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Frei zugänglich

Klucis, Gustavs

Geboren
Koņu pag. (Valmiera), 4. Januar 1895
Gestorben
Moskau?, 26. Februar 1938
Land
Lettland, Russland
Geschlecht
männlich
GND-ID
Weitere Namen
Klucis, Gustav; Klucis, Gustav Gustavovič; Klucis, Gustav Gustavovich; Klutsis, Gustav; Klutse, Gustav; Klucis, Gustavs Fridrihs (Eigentlicher Name); Klutsis, Gustav Gustavovich (Transkription); Clucis, Gustav (Transkription); Kluzis, Gustav Gustawowitsch (Transkription)
Berufe
Grafiker*in; Maler*in; Illustrator*in; Buchgestalter*in; Fotograf*in; Bühnenbildner*in; Ausstellungsgestalter*in; Kunstpädagoge
Wirkungsorte
Sowjetunion, Rūjiena (Lettland), Valmiera, Riga, Petrograd, Moskau
Zur Karte
Mitglied von
GruppeOktjabr', INChuK, OBMOChU, RAPCh, LEF, Ob''edinenie rabotnikov revoljucionnogo plakata
Von
Stolz, Steffen
Zuletzt geändert
28.10.2025
Veröffentlicht in
AKL LXXX, 2014, 521

VITAZEILE

Klucis (Klutsis; Kluzis), Gustavs (eigtl. Gustavs Fridrihs; Gustav; Gustav Gustavovič; Gustav Gustawowitsch), lettischer Grafiker, Maler, Illustrator, Buchgestalter, Fotograf, Kunstpädagoge, *4.(16.)1.1895 Ķoņu pagasts (Valmiera); †26.2.1938 Moskau. Ab 1921 verh. mit der Grafikerin und Malerin Valentina Nikiforovna Kulagina.

LEBEN UND WIRKEN

Ausb. 1911-13 Lehrer-Seminar Valmiera; 1913-15 KSch Riga, u.a. bei Janis Rozentāls, Vilhelms Purvītis, Jānis Roberts Tillbergs. Rebelliert mit Aleksandr Drevin und Karl Ioganson gegen den vorherrschenden Akademismus. 1915 Einberufung nach Petrograd zur russ. Armee, besucht die KSch der Ges. zur Förderung der Künste, u.a. bei Nikolaj Konstantinovič Rerich. Entwirft daneben Bühnenbilder für das Ochtenskij-Arbeitertheater. 1917 Mitgl. der Roten Lettischen Schützen, die nach der Oktoberrevolution als Wachregiment die neue Regierung im Smol'nyj und nach dem Umzug im Moskauer Kreml' verteidigen. 1918 hier Teiln. an der von Voldemārs Andersons organisierten Kunst-Ausst. der Lettischen Schützen. K.' Gem. zeigen trad. Motive, z.B. Lsch., Porträts und Aktbildnisse, u.a. V Kremlevskom sadu/Im Kreml-Garten (1918, Öl/Lw., Nat. KM Riga). Ausb. in den Moskauer Ateliers von Vasilij Nikitič Meškov und Il'ja Ivanovič Maškov; anschl. bis 1921 Freie Künstler-Wkstn (SVOMAS, ab 1920 VChUTEMAS), u.a. bei Konstantin Alekseevič Korovin, Kazimir Malevič, ab Sommer 1919 bei Antoine Pevsner (Dipl. in Malerei). 1919-22 Mitgl. der Ges. junger Künstler (OBMOChU). 1920 in Moskau Ausst. auf dem Tverskoj-Boulevard (mit Naum Gabo, A.Pevsner) und Ausst. mit der Künstlergruppe UNOVIS (u.a. Vera Ermolaeva, Lev Judin, Nina Kogan) beim Besuch von K.Malevič in Vitebsk (Vicebsk). 1921 Teiln. an der UNOVIS-Ausst. in Moskau und Mitgl. des INChUK. 1922-23 Lehrer im Kunstatelier des Sverdlov-Klubs im Kreml'. 1923-24 zus. mit Sergej Sen'kin Entwurf einer Wkst. der Revolution und Vorschlag neuer Ausb.-Prinzipien. 1923-25 Mitgl. im LEF. Ab 1924 Doz. für Farbenlehre an den VChUTEMAS (ab 1926 VChUTEIN), ab 1930 am Polygrafischen Inst. (MPI). Organisiert 1927 mit Ėl' Lisickij die Allunions-Ausst. zur Typogr. in Moskau. 1928 Mitbegr. u.a. mit Aleksej Gan und Sergej Ėjzenštejn der Künstlergruppe Oktjabr' (bis 1932). Ab 1929 für die Plakat-Abt. des Kunstverlags IZOGIZ tätig. Mitgl. und Vize-Präs. der Vrg revolutionärer Plakatkünstler (Ob''edinenie rabotnikov revoljucionnogo plakata); 1931-32 Mitgl. RAPCh. 1938 wird K. in Moskau verhaftet (u.a. mit A.Drevin) und am 11.2. als angebliches Mitgl. einer nationalistischen lettischen Vrg zum Tod verurteilt. 1956 wird der Fam. mitgeteilt, er sei 1944 in einem Lager in Lettland (and. Quellen: Kasachstan) gestorben. - K. zählt zu den zentralen Persönlichkeiten der russ. Avantgarde nach 1917. Sein Werk, das v.a. Malerei, Grafik, Plakatkunst, Ill., Fotogr. und Bühnenbilder umfasst, ist ein markantes Beispiel für die tragische Logik der Kunstentwicklung in der Stalin-Ära: ausgehend von romantischen Utopien gerät die Kunst zur Ideologie und folgt ausschl. dem utilitaristischen Prinzip. K.' Arbeiten sind nach dem Stud. in den Freien Künstler-Wkstn v.a. vom Suprematismus inspiriert, z.B. Supremātiska kompozīcija (1919, Mischtechnik/Lw., Nat. KM Riga). Den Übergang von der suprematistischen Komp. zu einer abstrakt-gegenständlichen Darst. ill. z.B. das Projekt Dinamičeskij gorod/Dynamische Stadt (1919-20, Mischtechnik auf Papier bzw. Holz, State MCA Thessaloniki). Die Zusammenstellung der geometrischen Bildelemente erinnert an Entwürfe für eine kommunistische Idealstadt. K. entwickelt nach dem Vorbild Ė.Lisickijs ab 1919 (später zus. mit V.N. Kulagina) auch eine R. dreidimensionaler Modellkonstruktionen aus Holz und Papier und konzentriert sich auf die Erforschung von Mat.-Eigenschaften, z.B. Prostranstvennaja konstrukcija/Raumkonstruktion (1921, Nachbau MHK, Mus. Fridericianum Kassel). Nach dem Anschluss an die Gruppe der Produktivisten (u.a. Aleksandr Rodčenko, Vladimir Tatlin) A. der 1920er Jahre propagiert K. konsequent eine Kunst für die Massen und entwickelt erfolgreich Agitationsformen v.a. im Bereich der Ill. und Plakatkunst. Sie zeichnen sich aus durch prägnante Raumlösungen, unerwartete Paradoxa und die Kombination bildnerischer Details. 1922 konzipiert K. zum fünften Jahrestag der Oktoberrevolution eine Ser. teilw. tragbarer Agitprop-Stände, die multifunktional Lautsprecher, Plakatwände und Zeitungsaushänge miteinander kombinieren. Schon um 1918 unternimmt K. Versuche auf dem Gebiet der Fotomontage und gilt als einer ihrer Erfinder. Zu den ersten Arbeiten zählt u.a. Ėlektrifikacija vsej strany/Die Elektrifizierung des ganzen Landes (1920, Slg M.C. Berman New York). Aus Kostengründen lassen sich K. und seine Ehefrau oft selbst als Arbeiter oder Bauern fotografieren. Die Montagen K.' sind dynamisch komponiert und weisen räumliche Verzerrungen sowie wechselnde bzw. kollidierende Perspektiven auf. 1925 verwendet er z.B. Fotomontagen für die Ill. zu Vladimir Majakovskijs Poem Vladimir Il'ič Lenin. Für die Internat. Ausst. Film und Foto des Dt. Werkbundes in Stuttgart 1929 entwirft K. den Umschlag für den Bd Film und Filmkunst in der UdSSR (Mo./B. 1928). Er gestaltet daneben zahlr. Zss.-Cover, u.a. für Vremja und Stroitel'stvo Moskvy. K. fasst die Fotomontage als Synthese aus dok. Fotogr., grafischen Elementen, Typogr. und Design auf. Zus. mit S.Sen'kin produziert K. bereits 1927 die ersten druckgrafisch hergestellten Plakate in Fotomontage-Technik. Bemerkenswert ist die bildtechnisch und typogr. aufwändig gestaltete Plakat-Ser. mit neun Sportmotiven für die Spartakiade 1928 in Moskau. Im gleichen Jahr präsentiert K. auf der internat. Ausst. Pressa in Köln das sog. Schauobjekt Der siebenstündige Arbeitstag. 1931 lernt er bei der internat. Fotomontage-Ausst. im KGM Berlin John Heartfield kennen. Theoretische Beitr. zur Fotomontage veröff. K. u.a. in den Zss. LĖF und Izofront (dt. in: H.Gassner/E.Gillen, Zw. Revolutionskunst und sozialistischem Realismus, Köln 1979). Mit voller Überzeugung fördert K. nach 1930 den Stalin-Kult, z.B. Da zdravstvujet Stalinskoe plemja geroev stachanovcev!/Es lebe das Stalinsche Geschlecht der Stachanov-Helden! (1936). Das Plakat zeigt Stalin in leichter Untersicht am Rednerpult. Der Saal, Balkone und die Empore sind besetzt mit bek. Vertretern der sowjetischen Ges., die alle begeistert Beifall spenden. Ähnlich propagandistisch sind die Plakate für den 1. Fünfjahres-Plan gestaltet, u.a. Erster Mai. Auf in den Kampf für den Fünfjahres-Plan (1931, beide Russ. Staats-Bibl. Moskau). 1937 konzipiert K. Fotomontagen für den sowjetischen Pavillon auf der WA in Paris. A. 1938 nützt K. die devote Haltung Stalin gegenüber nichts mehr. Erst 1961 setzt mit einer Ausst. im Majakovskij-Mus. Moskau (K) die Rehabilitation ein.

WERKE

Basel, MfG. Essen, Mus. Folkwang. Köln, Mus. Ludwig. London, Tate Modern. Moskau, Tret'jakov-Gal. New York, MMA. Ottawa, NG of Canada. Paris, Centre Pompidou. Riga, Nat. KM. Salzburg, MdM. San Francisco/Calif., MMA. Valencia, IVAM.

AUSSTELLUNGEN

Einzelausstellungen:

1970, '82 Riga, Nat. KM (K) / 1988 Köln, Gal. Gmurzynska (K) / 1991 Kassel, Mus. Fridericianum; Madrid, CARS (K, Retr.) / 2005 Strasbourg, MAMC (K) / 2008 Den Haag, Gemeente-Mus. (K) / 2009 Córdoba, Centro Cultural Vimcorsa; Sevilla, Centro Cultural Cajasol (K) / 2013 Moskau, Tret'jakov-Gal. -

 

Gruppenausstellungen:

1922 Berlin, Gal. van Diemen: 1. Russ. Kunst-Ausst. (K) / 1992 Frankfurt am Main, Schirn: Die große Utopie. Die russ. Avantgarde 1915-1932 (K) / 1995 Essen, Folkwang Mus.: Glaube, Hoffnung, Anpassung. Sowjetische Bilder 1928-45 (K) / 2003 Hannover, Sprengel Mus.: Cubisme, Kubizm, Kubismus (K) / 2005 Barcelona, Fund. Joan Miró: Mestres del collage, de Picasso a Rauschenberg (K) / 2006 Genua, Pal. Ducale: Tempo Moderno (K); Madrid, Mus. Thyssen-Bornemisza: Vanguardias rusas (K) / 2007 Essen, Dt. Plakat-Mus.: Zeitzeiger. Plakate aus zwei Jh. (K) / 2008 Vaduz, KM Liechtenstein: Malewitsch und sein Einfluss (K) / 2011 Chicago, Art Inst.: Avant-garde art in everyday life (K) / 2024 Dortmund, Dt. Fußball-Mus.: In Motion - Kunst und Fußball (K).

 

QUELLEN

Weitere Lexika:

Milner, 1993; ChudSSSR IV.2, 1995 (Lit.); MAB II, 1996; DA XVIII, 1996; R.Kostelanetz, A dict. of the Avant-Gardes, N. Y. 22000; Dict. mondial de la photogr., P. 2001; Illjustrirovannyj slov. russkogo isk., Mo. 2001; H.-M. Koetzle, Das Lex. der Fotografen, M. 2002 (†1944 Arbeitslager in Kasachstan); R.Lenman (Ed.), The Oxford companion to the photograph, Ox./N.Y. 2005

 

Gedruckte Nachweise:

L.J. Oginskaja, G.K., Mo. 1981; H.Gassner, in: L'art et les révolutions. XXVIIe Congrès Internat. d'Histoire de l'Art, II, Strasbourg 1992, 89-116; Severjuchin/Lejkind, 1992; K.Gruber, in: B.Marschall (Ed.), Theater am Hof und für das Volk, W./Köln 2002, 447-453; M.Tupitsyn (Ed.), G.K., V.Kulagina. Photography and montage after constructivism, Göttingen/Lo. 2004; J.N. Petrova (Ed.), Russian and Soviet collages, Bad Breisig 2005; C.Garbagna (Ed.), Collage/collages. From cubism to new dada, Mi. 2007; F.Emslander, in: K.Kraus (Ed.), Von der Fläche zum Raum. Malewitsch und die frühe Moderne, Köln 2008, 42-51; T.Gorjatschewa, in: ibid., 118-127; M.Gough, New German Critique 36:2009(2)133-183; P.Krilovs, G.K. L'homme qui créa l'image du paradis soviétique (DVD), P. 2009; A.E. Snopkov u.a., G.K., V.Kulagina. Plakat, knižnaja grafika, žurnal'naja grafika, gazetnji fotomontaž 1922-37, Mo. 2010; I.Derkusova, in: R.Ferré (Ed.), La Caballería Roja. Creación y poder en la Rusia soviética de 1917 a 1945, Ma. 2011, 158-179; S.O. Chan-Magomedov, G.K., Mo. 2011

 

Onlinequellen:

Arch. der russ. Ges. Memorial