Ikemura, Leiko, jap.-schweiz. Malerin, Bildhauerin, Fotografin, *22.8.1951 Tsu, Präfektur Mie/Japan, lebt in Köln und Berlin.
Ikemura, Leiko
Stud.: 1970-72 Sprachstudium Univ. Osaka; zieht 1972 nach Granada; 1973-78 AK Sevilla; 1979-83 Aufenthalt in Zürich; 1983-84 Stadtzeichnerin in Nürnberg; zieht 1984 nach Köln; seit 1991 Prof. UdK Berlin. Ausz.: 1981 Preis der Kiefer-Hablitzel-Stiftung, Bern; 1982 Preis der Stiftung für graph. Kunst in der Schweiz, ETH Zürich; Kunstpreis Kaiserswerth, Düsseldorf; 1988 Preis der Jury Internat. Trienn. für Originalgraphik, Grenchen; 2001 Kritikerpreis, Berlin; 2002 Artist-in-Residence, Albers Found., New Haven, Conn.; 2007 Iserlohner Kunstpreis; 2008 August-Macke-Preis des Hochsauerlandes. - Mit ihren äußerst reduzierten figürlichen Malereien und Skulpturen nimmt I. eine herausragende Stellung in der zeitgen. Kunst ein; ihr Werk wird v.a. in der Schweiz, Deutschland und seit den 2000er Jahren zunehmend auch in ihrer Heimat Japan publiziert. I.s Malerei setzt in der Schweiz um 1980 ein; den Status der damaligen Fremdheit und die dortige Lsch. reflektierend, verwebt sie in ihren Bildern figuratives Geschehen in einem expressiven Duktus mit dem fetzenartig angelegten Farbgrund. In diesen dezidiert erzählerischen Malereien verbindet I. häufig Mensch und Natur und stellt mitunter zeitgeschichtliche Bezüge her; sie zeigt Tiermenschen und Fabelwesen und verwirklicht so eine individuelle Mythologie, die im Kontext der süd- und mitteleuropäischen expressiven Malerei dieser Jahre rezipiert wird. Im Laufe der 1980er Jahre bindet I. die Figurationen zunehmend in einen leuchtenden tiefen Bildraum ein; damit liegt M. der 1980er Jahre bereits die irreale atmosphärische Verdichtung vor, die künftig ihre Malerei kennzeichnet. Parallel zu einer Phase der Malerei, in der sie die Farbigkeit zurücknimmt und zugleich den Grad der Abstraktheit steigert, realisiert sie ab 1987 farbige Tonskulpturen; ab 1990 brennt sie die Skulpturen, glasiert sie zumeist und erreicht so sinnlich leuchtende und reflektierende Oberflächen. Während sie mit diesen Plastiken, die mittlerweile auch in Bronze entstehen und v.a. Tiere, Tierwesen, Figuren und Archit. zeigen, räumliche, haptische Objekte schafft, entzieht sie ihrer Malerei überwiegend die bildnerisch-räumliche Definiertheit. In beiden Medien schafft sie primär Einzelfiguren. In der Malerei rückt sie zunächst die Figur bilddominant in den Vordergrund; ab 1991/92 handelt es sich dabei um die Darst. eines schemenhaften Mädchens, das in seinen Konturen mit dem Bildraum verschwimmt. Von einzelnen Werkgruppen abgesehen (z.B. Badende Mädchen am Strand, frühe 2000er Jahre) verknappt I. in ihrer Malerei bis heute die Figuren auf stereotype Merkmale unter Verzicht der Binnenzeichnung des Gesichts und oft ohne eine Ausdifferenzierung der Körperglieder, wobei sich die Figur im Bildfeld unspektakulär aufhält. Gleichwohl trägt sie individuelle Züge, etwa durch ihre Gesten oder durch die Platzierung im meist schwarzen oder dunkelblauen Bildgrund. Ausgehend von fernöstlichen Trad., die sie mit westlichen Erfahrungen verknüpft, bringt I. Motive des Heranwachsens und der Unschuld mit Todessymboliken zusammen. Wechselnd mit dem Stehen nimmt das Mädchen liegende Positionen des Schwebens oder Schlafens ein. Als zentrales Motiv erweist sich auch der Horizont, der u.a. aus dem Aufeinandertreffen der Pinselbewegungen von Grund und Figur resultiert, oft von Gelbtönen bestimmt ist und mit wechselnder Breite und Deutlichkeit auftritt. E.Bronfen spricht hier von "Schwellenbildern" (K Recklinghausen u.a., Bielefeld 2004). In der immateriellen Sphäre, in der Himmel und Erde aufeinandertreffen, wird die Darst. des Mädchens im Leinwandgewebe zum quasi-ätherischen Hauch in unbestimmbarer Ferne. Innerhalb von Bildfolgen, welche ein und dasselbe Mädchen im Bildfeld variieren, verzichtet I. bisweilen auf die Darst. der Figur selbst; umso mehr enthebt sie damit ihre Bilder aus Zeit und Raum. Sie bezieht sich damit weiter auf Überlieferungen ihrer fernöstlichen Heimat. Hingegen hat I. die Plastik von A. an variabler angelegt. Mit einer mithin surreal anmutenden Kombinatorik erzeugt sie einen spielerisch-leichten Klang, wobei die Figuren präzise formuliert sind. Die Oberflächen sind oft schrundig belassen; die Gesichter gehen mitunter bis zur Unkenntlichkeit in der Textur auf. V.a. anfänglich wachsen die Figuren über stereometrisch geformten Basen in die Höhe. Daneben entstehen liegende Figuren, die z.B. im Aufbauschenden eines offenen Kleides an Blütenkelche erinnern, sowie hängende Figuren, die durch den Raum zu stürzen scheinen und als spirituelle Wesen auftreten. Mit diesen Werken und in Verbindung mit Malereien gestaltet I. ihre Ausst. mitunter als Installationen (Yet there is light on the horizon, Melbourne: Internat. Bienn. 1999). Die Tuschen und Aqu. auf Papier, die daneben entstehen, geben weiteren Aufschluss über die Assoziationen, die v.a. bei den Plastiken mitschwingen, besonders die Transfiguration von Mensch und Tier und die Anklänge an das Selbstporträt (Lying Figure with Face on Miko, 1998, glasierte Terrakotta). Die Fotogr., die mit größeren Pausen seit den 1980er Jahren entsteht, ist bislang nur wenig rezipiert worden, obschon sie weitere Hinweise auf I.s Verständnis des unscharfen Raumes und der unscharfen Figur sowie ihre Beobachtung der Natur liefert, darunter auch fokussierende Aufnahmen vom Horizont. Daneben hat sich I. der Dichtkunst zugewandt, die sie in jap. Schriftzeichen auch als graph. Element einsetzt. Einzelne ihrer poetischen Texte in prägnanter Verknappung oder reihender Aufzählungen sind in Katalogen in Bezug zu Abb. gesetzt. Daneben sind auch seit Beginn ihres Werkes bis heute immer wieder reine Künstlerbücher v.a. mit Zchngn und z.B. literarischen Fremdtexten entstanden, die den Themen von Eigenem und Fremdheit, Behaustheit und Ferne nachgehen.
K.Martens, Photographie 34:1984, 92-94; A.Pühringer, Noema 39:1995, 53-57; G.Neven DuMont/W.Dickhoff (Ed.): F.Malsch im Gespräch mit I., Kunst Heute, 20: Köln 1998; D.von Drathen, Kunstforum internat. 160:2002, 318-331; N.von Velsen (K Sauerland Mus. Arnsberg), Köln 2010; C.Hickley, San Francisco Chron. v.15.6.2011.
Einzelausstellungen:
1980, '83 (K), '87, '91, '94, '99 Zürich, Gal. Stähli / 1981, '83 Bern, Gal. Gerber / 1982 Friedrichshafen, Bodensee-Mus. / Köln: 1982 Gal. Maenz; 1987, '89, '91, '93 (mit N.Prangenberg), '95, '97 (K), '99, 2001, '02, '07, '09 Gal. Greve; 2005 Kunst-Station St. Peter; Erzbischöfliches Diözesanmus. (K); 2011 Gal. Pasquer / 1983 (K), 2006 Bonn, KV / 1984 Nürnberg, KH (K); St. Gallen, KV (K) / München: 1984, '87, '93 Gal. Dany Keller; 2025 Gal. Rüdiger Schöttle / Berlin: 1985, '87 Gal. Skulima; 1995 Gal. Diehl; 2001 (K), '05, '08 Gal. Haas & Fuchs; 2012 Mus. für Asiatische Kunst / 1985 Winterthur, KH Waaghaus / Basel: 1987 Mus. für Gegenwartskunst (K); 1996, '98, 2001 (K), '04 (K), '08 Gal. Wuethrich; 2019 KM / 1988, 2001 Lausanne, Mus. Cantonal des BA; 1988 Lingen, KV (K) / 1989, 2005 (K) Ulm, KM / 1989, '92 (K) Brüssel, Gal. Camille von Scholz / Tokio: 1990 (K), '98, Gal. Satani; 2004, '06, '09 Shugoarts; 2011 NMMA (K) / 1994 (K), '97, 2000, '04 Nagoya, Gal. HAM / 1996, '98, 2000, '05, '11 Paris, Gal. Greve / 1996 London, Gal. Hue-Williams; Mailand, Gal. Greve / 1997 Neuss, Kulturforum (K) / 1999 Milwaukee, Haggerty Mus. of Art (K) / 2000 Toyota, Municipal Mus. of Art (K); Freiburg im Breisgau, Morat Inst. (K) / 2002 Vaduz, KM Liechtenstein (K) / 2004 Recklinghausen, KH (K); Kaiserslautern, Pfalzgal. (K) / 2006 Mishima, Vangi Sculpt. Garden Mus. (K) / 2007 Iserlohn, Villa Wessel / 2008 St. Moritz, Gal. Greve; Schaffhausen, Mus. zu Allerheiligen (K) / 2009 Prag, Svestka Gal. / 2010 Arnsberg, Sauerland-Museum (K) / 2011 Tsu, Mie Prefectural AM; Troisdorf, Mus. Burg Wissem (K) / 2013 Karlsruhe, KH / 2018-19 Gladbeck, Neue Gal. / 2022 Neumünster, Herbert-Gerisch-Stiftung. -
Gruppenausstellungen:
1981 Innsbruck, Gal. Krinzinger (WA): 30 Künstler aus der Schweiz / 1985 Baden-Baden, Staatliche KH: Räume heutiger Zchng (K) / 1987 Zürich, Kunsthaus: Stiller Nachmittag (K) / 1989 Fellbach: Trienn. der Kleinplastik (K); Tokio, NMMA; Kyoto, NMA: Color and/or Monochrome (K) / 1990 Heidelberg, KV: Blau (K) / 1992 Berlin, Kunstwerke: Ankunft / 1999 Melbourne: Bienn. (Jap. Pavillon, K); Köln, Skulpt.-Park: Köln Skulptur 2 (K) / 2000 Tokio, NMMA: Visage (K) / 2006 Berlin, Neue NG: Berlin - Tokyo, Tokyo - Berlin (K) / 2010 Osaka, NMMA: Jap. Art 1950-2010 / 2022-23 Aargau, Kunsthaus: Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau … (K) / 2025 São Paulo: Bien.
Weitere Lexika:
KVS, 1991; Künstler. Kritisches Lex. der Gegenwartskunst, Ausg. 51, M. 2000; Delarge, 2001; Bénézit VII, 2006
Gedruckte Nachweise:
F.Grunzke, Art faktum, 11:1985, 56s; Vom Zeichnen. Aspekte der Zchng 1960-1985 (K), Ffm. 1985; N.Smolik, Kunst Köln 3:1986, 38; A.Gugg, Noema 1986(5)12-15; Ohne Titel. Eine Slg zeitgen. Schweizer Kunst (K Aarau), Baden 1995; A.Pühringer (Ed.), L.I. Texte, Ostfildern 1995; F.Ladaki, Noema 46:1998, 46-50; P.Mathonnet, Le Temps v.20.4.2001; A.Haase, Kunstforum internat. 2001(155)428; A.Kindermann, Art 6:2001, 54-63; M.Krajewski, Kunst-Bull. 46:2001(Juni)46; T.Hirsch, Choices. Köln 2001(Mai)28; V.Stiller, Die Welt v.16.8.2002; A.Haase, Kölner Stadt-Anz. v.8.10.2002; Sturzenegger-Stiftung. Die Erwerbungen 1997-2001 (K), Schaffhausen 2003, F.Ullrich (Ed.), Kunst in Hochlarmark (K KH), Recklinghausen 2003, 16-21; W.Boesner/Y.Schwarzer (Ed.), Künstler, Werk, Mat., Witten 2004; R.-G.Dienst, Frankfurter Allg. Ztg v.6.1.2005; Werkbuch I., Erzbischöfliches Diözesanmus., Köln 2005; I.Bruckgraber, Kölner Skizzen 27:2005(4); B.Reutner, Lentos KM Linz. Skulpt., Plastiken, Objekte (K), Linz 2006; C.Sumiyoshi, Studio Voice 11:2006; KölnSkulptur 4 (K Skulpt.-Park), Köln 2007; L.I. - Günther Förg (K Zwischenräume), Langen-Found., Neuss 2007; S.Arlitt, Neue Zürcher Ztg v. 29.10.2008; E.Horvath, Die Welt v.19.10.2009; KölnSkulptur 5. Reality check (K), Köln 2009; A.Wach, Kölner Stadt-Anz. v.13.1.2010; C.Meixner, Tagesspiegel (B.) v. 8.10.2010; W.Dickhoff, in: L.I.. Asuka, Köln 2010; A.Wach, Die Welt v.23.12.2011; N.Kuhn, Tagesspiegel (B.) v. 27.1.2012; D.v.Burg, Kunstforum Internat. 285:2022(Okt.-Dez.)281-283
Onlinequellen:
Website I.