, Spielfilm, 35mm, Farbe, Ton, 90 min, Regie und Drehbuch: V.E., Kamera: Jörg Schmidt-Reitwein; Der Schrei, 1994, Laserprojektion und akust. Installation; Bilder der Berührung, 1998, CD-ROM; Der transparente Raum, 2000, Installation im öff. Raum, Lerchenfelder Gürtel, Wien.

WERKE

Prato, Centro per l'Arte Contemp. Luigi Pecci. Wien, Generali Found. - Slg Verbund.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

Wien: 1996 Generali Found.; 1997 MMK Stiftung Ludwig; 2005 Atelier Augarten; 2023 Albertina (Retr.; K) / 1996 Köln, Feminale / 1998 Aachen, KV / 2000 New York, Klemens Gasser und Tania Grunert, Inc.; Innsbruck, Gal. im Taxispalais / 2001 Santa Monica, Mus. of Art; Los Angeles, Maltz Gall., Otis College of Art and Design / 2007 Paris, Centre Pompidou / 2011-12 Bregenz, Kunsthaus / 2020 Baden-Baden, SKH / 2024 Berlin, C/O Berlin (Retr., K). -

 

Gruppenausstellungen:

1977 Kassel: documenta / 1980 Venedig: Bienn. / Berlin: 1984 Internat. Filmfestspiele; 2021-22 Hamburger Bahnhof: Nation, Narration, Narcosis (K) / Wien: 2017 Albertina: Österr. Fotogr. 1970-2000 (Wander-Ausst.; K); Albertina Modern: 2020 The Beginning. Kunst in Wien 1945 bis 1980 (K); 2024 The Beauty of Diversity (K) / 2021-22 Kiel, KH und Graz, Kunsthaus: Amazons of Pop (K).

 

QUELLEN

Weitere Lexika:

Fuchs, Maler (20.Jh.) I, 1985; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; A.Fouque u.a. (Ed.), Le dict. universel des créatrices, III, P. 2013 (s.v. Valie Export).

 

Gedruckte Nachweise:

V.E. Magna-Feminismus. Kunst und Kreativität, W. 1975; A.Prammer, V.E., W. 1988; R.Mueller, V.E. Fragm. of the imagination, Bloomington 1994; S.Breitwieser (Ed.), White Cube/Black Box, W. 1996; V.E. Split. Reality, W. 1997; R.Mueller, V.E. Bild-Risse, W. 2000; A.Zell, V.E. Inszenierung von Schmerz. Selbstverletzungen in den frühen Aktionen, B. 2000; S.Breitwieser, Re-play, Köln 2001; V.E., Export Ob/De†Con(Struction), Philadelphia 2001; 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa. 1949-1999 (K Wander-Ausst.), W. [1999]; Video-Forum des Neuen Berliner KV. Bestands-Kat. 2001, B. 2001; Valie Export. Serien (Faltbl. Atelier Augarten), Wien 2005; K.Horsfield/L.Hilderbrand (Ed.), Feedback, Ph. 2006; F.Wagner u.a. (Ed.), Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960 (K Köln), Ostfildern 2006; P.Weibel/G.Holler-Schuster (Ed.), Fluxus, Happening, Konzeptkunst. Aus der Slg der Neuen Gal. Graz (K), Graz 2007; Rückblende. Die Foto-Slg der Neuen Gal. Graz (K), Graz 2007; S.Mostegl/G.Ratzinger (Ed.), Matrix. Geschlechter, Verhältnisse, Revisionen (K Wien), W./N.Y. 2008; elles@centrepompidou. Artistes femmes dans la coll. du MNAM, Centre de création industrielle (K), P. 2009; G.Holler-Schuster/C.Steinle (Ed.), Rewind, fast forward. Die Video-Slg (K Neue Gal. am LM Joanneum), Graz 2009; P.Lodermeyer u.a., Personal structures. Time, space, existence, Köln 2009; Une avant-garde féministe (K Les Rencontres de la Photographie, Arles), P. 2022; J.Rönnau, Kunstforum internat. 279:2022(Jan.-Febr.)257-259; I.Arend, ibid. 280:2022(März-April)235-237; N.Lintl, ibid. 295:2024(April-Mai)222-224

 

Onlinequellen:

Website E.; Dict. universel des Créatrices, 2024